Beiträge von Tom

    Oh, mal wieder ausgegraben. 🧑‍🌾


    Ich finde es besonders lustig, wenn die Idiotentechnoversion von irgendwas läuft und dann sagt jemand: Ich finde das Original von All Saints aber besser. Dabei war das Original irgendwas aus den Fünfzigern. Oder sogar aus den Zwanzigern, und die berühmte Version aus den Fünfzigern war schon ein Cover.


    Ich war jung und mit einem Biker namens Martin befreundet, der oft ein langes Messer in der Tasche hatte - und außerdem eine Audiocassette u.a. mit diesem Song, dessen Original von John Lee Hooker stammt. Wir zogen freitags, samstags durch die Kneipen, und Martin legte sein Messer und die Cassette auf den Tresen, nickte in Richtung Cassette und sagte zum Personal: "Auflegen." Was dann immer geschah. Und wir tranken das, was im Refrain genannt wird, zum Refrain. Zu jedem Refrain. In jeder Kneipe.

    Ich war jung. Seither kann ich Scotch nicht mehr ausstehen, aber Bourbon geht erstaunlicherweise noch. Ich habe Thorogood später live gesehen, in Hamburg in der Großen Freiheit, bei 40 Grad Außen- und gefühlt 80 Grad Innentemperatur. Er hat drei Stunden gespielt, und ich hatte kein Kleidungsstück am Körper, das nicht klatschnass war, und es war außerdem fantastisch. Am Ende sagte er: "Next time I come in the summer." Heute mag ich diese Mucke nicht mehr so gerne, eher Indie und Alternative, aber ich finde immer noch, dass dieses Cover weit besser als das Original ist.


    Es gibt beabsichtigte, gesteuerte Veränderungen (übrigens nicht selten auch "von oben", vor allem in nichtdemokratischen Gesellschaften) und eher unbeabsichtigte "Schwarmveränderungen", wenn große, einflussreiche Gruppen und/oder Multiplikatoren etwas (unbewusst) annehmen und dann verteilen (wie etwa das Wort "Handy"). Es gibt und gab Versuche, Sprache zu manipulieren, um gleichzeitig Verhalten und Haltung zu manipulieren, und nicht wenige davon sind und waren erfolgreich. Das Gendern gehört zu diesen, und ich stelle das wirklich völlig wertfrei fest. Der Vorgang hat sich dann in Teilen auch verselbständigt, aber nicht nur, und sein initialer Impuls war ein politischer.

    Sprache verändert sich

    Beziehungsweise: Sprache wird verändert. Oder es wird der Versuch unternommen, sie zu verändern. Und es wäre eine Täuschung, wenn man behaupten würde, dass das nicht (auch) aus politischen Gründen geschieht.

    Ich bin mir sicher, dass das Gendern bestenfalls eine Zwischenlösung darstellt, möglicherweise bleibt es auch beim Signal, wer weiß das schon. Denn: Wenn sich Sprache in der Vergangenheit verändert hat, dann meistens hin zu einer Vereinfachung. Sie ist zugleich reicher geworden, aber es braucht weniger Zeit, um etwas zu sagen, jemanden anzusprechen, einen Umstand zu formulieren. Das Gendern wirkt dem diametral entgegen, deshalb wird es sicher abgelöst werden, sobald eine bessere, schlankere Lösung ausgedacht ist. Und angewendet wird es ohnehin nur in bestimmten Gesellschaftsschichten.

    Und ich fühle mich herrlich genau zwischendrin. Mir fehlen die Hyperonyme und ich kann mit Partizipkonstruktionen nur wenig anfangen, aber ich bemerke auch, wie es den Blick auf die Welt und den Umgang miteinander ändert, wenn man ein bisschen kritischer mit der eigenen Sprache und ihrer Entwicklung umgeht. Schließlich sind das auch die Gleise, auf denen wir beruflich in der Hauptsache fahren, und im sonstigen Leben sind sie auch nicht ganz unbedeutend. Liebe zur Sprache? Schwierig. Diese Emotion spare ich mir eigentlich für andere Aspekte auf. Aber ich bin auch nicht stolz auf "mein Land". Diese Denke ist mir fremd.


    Ich bleibe deshalb bei den Hyperonymen, die im generischen Maskulinum stehen (es gibt ja auch einige im Femininum), wenn es Sprachfluss und Einfachheit und Geschwindigkeit erfordern, aber ich nenne zwei Formen, wenn die direkte Ansprache erfolgt. Ich mache mich auch gerne ein bisschen lustig darüber, wenn ich beispielsweise von Autoren und -innen schreibe, weil Augenzwinkern nie schadet. Die bislang angebotenen Lösungen für die Situation sind nämlich allesamt wirklich nicht schön. Tatsächlich sind sie alles andere als das. Das gilt für Binnensatzzeichen genauso wie für Partizipkonstruktionen. Jemand, der wählen darf und wählen gehen kann und gewählt hat, ist kein Wählender - dieses Wort sagt einfach etwas anderes als das Wort "Wähler". Aber ich will diesen Teil der Diskussion nicht schon wieder starten. Es ist schöner, wenn man einfach seinen eigenen Weg wählt und den dann auch geht. Und gerne auf Nachfrage erklärt, warum man ihn gewählt hat.

    Vorläufig. (Bis vor zwei, drei Jahren habe ich das noch ganz anders gesehen.)

    Es gibt übrigens mehrere Legenden darum, wie der Begriff "Handy" für Mobiltelefone entstanden ist und warum er sich durchsetzen konnte. Die wahrscheinlichsten Verursacher waren Techniker der Deutschen Telekom, die den Terminus für sich entwickelt hatten, um in der Praxis zwischen den Geräten und Anschlüssen usw. unterscheiden zu können. Er ist dann vom Umfeld und später von der Werbung aufgenommen worden, und weil er so handy ist, hat er sich durchgesetzt.


    Unsere Sprache beherbergt eine Fülle von Scheinanglizismen. Wir sagen "Beamer" zu Projektoren, das macht im englischsprachigen Raum niemand, und dort wird auch nicht "Chef" zum Boss gesagt, weil das eigentlich ein Begriff für die Leute ist, die in der Küche das Sagen haben, und wer es ganz wild treiben will, nennt das gemeinsame, öffentliche Fußballschauen "Public Viewing", was eigentlich eine Bezeichnung für die öffentliche Leichenschau ist. Aber die Skandinavier benutzen beispielsweise unseren Begriff "Vorspiel", wozu ich zu meiner großen Irritation auch schon von einer größeren Gruppe eingeladen wurde, doch ich durfte meine Klamotten anbehalten, denn so bezeichnen sie (Finnen, Schweden, Norweger) das Warmtrinken zu Hause, weil der Alkohol draußen so teuer ist. Ich habe dann sehr gelacht und ich finde auch, dass das ein schöner Sprachimport ist. Ich finde "Beamer" auch besser und irgendwie schnittiger als "Projektor", und ich sage "Home Office", weil die deutsche Bezeichnung kompliziert wäre und nach Fünfzigerjahren klingt, obwohl man im britischen Raum damit möglicherweise das Innenministerium meint.


    Ja, die Sprachveränderung wird als Instrument oft missbraucht, übrigens von jenen wie von diesen, und gerade wenn es einem politisch gegen den Strich geht, ist die Aufregung schnell da, aber genau genommen ist das alles höchstens achtel so wild. 8)

    Ja. Die Behauptung sich selbst gegenüber, eine Veränderung oder Entwicklung wäre einfach nicht auszuhalten, ist oft viel wirkungsvoller und -mächtiger als die fragliche Entwicklung selbst, wenn es um die Folgen für das eigene Dasein geht.

    Das ist meine ganz persönliche Empfindung.

    Und das ist absolut in Ordnung.

    Ich empfinde den Konsum von gegenderter Sprache - ganz gleich in welcher Form - auch als schwierig, das ist einfach schrecklich holprig und anstrengend und manchmal auch schlicht falsch. Das ändert aber nichts daran, dass u.a. damit auf einen Umstand aufmerksam gemacht wird, der eine Tatsache ist.

    Ich mag den Begriff "Handy" auch nicht, nicht nur, weil er gewissermaßen falsch ist, sondern auch, weil ich ihn irgendwie asi finde, aber wenn es unnötig wäre, Begriffe umzudeuten, anders zu besetzen, einzuführen oder auszusparen, warum wird es dann getan? Weil Sprache nicht das von anderen aufgebaute Gerüst ist, auf dem wir durchs Leben klettern, sondern etwas, das wir mitgestalten dürfen, auch aus Gründen der Faulheit (und "Handy" spricht sich leichter als "Mobiltelefon"). Und das gefällt einigen dann besser als anderen, wozu natürlich auch jeder Mensch das Recht hat, also auch dasjenige, über diese Veränderungen - die es schon immer gab - und die "Genderisten" zu nörgeln. Oder, wie beispielsweise ich, einfach nicht mitzumachen. Du wirst das Wort "Handy" in keinem meiner Texte finden, außer in einigen Dialogen.


    Ich gehörte lange auch zu letzteren (also zu den Gendern-Nörglern), und ich finde das Gendern technisch immer noch schrecklich, weil es ein unglaublich unhandliches Werkzeug ist und weil uns - das ist mein Hauptproblem - die Hyperonyme abhandenkommen, die ich als Schriftstellerin einfach brauche. Ich habe auch lange vor mich hinbehauptet, dass das Gendern in erster Linie eine selbsterfüllende Prophezeiung wäre, dass also das Problem erst dadurch wirklich eines wurde, dass es so in den Vordergrund gerückt ist, absichtsvoll und aus ideologischen Gründen, aber das ist nicht einmal die halbe Wahrheit. Unsere Sprache gehört wie sehr viele Dinge im Sozialgefüge zu den Aspekten, die an den Wünschen und Interessen von Männern ausgerichtet wurden. Frauen galten über Jahrhunderte und Jahrtausende in vielen Kulturen als Menschen zweiter Klasse, hierzulande sogar vor dem Gesetz bis fast zum Ende des letzten Jahrhunderts. Unsere Gesellschaften haben patriarchalische Fundamente, und die zeigen sich auch in der Sprache. Leider ist der Weg aus dieser Misere über das Gendern ein eher schlechter (weshalb ich das auch nicht mitmache, aber, wo nötig, andere Systematiken nutze), es ist also ein bedauerlicher Weg zu einem eigentlich guten Ziel, aber die Behauptung, dass das grundsätzlich völlig unnötig sei, ist absichtlich falsch und vermutlich ideologisch intendiert.


    Und, noch einmal. Sprache ist ein dynamisches Kulturgut. Ja, es ist immer schwer, mit Veränderungen umzugehen, die man nicht selbst ausgelöst hat oder nicht mitträgt, aber: Such is fucking life. "Fuck" ist übrigens ein Anglizismus, den ich gerne und sehr häufig verwende, ohne den ich nur ein halber Mensch wäre. 8)

    Mir sind die körperlichen Eigenschaften von Leuten, die gute Fiktion schreiben, grundsätzlich völlig egal. Also können sie in aller Regel auch kein Erstaunen auslösen. Aber das Erstauntsein kann das schon.


    Und einfach alle alles machen.


    Der große Philosophiekatalysator Mattel formulierte das bereits, als er das feministische Spielzeug "Barbie" erfand: Du kannst alles sein. Okay, das folgte dem Zeitpunkt des Erfindens in einigem Abstand. Aber es war vermutlich von Anfang an mitgemeint.

    Ich bin der Meinung, manches digitale Buch ist überteuert, wenn man es im Vergleich zum gedruckten sieht.

    Du bezahlst nicht für das Material, die Anmutung, die Haptik. Auch die Herstellung eines aufwendigen, mehrhundertseitigen Hardcovers kostet pro Stück (oft: deutlich) weniger als zwei Euro. Wenn man ein Buch kauft, erwirbt man das Recht, den Text darin zu lesen. Das ist das Hauptmerkmal eines Buches, das ist sozusagen das Produkt, in welcher physischen Form oder Verpackung auch immer es daherkommt. Der Vergleich zwischen den Kosten für Ebooks und Holzbüchern ist deshalb immer irreführend, weil von oben kalkuliert wird, vom Endpreis aus. Der Gegenwert ist überwiegend immateriell. Dass am Ebook mehr verdient wird (auch aus Sicht der Autoren und -innen), spielt dabei nur eine Nebenrolle.

    Es gibt ein paar nennenswerte Verlage, die es bevorzugen, direkt mit den Autoren zu arbeiten, was nicht notwendigerweise nur an der Verlagsgröße liegt, obwohl es eher kleine und höchstens mittelgroße Verlage betrifft. Die Verhandlungen sind schlicht einfacher, und, ja, in aller Regel ist die Verhandlungsmasse auch deutlich kleiner. Und aus Agentursicht sind, wie Silke schrieb, fünfzehn oder zwanzig Prozent von fast keinem Vorschuss und von ein paar hundert Euro Tantiemen im ersten Jahr weniger Geld als man investieren muss, um so einen Vertrag zu machen.

    Mein (inzwischen ja leider zumindest weitgehend in Pension gegangener) Agent hat zumindest keine Einzelprojekte angenommen.

    Ich schrieb ja auch: Einige Agenturen. Sachbücher werden relativ vorhersagbar Bestseller, wenn das Thema wirklich komplett "fresh" ist oder weil die Autorenpersönlichkeit ohnehin schon prominent ist. Solche Projekte werden schon auch mal einzeln unter Vertrag genommen. Leute kaufen Sachbücher nicht, weil sie von bestimmten Leuten sind, sondern wegen der Themen. Meine vorige Agentur hat Sachbuch-Einzelprojekte vertreten, aber da ging es vor allem um Sachen, die von vorneherein als Knaller feststanden. Wenn man sich als Autorin für Sachbücher rund ums nachhaltige Schrebergärtnern etablieren will, aber bislang noch nicht einmal Mikro-Inflüncer ist, muss man tatsächlich aufgebaut werden. Da nimmt keine Agentur nur "Band 1: Frühblühende Wiesenblumen" unter ihre Fittiche.