Ullstein schmeißt J.D. Vance - Hillbilly Elegy aus dem Programm

  • Ich sehe es wie Tom.


    Wir leben in einer Demokratie, d.h. Menschen dürfen nicht wegen irgendwas diskriminiert oder unterdrückt werden, etc. Demokratie heisst aber nicht, dass jeder jeden Scheiß abnicken und darüber hinaus promoten muss.

    Ein Verlag kann sagen: Keine Lust, einem Feind der Demokratie zu unterstützen, jemanden, der helfen will, eine Theokratie zu errichten (Trumps Ansage an die Evangelisten ist ein absolut erschreckendes und sogar für ihn schockierendes Alarmzeichen, nicht nur für die USA). Ein Verlag kann auch sagen: Wir wollen keinen Anteil daran haben, dass dieser spezielle Autor auch nur einen Cent über uns verdient. Der gleiche Grund, aus dem ein christlicher oder islamischer Verlag nicht Gretchen Felkner-Martin verlegen würde, obwohl ihr Manhunt ein auf allen Ebenen überraschend grandioses Buch ist.


    Es hat was mit Selbstbestimmung zu tun und nicht mit "Meinungsfreiheit". Vances Buch wurde ja nicht in Deutschland auf den Index gesetzt. Wer will, kann es kaufen und wenn ausverkauft und nicht nachgedruckt - wie Millionen von anderen antiquarischen Titeln auch - kann es als englisches eBook durch DeepL jagen.

  • Die US-Philosophin Judith Butler wird in Deutschland bei Suhrkamp verlegt. Laut Wiki äußerte sie sich jüngst wie folgt: "Im März 2024 bezeichnete sie den Terrorangriff der Hamas als „Akt des politischen Widerstands“, „einen Aufstand aus einer Position der Unterdrückung heraus gegen einen gewalttätigen Staatsapparat“. Das Massaker sei „kein terroristischer Angriff, und es ist keine antisemitische Attacke.“ Trotz zahlreicher Aussagen von Betroffenen und Berichten über systematische sexuelle Gewalt durch die Hamas forderte Butler hierfür Beweise ein."


    Worauf ich hinaus will: Butler ist eine linke Autorin. Suhrkamp scheint weiter zu ihr zu stehen. Und ich lese des Öfteren die Kritik, dass gegenüber Linken andere Maßstäbe gälten als gegenüber Rechten/Konservativen. Das kann ich nachvollziehen. Dieses ganze "Cancel Culture" kann sich ganz geschwind umdrehen. Dann fände auf einmal Ulrike Hermann (taz) vielleicht keinen Verlag oder keine Bühne mehr, weil sie eine Abkehr vom Kapitalismus nach dem Vorbild einer Kriegswirtschaft propagiert. Das wäre auch nicht schön, finde ich. Es geht um unser aller Rechte.

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • Da stimme ich Dir tatsächlich zu, Alexander. Und so ein Vorgang füttert natürlich die Trolle und die Verschwörungstheorien, ohne am Geschehen selbst etwas zu ändern, in der Art einer positiven Entwicklung. Unterm Strich verhärten sich die Fronten nur weiter, nimmt die extrem unschöne und gesellschaftliche ungesunde Polarisierung nur zu. Die einen bezeichnen jeden als Nazi, der nur nicht gendern will, und die anderen finden stetig Beweise für die kollektive Weltverschwörung der linksgrünversifften Boomerkinder und -enkel. Und die Kausalitäten, die gebaut werden, um diese Argumentationsketten zu unterstützen, finden ihre Indizien in solchen Vorgängen.


    Aber. Vance hat seinen Kopf inzwischen bis zur Hüfte im Arschloch des extrem gefährlichen orangehaarigen Irren. Wäre ich Verleger und hätte vor ein paar Jahren noch das Erfolgsbuch des Kentuckyboys ins Programm genommen, der Trump als Idioten bezeichnet hat, um jetzt das vorläufige Finale einer diametralen Entwicklung mitzuerleben, wäre ich vermutlich auch versucht, Autor und Buch ade zu sagen.

  • Ach, das viel bemühte Argument der Meinungsfreiheit ... Der Begriff umfasst u.a., dass jeder und jede die eigene Meinung sagen darf, ohne befürchten zu müssen, dafür im Knast zu landen, solange diese Meinung nicht verfassungswidrig ist.

    Das ist lediglich die Begründung wie in einer Diktatur Meinungsfreiheit bekämpft wird. Es gibt andere Formen, die unter Unständen subtiler sein können. Bei dieser Statistik, die einen Trend über 30 Jahre darstellt, stelle ich mir die Frage - was ist hier los? Wenn Menschen gefühlt Angst haben, ihre Meinung zu äußern, aber auch nicht von Knast und Todesstrafe bedroht werden, kann die Erklärung nur in der Angst vor sozialer Ausgrenzung zu suchen sein. Gut beschrieben ist das in der Theorie der Schweigespirale.

    Künstler und dazu zähle auch die, die die Kunst verlegen, haben ein ganz großes Privileg - die Kunstfreiheit. Sollte man anfangen, diese aufzugeben, weil die politische Agenda nicht deckungsgleich mit der eigenen ist?

    Ich mag Trump auch nicht, bin aber der Meinung, er wird in D dämonisiert. Ich mag ihn nicht wegen seiner Ansichten und auch wegen der Affektiertheit, Mimik, Gestik und seiner sonstigen unmöglichen nonverbalen Kommunikation, die ihm etwas kasperhaftes gibt.

  • Das ist lediglich die Begründung wie in einer Diktatur Meinungsfreiheit bekämpft wird.

    Nein. Meinungsfreiheit endet, wo zu Straftaten aufgerufen wird oder bereits begangene glorifiziert werden.


    "Alle Schwulen *) gehören aufgehängt!", ist auch z.B. keine Meinung mehr, sondern Hassrede, Diskriminierung und ggfs. - je nach Sprecher und Situation - Aufruf zum Mord.


    *) Stellvetreterbegriff


    Wer mit Trump (oder Putin) nur ein marginales oder gar kein Problem hat, sollte mal etwas genauer hinschauen.

  • Meinungsfreiheit bedeutet nicht, dass jede Meinung jederzeit von jedem geduldet werden muss. Als Chef kann ich darüber entscheiden, welche Meinungen im Namen meines Unternehmens nach außen getragen werden dürfen und welche nicht, und es stellt kein Beschränkung der Meinungsfreiheit dar, wenn ich hier untersage, dass bestimmte Meinungen geäußert werden. Als Herausgeber oder -in oder Verleger oder -in entscheide ich darüber, welche Meinungen und Haltungen meine Publikationen transportieren, und es stellt keine Beschränkung der Meinungsfreiheit dar, das zu tun. Das gleiche gilt für viele Situationen, in denen unterstellt wird, es gäbe eine Einschränkung der Meinungsfreiheit, weil „man“ bestimmte Dinge „nicht mehr sagen darf“. Es ist je nach Kontext und Situation möglicherweise nicht folgenlos, sie zu sagen, aber sagen darf man sie straflos, es sei denn, man verletzt tatsächlich Persönlichkeitsrechte oder ruft zum Mord auf. Dass die Betreiber von Plattformen Leute rausschmeißen, die Hass und Hetze und Dummheit verbreiten, ist keine Beschränkung der Meinungsfreiheit, sondern eine Wahrnehmung des Hausrechts. Usw.


    Im Übrigen hat Ullstein lediglich entschieden, das vergriffene Buch nicht mehr nachdrucken zu wollen und die lLizenz hierfür auch nicht mehr zu verlängern. Ullstein hat den Titel nicht aus dem Programm „geworfen“. Sie haben schlicht den Vertrag auslaufen lassen. Vance hat sofort einen neuen deutschen Verlag gefunden, der übrigens kein „rechter“ Verlag ist.

  • Manuela

    Hat den Titel des Themas von „Ulstein schmeißt J.D. Vance - Hillbilly Elegy aus dem Programm“ zu „Ullstein schmeißt J.D. Vance - Hillbilly Elegy aus dem Programm“ geändert.
  • Zitat

    Das ist lediglich die Begründung wie in einer Diktatur Meinungsfreiheit bekämpft wird.

    Nein. Meinungsfreiheit endet, wo zu Straftaten aufgerufen wird oder bereits begangene glorifiziert werden.

    Der Kontext im Bezug auf den Beitrag von mir erschließt sich mir nicht.


    Meinungsfreiheit bedeutet nicht, dass jede Meinung jederzeit von jedem geduldet werden muss.

    Dazu muss eine Meinung erstmal gesagt werden. In der von mir verlinkten Statistik ist der Trend sichtbar, dass seit über 30 Jahren die Meinung, das zu dürfen, erschreckend abgenommen hat. Die Statistik kann auch falsch sein. Für mich ist sie bedenklich. Man kann sie mit Allgemeinplätzen auch wegdiskutieren.

  • Das ist lediglich die Begründung wie in einer Diktatur Meinungsfreiheit bekämpft wird. Es gibt andere Formen, die unter Unständen subtiler sein können. Bei dieser Statistik, die einen Trend über 30 Jahre darstellt, stelle ich mir die Frage - was ist hier los? Wenn Menschen gefühlt Angst haben, ihre Meinung zu äußern, aber auch nicht von Knast und Todesstrafe bedroht werden, kann die Erklärung nur in der Angst vor sozialer Ausgrenzung zu suchen sein

    Die Statistik ist grundsätzlich richtig. Ich glaube auch, dass viele Menschen das Gefühl haben, dass man in Deutschland mittlerweile seine Meinung nicht mehr sagen darf, und ich weiß nicht, wie oft ich genau diese Klage in den letzten Jahren gehört habe - ad nauseam, um ehrlich zu sein. Wahrer wird das davon nicht. Sicherlich lohnt sich aber ein Blick auf die Frage, warum so viele Menschen dieses Gefühl haben.


    Wenn man Leuten, die Angst vor großen, fetten, schwarzen Spinnen haben, sagt: Irgendwo in diesem Raum befindet sich eine große, fette, schwarze Spinne, dann bekommen diese Leute Angst, und zwar ohne zu überprüfen, ob da wirklich eine dermaßen eklige Spinne sitzt. "Spinne" kann man durch alles Mögliche ersetzen. "Flüchtlingswellen", "Meinungsunfreiheit" und ja: auch "Klimawandel". Immer gut also, Behauptungen zu prüfen, und zwar anhand möglichst verschiedener Quellen.


    Und: Wir leben in einer Zeit von starkem gesellschaftlichen Dissens. Diesen Satz, dass man angeblich seine Meinung nicht mehr sagen darf, kenne ich aus den unterschiedlichsten, auch harmlosen Diskussionskontexten, angefangen beim Gendern, wo der eine seine Meinung sagt, und der andere widerspricht, also auch von seiner Meinungsfreiheit Gebrauch macht. Mit anderen Aussagen, da stimme ich dir zu, Dietmar, kann man sich durchaus ins gesellschaftliche Aus schießen, z.B. weil es rechts- oder linksextreme, verfassungs- und demokratiefeindliche und/oder schlicht verbotene Aussagen sind.

    "Aim high, expect nothing."

    (Uschi Obermaier?)

    Einmal editiert, zuletzt von Kristin ()

  • Ich finde es interessant, dass hinter der Befürchtung, seine Meinung nicht frei äußern zu können, der Gedanke an gesellschaftliche Ächtung steckt - dass der Staat aber umgekehrt die Meinungsfreiheit garantiert und für sie eintritt. Schließlich wurden Grundrechte einmal gegen den Staat erkämpft. Dreht sich das Verhältnis um?


    Auf der Seite bundesregierung.de ist ein Interview wiedergegeben, das der Bundeskanzler Ende Juli 2023 der Süddeutschen gegeben hat. Zu diesem Zeitpunkt war Vance schon "Trumpist", nur noch nicht der Kandidat für die Vizepräsidentschaft. Auszüge:


    "Einige Autoren, die Sie häufiger zitieren, sind alles andere als Sozialdemokraten: Vargas Llosa ist ein Liberaler der rechten Mitte, J.D. Vance, Autor von Hillbilly Elegy, wurde auf dem Trump-Ticket Senator und Didier Eribon, der die „Rückkehr nach Reims“ schrieb, zählt sich zur radikalen Linken. Schauen Sie bei der Lektüre nach der politischen Ausrichtung der Verfasser?


    Scholz: Nein, im Gegenteil, mich reizt das Neue, Unbekannte. Wenn ich nur lese, was meiner Meinung entspricht, würde ich mich um das eigentliche Abenteuer des Lesens bringen. Und im Prinzip ist genau das der Fluch der Sozialen Medien: dass wir es uns gemütlich in unseren Blasen einrichten können, wo wir nur Dinge vorgeschlagen bekommen, die zu dem passen, was wir schon immer richtig fanden. Das Besondere ist aber das Neue, Unbekannte. (...) Was die genannten Autoren betrifft, lassen sich politische und intellektuelle Wandlungen schön beobachten: Vargas Llosa hat als junger Kommunist begonnen, wurde dann ein Neoliberaler und das prägt sein ganzes Werk. Aber was ich an ihm schätze, ist die Humanität, die da durchscheint, die große Menschenliebe, von der sein Werk geprägt ist. J.D. Vance indes begann als Anti-Trumpist und hat sich dann hin zum Trumpisten entwickelt, was ein bisschen tragisch ist.


    Es heißt, Hillbilly Elegy habe Sie sehr gerührt, sogar zu Tränen. Stimmt das?


    Scholz: Ja, es ist eine ganz berührende persönliche Geschichte, wie sich ein junger Mann mit schlechten Startbedingungen durchschlägt. Leider kann man darüber heute mit dem Autor wohl nicht mehr diskutieren, fürchte ich. Darin besteht die Tragik: Von einem selbsterklärten konservativen Gegner Donald Trumps, der messerscharf die Ungerechtigkeiten der amerikanischen Gesellschaft analysiert und für sich nur mit Glück und seiner Militärlaufbahn einen Ausweg findet, scheint sich Vance nun zu einem feurigen Befürworter dieses Rechtspopulisten gewandelt zu haben, um dessen Unterstützung zu erhalten – und selbst Senator zu werden. (...)


    Hat das Vance-Buch Ihnen dabei geholfen, die Ursachen des Trumpismus zu verstehen?


    Scholz: Ja. Und es hat mir auch geholfen, mein eigenes Verständnis für das zu schärfen, was für eine moderne, fortschrittliche, ich würde sagen sozialdemokratische Politik im 21. Jahrhundert wichtig ist: All die vielen, die arbeiten, sich anstrengen und den Laden am Laufen halten, müssen relevant bleiben. (...)"


    https://www.bundesregierung.de…ddeutsche-zeitung-2203588

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • Ich finde es interessant, dass hinter der Befürchtung, seine Meinung nicht frei äußern zu können, der Gedanke an gesellschaftliche Ächtung steckt - dass der Staat aber umgekehrt die Meinungsfreiheit garantiert und für sie eintritt. Schließlich wurden Grundrechte einmal gegen den Staat erkämpft. Dreht sich das Verhältnis um?

    Die Frage kann heute nicht mehr zwingend mit Nein beantwortet werden. Die Drehung ist so langsam, dass man sie an sich nur schwer beobachten kann. Aber irgendwann könnte die Drehung auch die Kunst erreichen. Alle Antworten gibt es von Verfassungsrechtlern in den drei Videos hinter diesem Link.

  • Ein Nachtrag: Deniz Yücel sagt im Interview mit WELT-TV, man lerne im Grundkurs Germanistik oder schon im Deutsch-Leistungkurs eine elementare Trennung: nämlich die zwischen Autor und Werk. https://www.welt.de/kultur/vid…erdiges-Verstaendnis.html


    In diesem Zusammenhang ist eine Besprechung in der taz von heute interessant, die bei Wiki wie folgt wiedergegeben wird: "Klaus Bittermann lobte das Buch 2017 in der taz als eines der besten Sachbücher des Jahres und verglich es mit Rückkehr nach Reims von Didier Eribon.[12] 2024, nachdem Vance von Trump nominiert wurde, revidierte er sein Urteil und schrieb, der Bucherfolg beruhe auf einer Sozialromantik, die sich mit Vance’ reaktionären Positionen als Trump-Vize in Einklang bringen lasse." https://de.wikipedia.org/wiki/Hillbilly-Elegie#Rezeption

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • Vielen Dank Alexander R. ! Ein Zitat aus deinem Link: "Deniz YüDeniz Yücel findet es „verwunderlich, dass eine elementare Trennung bei Ullstein nicht mehr zählt“.


    Genau das verwundert mich eben auch und ich habe keinerlei Verständnis dafür, wie ich ganz oben in meinem Post schon "angemeckert" habe, dass viele Leute nicht mehr differenzieren können oder wollen.

  • Vielen Dank Alexander R. ! Ein Zitat aus deinem Link: "Deniz YüDeniz Yücel findet es „verwunderlich, dass eine elementare Trennung bei Ullstein nicht mehr zählt“.


    Genau das verwundert mich eben auch und ich habe keinerlei Verständnis dafür, wie ich ganz oben in meinem Post schon "angemeckert" habe, dass viele Leute nicht mehr differenzieren können oder wollen.

    Ach, viele Leute können so vieles nicht, das ist wirklich beklagenswert. Das sind vielleicht auch die, die den Schauspieler Joachim H. Luger auf der Straße beschimpfen, weil er in der Lindenstraße als Hans Beimer seine Helga betrügt. Dafür können aber andere "viele Leute" durchaus vieles, z.B. differenzieren. Nämlich sowohl zwischen Autor und Werk als auch zwischen Vance 2017 und 2024. Ich glaube, auch bei Ullstein können das ein paar Leute auseinanderhalten. Ich weiß also mal wieder nicht, wie mir zwei vor die Füße geworfene Zitate (oder irgendwelche Links oder Interviews) die objektive Richtigkeit einer bestimmten Meinung beweisen sollen. Gibt es hier auch Argumente, denen eigene Denkprozesse vorausgehen? Mutige vor! Im Ernst, das nervt.


    Verlage geben nicht nur Bücher heraus, sondern es gehört meines Wissens auch zu ihrem Selbstverständnis, Autoren aufzubauen, d.h. Autoren als Marken zu etablieren. Und was bitte ist da in diesem Fall noch zu erwarten?

    "Aim high, expect nothing."

    (Uschi Obermaier?)

  • die objektive Richtigkeit einer bestimmten Meinung beweisen sollen


    Kristin Gibt es denn überhaupt eine objektive Richtigkeit, wenn wir von *Meinung* sprechen? *Meinung* kann nie richtig oder falsch sein und objektiv schon gar nicht, denn dann ist es keine Meinung mehr sondern ein Fakt. Wir reden hier aber nicht über Fakten. Wir reden über Empfindungen und individuelle Einschätzungen. Und wenn das Zitat eines anderen meine eigene Meinung wiederspiegelt, dann ist es doch nicht verwerflich, wenn ich das offen kundtue.

  • Ich weiß also mal wieder nicht, wie mir zwei vor die Füße geworfene Zitate (oder irgendwelche Links oder Interviews) die objektive Richtigkeit einer bestimmten Meinung beweisen sollen. Gibt es hier auch Argumente, denen eigene Denkprozesse vorausgehen? Mutige vor! Im Ernst, das nervt.

    LIebe Kristin,


    ich danke Dir für Deine aufmunternden Worte. In meinem ersten Statement dieses Fadens steht:


    Zitat

    Es geht ja nicht um Mr. Vance, der sich gewandelt hat, sondern um seine Autobiographie als Werk, die sich nicht gewandelt hat. Eine Parallele: "Hunger" von Knut Hamsun (1890) ist ein großes Werk, auch wenn der Autor sich später zum Nationalsozialismus bekannt hat.


    Ich neige dazu, Ulsteins Entscheidung als wohlweil zu beurteilen.


    Das ist Beitrag #9. Ich halte die Unterscheidung von Werk und Autor in der Tat für selbstverständlich. (Und "wohlweil" war übrigens ein Tippfehler statt "wohlfeil".) Der Schwerpunkt in meinem letzten Beitrag lag darauf, dass derselbe Rezensent der taz dasselbe Werk unterschiedlich beurteilt, seit Vance Running Mate von Trump wurde.


    Ich wünsche Dir einen schönen Abend.

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • Kristin Gibt es denn überhaupt eine objektive Richtigkeit, wenn wir von *Meinung* sprechen? *Meinung* kann nie richtig oder falsch sein und objektiv schon gar nicht, denn dann ist es keine Meinung mehr sondern ein Fakt.

    Genau, darauf will ich doch hinaus.

    Und wenn das Zitat eines anderen meine eigene Meinung wiederspiegelt, dann ist es doch nicht verwerflich, wenn ich das offen kundtue.

    Das respektiere ich. Und verwerflich sowieso nicht. es hat mich bloß wirklich genervt, dass die letzten Beiträge in diesem Fred nur noch ein Hin und Her von Zitaten und Fremdgedanken waren. Das ärgert mich häufig in Debatten, denn ich erkenne es einfach nicht als Argument an.

    "Aim high, expect nothing."

    (Uschi Obermaier?)

  • Ich finde Fremdgedanken als Ergänzung hochinteressant. Wie dem auch sei. Das Thema scheint ausdiskutiert zu sein.

    Mich nervt es in solchen Diskussionen, wenn man beginnt, sich im Kreis zu drehen.

    Mich würde immer noch die Sichtweise eines Lesers dieses Buches interessieren. Vielleicht findet sich hier im Forum ja noch jemand, der es gelesen hat und etwas zum Inhalt beitragen kann.

  • Hallo, Alexander,


    Das ist Beitrag #9. Ich halte die Unterscheidung von Werk und Autor in der Tat für selbstverständlich. (Und "wohlweil" war übrigens ein Tippfehler statt "wohlfeil".) Der Schwerpunkt in meinem letzten Beitrag lag darauf, dass derselbe Rezensent der taz dasselbe Werk unterschiedlich beurteilt, seit Vance Running Mate von Trump wurde.

    Das habe ich schon verstanden. Ich habe (u.a.) den taz-Artikel zufällig heute auch im Netz nachgelesen, um mich noch mehr ins Thema einzulesen. Und ich finde, die von Wiki herausgearbeitete Quintessenz arg verkürzt. Der Verfasser des Artikels liest Vance's Buch mit dem jetzigen Wissen um dessen politische Entwicklung noch einmal und kommt zu dem Schluss, dass sich in der Rückschau dem Buch die heutige Haltung des Autors bereits anmerken lässt. So habe ich es verstanden. Das ist etwas subtil anderes als "sein Urteil revidieren", dass es ein ausgezeichnetes Sachbuch ist. Es steht noch viel anderes, in meinen Augen Plausibles in dem Artikel, aber ich verzichte darauf, ihn hier zu verlinken. Es ist nicht schwierig, ihn im Netz zu finden, so wie auch zahlreiche andere Artikel, die zu anderen Beurteilungen des Vorgehens bei Ullstein kommen.


    Ich wünsche dir auch einen schönen Abend.

    "Aim high, expect nothing."

    (Uschi Obermaier?)

  • Gibt es hier auch Argumente, denen eigene Denkprozesse vorausgehen? Mutige vor! Im Ernst, das nervt.

    Na fein. Reden wir über unsere Befindlichkeiten bei diesem Gespräch. Ich finde es - erstaunlich zu sagen: Wer Trump ablehnt, sollte Ullsteins Entscheidung befürworten.


    Trump hebt nicht die Schwerkraft auf. Die allgemeinen Regeln gelten weiter. Diese sind zum einen: Ein Verlag hat das Recht, einen ausgelaufenen Vertrag nicht zu verlängern. Zum anderen: Ein Werk ist ein Werk ist ein Werk.

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • Doch, Trump tut genau das, Alexander. Er erhebt das dreiste Lügen zur Umgangsform, er setzt sich über alles hinweg, was man meinte, das an Regeln des Anstands und der Fairness wenigstens noch minimal gelten sollte, er ist ein offener Sexist, ein Widerling vom Scheitel bis zur Rosette, eine Inszenierung, die sich dafür feiert, auf alles zu scheißen und sich alles herausnehmen zu dürfen, einschließlich der Anzettelung von blutigen Aufständen und ähnlichem. Trump hat die Gravitationskonstante dessen, was wir gemeinhin „Demokratie“ nennen (aber auch „Gerechtigkeit“, vor allem jedoch „Wahrheit“), ganz erheblich und fast im Alleingang verschoben. Er ist zu einem Gutteil dafür mitverantwortlich, dass die Menschen eher dem glauben, was offenbar Hirntote auf „social media“ verbreiten, während sie alle, die sich „Journalisten“ nennen, originellerweise für Berufslügner halten, er hat die „alternativen Fakten“ (YES!) salonfähig gemacht und damit das letzte bisschen Konsens vollständig erodiert. Am tiefsten Boden des Risses, der im Moment durch fast alle westlichen Gesellschaften geht, stehen Trump & Co.


    Und, noch einmal. Ullstein sagt, nachdem alle Exemplare abverkauft waren und die Lizenzverlängerung hätte ausgehandelt werden müssen, dass sie mit diesem Buch kein Geld mehr verdienen möchten. Unter anderem, weil eine Trennung von Werk und Autor ab einer gewissen Grenze einfach nicht mehr möglich ist. Ich will keinen noch so schlauen Text von jemandem lesen, von dem bekannt ist, dass er Kinderpornografie herstellt oder Björn Höcke heißt oder sein Geld mit Drogen- oder Menschenhandel verdient (diese Aufzählung ist vollständig willkürlich und müsste eigentlich seitenlang gehen). Und dass ich das nicht will, heißt auch, dass ich damit einverstanden bin, wenn andere Leute aus ähnlichen Gründen solche noch so schlauen und guten und gelungenen Texte nicht (mehr) publizieren möchten. Der Vergleich mit der Kinderpornografie ist natürlich krass und eigentlich völlig unangebracht, aber es geht darum, dass dieser Anspruch der Trennung von Werk und Autor einfach Grenzen hat, und die sind keine allgemeingültigen.