"Ferien mit Faschisten" von Tom Liehr

  • Die Story war vor anderthalb Jahren "Besprechungstext" bei den 42ern, jetzt erscheint sie im Pixie-Format in Lou Probsthayns wunderbarem "Literatur-Quickie Verlag". Sechzig amüsante und manchmal brutale Seiten, aber jede einzelne ist unterhaltsam, und ein paar sind sogar politisch korrekt. Ein Lesespaß für alle Generationen.


    Hier kann das Büchlein vorbestellt werden, gerne zusammen mit den vier anderen Titeln aus der 32. Staffel: https://www.literatur-quickie.…emittelhandel/32-staffel/


    Und so sieht es aus (das Cover ist von Ekaterina Tangian):


    fmf-1.png

  • Juergen P.

    Hat das Thema freigeschaltet
  • Nein, die Geschichte in der Vorlage war doch anders, sowohl im Hinblick auf das Personal, als auch bezogen auf die Dramaturgie. Haiko Prengel und seine Familie sind nach drei Tagen abgereist, und die Neonazis waren, äh, freundlich. Aber die Familie hat auch darüber beraten, was man tun könnte, hat sogar eine Beratungsstelle für den Umgang mit Neonazis hinzugezogen, von der die Mitteilung kam, das Dorf, in dem sie Urlaub machten (es gab mehrere rechtsextreme Familien auf dem Bauernhof), würde sich zu einem beliebten Reiseziel eben für dieses Klientel entwickeln. Und, na ja, die Familie des Autors war anders strukturiert als meine Geschichtenfamilie.


    Danke fürs Lesen! :)


    Edit: Ich habe allerdings Motive wie die Kleidung und die Doppelacht aufgegriffen.

  • Die Nazis im Beitrag (bzw. im fraglichen Dorf) waren auch nach außen ... nett, wenn ich mich richtig erinnere. Konflikte oder direkte Konfrontationen wie in meiner Geschichte gab es eher nicht. Aber auch von netten (freundlichen, verbindlichen, sich den Gepflogenheiten unterwerfenden, rücksichtsvollen) Nazis möchte man nicht umgeben sein. Juli Zeh hat das in "Über Menschen" auf sehr eigenwillige Weise thematisiert, das mit den netten Nazis. Ich halte das für ein Oxymoron. Es ist technisch nicht möglich, ein Nazi und zugleich nett zu sein. Nazis sind immer Arschlöcher.


    Edit: Und eigentlich ist das Kernthema meiner Geschichte ein anderes.

  • Vollnazis haben Halbnazis, Viertelnazis, Reaktionäre bis Konservative und Oportunisten im Gefolge. Sie gehören marginalisiert…

    Marginalisiert wurden sie lange genug, was dann die größere Ausbreitung zur Folge hatte.

    BLOG: Welt der Fabeln


    Kuhlen, Kohlen und Geklimper

    ASIN/ISBN: 3947848994


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Tut mir leid, aber dieser Abstufung und Richtungsdenke kann ich nicht folgen. Ich kenne Wertekonservative, die weitaus toleranter und intellektuell beweglicher als viele Leute sind, die derzeit meinen, die (in Teilen vollständig toleranzfreie) „Linke“ zu repräsentieren, und ich mag dem Narrativ nicht folgen, dass alles abseits der Linken automatisch irgendwo in der Nähe von Nazis ist - bzw. näher an ihnen. Oft stimmt sogar das Gegenteil.

  • Stimmt natürlich oft. Aber es gibt auch Ecken, in die sich Menschen selber stellen und sich dann darüber zu beklagen scheinen, dass sie sich dort vorfinden.

    Nein.Menschen werden in Ecken gestellt und stellen sich nicht in Ecken. Das kann man in jedem politischen Forum sehen, da die, die die Menschen in Ecken stellen, definieren, was die Ecken sind.

  • Nein.Menschen werden in Ecken gestellt und stellen sich nicht in Ecken. Das kann man in jedem politischen Forum sehen, da die, die die Menschen in Ecken stellen, definieren, was die Ecken sind.

    Und deshalb beschimpfen sich auch die Menschen aus den Ecken heraus.


    Das sind Platitüden und Allgemeinheiten. Wenn man irgendwie ausweichen will in der Diskussion, spricht man von Schubladen und Ecken, in die man (oder wer auch immer) gestellt wurde. Man sieht sich ja selbst nie in solch einer Ecke oder Schublade. Es ist nicht wirklich hilfreich in einer Diskussion, auf diese Weise zu argumentieren.

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  • Nein.Menschen werden in Ecken gestellt und stellen sich nicht in Ecken. Das kann man in jedem politischen Forum sehen, da die, die die Menschen in Ecken stellen, definieren, was die Ecken sind.

    Das ist wiederum eine sehr starke Pauschalisierung. (Jedes Argument ist natürlich eine Pauschalisierung und die Frage lautet, wie falsch sie im Vergleich zu der Erkenntnis ist, die das Argument liefert.)

  • Liebe Debatteure,

    Vielleicht kann mir jemand mit Hinweisen weiterhelfen. Ich beginne gerade ganz sachte an einem neuen Projekt zu arbeiten, und eine Figur in diesem Projekt ist in einer völkischen Siedlergemeinschaft aufgewachsen. Um aus ihrer Sicht zu schreiben, bräuchte ich Literatur - nicht nur ü b e r diese „Szene“ sondern v o n. Das beginnt ja schon mit den eigenen Termines innerhalb der Szene, denn völkische Siedler nennen sich selbst überhaupt nicht völkische Siedler, und so weiter und sofort…
    Ich möchte gezielt vorgehen und dosiert lesen, die Thematik ist anstrengend und ich weiß nicht, ob ich das lange machen kann.
    deshalb wäre ich, falls sich jemand auskennt, für Hinweise sehr dankbar.

  • Nun, die Sache mit den Ecken und Schubladen und Klischees hat natürlich auch eine Ursache: Manchmal sind die Leute nämlich tatsächlich so. Es ist nur, äh, ärgerlich, wenn Menschen in Schubladen eingeschlossen werden, obwohl sie da nicht hineingehören.


    Ich habe eine sehr einfache persönliche Definition für Nazis, in die ich mir auch nicht hineinreden lasse. Nazis sind Leute*, die ihre oder die von ihnen favorisierte Ethnie für eine halten, die alle anderen dominieren sollte, und zwar mit allen Mitteln und unter Missachtung sämtlicher zivilsatorischer Regeln und Regularien. Diese Idee darf auch mit Krieg und Genozid durchgesetzt werden.

    Außerdem sind alle Leute Nazis, die in Parteien sind, die von Nazis dominiert werden. Und Nazis sind Leute, die solche Parteien wählen, und zwar ganz egal, aus welchen Gründen sie das tun, und sei es "nur" aus Protest.


    Große Probleme habe ich, wie oben angedeutet, mit dieser Abstufungssache, mit dieser Verorterei. Das wird auch noch befördert z.B. vom während der vergangenen Jahre stark umgedeuteten Rassismusbegriff, der ja schon fällt, wenn Menschen unterschiedlicher Herkünfte oder Ethnien miteinander Konflikte haben, die nichts mit ihren Herkünften und Ethnien zu tun haben. Ich halte allerdings umgekehrt z.B. die CRT für zutiefst rassistisch.


    Aber solche Reflexe implantieren sich in unsere Leben, und darum geht es ja auch in meiner Geschichte, die mal Thema dieses Threads war.


    (*Ergänzung: Ein Wesens- bzw. Denkverhaltenszug, der vor allem, aber nicht nur bei Nazis zu beobachten ist, ist der, dass Menschen für unterschiedlich wertig gehalten werden, aufgrund ihrer Abstammung, ihrer Herkunft, ihrer sozialen Hintergründe, ihres Glaubens oder Nichtglaubens, ihrer sexuellen Orientierung, körperlicher Merkmale oder anderer Eigenschaften. Das ist eine Sichtweise, die allen Nazis zueigen ist (denn darum geht es ihnen im Kern), die aber auch anderswo zu beobachten ist, sogar bei Leuten, die sich Toleranz und ähnliches sehr plakativ auf die Fahnen geschrieben haben.)

  • Tut mir leid, aber dieser Abstufung und Richtungsdenke kann ich nicht folgen. Ich kenne Wertekonservative, die weitaus toleranter und intellektuell beweglicher als viele Leute sind, die derzeit meinen, die (in Teilen vollständig toleranzfreie) „Linke“ zu repräsentieren, und ich mag dem Narrativ nicht folgen, dass alles abseits der Linken automatisch irgendwo in der Nähe von Nazis ist - bzw. näher an ihnen. Oft stimmt sogar das Gegenteil.

    Diese Abstufungssache hatte ich doch deshalb angebracht, um den graduellen Aspekt des Naziproblems zu nennen und anzudeuten, wie schnell die Sache diffus wird und wie schwer es ist, in der Praxis klare Grenzen zu ziehen. Beste Idee zur Grenzziehung aber, wo man nicht mehr reden, nachgeben, verstehen wollen, relativieren lassen sollte: diese immer wieder genannten, historisch wohl recht stabilen 10-20%, die z.B. unbelehrbar gegen Demokratie und Toleranz und für Autoritäten sind und Menschen der eigenen Nation für überlegen halten. Oder kurz gesagt: Die natürliche Grenze der Toleranz ist die Intoleranz (nach Popper).


    Wertkonservative finde bzw. fände ich sehr wichtig für eine lebendigere Demokratie. Also z.B. Menschen, die sich aus konservativer Motivation für das Klima engagieren. Die Debatte ist z.B. dahingehend verquer, dass das als rein linkes Thema verhandelt wird. Das ist es genuin gar nicht (erst dann, wenn man es mit dem Sozialen verbunden sieht).

  • Nun, die Sache mit den Ecken und Schubladen und Klischees hat natürlich auch eine Ursache: Manchmal sind die Leute nämlich tatsächlich so. Es ist nur, äh, ärgerlich, wenn Menschen in Schubladen eingeschlossen werden, obwohl sie da nicht hineingehören.

    Jedes Argument hat zwei Lesarten. Für mich ist halt die Erstere die Wichtigere, weil sie mir öffentlich zu kurz kommt. Damit meine ich, dass erwachsenen Menschen so oft nachgegeben wird, wenn sie nicht wissen, nicht reflektieren, keine Widersprüche aushalten, keine Verantwortung dafür übernehmen wollen, dass sie zur rechtsextreme Ecke dazu gesellen. Diese Dinge sind alle von erwachsenen Menschen einzufordern.