Ich darf dieses Buch nicht vergessen. Jochen Distelmeyer, Ex-Sänger und -Chef der Rockband "Blumfeld", hatte im Jahr 2013 oder 2014 angekündigt, einen bahnbrechenden Roman verfasst zu haben, den er dann diversen Verlagen in einer Art Casting anbot - er traf die ernsthaft interessierten Lektoren, die vorher ein Gebot gemacht haben mussten, zum Essen (das die Lektoren zu bezahlen hatten) und verlas währenddessen die ersten zwei Seiten des Romanprojekts. Die Leseprobe, die es gab, und auf deren Basis man zu entscheiden hatte, war insgesamt zwanzig Seiten lang. Ein Lektor, mit dem ich befreundet bin, erzählte sehr amüsiert von dem Treffen. Den Zuschlag bekam letztlich Rowohlt, die "Otis" für eine sechsstellige Garantiesumme ins Programm nahmen, in der Hoffnung, der Prominenzfaktor Distelmeyers würde sich auszahlen - und sie würden hundert- bis hundertfünfzigtausend Exemplare verkaufen. Das glaubten sie auch noch, als sie das gesamte Manuskript bekamen, dessen Lektorat Distelmeyer angeblich verweigert hat (so jedenfalls Heinz Strunk). Der Roman erschien im Jahr 2015 und wurde von Presse und Lesern nachgerade vernichtet, und die Verkaufszahlen sind bis heute erschütternd.
Aber ich habe mir diese aktualisierte Adaption von Homers Odyssee trotzdem zu geben versucht. Ursprünglich sollte das übrigens ein Blumfeld-Album werden - und man wünscht das diesem gründlich misslungenen Text nachträglich auch. Ich habe etwa sechzig Seiten geschafft, und ich habe aufgeben müssen. Es ist schlechter als schlecht. Es ist unerträglich. Selbstverliebte, verkopfte und unfassbar dumme, vor allem aber unlesbare Grütze. Ein Reißbrettroman von jemandem, der glaubte, einfach alles zu können, und es nur tun zu müssen. Distelmeyer erzählte damals, er hätte "mindestens zwanzig Romane im Kopf". Glücklicherweise hat er sich mit "Otis" selbst verbrannt, weshalb uns also die anderen neunzehn erspart bleiben werden.
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ASIN/ISBN: 3499223007 |