https://www.tagesschau.de/kult…her-ravensburger-101.html
Es ist interessant, die Social-Media-Kanäle des Ravensburger Verlags jetzt aufzusuchen, denn inzwischen sind sie gut gefüllt mit Ankündigungen von Leuten, die dort erklären, nie wieder etwas aus dem Sortiment des Traditionshauses kaufen zu wollen. Nicht alle schaffen es, das in sicherem Deutsch zu formulieren, was ein Hinweis darauf sein kann, dass sie nicht genügend Kinderbücher gelesen haben, als sie selbst klein waren, aber das tut möglicherweise nichts zur Sache.
Natürlich ist noch viel interessanter, was es bedeutet, was da geschieht. Ganz unabhängig also von der Frage, ob die fraglichen Titel tatsächlich "verharmlosende Klischees transportieren" oder der indigenen Bevölkerung Nordamerikas in Dramaturgie, Sache oder Duktus gerecht oder eben nicht gerecht werden - was in der Kulturbranche geschieht, und nicht erst jetzt, wenn es durch so plakative Vorgänge die Runde macht, ist nach meinem Dafürhalten eine enorme, essentielle und existentielle Bedrohung für die Freiheit des Wortes, der Rede und der Kunst. Aber noch viel erschütternder als die Vorwegprüfung oder das Einstampfen ist die Tatsache, dass die Produzierenden, dass die Vervielfältigungsverantwortlichen und -innen so unisono kuschen - und sich nicht vor ihre Künstler und -innen stellen, sondern hinter die Scheißestürmer und -innen. Das ist sehr, sehr irritierend. Die Redaktionen, Programmleitungen, Agenturen, Bookingmenschen, Manager und -innen - sie alle halten sich zurück, raten ihren Schützlingen und -innen, sich zurückzuziehen, dem Druck nachzugeben, sich sogar zu entschuldigen - bei anonymen Mausklickprotestanten. Und -innen.
Es ist richtig und wichtig, es ist selbstverständliches und elementares Recht, zu kritisieren, andere Meinungen zu formulieren, etwas für falsch zu halten. Aber eine andere Meinung zu haben ist nicht dasselbe wie zu fordern, dass es eine hiervon abweichende Meinung in Wort, Bild, Ton und visueller Darstellung nicht geben darf, dass sie verschwinden muss. Wenn sich ganze Branchen aber diesem Paradigma beugen, ist das der Tod von Diskurs, Pluralismus, Kunstfreiheit und Meinungsdiversität. Und es macht alle Kunst zu einem permanenten Eiertanz.
Oder wie seht Ihr das?