(Ein erster Leseeindruck nach ungefähr der Hälfte der Strecke, wiedergegeben in Form eines fiktiven Telefonats zwischen Frank Schulz und einer Lektoratsperson, ungefähr acht Monate vor der Veröffentlichung des Romans. Man erfährt nur, was die Lektoratsperson sagt.)
„Frank, so geht das nicht.“
„…“
„Nein. Diese Mikrobeobachtungen, hektoseitenweise aneinandergereiht, und in diesem manirierten Bildungsbürgerdeutsch. Das ist zwar megaklug …“
„…“
„Ja, ich weiß, dass ‚mega‘ als Präfix ‚groß‘ bedeutet, aber …“
„…“
„Selbst ich musste pro Seite ein halbes Dutzend Adjektive nachschlagen, und ich habe Germanistik UND Linguistik studiert. Soll ich irgendeine beliebige Seite aufschlagen und Beispiele nennen?“
„…“
„Nein, es sind verdammte achthundert Seiten, selbst, wenn wir das eng setzen lassen. Mensch, du bist zwar Frank Schulz, DER Frank Schulz, aber du bist nicht David Foster Wallace. Und sogar dem ...“
„…“
„Ja, dein Kreuzfahrtbuch war länger als seins. Aber da ist wenigstens was passiert. In diesem hier …“
„…“
„Ich verstehe das ja. Ich verstehe dich ja. Wir müssen das allerdings auch verkaufen, und ich weiß nicht einmal, wie ich die Geschichte in zwei Sätzen zusammenfassen sollte. Wenn man überhaupt von einer Geschichte …“
„…“
„Nein, ich will dich nicht beleidigen. Und, ja, das ist große Literatur. Sehr große Literatur. Megagroße, wenn du willst. Mit allem, was man von Schulz kennt und an ihm liebt: Kantige, originelle Figuren, herrliche Dialoge, und weise, skalpellene Beobachtungen, die wirklich alles andere in den Schatten stellen. Aber obwohl deine Themen aus der Gegenwart kommen, liest es sich wie aus den frühen Siebzigerjahren, nur etwas weniger zwanghaft, dafür doppelt so lang.“
„…“
„Den Bildungsauftrag sehe ich nicht. Ich sehe einen brillant formulierten Ziegelstein über den Klimawandel, Angststörungen, Liebe und … was eigentlich noch? Einen Ziegelstein, den kein Mensch kaufen will. Kannst du nicht wieder einen Onno …“
„…“
„Das hat Wolf Haas auch gesagt.“
„…“
„Ich glaube nicht, dass das für alle Österreicher gilt. Aber, bitte, Frank, lass uns doch über dich reden. Und über den Text. Dieser Roman wird eine Handvoll Leute finden, die ihn feiern, und der Rest wird nicht einmal erfahren, dass es ihn gibt.“
„…“
„Na gut, wenn du meinst. Aber rechne bitte weder mit Preisen, noch mit Verkaufszahlen.“
„…“
„Das glaube ich dir einfach nicht.“
„…“
„Soll das eine Drohung sein?“
„…“
„Okay, wir werden sehen. Dann machen wir es eben so. Tschüss, Frank!“
![]() |
ASIN/ISBN: 3869712376 |