Habe die Tage zum zweiten Mal in meinem Leben Kafkas Prozess gelesen (und zum ersten Mal ohne Verweigerungshaltung, böse Blicke auf mein vergangenes Schüler-Ich) und fand ihn, wie zu erwarten, grandios.
Dabei wurde mir klar, wie sehr dieses Stück Weltliteratur von seiner zentralen Metapher durchzogen wird: grundlos angeklagt zu sein, ohne Chance auf Anhörung, verhaftet gar, ohne Chance auf Gitterstäbe, oder sind es die im eigenen Kopf? Schuld, Scham, das spielt eine Rolle, aber nur hinter den Dingen, subtil. Bürokratie, die conditio humana in der Moderne, Gott ist tot und nun ist alles potentiell Sünde etc. - die Deutungen des Romans sind so vielfältig wie seine Leser.
Jedenfalls musste ich dann an Fitzcarraldo denken, also den von Werner Herzog und wie er ein Schiff über einen Berg im Dschungel ziehen lassen will und wie auch das die zentrale Metapher ist und man auch hier nicht genau weiß, wofür, nur, dass sie wirkt.
Dann fragte ich mich, ob das nicht Ziel eines jeden Kunstwerk sein müsste, also eine Art von Universalität, die auf einer zentralen, in ihrem Sinne wahren Metapher/Idee beruht, und warum wir überhaupt Geschichten schreiben, die das nicht ansatzweise leisten.
Dann fragte ich mich, ob das wieder meine verqueren Ansprüche sind, und ging die Weltliteratur durch: Herz der Finsternis! Moby Dick! Der Fremde! Alles große Werke mit großen, undurchsichtigen Ideen und Metaphern.
Nun also meine Fragen: Schreibt ihr mit solchen hochgestochenen Konzepten im Blick und wenn nein, warum? Und wenn ja, wieso? Hattet ihr je solche Ideen? Würdet ihr sie gerne haben? Und warum sollten wir oder irgendjemand Bücher lesen (wollen), die das nicht leisten?