Hallo zusammen,
da fing‘s schon an: Wie nenne ich diesen Thread?
„Sind Akademiker die besseren Schriftsteller?“ - Nein, geht nicht! Was heißt schon „gut“ und wie definiert man „besser“?! Und „besser“ als was? Also: nein!
„Schriftstellernde Akademiker“ - Das klingt arg nach einem peinlichen Hobby einer sonst seriösen Person, verbietet sich also auch.
Der gewählte Titel ist dann auch angreifbar (und müsste treffender heißen „veröffentlicht zu bekommen“, denn Selbstverlag ist hier gerade nicht gemeint): Bestehen denn etwa Zweifel daran, dass es Vorteile hat, Akademiker zu sein (alle anderen Begleitumstände weggelassen)?Dann müsste die Antwort mit einiger Logik „ja“ heißen - oder nicht?
Meine These ist: Ja, sie haben bessere Voraussetzungen. Ich meine natürlich nicht, dass ein Studium Voraussetzung dafür ist, einen Roman zu schreiben. Genauso wenig fiele mir ein zu behaupten, jeder Akademiker könne, wenn er denn wollte, einen Roman schreiben. Ganz sicher nicht! Aber: Ich meine, sie haben bessere Voraussetzungen, weil:
Um die Herausforderung, einen Roman zu schreiben, zu bestehen, hilft es, und das mache ich als entscheidenden Faktor, aus, während die nachfolgenden Punkte dann eher Zuckerl on-top sind:
- geübt darin zu sein, umfassende Denkprozesse a) anzustellen und b) niederzuschreiben/in Worte zu fassen/umzusetzen
- Recherchemöglichkeiten/-ansätze zu kennen, die in einem Studium vermittelt werden
- sich in einem Kreis anderer Akademiker zu bewegen, deren Sachkenntnis man bei Bedarf auf kleinem Wege abfragen kann
Man könnte natürlich auch sagen: So ein Quatsch, jeder kann alles werden! Eine Frau von 1,90 Körpergröße wenn’s denn sein muss auch Primaballerina - man muss dann nur das Konzept von Ballett, wie wir es kennen, ändern! - DAS meine ich nicht! In dem Sinne kann (darf sowieso!) JEDER einen Roman schreiben. Ich gehe hier vom Buchmarkt aus, der der Definition folgt: Wir verlegen Romane, die sich mit einiger Sicherheit gut verkaufen werden.
Ich habe dann mal ein bisschen gegoogelt. Hier also eine kleine, selbstverständlich NICHT repräsentative Stichprobe, nämlich bez. der Autoren und Autorinnen, von denen ich zuletzt Romane gelesen habe. (Ich bin dabei nicht tief in die Recherche eingestiegen, sondern habe schlicht Wikipedia befragt.) Es hat sich folgender berufliche Hintergrund/Werdegang der Verfasser herausgestellt:
- Schauspiel
- Geschichte, Philosophie, Germanistik, Theaterwissenschaft
- Journalist
- VWL, Journalismus
- Literaturwissenschaft, Journalismus
- Kommunikationswissenschaftlerin
- Theaterwissenschaften, Literatur
- Chemie, Physik, Englisch, Kreatives Schreiben
- Journalist
- Philologie, Germanistik
- Jura
- Literatur, Journalistin
- Musikwissenschaftler, Journalist
- Biologie
- Germanistik, Philosophie (beides abgebrochen), Journalismus
- Journalist
- Journalismus
- Kreatives Schreiben
- Zootechnikerin/Mechanisatorin
(„Journalismus“ meint hier ein absolviertes Studium, „Journalist“ den Beruf, ohne Hintergrund, ob mit oder ohne Studium ausgeübt.
Die Studiengänge Kreatives Schreiben betreffen nicht deutsche Autoren.)
Es fällt auf: Eine Ausbildung (in dem Fall zwei) hat EIN Autor (in dem Fall eine Autorin) gemacht, bezeichnenderweise mit einer DDR-Herkunft. Alle anderen: Akademiker oder zumindest in einem schreibenden Beruf zuhause.
Was heißt das? Womöglich nichts. Vielleicht lese ich bloß „die falschen“ Romane.
Vielleicht heißt es auch: Es ist schwieriger, sich mit einem nicht-akademischen/nicht-musisch geprägtem Hintergrund auf die Reise Romanschreiben zu begeben. Es ist nicht unmöglich, es ist machbar, einige, vielleicht gar nicht wenige, haben es vorgemacht - deren Reise war dann womöglich etwas beschwerlicher. So, wie es immer angenehmer ist, in der Business oder gar der ersten Klasse zu fliegen als mit angezogen Beinen in der Holzklasse.
Ein Resultat wäre dann aber womöglich, dass manche Themen/Lebensläufe/Figuren in der Literatur weniger vertreten sind, weil sie in der Lebensrealität des Großteils der Schreibenden nicht vorkommen.
Nein?
Nur so ein Gedanke.