Lernen kann man von allen und jedem.
Nö.
Es kommt auch - und möglicherweise entscheidend - darauf an, was man lernen möchte. Wie lernfähig man selbst ist. Ob man das fragliche Talent hat. Und ob das, was man zu lernen im Begriff ist, auch das ist, was einen voranbringen würde.
Ich bin Viel- und Allesleser, aber ich habe so meine leisen Zweifel daran, dass der Konsum vermeintlich stilistisch gelungener Literatur wirklich in starkem Maße geeignet ist, die eigenen Schreibmuskeln zu trainieren. Dazu gehört erstens schon ein bisschen mehr als nur die Lektüre irgendwelcher Romane, und seien sie auch noch so schwergängig. Und zweitens lernt man auch das Autofahren nicht dadurch, dass man viel Zeit auf diversen Beifahrersitzen verbringt oder sogar nur vom Bürgersteig aus dabei zusieht, wie Leute das machen. Man sieht die Ergebnisse, aber nicht, wie die anderen sie erzielen.
Lesen ist wichtig, wirklich sehr, sehr wichtig, vor allem als Inspiration. Der Weg zu einer guten eigenen Erzählsprache geht aber m.E. anderswo entlang.
Außerdem könnte man einfach alle erfolgreichen und/oder guten Autoren aufzählen. Juli Zeh ist eine Meisterin darin, extrem strukturiert und wohlgeplant zu arbeiten, aber Karen Duves "Regenroman" ist in meinen Augen das amüsanteste Stück Prosa, das in den letzten Jahrzehnten hierzulande erstveröffentlicht wurde. Eva Menasses "Quasikristalle" ist sprachlich fulminant, hat aber vor allem einen zwingenden, hochintelligenten Aufbau. Das sind auch Bücher, die man meiner Überzeugung nach unbedingt gelesen haben sollte. Ob sie irgendwelchen oder gar nennenswerten Einfluss auf meine eigene Entwicklung als Autor hatten, wage ich jedoch zu bezweifeln. Oder die vielen zehntausend Seiten, die ich aus der Feder des großartigen Peter F. Hamilton gelesen habe, der die klügsten Space Operas von allen schreibt. Richard Morgan, ein Genie. Iain Banks. Alles Leute, die man lesen muss. Aber als Zuschauer wird sich der Lerneffekt trotzdem in Grenzen halten.