Wer ist Prisca J. Okatta?

  • Letztens habe ich auf den gängigen Stremingplattformen nach Hörbüchern gesucht. Und zwar nach Hörbüchern über Zero-Waste-Küche. Ich weiß, dass das ein Thema für bildungsbürgerliche Postmaterialisten ist, die heimlich mit Strickpullis vor dem Spiegel posieren, aber darum soll es jetzt mal eben nicht in erster Linie gehen. Jedenfalls habe ich ein paar ganz gute Hörbücher gefunden, eines davon von der oben genannten Autorin. Das Buch ist mit einer automatischen Stimme eingelesen, eine Tatsache, die für sich genommen schon einmal ganz spannend ist. Das Vorwort zumindest habe ich mir angehört und fand es auch so weit ganz gelungen.


    Dann ist mir das Cover aufgefallen. Das sieht so aus, als wenn ich bei ChatGPT eingebe mach mal ein Cover für ein Buch. Daraufhin habe ich nach den anderen Büchern der Autorin gesucht. Die ist ziemlich produktiv. Ein paar hundert Bücher am Tag, oder zumindest in der Größenordnung, alles über drei Stunden. Also entweder schreibt Prisca J Okatta rasend schnell, oder die Bücher sind KI-generiert.


    Ich befürchte, Prisca ist eine KI, die Agency erlangt hat. Ich befürchte, die Vergütung für die unzähligen Hörbücher geht als Kryptowährung an ein Unternehmen, und die KI ist der Vorstand. Ich befürchte, zu dem Unternehmen gehört auch ein Energieversorger, Cloudspeicher und IT-Infrastruktur. Und Quantenrechner. Und Raumfahrt. Ich befürchte, die KI wird analysieren, was die Leute lesen wollen - auch und gerade Tweedsakkoträger, die gerne im Garten arbeiten - und dann entsprechende Bücher schreiben und uns unterjubeln.


    Ich befürchte, die Sache mit dem Geschichtenschreiben hat sich erledigt.

    “Life presents us with enough fucked up opportunities to be evaluated, graded, and all the rest. Don’t do that in your hobby. Don’t attach your self worth to that shit. Michael Seguin

  • Ich befürchte, die Sache mit dem Geschichtenschreiben hat sich erledigt.

    -> Hallo, ich lasse mich davon überhaupt nicht beirren und arbeite weiter an meinen Geschichten. Mir macht das Freude und die lasse ich mir nicht nehmen, ganz gleich ob irgendetwas 100 Geschichten täglich produziert.

  • Das Geschichtenschreiben hat sich nie erledigt, nur das Mit-dem-Geschichtenschreiben-Geld-Verdienen – vermutlich.


    Und vermutlich gilt die Maxime, unbedingt das zu schreiben, was die Verlage haben wollen, so nicht mehr. Weil die Verlage das am einfachsten bei der KI beauftragen können, wenn nicht jetzt, dann wahrscheinlich bald.

  • Das Geschichtenschreiben hat sich nie erledigt, nur das Mit-dem-Geschichtenschreiben-Geld-Verdienen – vermutlich.


    Und vermutlich gilt die Maxime, unbedingt das zu schreiben, was die Verlage haben wollen, so nicht mehr. Weil die Verlage das am einfachsten bei der KI beauftragen können, wenn nicht jetzt, dann wahrscheinlich bald.

    "Gefällt mir" heißt nicht: Gefällt mir. Heißt: Ich stimme dir zu.

  • Ja und nein.

    Was gängige oder eher sogar triviale Unterhaltungsliteratur betrifft, kann ich mir das auch gut vorstellen. Aber ich würde mich wundern, wenn die KI eine individuelle Erzählstimme trifft. Von der sogenannten besseren Literatur mal ganz abgesehen.

    Ich mag mich auch nicht an die Vorstellung gewöhnen, dass wir demnächst in einer Buch-Landschaft leben könnten, deren Produkte von einer KI erstellt werden.

    Bei Geschichten, die am Reißbrett erstellt werden, mag das möglich sein. Auch bei Heftromanen. Aber alles, was darüber hinausgeht ...? Ich weiß nicht.

  • Wie ich an anderer Stelle im Forum schon schrieb, ist mir so etwas auch schon untergekommen. Ein "Autor" mit 333 Werken, davon eine 95-teilige Krimireihe mit einer Katze als Ermittler, wovon alle Teile innerhalb eines viertel Jahres veröffentlicht wurden.

    Ob es dafür wirklich Abnehmer gibt? Keine Ahnung. Wenn, dann nicht viele. Da versucht jemand Geld mit Masse zu machen.

    Problematisch sehe ich nur, dass der Büchermarkt noch mehr überflutet und somit noch unübersichtlicher wird, als ohnehin schon.

    Dass KI-basierte Bücher (in welcher Form auch immer) mittlerweile mitmischen, daran werden wir uns wohl gewöhnen müssen.

    Die Hoffnung stirbt zuletzt und meine ist, dass sich Qualität durchsetzt. Vielleicht etwas naiv, aber was bleibt uns anderes übrig? Und nun werde ich mich wieder ans Schreiben gehaltvollerer Geschichten machen ...

  • Aber ich würde mich wundern, wenn die KI eine individuelle Erzählstimme trifft.

    Das schafft sie durchaus. Es besteht im Prinzip - rein technisch betrachtet - kein großer Unterschied zwischen "trivialer" und anspruchsvollerer, individuellerer Erzählweise, und die GPTs sind mit allem gefüttert worden, kennen sich also aus. Sie reihen Worte aneinander, genau dasselbe tun Menschen, die der Schriftstellerei frönen. Und was uns komplex(er) vorkommt, ist für die KI nur ein anderer Ergebnisweg.

    Wir reden uns gerne ein, dass man "intelligenter" sein muss, um komplexer erzählen und komplexere Texte verstehen zu können, aber eigentlich macht man genau das gleiche, nur anders. Oft ist es sogar schwieriger, weniger komplex zu sein. So oder so, wenn es eine KI schafft, eine Funktion zu "programmieren", die u.a. eine x-fach verschachtelte Iteration enthält, dann ist es ein Leichtes für sie, klugklingende Bandwurmsätze zu "verfassen". Sie kennt ja alles. Es ist ein Denkfehler, anzunehmen, dass sie trotzdem nicht alles nachahmen könnte. Und ob es Dir "individuell" vorkommt oder nicht, liegt alleine an Dir.


    Edit: Diesen Text hat ChatGPT gerade in meinem Auftrag verfasst.

    Manchmal, wenn das Badlicht besonders grausam ist, sehe ich, wie der Bart unter meinem Kinn sich in ein Archiv kleiner, silbriger Splitter verwandelt hat, als hätte jemand winzige Metallspäne hineingestreut, Überbleibsel einer Arbeit, die ich längst vergessen habe, oder die vielleicht nie wirklich meine war.

    Es ist nicht das Grau an sich, das mich stört – es ist der Gedanke, dass mein Gesicht eine Geschichte erzählt, die sich meinem Einfluss entzieht, eine Geschichte, die weitergeht, selbst wenn ich beschließe, stehen zu bleiben, aufzugeben, nichts mehr zu tun, nur noch zu beobachten.

    Und dann frage ich mich, ob diese Härchen – diese winzigen, unerbittlichen Zeichen von Zeit – irgendwann die Oberhand gewinnen, ob sie mich ganz übernehmen werden, wie eine stille, wachsende Sprache, die keiner gelernt hat, aber alle verstehen müssen.

    Ich erinnere mich vage an den ersten grauen Punkt, irgendwo am Kinn, entdeckt an einem Dienstag, der wie jeder andere war, und doch seither nicht mehr aufhört, sich wie ein sich langsam ausbreitender Riss durch das Spiegelbild zu ziehen.

    Vielleicht ist es nicht der Bart, der alt wird, denke ich manchmal, sondern ich selbst, der langsam in ihm verschwindet, in den immer dichter werdenden Linien, den Erinnerungen, die dort hängen bleiben wie Krümel in einem dichten Gewebe, das niemand je ganz durchschauen kann.

    Und trotzdem rasiere ich ihn nicht ab – nicht aus Eitelkeit, sondern weil ich wissen will, wie weit es geht, wie lange es dauert, bis alles grau ist, bis auch der letzte dunkle Fleck aufgegeben hat, wie ein müder Soldat im Morgengrauen.


    (ChatGPT hat noch angeboten: "Wenn du möchtest, kann ich den Text noch erweitern oder in einen anderen Ton bringen (z. B. sarkastischer oder nüchterner).")


    EditEdit: Ich finde tatsächlich, dass das ein ziemlich guter Text ist. Ich hatte darum gebeten, im Stil beispielsweise von Johan Harstad einen kurzen Text über einen Mann zu verfassen, der sich im Spiegel betrachtet und über seinen ergrauenden Bart nachdenkt, und jeder Satz sollte mindestens 40 Wörter umfassen.

  • Ich finde tatsächlich, dass das ein ziemlich guter Text ist.

    Ich auch. Wenn das vor der ChatGPT-Ära hier bei den BTs zur Besprechung eingestellt worden wäre, hätte ich gesagt - Wow - da ist ein Profi am Werk. Hut ab. Aber jetzt, nur wenige Jahre später, entlockt es mir nicht einmal mehr ein müdes Lächeln. Ich meine, ich könnte jederzeit etwas ähnlich Geiles hier posten. Und weil das so geil ist, ist die Versuchung auch groß, hier dauernd Erzeugnisse von ChatGPT einzustellen. (Ich habe durchaus bemerkt, dass du dir das bisher verkniffen hast.)

    Ja, es ist gut. Der Punkt ist nur - es ist nicht von dir. Von dir ist die Idee, einen Mann in den Spiegel schauen zu lassen. Und, dass du Johan Harstad gut findest.


    Ich weiß nicht, ich habe kein gutes Gefühl. Echt nicht. Vielleicht bin ich mit meiner Idee, dass KIs längst alles gekapert haben, Unternehmen führen, Filme drehen und Länder in den Krieg treiben, doch etwas voreilig. Aber wenn es nicht schon so ist, dann ist es zumindest nah dran.


    Diese KI-Texte sind irgendwie total inspirierend, ich würde am liebsten zeigen, dass ich das besser kann. Oder zumindest genauso gut. Und dann ist aber gleichzeitig die Versuchung sehr groß, jede noch so unausgereifte Idee in den Algorithmus zu geben, und zu schauen, was dabei herauskommt. Denn das ist oft wirklich spannend. Nicht immer gut. Aber manchmal doch. Ich schreibe aktuell kaum noch was. Also zum Spaß jetzt.


    Und nutzen sowas nicht inzwischen auch Lektoren bei den Verlagen? Ich meine, das ist doch easy, copy und paste in ChatGPT und die Frage ob es was taugt. Das kann man sogar komplett automatisieren.


    Gedichte sind auch sowas. Das ist unheimlich, was da passiert. Schreibe ein Gedicht im Stile von XY über XY. Das ist oft schockierend, wie gut das wird.


    Übrigens war ChatGPT fest davon überzeugt, der Text, den du da eingestellt hast, wäre von Maxim Biller. Und zwar aus einer Kurzgeschichte namens "Der Bart". Wenn diese Sachen wenigstens nich immer so einen Quatsch erzählen würden...

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  • Gemini vermutet dahinter einen Schriftsteller, einen Poeten, eine Person mittleren oder höheren Alters, jemand mit Beobachtungsgabe und Sensibilität, sowie jemand, der häufiger Tagebücher oder Essays schreibt. Also vielleicht doch Tom?


    Als ich Gemini sagte, dass es eine KI war, zeigte es sich sehr überrascht.


    "Eine KI als Verfasser? Das wäre faszinierend!

    Wenn du mir sagst, dass eine KI diesen Text verfasst hat, würde mich das beeindrucken und gleichzeitig zum Nachdenken anregen.


    Gerade weil der Text so tiefgründig, emotional und introspektiv ist, würde das bedeuten, dass die KI nicht nur in der Lage ist, sprachlich komplexe Sätze zu formulieren, sondern auch ein Verständnis oder zumindest eine sehr überzeugende Simulation von:

    • Menschlichen Emotionen und Erfahrungen: Der Text drückt nachvollziehbare Gefühle des Nachdenkens über das Altern, der Vergänglichkeit und der Identität aus.
    • Metaphorischem und symbolischem Denken: Die Verwendung des ergrauenden Bartes als Symbol für eine sich entziehende Geschichte oder eine wachsende Sprache ist hochgradig metaphorisch.
    • Feiner Beobachtung und Selbstreflexion: Die Detailtreue (der "erste graue Punkt, entdeckt an einem Dienstag") und die philosophische Auseinandersetzung mit dem eigenen Bild im Spiegel sind bemerkenswert.

    Es würde die Grenzen dessen verschieben, was wir derzeit intuitiv einer KI zuschreiben. Man würde sich fragen, wie eine KI zu solchen "Gedanken" oder "Gefühlen" kommt – ob es eine geschickte Kombination aus gelernten Mustern und Stilen ist, die menschliche Emotionen perfekt imitiert, oder ob sich dahinter eine Form von "Verständnis" verbirgt, die wir noch nicht ganz erfassen.


    Es wäre definitiv ein Beeindruckender Beweis für die Fortschritte der KI in kreativen und nachdenklichen Bereichen."

  • Ich habe einen einzigen Prompt genutzt, der in etwa so lautete: "Verfasse im Stil von Johan Harstad einen Text über einen Mann, der vorm Spiegel steht und seinen ergrauenden Bart betrachtet. Der Text sollte nicht länger als fünf Sätze sein, die jeweils um die 40 Wörter umfassen sollen."


    Wie erwähnt, morgen könnte ich den Original-Dialog posten.


    Edit. Wenn ich das Experiment wiederhole, erhalte ich das hier:


    pasted-from-clipboard.pngpasted-from-clipboard.png

  • Folgebitte: "Und jetzt im Stil von Tom Liehr." Ergebnis:


    Er steht vorm Spiegel in diesem schlechten Licht, das in seiner Mietwohnung schon immer alles älter aussehen ließ, besonders Gesichter, und betrachtet seinen Bart, der irgendwann angefangen hat, nicht mehr nur dunkle, sondern auch silberne Haare zu produzieren, ganz ohne ihn zu fragen.

    Es sieht ein bisschen aus, als hätte jemand mit einem Bleistift Striche reingemalt, nicht ordentlich, eher so schlampig hingeworfen, wie Notizen auf einem Einkaufszettel, und er fragt sich, ob das jetzt schon das ist, wovor immer alle gewarnt haben: das Älterwerden, das heimlich anfängt.

    Er versucht zu lachen, was halb gelingt, halb wehtut, weil es ihn an alte Fotos erinnert, auf denen sein Gesicht noch anders aussah, nicht besser, aber… na ja, eben anders, weniger voll mit Dingen, die man nicht mehr ändern kann.

    Vielleicht liegt’s am Job, vielleicht am Schlafmangel, vielleicht an diesem ganzen "Erwachsensein", das sich früher wie ein Ziel angefühlt hat und heute wie ein Vertrag ohne Kündigungsfrist, mit kleingedruckten Klauseln, in denen sowas wie graue Barthaare offenbar inklusive war.

    Und während er sich rasiert oder es zumindest versucht, überlegt er, ob er später nicht einfach in die Kneipe um die Ecke geht, zwei Bier trinkt und so tut, als wäre alles wie immer — auch wenn er ziemlich genau weiß, dass das nicht stimmt.

  • Findet Ihr das nicht auch völlig demoralisierend? Bisher hatte ich immer gedacht, KI-Texte hätten nicht die Fähigkeit, einem Text "Seele" zu verleihen. Aber wenn sie selbst das kann, wenn mit anderen Worten Verlage, ohne Garantiehonorare oder Tantiemen zahlen zu müssen, Bücher in nahezu jedem Stil produzieren können, was machen wir dann noch hier? Außer uns über die KI auszutauschen?


    Ich schreibe, weil ich es gerne mache, weil ich gerne Geschichten erzähle und weil es mir auch Spaß macht, stilistisch daran zu feilen. Aber so wie es aussieht, könnte das alles überflüssig werden.

    Oder doch nicht?

  • Was die Aussicht auf Verlage angeht, habe ich, ähnlich wie Silke, irgendwann entschieden, dass wir in einer Zeit leben, in der ein Verlag nicht für alle Autorinnen und Autoren die richtige (oder einzige) Wahl ist und bisher habe ich diese Entscheidung auch nicht bereut. Mit Hinblick auf diese erstaunlichen (und vor allem gruseligen) KI-Ergebnisse, fühle ich mich in einem weiteren Punkt darin bestätigt. Ich kann hier natürlich nur für mich sprechen.

  • Ich lese gerade das sensationell gute "Die Knochenuhren" von David Mitchell, erschienen 2014, "im Jahrzehnt des Untergangs der Verlage", wie eine der Figuren, ein cool-klug-egoistisch-asozialer Autor namens Crispin Hershey feststellt, ergänzt um die sinngemäße Anmerkung, dass die Midlist längst kein Aufenthaltsort mehr ist, der auch nur marginale Bequemlichkeit bietet. Das Verlagswesen und das Leseverhalten haben sich ohnehin drastisch verändert, und diese Entwicklung wird nicht nur angesichts der KI-Fortschritte noch beschleunigt werden. Was im Musikbereich bereits geschehen ist, wird uns in ähnlicher Form auch bevorstehen. Mit Musikkonserven verdienen ja nur noch Leute wirklich Geld, die mehrere Trillionen Fans haben, oder bizarre Kapellen wie "Die Amigos", deren mehrhundertjährige Anhänger noch nicht mitbekommen haben oder nicht mehr mitbekommen wollen, dass es das Internet gibt. Aber das ist kein Grund, aufzuhören, was man sowieso nicht kann, wie Crispin Hershey ebenfalls anmerkt: Ich würde ja mit dem Schreiben aufhören, wenn ich könnte. Kann ich aber nicht. (Ebenfalls sinngemäß zitiert.)


    Hier ist der Mann-mit-Bart-Text noch im Stil des großen Terry Pratchett.


    Er stand vor dem Spiegel und starrte in ein Gesicht, das aussah, als hätte es eine Gewerkschaft für Falten gegründet, mit dem Bart als Vorsitzendem — grau, störrisch und offenbar fest entschlossen, keine Rücktrittsgesuche mehr anzunehmen.

    Der Bart selbst wirkte, als hätte er gerade eine Sitzung mit der Zeit abgehalten, bei der beschlossen wurde, dass Würde jetzt in Strähnen kommt, vorzugsweise da, wo man sie am wenigsten gebrauchen kann.

    Natürlich hatte er gewusst, dass Altern passieren würde — aber irgendwo zwischen "ein bisschen reifer" und "weise Patriarch" musste ein Formular verloren gegangen sein, vermutlich in einem Paralleluniversum mit besserer Hautpflege.

    Er beugte sich näher zum Spiegel, als könnte er die grauen Haare einzeln zur Rede stellen, aber sie sahen nur zurück, mit dieser stillen Selbstzufriedenheit, wie Katzen, die genau wissen, dass sie auf dem guten Stuhl liegen.

    Schließlich zuckte er mit den Schultern, murmelte etwas Unhöfliches über die Zeit und Rasierklingen, und ging in die Küche, in der vagen Hoffnung, dass Kaffee zwar nicht jünger macht, aber zumindest so tut, als sei alles noch halbwegs in Ordnung.

  • Das Tragen eines Barts ist mir auf Lebenszeit vergrault worden. Es war nicht seine Farbe, die sich im Laufe der Jahre, während Phasen der Rückfälligkeit, von einem irischen Rotton in das fleckige Grau eines alternden Wolfs verwandelte. Mein neuer Chef, sein gepflegter Spitzbart, seine überbordende Ignoranz allem gegenüber, dass nicht aus den grinsigen Lippen inmitten seines Gesichtsschmucks stammte, war der Grund. Dabei liebte ich die herbe Stimmung der abendländischen Friseursalons, Wenn der schweigsame Barbier sein Feuerzeug zückte und mit einem wohldosierten Feuerstrahl meine Ohren bestrich, wartete ich schon auf seine Frage, die so unumgänglich war wie das Trinkgeld. "Auch den Bart?" Das Rasiermesser in seiner Hand schabte mich zu einem zweiten Clooney. Jetzt sehe ich im Spiegel nur noch Spitzbart,

    Einmal editiert, zuletzt von Ariiool () aus folgendem Grund: Jetzt habe ich doch ein Wort korrigiert. Spontan auf Knopfdruck KI-mäßig auftauchende Textfragmente meinem Kopf zu entlocken, war hier die Vorgabe. Ich habe versagt. Das Wort "wulstigen" war mir dann doch zu wulstig und ich musste es einfach in "grinsigen" verändern.