Das große, grüne Auto oder das grüne, große Auto - die Adjektivstellung, ein mir bislang nur unbewusst bekanntes Wesen

  • Über einen Beitrag in der - wirklich lustigen - Facebookgruppe "The Language Nerds", in der es um besondere und skurrile Sprachereignisse geht, bin ich auf die so genannte "Adjektivstellung" gestoßen, eine (ungeschriebene?) Regel dafür, wie mehrere Adjektive vor einem Substantiv anzuordnen sind (die es offenbar im Englischen auch gibt). Ich war verblüfft. Ja, das tut man so, man setzt nicht die Farbe vor die Größe, sondern die Größe vor die Farbe, und ganz am Anfang zählt man ("Dreißig große, grüne Autos") und ich mache das intuitiv, wie das die meisten Menschen vermutlich auch tun. Oder?


    Ich habe dann ChatGPT dazu befragt, weil die Googlesuche nach "Adjektivstellung" nur Blödsinn hervorbrachte. ChatGPT hat das hier auf die Frage "Gibt es Regeln für die Anordnung mehrerer Adjektive vor einem Substantiv?" geantwortet:


    Ja, im Deutschen gibt es Regeln für die Anordnung mehrerer Adjektive vor einem Substantiv. Diese Regeln sind jedoch oft flexibel und können je nach Kontext variieren. Im Allgemeinen folgen Adjektive im Deutschen einer bestimmten Reihenfolge, die als "Adjektivstellung" bekannt ist. Diese Reihenfolge lautet normalerweise:


    1. Artikel oder Possessivpronomen

    2. Demonstrativpronomen oder Indefinitpronomen

    3. Quantitätsadjektive

    4. Qualität (Bewertung)

    5. Größe

    6. Alter

    7. Form

    8. Farbe

    9. Herkunft

    10. Material

    11. Zweck oder Verwendung


    Man lernt nie aus, dachte ich, und dann habe ich probiert und gesucht. Es stimmt. Ich gehe auch in dieser Reihenfolge vor, ohne dass mir jemals jemand diese Regeln erläutert oder gar eingetrichtert hätte. Man macht das einfach so. Oder? Wo kommt es her? Wie kommt es?


    Teilt jemand meine Verblüffung?

  • Witzig, darüber habe ich auch nie nachgedacht. Das passiert einfach so. Wahrscheinlich, weil man ja auch so spricht.

    Wer sagt schon, ich habe ein grünes, großes Auto...

    Man darf sich so etwas aber nicht zu lange ansehen, dann kommt einem nämlich alles merkwürdig vor ????

  • Man macht das einfach so. Oder? Wo kommt es her? Wie kommt es?

    Ich teile deine Verblüffung. Allerdings finde ich, dass die Reihenfolge von der Betonung abhängig gemacht werden sollte, es also auf den Kontext ankommt. Gibt es keine Betonung, sollte man der Regel vielleicht folgen. Ich bin ehrlich: Ich weiß nicht, wie ich es mache, werde meine Texte daraufhin aber mal durchforsten. Das ist ein sehr interessantes Thema.

  • Allerdings finde ich, dass die Reihenfolge von der Betonung abhängig gemacht werden sollte, es also auf den Kontext ankommt.

    Wenn zum Beispiel eine Figur, die etwas sagt, in diesem Fall besondere Betonung darauf legen will, dass das Auto grün ist? "Das ist ein sehr grünes, großes Auto!" Sowas?

    Stimmt schon. Und ich habe beim Durchforsten meiner Texte festgestellt, dass ich mit dieser Gewichtung durchaus absichtsvoll breche, ohne das, was ein bisschen merkwürdig klingt, gezielt-bewusst zu tun. Eben weil man einen bestimmten Aspekt in den Vordergrund stellen will, mit dem das nicht gelänge, hielt man sich an dieses ungeschriebene Gesetz. Es hat auch semantische Qualitäten. "Das sind fünfzig sehr schöne Autos" verhält sich anders als "Das sind sehr schöne fünfzig Autos". Also, ja, der Kontext ist entscheidend. Aber dass man ansonsten diese Rangfolge meistens einhält, hat mich echt überrascht.


    Wirklich interessant.

  • Haha, lustig!


    Ich versuche, Adjektivketten zu vermeiden, aber manchmal können die auch schön aussehen - genau: Wenn schräge dabei sind.


    Harlan Ellison stellt Ketten von zwei bis drei Adjektiven oft mal ganz ans Satzende. Wie eine Nacherklärung. Das hat - zumindest im Englischen - einen wirklich tollen Drive bzw. Rhythmus, wirkt frisch und nicht so hilflos (meine: man nimmt ein Adjektiv, weil einem nicht das passende Verb einfällt).


    Ich wusste von dieser losen Regel auch nix, aber versuche - auch bei Substantiven - irgendeine Ordnung und Blickführung: vom Allgemeinen zum Speziellen, von der Totalen ins Detail, von innen nach außen, belebt -> unbelebt usw. Dabei versuche ich, beim Leser Korrekturen zu vermeiden, und ich kann mir vorstellen, dass das der Grund der o.g. Regel ist. Vielleicht bei jedem anders, aber ich sehe spontan eh eine Autofarbe, wenn mir jemand "großes Auto" sagt. Kommt hinter groß noch eine Farbe, muss ich stärker korrigieren, als ob jemand noch groß sagt und ich einen Kleinwagen im Kopf hatte, aber eben bereits in der richtigen Farbe. Es kommt aber sicher auf die eigene, ich sag mal 'visuelle Fantasie' an, das mag bei jedem anders sein.

  • ch versuche, Adjektivketten zu vermeiden,

    Im Allgemeinen sind Adjektive ja eher verschrien, was ich noch nie so ganz nachvollziehen konnte. Man siehe sich nur das Werk von Wolfgang Borchert an, das zwar speziell ist, aber vor Adjektiven strotzt. Damals (so wie heute) schimpft (bei ihm) niemand darüber.

  • Im Allgemeinen sind Adjektive ja eher verschrien, was ich noch nie so ganz nachvollziehen konnte.

    Die Strugatzkis haben auch ne Menge davon, ich brauche immer ein paar Seiten, um die zu überlesen. Es heißt ja oft: 'Nimm starke Verben, keine schwachen oder Hilfsverben' - ich weiß, es gibt keine 'starken' und 'schwachen' Adjektive oder Adverbien, aber ich sehe das so: Es gibt welche, die ungewöhnlich und ästhetisch klingen und andere, die faul und lahm aussehen.

    Ich sagte leise = ich flüsterte | das schwarze Pferd = der Rappe, so in der Art. Viele dieser lahmen Adjektive & Adverbien sind eigentlich mit einem passenden Verb oder Substantiv zu vermeiden. Das hält nicht so den Lesefluss auf, weckt deutlichere Bilder.


    Einer meiner Lieblingssätze von Antoine Volodine (aus: Mevlidos Träume) ist: Der Regen schraffiert die Nacht.

    Darin hast du: Tageszeit, Beleuchtung, Wetter, Wind bzw. Windstärke (schraffieren vermittelt ja: schräg), und man sieht sogar die hellen (nämlich zwangsläufig von irgendwoher angeleuchteten) Regenfäden vor dunklem Hintergrund vor sich. Um das so zu sagen, muss ein Icherzähler auch eigentlich drinnen stehen, denn sonst hat man den Regen im Gesicht und kann das nicht so aus der Mittel-/Distanz beobachten. Alles ohne: 'es regnete heftig, es war dunkel, es war windig' blabla. Zumindest mir vermittelt das eine weitaus größere Kontrolle des Autors über das, was er zeigen möchte.


    Viele Adjektive / Adverben klingen auch wie purple prose, aber wie gesagt: Es kommt drauf an. Hast du einen adjektiv-/adverb-armen Text, der seine Bilder eben auch so vermittelt bekommt, können die gut gewählten Ausnahmen auch richtig leuchten; hast du querbeet alles damit verkleistert, ist das imA zumindest meist ungenießbar.

  • hast du querbeet alles damit verkleistert,

    Nun, das ist sicherlich nicht Sinn und Zweck eines Textes, wobei ich das nicht nur auf Adjektive beziehen würde sondern auch auf ständige Wortwiederholungen ebenso wie auf das verkrampfte Suchen nach Synonymen, nur um ja keine Vokabel doppelt zu verwenden.

    das schwarze Pferd = der Rappe

    Das ist in meinen Augen ein Beispiel für vollkommene Sinnlosigkeit.

    Erwähnt jemand jedoch einen feurigen Rappen, verstehe ich nicht, wieso zwingend das feurige zeilenweise umschrieben werden sollte. Das hat hier zwar niemand behauptet, doch ich kenne Verfechter dieser Ansicht.

    Der Einsatz von feurig (beispielhaft) hängt vom Stil des Gesamttextes und der Gewichtung des Rappen ab. Spielt dieser eine untergeordnete Rolle, obwohl das Feurige in gewissem Maße wichtig ist, würde mir das Adjektiv (quasi als Zusammenfassung der Eigenschaften, die etwas Feuriges ausmachen) deutlich sympathischer sein.

  • Wirklich interessant, Tom !

    Ich wage mal eine Erklärung.

    Meistens (im Deutschen immer dann, wenn kein Komma dazwischen steht) bestimmt das vorausgehende Adjektiv die darauffolgenden Adjektive inklusive dem Substantiv, auf das sich alle Adjektive beziehen.

    Zum Beispiel:

    "ein (schönes (altes Auto))" ist ein schönes aus der Gruppe der alten Autos

    "ein (altes (schönes Auto))" ist ein altes aus der Gruppe der schönen Autos

    "ein (schönes (altes (schlammtüchtiges Auto)))" ist ein schönes Auto aus der Gruppe der alten Autos, das zudem auch noch schlammtüchtig sind.


    Die Reihenfolge könnte sich daraus ergeben, dass normalerweise Material (Platz 10) oder Zweck (Platz 11) spezifischere/ enger umgrenzte Eigenschaften sind zum Beispiel eine Qualität, die ja sehr weit weg von dem Adjektiv stehen kann. Und Zahladjektive, die Immer an erster Stelle stehen, sind ja sehr unspezifisch.

    Deshalb klingt "schöne alte zahlreiche Autos" falsch.


    Bei der anderen Variante, der mit Komma, hast du eine Reihung, in der es dieses Verhältnis, das ich mit Klammern dargestellt habe, nicht gibt.

    Aber auch hier gehen wir als Sprecher:innen und Hörer:innen davon aus, dass das spezifischere, charakterisierende Adjektiv nahe beim Substantiv steht.

    "Ich wünsche mir schöne, alte, zahlreiche Autos" klingt so, als ob der Sprecher sich mit der Stellung als besonderer Gierschlund in Bezug auf alte Autos darstellen möchte. ("Schön und alt sollen sie sein, aber besonders wichtig: ganz viele")

    Einen schönen Abend!

  • als Sprecher:innen und Hörer:innen davon aus, dass das spezifischere, charakterisierende Adjektiv nahe beim Substantiv steht.

    "Ich wünsche mir schöne, alte, zahlreiche Autos" klingt so, als ob der Sprecher

    Darf man hier auch off-topic etwas äußern? Wenn nicht, dann bitte löschen.


    Ich mache kein Geheimnis daraus, ein Gegner gendergerechter Sprache zu sein. Andererseits sollte jeder selbst entscheiden, wie er sich ausdrückt. Was mir dennoch immer mal wieder auffällt - auch gerade hier in diesem Beispiel - ist die Inkonsequenz in der Nutzung einer gendergerechten Sprache. Ich möchte hier keine Diskussion entfachen, mir fällt es nur einfach auf und da wir uns hier alle mit Sprache beschäftigen:


    1. Sprecher:innen

    2. Sprecher

  • Ich mache kein Geheimnis daraus, ein Gegner gendergerechter Sprache zu sein. Andererseits sollte jeder selbst entscheiden, wie er sich ausdrückt. Was mir dennoch immer mal wieder auffällt - auch gerade hier in diesem Beispiel - ist die Inkonsequenz in der Nutzung einer gendergerechten Sprache.


    Auch ich bin Gegnerin der politisch verordneten "gendergerechten Sprache". Dazu gibt es einen umfassenden Artikel von Prof. Heinz-Dieter Pohl. Er ist österreichischer Sprachwissenschafter und Namenforscher und war Universitätsprofessor für Allgemeine und Diachrone Sprachwissenschaft an der Universität Klagenfurt. Leider finde ich seinen diesbezüglichen Aufsatz nicht mehr im Internet, habe nur eine Kopie davon, aus der ich mir erlaube, einige Zitate zu präsentieren.


    (sic) Das Genus wird in der deutschen Sprache nur im Singular unterschieden, im Plural gibt es keinen Genusunterschied (oder wenn man so will, bezogen auf Lebewesen: nur genus commune).In vielen Sprachen gibt es Wortbildungselemente, mit denen eindeutig weibliche Begriffe erzeugt werden, meist gibt es mehrere, im Deutschen aber nur eines, nämlich -in – und dieses hat sich krebsgeschwürartig in der feministischen Nomenklatur ausgebreitet, vom Binnen-I, Schräg-strich, Gender Gap (_), Sternchen (*) oder Doppelpunkt (:) bis zur x-Form (z.B. Professx) usw. (sic)


    (sic) Zum vielfach eingeforderten und verordneten "geschlechtsneutralen Formulieren" ist festzustellen, dass "geschlechts-neutrale" Bezeichnungen in der deutschen Grammatik nicht vorgesehen sind und daher in Widerspruch zur Realität stehen, da sie im Singular ohne Artikel gar nicht verwendet werden können und der Artikel immer vom jeweiligen Genus, also dem grammatikalischenGeschlecht, abhängig ist. Im Singular ist nur der/die/eine Lehrende/Studierende bzw. ein Lehrender/Studierender möglich, nur im Plural auch Lehrende/Studierende (ohne Artikel) bzw. die Lehrenden/Studierenden (mit Artikel) – wie ja auch bei Lehrer und Student. (sic)


    (sic) Da eben jedes Substantiv im Deutschen einem der drei grammatikalischen Geschlechter zuzuordnen ist, kann es keine "geschlechtsneutralen" geben. Daran ändern auch Formen wie Lehrende/Studierende nichts; diese entsprechen darüber hinaus keineswegs genau dem Lehrer/Studenten, sind sie doch Partizipia. Lehrende und Studierende sind eben nicht zwingend Lehrer und Studenten! (sic)

    Alles Entstandene auflösend weht dahin der Verwesung Hauch.

    Wie ein irdischer Prachtgarten welken Paradiesblumen auch.

    (Buddha)

  • Ich habe meinen Beitrag geschrieben, weil ich die von Tom aufgeworfene Frage interessant finde.

    Eine Diskussion darüber, warum ich Formen wie Leser:innen verwende, ob das gut ist oder ob ich konsequent dabei bin, möchte ich in diesem Thread nicht führen. Ist halt wirklich off-topic.

  • Ich habe eben irgendwo gelesen, dass es im Englischen eine bestimmte Reihung der Adjektive gibt. Aber eine so granulare Regelung, wie ChatGPT sie aufführt, habe ich noch in keiner Sprache gesehen. Ich stelle die Frage bei Gelegenheit mal im VFLL.


    Wahrscheinlich machen wir es in der jeweiligen Muttersprache intuitiv richtig. In der Logik, die Sabine beschreibt.

  • Kenne es auch aus dem Englischen, habe es dort aber nie bewusst gelernt. Vielleicht, weil das Englische dem Deutschen so sehr ähnelt und wir es tatsächlich intuitiv richtig machen?


    Und ich frage mich jetzt seit gestern, warum Tom sich die perfekte Gelegenheit hat entgehen gelassen, uns allen einen Ohrwurm zu bescheren mit dem "kleinen grünen Kaktus".


    ?!?

  • sehr interessant…

    Ich versuche mich einmal korrekt in diesem Sinne auszudrücken:


    Ich lese hier 20 (Quantitätsadjektiv), verschiedene (Qualität) ausufernde (Größe), zwei Tage alte (Alter), linksbündig gesetzte (Form), schwarze (Farbe) deutsche (Herkunft) digitale (Material) dem geneigten lesenden zur Unterhaltung dienende (Zweck oder Verwendung) Textbeiträge