Steffen Mau - Ungleich vereint - Warum der Osten anders bleibt

  • Es ist kurz vor Schluss und ich laufe auf der Frankfurter Buchmesse in Richtung Ausgang als ich zurückschaue aufgrund eines Wortwechsels, der mich sofort anfixt: ein Podiumsgespräch. Ich bleibe stehen, bleibe inhaltlich hängen, und plötzlich fällt mir auch noch voller Freude auf, dass es ein Gespräch über genau das Buch ist, was ich schon lange auf meiner Wunschliste hatte:

    Ungleich vereint
    Warum der Osten anders bleibt
    von Steffen Mau

    978-3-518-02989-3/42eraev-21" target="_blank">978-3-518-02989-3.03.MZZZZZZZ.jpg" border="0">


    Und da sitzt er auch leibhaftig auf der Bühne und erzählt interessante Dinge, die sich fundiert anhören, und zudem recht locker und uneitel vorgetragen werden.
    Schade, dass es nur die letzten 10 Minuten sind, die ich der Buchbesprechung. beiwohnen kann, aber egal. Und wie ich mich so über die glückliche Schicksalsfügung freue, schaue ich kurz nach links, weil dort jemand steht und eine merkwürdig starre Energie verbreitet - ein Anzugträger, und ich schaue wieder nach vorne und dann schaue ich sofort wieder nach links, und mein Gehirn sagt schneller als ich es fassen kann: Götz Kubicheck. Ich stehe neben Götz Kubitschek und lausche Stefan Mau.
    Und dann ist die Vorstellung zu Ende, und ich gehe einmal um den Mann im graublauen Zwirn herum und schaue mir das Profil von der rechten Seite an aber es bleibt dabei: Götz Kubitschek.
    Zufällig stand ich drei Jahre zuvor schon einmal neben diesen Menschen in einem anderen Zusammenhang aber auch auf der Buchmesse. In Leipzig. Und ich frage mich in diesem Moment, und ich frage mich in diesem Moment, warum er hier?
    Und dann war er weg.

    Inzwischen habe ich das Buch geschenkt bekommen und gelesen. So locker und leicht verständlich wie die Podiumsdiskussion, ist es nicht geschrieben, aber es lohnt sich auf jeden Fall, wenn man sich die Zeit nimmt, bestimmte Sätze in einfache Sprache zu übersetzen. Jedenfalls für mich.
    Wenn von Ossifikation, die Rede ist, handelt es sich nicht um ein lustiges Fremdwort, was mögliche ostdeutsche Verhaltensweisen umschreiben soll, sondern ist ein medizinischer Begriff, der Aushärtung, Verknöcherung und Narbenbildung bedeutet.
    Und genau damit startet dieses Buch, denn das Wort beschreibt durchaus das, was über Jahrzehnte „im Osten“ passierte.
    Stefan Mau tastet sich eher fragend und beleuchtend an Phänomene heran, wie zum Beispiel die so genannte Selbstentmachtung der DDR Bürger in Bezug auf den Wiedervereinigungsvertrag und beleuchtet auch Randgebiete, wie zum Beispiel die starke weibliche Ost-West Migration, die u.a. zu einer Vermännlichung bestimmter Regionen geführt hat. Oder er widmet sich der interessanten Frage, ob eine ehrliche Aufarbeitung der DDR Geschichte v o r den Augen der Bundesrepublik überhaupt gelingen kann, und stellt den interessanten Vergleich an: von einem Paar, das sich im Auto streitet, aber vor den Augen der Eltern, zu denen es dann fährt, eine harmonische Beziehung vorgaukelt und ein schräges Wir behauptet.
    Das sind interessante Überlegungen, sie sind nicht einfach formuliert, wie ich finde, aber es lohnt sich. Und das Aufbauende an diesem Buch ist, dass Stefan Mau am Ende auch mit Vorschlägen rüberkommt, die dahin gehen, dass es eine anders geartete Belebung der politischen Kultur geben könnte, als bislang erprobt wurde…

    Klar, dass Götz Kubitschek da Interesse zeigt.

    Eigentlich wusste ich das sofort, in dem Moment, als ich neben ihm stand.
    Ein Grund mehr Werbung für dieses Buch zu machen.

  • Ja, das Buch habe ich auch gelesen und mir ist nicht ganz klar, warum Götz Kubitschek daran Interesse zeigen soll. Und ja, ich weiß. wer Götz Kubitschek ist. Schon der Titel ist irreführend. Er geht davon aus, dass der Osten etwas Homogenes ist, das man über einen Kamm scheren kann. Auf der anderen Seit hebt sich das Buch wohltuend ruhig von den Krawallbüchern "Der Osten eine Erfindung des Westens" (Oschmann) und "Freiheitsschock" (Kowalczuk) ab.


    Zitat

    Oder er widmet sich der interessanten Frage, ob eine ehrliche Aufarbeitung der DDR Geschichte v o r den Augen der Bundesrepublik überhaupt gelingen kann,..

    Ehrliche Antwort - NEIN! Wobei noch geklärt werden muss, wie "ehrlich" in diesem Fall zu interpretieren ist; aber das wird meine Antwort höchstwahrscheinlich auch nicht ändern. Aufarbeitung setzt in diesem Fall voraus, dass die Erzählenden Vertrauen in die Zuhörenden haben und sicher sind, die Zuhörenden werden nicht als erstes in der Form antworten - "Also, das müssen wir aber so und so sehen...", sprich, sofort eine (abwertende) Bewertung losschicken. Zuhörende Erklärbären braucht man für diese Art Aufarbeitung nicht.


    Die Lösung von Steffen Mau mit den Bürgerräten sehe ich eher skeptisch. Die Parteien, jedweder Art, wer sehr schnell erkennen, wie man Bürgerräte für sich einspannen kann und dann argumentieren, wir haben den Bürgern (des Bürgerrates) unsere Politik bürgernah erklärt und die sehen das genauso wie wir. Ein Bürgerrat "Ernährung im Wandel", den gab es, kann nicht mehr über das WAS (Ziel, den Wandel der Ernährung), sondern nur noch über das WIE (Weg, wie der Wandel zu erfolgen hat), entscheiden. Demokratie heißt aber, dass über das Ziel und den Weg ergebnisoffen diskutiert werden kann.

  • Götz Kubitschek in persona zu treffen, wäre für mich eine Herausforderung.
    Ich habe nicht viel über ihn oder von ihm gelesen, aber schon das wenige reicht aus, um diesen Mann, der so viele Menschen verachtet, selbst zu verachten