Sinn und Unsinn eines Prologs

  • Hallo an Alle,


    Ich überlege gerade, ob ich bei meinem derzeitigen Roman einen Prolog schreibe. Da ich mir nicht sicher bin, würde mich eure Meinung dazu interessieren. Vielleicht habt ihr auch die eine oder andere kluge Möglichkeit, wie und wann ein Prolog einzusetzen ist.


    Danke und liebe Grüße

    Edith

  • Ich mag Prologe. Man muss sie aber nicht unbedingt "Prolog" nennen. Ich tu's allerdings. Und ich habe von Lesern und -innen gehört, die Prologe seltsamerweise nicht mögen (nicht meine, eher grundsätzlich). Kann aber sein, dass man darauf nicht allzu viel geben muss.


    Ein Prolog erzählt eine Geschichte, die zunächst unabhängig vom später beginnenden Haupt-Handlungsstrang zu sein scheint. Er nimmt etwas vorweg, das später relevant wird (ich erzähle im Prolog meines aktuellen Romans vom alles entscheidenden Unfall, der aber erst im letzten Romandrittel wirklich passiert, und im Prolog wird auch nicht erkennbar, was da wem passiert - es ist ein Teaser), oder erzählt von etwas, das überhaupt nicht zum Haupt-Handlungsstrang gehört, aber in ihm von Bedeutung ist, etwa eine Vorgeschichte einer Person. Beides funktioniert dann besonders gut, wenn es später wirklich Bedeutung hat. Ich bin heute noch sehr stolz auf den Prolog "Kinderschokolade" in meinem zweiten Roman "Idiotentest" (2005), der aus der Kindheit des Protagonisten ein Ereignis erzählt hat, das für seine Charakterentwicklung entscheidend war. Dieser Prolog ist spannend, dramatisch und lustig.


    Es gibt aber auch diese willkürlichen Prologe. Irgendwas Spannendes wird erzählt, das einem bei der Recherche begegnet ist, oder man will die Botschaft des Romans aus einer anderen, im Roman selbst aber nicht nachvollziehbaren Perspektive präsentieren usw. Das ist nicht so glücklich.

  • Ich mag Prologe 🙂

    Ich lese sehr gerne Bücher von Clive Cussler. Ich bin unsicher, ob man das noch Prolog nennen kann, doch seine Storys beginnen meist mit einem Geschehnis aus der Vergangenheit. Und ein Teil davon, der bekommt Bezug zur eigentlichen Geschichte.


    Ich habe das auch schon gemacht. Wie eine Kurzgeschichte vor der eigentlichen Geschichte.


    Solange nichts Unnötiges drin steht, ist es okay, auch wenn es tatsächlich Prologgegner gibt.

    Jedem kann man es eh nie recht machen ;-)

  • Vielen Dank Tom und Birgit.


    Mein Gedanke war tatsächlich, so etwas wie einen Teaser zu gestalten. Es soll dort um eine Narbe meines Antagonisten gehen, deren Bedeutung erst nach etwa 2/3 des Romans wichtig wird.


    Ich glaube, ich versuche mal einen Prolog dafür zu schreiben. Wenn es mir gelingt, kann ich ihn ja verwenden. Falls nicht, lasse ich es doch lieber weg.

  • Ich weder ein Befürworter noch ein Gegener von Prologen. Wenn sie angebracht und sinnvoll sind, kann man sie gerne verwenden. Was ich nicht mag, ist wenn sie nur aus, sagen wir, modischen Gründen verwendet werden, obwohl sie eigentlich überflüssig wären.

    Ich selbst habe ihrer erst zweimal gebraucht: einmal bei einer Fortsetzung, um kurz die Ereignisse des ersten Bandes zu rekapitulieren, und ein andermal, um ein Ereignis zu schildern, daß einige Jahre zurück liegt, und in einem indirekten Zusammenhang mit der aktuellen Geschichte steht.

    "Im Internet weiss keiner, dass du eine Katze bist." =^.^=

  • Hallo Edith,

    es gibt zu dem Thema einen Podcast von Schreibzeug, wo deine Fragen recht ausführlich und spannend behandelt werden, u.a. was Prologe eigentlich mal im wörtlichen Sinne waren (nämliche eine Art Vorwort des Autors und nicht Teil des eigentlichen Textes, also in deinem Fall eines Romans), und dass sie streng genommen auch immer einen Epilog verlangen, quasi wie eine Klammer.


    Heute werden Prologe anders verstanden und verwendet. Ich habe sie schon oft gefunden, bei Krimis z.B. wird oft ein Verbrechen geschildert, bevor man dann erst richtig in die Geschichte mit seinen Hauptspielern einsteigt (Ermittler, Opfer, Täter). Bei Fantasy wird meist der Gründungsmythos einer Zivilisation oder ähnliches behandelt, und auch bei historischen Romanen ist ein Prolog nicht selten der gewählte Einstieg in die Geschichte. Mir fällt dazu spontan "Die Säulen der Erde" ein, wo man gleich in die Brutalität und in die von der Moderne abweichenden Werte des Mittelalters anhand einer beschriebenen Hinrichtungsszene eingeführt wird. Nicht selten werden bei solch vorangestellten Szenen oder Kapiteln, die sie ja gewissermaßen sind, auch eine andere Erzählperspektive gewählt (z.B. auktorial).


    Ich habe auch schon mal gehört, dass Leser angeblich Prologe überspringen, aber so recht vorstellen kann ich mir das nicht. Wenn ich mir ein Buch zur Hand nehme, dann blättere ich doch nicht über die ersten Zeilen Text? Fangen diese Leser bei einem Krimi dann auch mit der Auflösung an? Der Autor hat sich doch was dabei gedacht, als er den Prolog geschrieben hat. Er muss doch einen Sinn für die nachfolgende Geschichte haben! Jedenfalls, sollte das der Fall sein, dann sollte man vielleicht bedenken, dass der nachfolgende Roman auch ohne Prolog funktionieren muss. Aber, wie gesagt, ich habe da so meine Zweifel.


    Hier also der Knackpunkt: Der Prolog muss sinnvoll sein. Er muss etwas zum Leseerlebnis beitragen. Er muss in die Geschichte und die Welt, in der sie spielt, einführen. Meiner Meinung nach sollte er auch bereits erste Fragen aufwerfen und Spannung aufbauen, denn ansonsten verliert man den Leser schon vor dem ersten Kapitel. Ich könnte mir vorstellen, wenn ich in einer Buchhandlung ein Buch anlesen würde, und es würde mit einem Prolog beginnen, der naturgemäß ja eher kürzer ist, dann würde ich mir die Zeit nehmen und den einmal zu Ende lesen, bevor ich meine Kaufentscheidung treffe. Also muss so was sitzen.


    Deshalb würde ich sagen: Versuche es doch einfach mal. Wozu sind Testleser sonst da? Wenn die hinterher sagen, dass der Prolog ihnen nichts gebracht hat oder dass er sie nicht abholt, dann kannst du ihn immer noch streichen.


    LG, Silke

  • Vielen Dank Katze für deinen Hinweis und danke Silke für deinen ausführlichen Beitrag. Vor allem für deinen Link zum Schreibzeug-Podcast, den ich zwar kenne, aber total vergessen hatte, dass Diana Hillebrandt und Wolfgang Tischer auch schon einmal über dieses Thema gesprochen haben. Ich werde mich auf jeden Fall nochmals intensiv mit dem Prolog auseinandersetzen.


    Liebe Grüße

    Edith

  • Hier also der Knackpunkt: Der Prolog muss sinnvoll sein.

    Möglicherweise besteht der eigentliche Knackpunkt aber darin, dass "Prolog" dransteht. ?!?
    Wenn ich lese und höre und gesagt bekomme, dass Leute gibt, die keine Prologe mögen, was mir in gewisser Weise etwas eigenartig vorkommt, dann hilft man sich und diesen Leuten vielleicht damit, dass man das ausgeschriebene Etikett einfach weglässt. Vielleicht gibt es ja auch Leute, die keine Hooks, Cliffhanger, Rückblenden, inneren Monologe usw. mögen, aber das fällt nicht so auf, weil nicht an jeder entsprechenden Szene dransteht: Hey, Cliffhanger. Achtung, Hook. Hier: Rückblende. Die Leute merken das beim Lesen deshalb vielleicht gar nicht. Und dann müsste man sich auch nicht so viele Gedanken darüber machen, ob das wirklich ein klassischer oder moderner oder überhaupt (ein) Prolog ist, was man da gerade geschrieben hat.