Beiträge von Enno

    Ich bewege mich nicht, erklärst Du. Okay, mag sein, obwohl ich das (vor allem in der Innenbetrachtung) anders sehe. Aber wer von den hier Diskutierenden hat sich "bewegt"? Du? Heike? Didi? Gar "Muriel"? Irgendwer? Ich habe die > 200 - zum Teil ziemlich langen - Antworten in diesem Thread soeben nocheinmal gelesen, aber ich habe nichts gefunden, das sich nach Bewegung anfühlt. Warum also meinst Du, das von mir verlangen zu können? Weil mein Standpunkt falsch ist? Oder aus welchen Gründen?


    (Mein Ironiedetektor ist übrigens lädiert, aber er hat doch ein, zwei Male bei Dir angeschlagen.)

    Hallo Tom.


    Ich meine nicht, irgendwas von dir verlangen zu können, ebenso wenig, das getan zu haben. Zwar verstehe ich, dass du das so verstanden hast. Aber der Witz an meinem letzten Post war, dass ich ihn trotz des ironischen Tons ernst gemeint habe. (Ok, bis auf das mit der genialen Metapher.) Ich habe sozusagen nur beschrieben, was ich wahrzunehmen glaube. Und Mutmaßungen darüber angestellt, was in jemandem vorgehen könnte, der in einem 200-Post-Thread am Ende die ganz großen Buchstaben rausholt. Mir war schon klar, dass die so nicht stimmen. Aber es waren ja auch nur Mutmaßungen.


    Dein Standpunkt ist nicht falsch. In meinem Universum kann er gar nicht falsch sein. Aber richtig auch nicht. Es geht nicht um den Standpunkt; mir jedenfalls nicht.


    Es geht mir nicht um deine Meinung. Es geht mir um deine Gewissheit.


    Wenn sich jemand mit etwas sehr lange und intensiv auseinandergesetzt hat und seine Meinung gut begründet ist und genau deshalb jetzt auch feststeht, und zwar bis in die feineren Verästelungen hinein, bis in die einzelne Formulierung, bis ins einzelne Wort: das nenne ich Selbstgewissheit.


    Es ist kein Zufall, dass wir an bestimmten Punkten des Diskurses um einzelne Worte gerungen haben.


    Mich stören Meinungen, die anders sind als meine, eher nicht. Mich stören Gewissheiten.

    Hallo Tom.


    Danke für deine Erklärungen.


    Ich bewundere das schon lange. Andere Leute sind beleidigt, schlagen Purzelbaum, sagen Ich bin raus. Du nicht. Du sagst nie Ich bin raus. Du bist immer bereit weiterzureden. Du beleidigst andere auch nicht wirklich, und wenn du dich in einem Ausnahmefall (wie hier mit Heike) doch mal im Ton vergreifst, dann ist das eben eine Ausnahme und du versuchst dich zu entschuldigen. Du läufst nicht einfach weg. Ich bewundere das.


    Was ich dagegen nicht bewundere, das ist das, was du machst, während du so standhaft ausharrst im Diskurshagel. Manchmal habe ich das Gefühl, du hast da etwas missverstanden. Nicht weglaufen heißt nicht, dass man sich nicht bewegen darf.


    In meiner (vollkommen subjektiven) Wahrnehmung bewegst du dich nämlich nicht. Vielleicht wechselst du mal das Standbein, lockerst die Nackenmuskulatur, bohrst in der Nase. Aber ganz bestimmt verlässt du nicht deinen Standpunkt.


    Warum auch? Wenn es nun mal der richtige ist. Darum stehst du ja dort. Du guckst ihn dir immer mal wieder an, schon deshalb, weil andere meinen, dass irgendwas nicht stimmt damit, irgendein Detail. Vielleicht irgendwas an deiner Kleidung? Manchmal habe ich sogar schon das Gefühl gehabt, dass du im Geist ausprobiert hast, dich ein paar Schritte wegzubewegen. Was natürlich nichts ändert. Am Ende stellst du fest: Nein, hier stehe ich. Alles richtig.


    Aber anstrengend ist das schon. Völlig klar, dass du irgendwann auch mal das Gefühl hast, ausrasten zu müssen. Ist wahrscheinlich unvermeidlich. Und außerdem, wie soll man denn sein Revier verteidigen, wenn man sich nicht bewegt.


    Zum Glück gibt es andere Möglichkeiten. Eine besonders bewährte Methode ist ja das Brüllen. Ganz archaische Sache, funktioniert aber wahrscheinlich gerade deswegen. Wenn man sich nicht bewegen darf, kann man mit Lautstärke immer noch eine Menge ausrichten.


    Ich muss gestehen, ich diskutiere nicht gern mit Leuten, die sich allzu sicher sind. Noch weniger mit solchen, die herumbrüllen. Das ist eine Schwäche von mir. Es liegt daran, dass es mich so anstrengt. Und meistens überfordert. Ich kann auch nicht so gut standhalten. Ich muss immer ein bisschen rumlaufen. Und Geschrei macht mir Angst. Ich bin einfach zu sensibel für so männliche Diskurse.


    Und natürlich geht mir völlig ab das eigentliche Künstlerische. Ich hab da einfach keinen Zugang.


    Scheiße ins Gehirn: Wow. Ganz große Metapher. Wie machst du das nur? Ich komme einfach nicht auf solche genialen Bilder. Das ist noch besser als der weichgespülte Dünnschiss.


    Selbst so eine Trantüte wie ich kommt da ein bisschen aus dem Grübeln heraus.


    Nochmals danke für deine inspirierenden Bemerkungen.

    Ich weiß nicht, wann das gekippt ist, dieses Verhalten. Gefühlt würde ich sagen, irgendwann ein paar Jahre nach der Jahrtausendwende, mindestens aber vor einem Jahrzehnt.

    So etwas kippt nicht in zwei oder drei Jahren. Wenn es sich überhaupt um eine Art Kippen handelt, dann dauert das eher ein Jahrzehnt, und zu Ende ist das noch nicht. Nicht ganz zufällig scheint es sich um den Zeitraum zu handeln, in dem auch der Aufstieg der Sozialen Medien stattfindet.

    Vielleicht sind wir überfordert mit dieser Art der Kommunikation, mit diesem ungefilterten permanenten Stimmengewirr von überallher. Also filtern wir: mit dem ja, mit dem nicht

    Nur so ein Gedanke.

    (Fortsetzung)


    Deine zentrale Aussage ist: Die Freiheit der Kunst ist existentiell bedroht. Ich habe extra noch mal nachgefragt, ob du auf einer solchen starken Formulierung bestehst. Du hast bestätigt: Ja, genau so ist es.


    Nicht: die Kunst wird angegriffen. Sondern: sie ist existentiell bedroht. Sie ist in Gefahr.


    Die Art, wie das rüberkommt, macht mir leider wenig Lust auf eine weitere Diskussion über den Punkt. Offenbar reicht es dir aus, wenn Standpunkte ausgetauscht werden. Mit Begründung und Argumentationskette.


    Dass an dem, was die politisch Korrekten sagen, auch etwas interessant sein könnte, ist deinem Beitrag nicht zu entnehmen. Du lässt wenig gelten. Ich zitiere die zwei Stellen aus deinem Artikel, an denen du andeutest, dass du einen kleinen Spielraum siehst für Differenzierungen: Das kann in Teilbereichen durchaus vernünftig sein, - gemeint ist Vorsicht. Es mag Kontexte und Situationen geben, in denen das sinnvoll ist (ich arbeite an einer diesbezüglichen Liste, aber sie ist noch nicht sehr lang), doch in der Kunst und damit der Literatur ist derlei, um es mit Lukas Bärfuss‘ Worten zu sagen, fehl am Platze. Da ist Rücksicht gemeint, siehe Lukas Bärfuss, bzw. politisch korrekte Sprache. Mehr lässt du nicht gelten. Der Rest ist völlig irrational (Sicherheitsdenken), halt- und belanglos (Theorie der Mikroaggressionen). – Worüber soll man da kontrovers diskutieren? Der Diffenrenzierungsspielraum ist von vornherein so klein, dass man keine Lust hat. Du bestätigst das ja dann sogar ausdrücklich: Ich sehe da wenig Diffenrenzierungsspielraum.


    Aber wir haben es hier nicht mit Wahrheiten und Realitäten zu tun, die man so einfach feststellen kann. Die Umkämpftheit dieser Themen ist ein Fingerzeig: Wenn sich schön sauber feststellen ließe, wie es sich WIRKLICH verhält, dann wäre das alles deutlich weniger strittig. Über Einzelfälle und über Teile des Phänomens könnten wir wahrscheinlich Übereinstimmung erzielen. Aber schon das wäre kein leichtes Unterfangen. Welchen Comedian nehmen wir genauer unter die Lupe mit seinen Witzen, seinem Publikum, seinen Erlebnissen mit diesem Publikum und der Gefährdung seiner Existenzgrundlage? Ja ich bekenne mich. Ich bin die Nervensäge, die immer darauf hinweist, dass selbst die Einzelfälle weitaus komplizierter sind, als wir uns das so in unseren Argumentationsketten zusammenbasteln.


    Am Ende deiner Argumentationskette steht die Erfahrung am eigenen Leibe. Falls sich das so anhört, als würde ich mich darüber lustig machen: nein, tue ich nicht. Ich halte die eigene Erfahrung für die wichtigste Orientierung, die wir haben. Allerdings habe ich eine Anmerkung zu dem, was du berichtest. Hier die Stelle aus deinem Artikel:


    Zitat

    Schlimmer noch, es hatte mein Schreiben erreicht. Wenn ich mich in der Anfangsphase neuer Projekte befand, in Schreibklausur saß und, wie normalerweise, die ersten Seiten im Flow rauspowern wollte, hockte ich auf einmal stattdessen gefühlte Ewigkeiten vor einzelnen Formulierungen und grübelte. Ich stellte Figuren infrage, Szenen und Teile des Plots. Ich überlegte, ob ich den Eindruck erweckte, als Autor frauenfeindlich, rassistisch, ableistisch oder in anderer Weise herabsetzend unterwegs zu sein. Die Sittenwächter hatten es geschafft. Sie hatten mir ein Schreibkondom übergestülpt. Ich war auf dem besten Weg zum weichgespülten Dünnschiss, ganz ohne Sensitivity Reader.


    Auf mich wirkt deine Schilderung unfreiwillig komisch. Das Dramatische, das du die ganze Zeit ankündigst, das ist es also? Der ultimative Beweis, wie weit die schleichende Demontage der Kunstfreiheit bereits ist und wie wirksam, ist für dich die anscheinend neue Erfahrung, Figuren, Szenen und Teile des Plots in Frage zu stellen?


    Ja, natürlich verstehe ich dich da absichtlich falsch. Stellen wir es mal richtig. Du schreibst, dass du gefühlte Ewigkeiten vor einzelnen Formulierungen gehockt hast anstatt die ersten Seiten im Flow rauszupowern. Für mich klingt das nach einem klassisches Kreativitätsproblem. Sowas lässt sich lösen. Der hier auch schon als Vorläufer genannte Friedrich Schiller empfiehlt (sinngemäß), den Zensor in dieser Phase einfach zu ignorieren und die Wörter ungefiltert aufs Papier zu bringen; sortieren kann man später. Wenn das bei dir eine Zeit lang nicht ging, ist das eine durchaus nicht ungewöhnliche Schaffenskrise. Das Vorgehen, das Schiller empfiehlt, lässt sich aber trainieren. Im Creative Writing sind unzählige Methoden dafür entwickelt worden.


    Aber das alles meintest du wahrscheinlich nicht.


    Ich habe offenbar dein Problem nicht verstanden. Stattdessen habe ich gedacht: Ich fände das gar nicht so schlimm, wenn Tom an seinen Texten ein wenig länger sitzt.


    Zum Beispiel (um darauf zurückzukommen) dein Artikel. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass du ihn nicht genügend durchdacht hast. Nach deinen Worten war er eben nur ein verdammter Blogbeitrag. Daraus spricht für mich eine gewisse Sorglosigkeit im Umgang mit Medien. Das Schreiben eines Romans kommt dir wichtig vor, aber ein vergleichsweise umfangreicher Blogbeitrag, mit dem du dich mitten in einen der am meisten umkämpften Bereiche der Öffentlichkeit begibst, den stufst du als deutlich weniger wichtig ein? Blogbeiträge können verdammt gute Texte sein. Bist du sicher, dass du dieser Textsorte nicht ein wenig Unrecht antust und sie unterschätzt? Das Hysterische der sozialen Medien besteht zu einem guten Teil darin, dass wir sie viel zu sorglos, zu nachlässig füttern und konsumieren; wir unterschätzen noch immer, womit wir es da zu tun haben.


    In diesem Zusammenhang ein weiterer Punkt, an dem ich deinen Artikel sorglos finde. Es geht darum, das ganze Phänomen anders zu beschreiben. Ich bin auch nicht der Meinung, dass man sich bei jedem Statement brav von beispielsweise der AfD abgrenzen muss, bloß weil die in gewissen Punkten vielleicht etwas Ähnliches sagen wie man selbst. Das Problem sehe ich darin, dass du diesen Bereich zu wenig reflektierst. Politische Korrektheit als Diffamierungsvokabel, als denunzierender Kampfbegriff, das ist eine Sache der Rechten. Wenn du dich in diesem Feld bewegst, dann musst du das Ganze sorgfältiger ausleuchten. Du willst dich nicht irgendeinem idiotischen Lager zuordnen, aber das ist der schwierigste Standpunkt von allen. Man wird da leicht zerrieben. Einen einfachen Ausweg gibt es da nicht. Aber eins scheint klar zu sein: Man muss dieses Problem von vornherein einbeziehen und beschreiben. Dein Aufsatz würde dann noch länger. Kann sein. Ohne die Reflexion der schwierigen politischen Gemengelage wirkt er naiv, wie ein linkisches Herumirren im Diskurs, ein Poltern und Lärmmachen und Rauspowern. Liberale Elite ein Kampfbegriff der Rechten? Stimmt doch gar nicht. Außerdem, ist mir doch egal.


    Dass dir dieser Diskurs ein bisschen um die Ohren fliegen könnte, hast du nicht vorausgesehen?


    Ich bin eigentlich immer noch nicht fertig, aber das ist schon viel zu lang. (Und wir haben wieder nicht über den Inhalt geredet.)


    Ich fasse noch mal zusammen.


    Falls du über die Inhalte reden wolltest, war deine Strategie nicht zielführend.

    Ich bin in vielen wesentlichen Punkten deiner Meinung. Mich stört der Gestus.

    Du wirbst für deinen Standpunkt. Ich werbe für mehr Sachlichkeit.


    Und abschließend habe ich eine Bitte und einen Vorschlag.


    Zuerst die Bitte: Nimm meine etwas großmäulige Attitüde nicht allzu ernst. In Wirklichkeit müsste ich mich dauernd viel vorsichtiger ausdrücken. Aber dann würde das Schreiben weniger Spaß machen. Da sage ich dir wohl nichts Neues …


    Der Vorschlag: Von meiner Seite würde ich es gern bei dieser Antwort bewenden lassen. Der Diskurs ist ja damit nicht beendet. Wir kommen auf die wichtigen Punkte eh wieder zurück, in irgendeinem anderen Thread. Das ist unvermeidlich. Aber du musst mir nicht ein weiteres Mal erklären, wie du das alles gemeint hast. Wirklich nur an Punkten, an denen ich dich wirklich völlig missverstanden habe. Da natürlich schon.


    Ich will nicht das letzte Wort haben oder so. Ich will mich auch nicht entziehen. Aber ich würde jetzt WIRKLICH GERN was anderes machen. Zum Beispiel dieses Buch lesen, das ich schon länger auf der Liste hatte und mir vorgestern gekauft habe:


    Die große Gereiztheit


    Schönes Wochenende

    Enno


    PS.

    Fiktives Zitat von (füg irgendeinen Namen ein)


    Zitat

    Alles klar. Enno hat die Katze aus dem Sack gelassen. In Wirklichkeit geht es ihm bei dem ganzen Gerede auch nur darum, Vorschriften zu machen. Tom soll DIESES Wort bitte nicht benutzen und bei JENEM Begriff bitte erst im Forum nachfragen, ob es auch allen genehm sei, wenn er ihn in dem und dem Zusammenhang verwendet.


    Genau. So meinte ich das. Jetzt kann ich mich ja outen. Ich bin Polizist. Hiermit ist Tom verhaftet. Er hat DIKTATUR gesagt. Darauf steht die Todesstrafe (Steinigung). Aber weil unser Diktator heute milde gestimmt ist, lässt er Gnade walten und wandelt das Urteil in eine lebenslängliche Haftstrafe um. Tom muss ab jetzt für immer in diesem Thread leben. Besuche nur sonntags und einzeln. Besucher*innen werden auf das Mitführen unerlaubter Wörter kontrolliert. Das Mitbringen von Links ist untersagt.

    Hallo 42er.


    Ich entschuldige mich bei allen, dass mein folgender Redebeitrag so lang ist; soo lang, dass er deutlich über der 10.000-Zeichen-Grenze liegt. Deshalb ausdrücklich: Niemand muss das lesen. Nur Tom, der schon. :)



    Hallo Tom.


    Ich bin dir noch eine Antwort schuldig, und ob du sie nun haben willst oder nicht, du kriegst sie. Ich beziehe mich auf deinen Post #84.


    Zitat

    Hier wurde und wird viel über den Beitrag gesprochen, aber vergleichsweise wenig über den Inhalt.


    Hier im Forum konnte man schon oft beobachten, dass es umso weniger um den (strittigen) Inhalt von irgendwas geht, je mehr ein Beitrag seine Aussagen zuspitzt. Warum ist das so?


    Ich kann es nur auf meine ganz naive Art sagen. Wenn der Affekt angesprochen wird, reagiert man automatisch zuerst darauf. Das hat Vorrang, da sind wir biologisch programmiert. Je stärker du mich auf der Affektebene ansprichst, desto schwächer reagiere ich auf deinen Inhalt. Du hast da eine Schachtel mit Kondomen an die Schlosstür genagelt. Was war es noch mal, worüber du reden wolltest?


    Zitat

    Du schreibst (sinngemäß), er [der Artikel] würde sich der gleichen Methoden bedienen, die die "sozialen" Medien ausmachen/kennzeichnen.


    Naja, eigentlich schreibe ich das so nicht. Vor allem schreibe ich nicht das, was du dann ausführst. Du erläuterst in einem längeren Absatz, wie die Sozialen Medien funktionieren. Dann fragst du:


    Zitat

    Und so verhält es sich mit meinem Beitrag auch?


    Ich glaube, das nennt man eine rhetorische Frage. Der lange Absatz hat den Zweck, ein möglichst klares Nein hervorzubringen.

    Ok, meinetwegen. Hier ein klares Nein, so verhält es sich natürlich nicht mit deinem Text.


    Ich habe es aber sowieso vorsichtiger ausgedrückt: dein Aufsatz reproduziere das Hysterische der sozialen Medien.

    Mit dem Hysterischen meinte ich so etwas wie Erregung, Empörung, Frontenbildung. Alarmismus und Entdifferenzierung.


    Und DAS reproduziert dein Aufsatz?


    Jein. Ich bin gern bereit, das differenzierter auszudrücken. Dein Artikel reproduziert in gewissem Sinne und zu einem gewissen Teil das Hysterische der sozialen Medien. Indem er stärker zuspitzt und mehr Erregung produziert und provoziert als nötig, indem er das Zustimmung-Ablehnung-Schema stärker bedient als nötig.


    Nehmen wir die Wörter. Du gebrauchst mit Vorliebe die stärkeren. Diktatur zum Beispiel, wenn Diktat vielleicht auch aussagekräftig wäre. (Und eventuell immer noch diskussionswürdig.)


    Das kannst du so machen. Aber es sind Signale. Die sendest du damit aus.


    Aber es IST Diktatur, sagst du.


    Sicher? Nicht lediglich deine Formulierung, deine Ansicht? Null Differenzierungsspielraum?


    Wenn du von vornherein die Definitionsmacht für die Begriffe beanspruchst, die in einem Diskurs benutzt werden, ist es für die anderen Teilnehmer schwierig, sich gleichberechtigt zu fühlen. Begriffe sind etwas, das man gemeinsam aushandeln könnte.


    Wie mühsam: Begriffe aushandeln. Wie lange soll das dauern? Wie soll man dann überhaupt noch irgendwelche Aussagen machen?


    Das ist ein berechtigter Einwand. Andererseits wird es schwierig, einen gemeinsamen Nenner zu finden, wenn jemand komplett auf seiner Sicht (und das heißt: seiner Formulierung) der Dinge beharrt. Außerdem muss keineswegs jeder Begriff ausgehandelt werden. In jedem Diskurs gibt es ein paar zentrale Begriffe. Um die geht’s.


    Zitat

    Die in diesem Beitrag formulierten Standpunkte polarisieren, außerdem sind die Kernthemen mit einer Vielzahl Nebenthemen verbunden. Es geht um Kunst, um Kommunikation, um Soziologie, es gibt gesellschaftliche, politische, soziale, kulturelle Implikationen. Das erschwert es möglicherweise auch hier, sich in einem Gespräch miteinander auf das wesentliche zu konzentrieren.


    Möglicherweise.

    Was ist übrigens das Wesentliche? Möglicherweise sind wir uns schon darüber nicht einig.


    (Fortsetzung im nächsten Post)

    Hallo 42er.


    Irgendwo in diesem Thread machte Tom den Vorschlag, das Liken per Button nicht abzuschaffen, aber dem jeweiligen Like eine Erklärung beizufügen.

    Es fraktioniert, es reduziert Inhalte auf das zustimmende Votum, gerade bei solchen Diskussionen. Bei Texten und Rezensionen ist es nicht schlecht, weil es simples, positives Feedback signalisiert, aber hier und in vergleichbaren Gesprächen ist es ein Spaltpilz. Ich finde, man kann sich das durchaus ein paar Worte kosten lassen, wenn man zustimmt. Dann kann man auch verdeutlichen, welchem Teil man zustimmt, denn die Beiträge sind ja meistens nicht eben kurz. ;)

    Spontan hätte ich das beinahe gelikt.

    Dann habe ich drüber nachgedacht.


    Um aus den Schleifen der Missverständnisse, Unterstellungen, Meinungs-Gegnerschaften, Gekränktheiten usw. herauszukommen, würde es wenig helfen, einen Like-Button zu erklären. Im Gegenteil. Ich tendiere dahin, die Likes als das harmlosere Übel anzusehen. Gegenüber den Erklärungen. Wo in zwei, drei Sätzen viel leichter eine kritische Masse produziert wird als mit zwanzig oder dreißig Likes.


    Wir klicken nicht nur zu schnell und zu viel auf idiotische Buttons. Wir reden auch zu schnell zu viel in Diskussionen, die uns permanent über den Kopf wachsen. Oder was sonst besagt die Erfahrung der letzten zehn Jahre? Diese völlig irreführend so genannten sozialen Medien sind uns so über den Kopf gewachsen, dass wir das als Thema kaum zu hoch ansetzen können.


    Erklären und begründen können auch Flachwelttheoretiker und Holocaustleugner. (Notwendige Anmerkung: Ich will niemanden hier in die Nähe von Holocaustleugnern stellen, es handelt sich nur um ein Beispiel.) Was ich sagen will: An Erklärungen und Begründungen mangelt es gar nicht. Sondern an sinnvoller Kommunikation. An nicht hysterischer, langsamer, ruhiger, vernünftiger Kommunikation.


    Meine Statements besagen im Wesentlichen dies: Das Hysterische der sozialen Medien, das wird in Toms Artikel reproduziert. Das war meine Behauptung. Die ich übrigens nicht als widerlegt ansehe. Aber sehr wohl als zurückgewiesen, als abgelehnt. Sie ist sozusagen nicht zustimmungsfähig.


    Na gut.


    Ebenso wenig zustimmungsfähig sind ja meine Anmerkungen zu der mit einer gewissen Regelmäßigkeit auf hohem Niveau misslingenden Kommunikation in diesem Forum. In Kurzform: Erklärt und begründet wird in den Beiträgen hier reichlich. Aus irgendwelchen Gründen (vielleicht weil bloßes Erklären und Begründen zu anstrengend ist, zu langweilig?) wird auch gern ein bisschen polemisiert und Rumpelstilzchen getanzt. Und gern auch mal ein bisschen mehr, je nach Gefühlslage. Für mein Empfinden ist das ein Problem. Aber das ist eine Minderheitenmeinung, und diese Minderheit scheint wirklich nicht sehr groß zu sein. Zustimmungsfähig scheint eher dies: Das Ganze muss so sein. Weil Kommunikation so sein muss. Genau so. So wie hier. Wie in diesem Thread, und in fünfhundert anderen. Weil schon Lessing, Goethe & Schiller polemisiert haben, ganz zu schweigen von Heine, Kraus, Tucholsky. (Diese Begründung fand ich so schlagend, ich bin immer noch damit beschäftigt, meinen herabgefallenen Unterkiefer wieder einzurenken.)


    Dass mir eine gewisse Art der Kommunikation nicht behagt, das habe ich nicht zum ersten Mal zum Ausdruck gebracht. Wahrscheinlich auch nicht zum letzten Mal. Aber ich bekomme bestimmt ganz viel Zustimmung, wenn ich ankündige, dass ich es für dieses Mal gut sein lasse, Ich finde es übrigens selbst anmaßend von mir, als Quasi-Zaungast solche Dinge anzusprechen. Natürlich ist die Kommunikation hier im Forum so, wie sie ist, weil sie von der Mehrheit der Teilnehmer so getragen wird (oder von der Mehrheit der tragenden Teilnehmer so gewollt ist). Es ist anmaßend von mir, das nicht zu akzeptieren. Deshalb: Also gut, ich akzeptiers für heute.


    Passenderweise scheint die hochspannende und fruchtbare Diskussion in diesem Thread ja auch an ein glückliches Ende gekommen zu sein. Das ist doch ein schönes Ergebnis. Ich meinerseits mache da gern einen Punkt.


    Falls ich mich nicht klar genug ausgedrückt haben sollte: Dies ist keine Provokation. Dies ist eine Resignation.

    Hallo Tom.


    Danke für deine Erklärungen.


    Du nennst deinen Text ein Statement. Den Begriff habe ich von dir auch schon in anderem Zusammenhang gelesen. Für mich erklärt er ein wenig, wo das Missverständnis anfängt. Bei einem solchen (nach heutigen Maßstäben) etwas längeren Aufsatz erwarte ich eher so etwas wie einen Essay. Also ungefähr das Gegenteil eines Statements. Essayistisches Schreiben zeichnet sich durch eine Art Suchbewegung aus. Ein Statement, das sagt schon das Wort, ist weniger eine Bewegung, mehr ein Hiersteheich, ebenso kein Suchen, sondern ein Gefundenhaben.


    Natürlich ist das nur meine subjektive Erwartung. Anderen Leuten kann ein Statement gar nicht lang genug sein. Die Erwartungen an Texte sind eben verschieden.


    Du sagst, du wirbst für deinen Standpunkt. Das ist mir gar nicht so klar gewesen. Jetzt, da ich es weiß, begreife ich manches besser. Aber manches finde ich immer noch merkwürdig. Du wirbst für deinen Standpunkt, indem du Fallen stellst? Ok, ist natürlich ein Denkfehler meinerseits. Die Leute, denen du Fallen stellst, um deren Zustimmung wirbst du gar nicht. Im Gegenteil. Bei denen geht es dir darum, sie sich selbst demaskieren zu lassen. Also eine Art Abgrenzungsstrategie. Was übrigens vollkommen legitim ist. Du kannst dich abgrenzen von wem du willst.


    Trotzdem, so richtig durchdacht kommt es mir immer noch nicht vor. Dass sich die unsäglichen Muriels, die sowieso nicht gesprächsbereit sind, in ihrer ganzen himmelschreienden Borniertheit und Aggressivität outen, das finde ich eher unnötig. Das machen sie ja schon oft genug, warum also noch mal und noch mal? Und warum benennst du deinen Kunstgriff nicht als das, was er ist, eine Falle, sondern, dein Wort, als eine Brücke, die du baust. An deren anderem Ende ein Pappkamerad mit einem Schild steht: sexistischer alter weißer Mann. Ich kann mir nicht helfen. Irgendwas stimmt da nicht.


    Ursprünglich hatte mich die Frage beschäftigt, ob es vielleicht auch was mit deinem Text zu tun hat, wenn Leute dich missverstehen. Es unterliegt ja keinem Zweifel, dass es hauptsächlich mit den Leuten selbst zu tun hat, und natürlich mit den Tücken der Kommunikation, zumal der Kommunikation in den sozialen Medien. Aber vielleicht doch auch mit deinem Text? Mit einigen stilistischen Eigentümlichkeiten, vielleicht auch mit einem nicht ganz leicht beschreibbaren Gestus des Rechthabens? Oder mit deinem eigenen Verständnis deines eigenen Textes? Sozusagen mit deinem Selbstverständnis?


    Was ich ebenfalls immer noch nicht begriffen habe, das ist die Sache mit der Gesprächsbereitschaft. Das ist ja etwas, was dich stört an diesen Leuten, dass sie so wenig (null) gesprächsbereit sind. Wenn du ihnen Brücken baust, warum dann ausgerechnet solche? Kann es sein, dass da mit deiner eigenen Gesprächsbereitschaft irgendwas – Oder habe ich einfach die Art von Gespräch, die dir vorschwebt, noch nicht richtig verstanden? Also noch mal von vorn: Du wirbst für deinen Standpunkt. Handelt es sich um eine Art Verkaufsgespräch? Das würde immerhin das Ermüdende dieser Art von Kommunikation erklären. Meine Gesprächsbereitschaft geht auch immer schnell gegen Null, wenn ich merke, dass mir jemand etwas verkaufen will. Aber das ist Quatsch, oder?


    Oder ganz einfach: Du verstehst unter Gespräch den Austausch von Statements. Tja …


    Enno



    PS.

    Nur noch ganz kurz:

    Die Kunst ist existentiell bedroht: Gehts auch eine Nummer kleiner?

    1. Nein, es geht nicht kleiner. Es ist Tyrannei, Diktatur, Terrorismus.

    Wenn ich Tyrannei, Diktatur, Terrorismus höre, dann denke ich an so etwas wie Gefängnis, Folter, Autobomben. Du denkst an das, was du auf Twitter erlebst. Das auch nicht harmlos ist. Aber in meinen Augen doch noch ein ganzes Stück entfernt von Gefängnis, Folter, Autobomben. Siehst du da vielleicht ein wenig Differenzierungsspielraum? So rein vom Sprachlichen her?


    PPS.

    Simpelstes Schwarzweißdenken im Jahre 2019: Schwarzweißdenken praktizierst du doch selbst.

    2. Aber ich erkläre und begründe. Die "Gefällt mir"-Kultur reduziert alles auf das Votum.

    Verstehe. Du betreibst begründetes Schwarzweißdenken.


    PPPS.

    Und noch mal ganz kurz zu der Sache, um die es dir geht. Meine Formulierung (dass es dir nicht in erster Linie um die Sache geht) war ein bisschen gaga, eine, sagen wir mal, verunglückte Provokation, die ich in der Eile eines verspäteten Sonntagnachmittags habe durchgehen lassen. Hätte ich streichen sollen. Ich habe das geschrieben, obwohl ich keine Sekunde angenommen habe, dass du das Ganze aus dem Bedürfnis heraus machst, deinen Namen unter die Leute zu bringen. Ich bin ganz selbstverständlich davon ausgegangen, dass du den Text veröffentlichst, weil dich diese Dinge seit geraumer Zeit umtreiben. Aber wenn es jemandem um die Sache geht, warum schreibt er dann nicht sachlicher? Klarer? Mit weniger Schnörkeln? Das war so ungefähr der Hintergrund meiner Bemerkung.

    Hallo, Tom.


    Ich habe deinen Aufsatz im Literaturcafé zweimal gelesen; beim zweiten Mal ganz langsam. In vielen Punkten stimme ich überein, einige Abschnitte könnte ich unterschreiben. Brillant finde ich den Text nicht.


    Mir kommt er zu wenig durchdacht vor. Das fängt schon mit der Titelmetapher an. Du teilst deinen Lesern mit, dass du ein Kondom benutzt hast. Beim Schreiben! Und dass das sehr ungewohnt für dich war. Nicht angenehm. Und dass uns Lesern, als denjenigen, die du penetrierst, deine Ergüsse beinahe entgangen wären. – Nein, ganz so schreibst du das natürlich nicht. Aber die Metapher ist peinlich. Dass sich Leute, die dich nicht weiter kennen, beim Lesen deines Textes geekelt haben, wundert mich nicht. Es hat möglicherweise nicht nur mit diesen Leuten zu tun, sondern auch mit deinem Text.


    Um noch ein bisschen bei den Kondomen zu bleiben. Eins deiner Lieblingsallergene ist übertriebene Vorsicht. Es scheint mir nicht völlig an deinem Text vorbei interpretiert, wenn man da einen Zusammenhang liest. Aber Kondom = übertriebene Vorsicht? Ich glaube nicht, dass du das sagen wolltest. Ich denke nur, dass man das leicht so missverstehen kann. Allzu leicht.


    Ist dir egal? Mir wäre sowas nicht egal.


    Natürlich kann man beim Schreiben (inklusive Überarbeiten) nicht alle Konnotationen mitbedenken, die ein Text im Schlepptau hat. (Das geht schon deswegen nicht, weil er sie gar nicht im Schlepptau hat, sondern weil sie immer erst beim Lesen resp. vom Leser hergestellt werden.) Nicht mal einen Bruchteil kann man bedenken. Muss man auch nicht.


    Was man aber schon bedenken kann (nicht muss, nur kann), ist die mögliche Gesamtwirkung. Provoziert der Text? Trollt er? Schreddert er? Füttert er die Bestätigungsblasen der Ähnlichdenkenden? Bringt er zum Nachdenken? usw.


    Was du mit deinem Text vorhattest, ist deine Sache. Selbstverständlich hast du jedes Recht, zu schreiben, was und wie du willst. Andere Leute schreiben in Medien mit sehr viel größerer Reichweite sehr viel provozierendere oder sogar bösartige Kolumnen, gegen die dein Aufsatz der reinste Mörike ist. Mir ist er trotzdem zu wenig sachlich. Von der Gesamtwirkung her. Sowas würde ich bedenken. Nicht unbedingt die einzelnen Konnotationen, die ich ohnehin nicht steuern kann, sondern das Ganze.


    Ein paar Beispiele.


    Zitat

    Im Kern geht es (…) darum, dass die Tyrannei der politisch Korrekten die Kunst erreicht hat – und sie existentiell bedroht.

    Gehts auch eine Nummer kleiner? Ich finde es ja vollkommen richtig, die Kunstfreiheit zu verteidigen, aber können wir dabei bitte auf dem Boden bleiben?


    Zitat

    Dass wir im Jahr 2019 wieder bei simpelstem Schwarzweißdenken angekommen sind, sollte uns kollektiv beschämen.


    Du beschwerst dich über Schwarzweißdenken und baust selbst umfangreiche Dichotomiefelder auf? (Rücksicht, Angst, Übervorsichtigkeit versus Freiheit, Witz, Kreativität)


    Zitat

    Angst ist nicht nur ein schlechter Ratgeber, sondern der mit Abstand schlechteste Ratgeber von allen. Wer Angst davor hat, bei dem, was er tut, einen Fehler zu machen, sollte die fragliche Aktivität lieber lassen, denn etwas Gutes kann dabei nicht mehr herauskommen, vor allem, wenn es um kreative Prozesse geht.


    Kreative Prozesse können auch aus diversen (!) Zuständen von Angst heraus entstehen, sie können diverse Formen von Angst als Begleiterscheinung haben, und selbstverständlich können in der Folge großartige Kunstwerke entstehen. Angst ist bei diesen Prozessen kein schlechterer Ratgeber als Wut oder andere Gefühle. Mir drängt sich der Verdacht auf, dass du deine eigenen kreativen Prozesse zum Maßstab machst. Sind sie aber nur für dich selbst, selbst wenn sie möglicherweise die am häufigsten anzutreffende Praxis von Kreativität darstellen.


    Und mal abgesehen von kreativen Prozessen: Angst ist keineswegs der schlechteste Ratgeber von allen. Da würde ich eher die Selbstgewissheit ganz vorn sehen, die Überzeugung, im Recht zu sein. Oder, ähnlich guter Kandidat, die Ungeduld, die Überzeugung, dass nicht länger gewartet werden darf. Auch der Zorn kann ein ziemlich schlechter Ratgeber sein, der Eifer usw.


    Um ehrlich zu sein, der Satz von der Angst als dem schlechtesten Ratgeber läuft bei mir schon lange unter Coaching-Sprech.


    Ich könnte jetzt noch eine Menge Formulierungen aufgreifen, mit denen du Lesern in deinem Aufsatz signalisierst, dass es dir nicht in erster Linie um die Sache geht. Aber dann wird’s zu lang, und ich denke, es ist auch so klar geworden, was ich meine. Warum schreibst du nicht sachlicher? Nüchterner? Präziser? Warum sezierst du nicht, wie es der Teaser verspricht (der vermutlich nicht von dir stammt, sondern von Wolfgang Tischer)?


    Um im Bild zu bleiben: Du hast nicht seziert, du hast rumgeschnippelt. Da wäre mehr drin gewesen.


    Enno

    Ich will gute Texte lesen. Was sonst?

    Früher war ich überzeugt, dass ich gut schreiben kann; bin ich nicht mehr. Das Meiste, was ich lese, ist besser als das, was ich je schreiben werde. Das ist niederschmetternd. Aber nur aus der Ich-Perspektive. Dass es eine Menge Leute gibt, die das besser können als ich: gut so. Andersherum wär nicht so schön.

    Anja : Möchtest du eine Antwort? (in puncto Religionsunterricht)

    Das ist meinerseits keine rhetorische Frage. Es ist ja möglich, dass du nur dein Statement zu dem Thema abgeben wolltest, und damit ist das für dich erledigt. Das wäre völlig ok, aber da muss ich dann nicht drauf antworten.

    @ alle


    Diesen Religionskampf hier im Forum meine ich schon mehr als einmal erlebt zu haben. Ja lernt ihr denn gar nichts dazu!?


    Aber mal im Ernst. Man könnte bei diesem Thema (Religion) sehr wohl vernunftbasiert argumentieren. Und sich drüber austauschen ohne eklig zu werden. Drei Regeln wären hilfreich dafür.


    1. Wer sich aufregt, regt sich bitte erst mal selber ab, bevor er antwortet. Wenns hilft, eine Runde um den Block. Oder ums Grundstück. Was auch immer ihr so bewohnt.


    2. Weniger Worte, kürzere Statements. Dann kann der Nächste besser drauf eingehen. Und man selber überlegt ein bisschen länger. Das geht dann nicht so schnell. Stimmt. Es handelt sich um einen der wenigen Fälle, in denen Langsamkeit ein Vorteil ist. Schnelligkeit führt halt schnell zur Eskalation.


    3. Beim Thema bleiben. Das ist wirklich eine ganz bewährte Methode. Ich weiß überhaupt nicht, worauf ich in diesem Thread hier überhaupt eingehen wollte sollte möchte? Das franst so aus, irgendwann zuckt man die Achseln und sagt sich: Naja, das Übliche halt. Nächster Thread bitte.


    Ok, ich weiß. Niemand braucht hier solche idiotischen Regeln. Alles erwachsene Menschen.


    Na denn. Nächste Runde.

    Uff. Anstrengender Thread. Ich habe das jetzt tatsächlich alles gelesen.

    Man weiß gar nicht wo man anfangen soll.


    Anja

    Einer der Punkte, in denen ich Tom recht geben würde, ist der, dass die Religionen zu viele Rechte haben und zu viel Raum einnehmen. Ich würde allerdings nicht von Belästigung sprechen, sondern von Benachteiligung. Damit meine ich, dass in Deutschland die Trennung von Staat und Kirche mehr auf dem Papier steht. Eigentlich steht sie noch nicht mal auf dem Papier. Es gibt sie in vielen Bereichen einfach nicht.

    Warum zieht der Staat für die Kirchen die Steuern ein? Warum bezahlen wir die Gehälter von Bischöfen? Warum muss es an öffentlichen Schulen Religionsunterricht geben? Wieso haben die kirchlichen Großvereine (Caritas, Diakonie) ein eigenes, ganz spezielles Arbeitsrecht? usw. (Wenn jemand mehr nachlesen will: Webseite zum Thema.)

    Hallo Tom,


    für meinen Geschmack ist in deinen Ausführungen zu viel vom Beweisen die Rede, vom Widerlegen, von Wahr und Unwahr. In den Wissenschaften wird eine Behauptung immer nur im Rahmen einer bestimmten Theorie bewiesen. Über den Rahmen hinaus kann sie dann immer noch plausibel sein, einleuchtend, vernünftig, interessant. Aber nicht beweisbar.


    Sämtliche abrahamitischen Religionen beanspruchen für sich die absolute Wahrheit, und ihre Anhänger sind also im Besitz derselben.

    Die Anhänger wähnen sich meiner Erfahrung nach in sehr unterschiedlichem Maße im Besitz irgendwelcher Wahrheiten.


    Die Faktenlage wird ignoriert.

    Ursprünglich haben die Religionen die Faktenlage keineswegs ignoriert. Das mussten sie auch nicht, denn die Faktenlage war vor dem 19. Jahrhundert alles in allem recht dünn. Inzwischen ist das anders. Und bestimmte Religionen bzw. Teile derselben arbeiten tatsächlich nach dem Prinzip Faktenlage ignorieren. Aber ich wäre ein bisschen vorsichtiger mit dem Generalisieren.


    Es ist derselbe Weg. Das heißt nicht, dass Religion in Absicht und Wirkung mit Populismus gleichzusetzen wäre, aber strategisch und strukturell folgt man den gleichen Prinzipien.

    Strategisch und strukturell folgt Religion den gleichen Prinzipien wie Populismus: Das nenne ich mal eine simple Antwort.


    Ich bin ja mehr fürs Differenzieren.


    Sag ich mal so von Religionsverächter zu Religionsverächter.

    Ich lese meistens zwei Bücher parallel, Sachbuch und Roman. Das derzeitige Sachbuch:


    ASIN/ISBN: 3596297052


    In diesem Buch erfährt man nicht, was Künstliche Intelligenz ist, dafür muss man anderes lesen, aber man bekommt eine Art Meinungsbild zum Thema, ein ganzes Spektrum an Kommentaren. Die meisten der knapp 200 Autoren sind Wissenschaftler, ein Teil davon mit einem einschlägigen Fachgebiet. Ich finds als Ganzes interessant, hab allerdings erst ein Drittel gelesen. Vielleicht habe ich auch irgendwann genug von den 3-Seiten-Kommentaren und lese lieber was Informativeres. Mal sehen.


    Der derzeitige Roman (SF):


    ASIN/ISBN: B00VCY3W6C


    Da ich gerade was von KI schrieb: Bei Banks haben nichtbiologische Gehirne ganz selbstverständlich einen den biologischen vergleichbaren Status.

    Zitat

    Oft wurde er gefragt, warum er allein gekommen sei, und nach mehreren Missverständnissen versuchte er nicht mehr, ihnen klarzumachen, dass er von dem Roboter begleitet wurde, und sagte einfach, er liebe es, allein zu reisen.

    Ich liebe diese Stellen. Hier was zum Thema Gender-Ideologie:

    Zitat

    »Ich nehme an, es bedeutet, dass diese Leute ihr Geschlecht nicht wechseln können.«

    »Richtig. Gentechnologisch gesehen ist das seit Jahrhunderten in ihrer Reichweite, aber es ist verboten. (..) Auf uns wirkt das pervers und wie eine sinnlose Verschwendung.“

    Wenn man da mitmacht, keinen Blumentopf gewinnt und etwa in Schleswig Holstein wohnt

    Das ist ja das Tolle an dem Verein: in Schleswig-Holstein wohnen UND mitmachen geht nicht. Steht gleich oben auf der Webseite:


    Zitat

    Folgende Bedingungen gelten für die Teilnahme:

    Die Teilnehmer dürfen nicht jünger als 23 Jahre sein und müssen in Franken oder der Oberpfalz leben.

    Vielleicht muss man das einfach auch berücksichtigen, wenn man den selbstverliehenen Titel Stadt der Menschenrechte richtig verstehen will. Das war doch nie so konkret gemeint, und wo ist überhaupt Vietnam. Dieses Land gabs doch im 18. Jahrhundert noch gar nicht.


    Aber ich vermische hier wohl Dinge, die nicht zusammengehören. Literatur, Menschenrechte, Nürnberg, das muss man alles schön sauber trennen.


    Mist, ich muss jetzt schnell was anderes machen. Sonst kriege ich heute Abend wieder Sarkasmus. Dabei ist doch so schönes Wetter.

    Wie schon angedroht, noch mal etwas zum Thema Gewalt in der Steinzeit. Ich machs auch kurz.


    Zitat

    Aber was entspricht denn nun der Welt der steinzeitlichen Jäger und Sammler: die friedlichen Skelette aus Israel und Portugal oder die Schlachthöfe von Jebel Sahaba und der Ofnethöhlen? Die Antwort lautet: Weder das eine noch das andere. Genau wie sich die Jäger und Sammler hinsichtlich ihrer Religionen und gesellschaftlichen Strukturen erheblich unterschieden, gab es offenbar auch große Differenzen bei der Gewalt. Einige Regionen scheinen in Frieden und Harmonie gelebt zu haben, andere scheinen von blutigen Konflikten heimgesucht worden zu sein. (Harari S.83)


    Das klingt differenziert und vernünftig. Mir kommt es trotzdem vor wie eine Vernebelung des eigentlichen Problems. Das ich darin sehe, dass die Steinzeitmenschen in puncto Gewalt vermutlich ein ausgesprochen stressiges Leben hatten. Und zwar alle Steinzeitmenschen, mehr oder weniger. Es geht um etwas so Fundamentales wie das Sicherheitsgefühl. Sich sicher fühlen zu können vor Gewalt, Totschlag, Überfall. Ein ziemlich großer Faktor, wenn man sich so etwas wie individuelles Lebensglück ausmalt.


    Natürlich ist meine Vermutung wacklig. Immerhin wird sie ein bisschen gestützt, wenn man Eine andere Geschichte der Menschheit zu Rate zieht: so der Untertitel von Steven Pinkers Buch über Gewalt. (Auch 2011 erschienen.) Im zweiten Kapitel geht es dort u. a. um die Jäger und Sammler, sowohl die der Steinzeit als auch die heute lebenden. Pinkers These ist, dass die Gewalt im Lauf der Menschheitsgeschichte dramatisch abgenommen hat und dass der erste Schritt zur Befriedung die soziale Organisationsform war (und ist), die wir als Staat kennen. Das heißt dann auch: Nirgendwo mehr Gewalt als in der Steinzeit. Er versucht das zahlenmäßig zu belegen. Und schreibt übrigens auch ausgesprochen suggestiv.


    Nicht dass ich überzeugt bin, dass Pinkers Diagramme und Belege jeder Nachprüfung standhalten würden. Aber auf mich wirken sie trotz einiger Vorbehalte glaubwürdiger als Hararis Abwiegeln.

    Spannende Diskussion. Work-Life-Balance bei den Paläos. Das wäre vielleicht auch ein cooler Ansatz für Kreativseminare. Dino erschlagen, Beeren sammeln, Nachbardorf ordentlich durchschänden und dann etwas entspannende Aquarellmalerei. Allemal besser als dieses Bauernzeug. Die töpfern höchstens und bemalen Schränke.

    Dass die Dinos damals schon eine Weile ausgestorben waren, ist dir aber bewusst, oder?")" Naja, egal. Soll ja ein Kreativseminar sein.

    Ich bin gerade auf S . 241. Kurz vorher bin ich über Hararis Ausführungen zu Imperien gestolpert. Er sieht nur zwei Eigenschaften: Herrschaft über verschiedene Völker und flexible Grenzen mit potentiell grenzenlosem Appetit - kulturelle Vielfalt und flexibles Herrschaftsgebiet (S. 233f.).

    Hararis Vorgehensweise: Er vereinfacht so stark, dass jeder, der sich mit einem der abgehandelten Bereiche ein wenig auskennt, sofort ein paar Einwände hat. Du offenbar auch.


    Nun muss man natürlich vereinfachen, zumal, wenn man ein Büchlein über die letzten 100.000 Jahre schreibt. Aber was taugen die Aussagen am Ende dann noch? Das ist nicht so ganz leicht zu entscheiden. Im Zweifelsfall taugen sie auch unterschiedlich viel. Für mich als normalen Leser ist das vollkommen undurchsichtig.


    Hararis Position ist jedenfalls zu komplex, um sie einfach so abzutun.


    Da stimme ich zu. Ich würde seine Position(en) auch nicht einfach so abtun, ebenso wenig wie du. Andererseits: angesichts der Fachwissenschaft wirkt seine Schreibweise zum Teil wieder stark unterkomplex.


    Das ist wie beim Badminton. Zwischen Federball und Weltrangliste gibt es mehr als drei verschiedene Spielniveaus. Von der Fachwissenschaft bis herunter zum Stammtisch gibt es auch mehr als drei Niveaustufen. Wo ist dieses Buch da anzusiedeln?


    Und: Was ist das eigentlich für ein Sachbuch? Was für eine Textform? Als Wissenschaftsvermittlung würde ich es nicht bezeichnen.