In der arte-Mediathek sind aktuell Dokus abzurufen, die sich mit „Skandalromanen“ befassen, als da wären:
- „Lolita“ von Vladimir Nabokov
- „American Psycho“ von Bret Easton Ellis
- „Clockwork Orange“ von Anthony Burgess
- „Die Wohlgesinnten“ von Jonathan Littell
- „Die Nonne“ von Denis Diderot
- „Madame Bovary“ von Gustave Flaubert
- „Die Kunst der Freude“ von Giliarda Sapienza
Werke, mit denen ihre Autoren -
bis auf eine Ausnahme männlich; „können“ Frauen keine Skandalromane? Doch können sie, mir fiele auf Anhieb zumindest noch Virginie Despentes ein … wer noch … Erica Jong? -
Grenzen überschritten: der herrschenden Moral, des „guten Geschmacks“, Romane, die man (rückblickend) verkannte, fehlinterpretierte oder deren Verfasser man sogar in gewisser Weise akut fürchtete, weil sie womöglich subversives Gedankengut aufgeschrieben hatten, das sich tunlichst nicht verbreiten sollte.
So wurde Diderots Geschichte einer Frau, die gegen ihren Willen in ein Kloster gesteckt wird, in Frankreich erst 1796 (davor in Deutschland), zwölf Jahre nach dem Tod des Autors, veröffentlicht, nachdem die Macht der Kirchen durch die Revolution (vorübergehend) ausgehebelt worden war. (Der Roman war damals übrigens einer von zwei Romanen überhaupt, der aus der Sicht einer Frau erzählt wurde.)
Bret Easton Ellis ist einer der wenigen Autoren, die sich in einer anderen Zeit über eine andere Sicht auf ihr Werk erfreuen können; er kommt in der Doku am umfangreichsten, nicht nur im Rückblick persönlich zu Wort.
Sexualität und Gewalt, verschärfend eine Kombination von beiden, scheinen demnach - wenig überraschend - am ehesten für einen Skandal getaugt zu haben/zu taugen. Diese Romane darauf zu reduzieren, wäre aber eine grobe Fehlinterpretation. Gewiss hat es viele, viele Romane gegeben, die diese Tabus gebrochen haben, die heute aber zurecht vergessen sind, weil sie darüber hinaus nichts zu bieten hatten: zum Beispiel berechtigte Gesellschaftskritik.
Man kann sich leicht vertun, wenn man Romane, die man selbst nicht gelesen hat, nach ihrem Ruf beurteilt und demnach meidet: weil sie gewaltverherrlichend seien, zum Beispiel. Überbordende Gewalt ist bei mehreren der genannten Romane zweifellos vorhanden - bloß: Es hat diese Exzesse ja gegeben oder es gibt sie noch. In der Folge über Littell sagt ein Historiker, dass seine Zunft, die Wissenschaft, gewisse Aspekte des Holocaust nicht derart deutlich habe beschreiben können.
„American Psycho“ müsste ich noch irgendwo haben; demnächst mache ich vielleicht einen zweiten Anlauf, den Roman zu lesen. Und auch auf die anderen Werke bin ich zumindest neugierig geworden.