Seitdem mir ein Auge in die Binsen gegangen ist und ich über Wochen nicht in dem Maße lesen konnte wie ich’s bis dahin gewohnt war, habe ich mich mit Hörbüchern angefreundet. Vorher waren die mir allenfalls eine Notlösung, aber ich habe festgestellt: Die Aufmerksamkeit lässt sich tatsächlich trainieren. So bin ich dabeigeblieben, auch wenn ich’s nicht mehr müsste, und höre regelmäßig Bücher, statt sie zu lesen. Was mich immer noch abstößt: Kürzungen. So sind z. B. sämtliche ins Deutsche übersetzten Romane von Paul Auster (die ich gefunden habe) gekürzt. Nun sind Kürzungen an sich ja nicht verkehrt. Ich halte nicht jedes Wort, das ein Autor geschrieben hat, für heilig und damit unantastbar. Wenn damit Weitschweifigkeiten vermieden werden, Schwafelei … gut! Aber die Stellen haben es schließlich auch ins gedruckte Buch geschafft, warum also bei der Vertonung sparen? Bei digitaler Veröffentlichung kann das Medium nicht mehr der zwingende Faktor sein. Ist das Publikum etwa – mit Schnittmengen – ein anderes und möchte eher kürzere Bücher? Also warum kürzt man Hörbücher? Fällt einem dafür ein zwingender Grund ein?
Gekürzte Hörbücher
-
-
Kürzungen gefallen mir überhaupt nicht. Die mögen manchmal durchaus angebracht sein, oft geht aber dadurch wesentliches verloren. Ein Beispiel dazu habe ich bei der Rezension zu "Die Reise nach Tilsit" gegeben.
Auf zwei längeren Autofahrten haben wir uns gerade die ungekürzte Lesung des Romans "Die Brücke" (Manfred Gregor), gelesen von Volker Lechtenbrink, angehört. Über 6 Stunden, aber jede Kürzung auch nur um einzelne Sätze wäre ein Missgriff gewesen. Leider ist dieses Hörbuch nicht mehr erhältlich und somit hier nicht mehr verlinkbar.
-
Ich finde, dass gekürzte Hörbücher eine fürchterliche Unsitte sind. Gekürzt werden kann gerne zusammen mit dem Lektor vor der Buchveröffentlichung. Wenn dies abgeschlossen ist, soll der Text bitte so beibehalten werden, wie er ist. In der Vergangenheit habe ich mich schon ziemlich oft darüber geärgert, wenn Audiobooks massiv gekürzt wurden. Bei Andreas Eschbachs "Jesus-Deal" zum Beispiel wurde ein kompletter Handlungsstrang ausgelassen. Als wäre das nicht ärgerlich genug, gibt es neben der verstümmelten CD-Fassung auch noch eine ungekürzte - exklusiv bei Audible erhältliche - Downloadfassung. Das hat mir die Laune nach dem Hören der CDs gleich noch mal vermiest. Inzwischen achte ich penibel bei jedem Hörbuchkauf darauf, ob die Geschichte gekürzt ist oder es noch eine alternative Fassung gibt. Ich finde es wirklich schlimm, dass man nicht mal bei Audiobooks bedenkenlos zugreifen kann.
-
Ich kann mich Sören nur anschließen. Zum Glück gibt Audible bei jedem Buch an, ob es gekürzt ist, und hat eine Suchfunktioh für ungekürzte Bücher. Ich habe von einer Krimireihe mehrere ungekürzte Romane gehört und wollte den ersten Band der Reihe hören, hatte leider übersehen, dass das eine gekürzte Variante war. Grausam, man wurde durch die Geschichte gehetzt, ich glaube, gerade bei Krimis wirkt das blöd, weil sämtliches Drumherum verloren geht - dabei mag ich noch nicht mal besonders die vielen privaten Probeme der Ermittler, aber trotzdem war die gekürzte Fassung völlig unhörbar. Man fragt sich auch, wozu das gemacht wird - bei Krieg und Frieden oder so verstehe ich es ja noch irgendwie, obwohl ich das nicht kaufen würde, aber bei modernen Krimis ist mir der Sinn schleierhaft.
-
Übrigens: "Tschick" gibt's bei Audible ungekürzt in der Fassung von 6 h 18, gekürzt auf 4 h 56 und als Hörspiel von 1 h 14 - darf's ein bisschen weniger sein?
Hörspiele sind eine eigene Bearbeitung - wenn ich das Buch als solches "lesen" möchte, käme ein Hörpsiel für mich allenfalls zusätzlich infrage.
Weshalb jemand sich für eine gut 1,5 Stunden (zum gleichen Preis übrigens) kürzere Version entscheidet, erschließt sich mir nicht. - Außer vielleicht, ich wäre gezwungen (Schule), ein Buch zu lesen und wollte es mir so einfach wie möglich machen. -
Es gab mal von Readers Digest gekürzte Romane - 4 in einem Band. Alle Romane erheblich gekürzt. Für Leute, die nicht so viel Zeit hatten zum Lesen und doch up-to-date sein wollten. Vermutlich wird mit den stark gekürzten Hörspielen ein ähnliches Klientel bedient.
-
Wenn es jeweils zwei Versionen gäbe, würde ich ja nichts sagen, aber wenn nur die gekürzte angeboten wird, ist das mehr als ärgerlich.
-
(…) „sagte er tonlos“: Das ist ein Satzbestandteil, auf den ich in einer Hörbuchfassung gut verzichten kann ????
Andere Gründe fürs Kürzen (und wie so ein „Kürzer“ arbeitet) finden sich hier: -
Es gibt m.E. durchaus legitime Gründe für das Kürzen: neben der Eliminierung von Geschwafel und Langatmigkeiten, können lange Schachtelsätze, abschreckend wirken. Kann man einen schwer verständlichen Satz im Buch zur Not mehrmals oder langsam lesen, ist es sehr mühsam, jedesmal das Hörbuch zurückzuspulen.
Ebenfalls zu berücksichtigen ist, daß viele Konsumenten von Hörbüchern, nebenbei etwas anderes tun (Auto fahren, Hausarbeit verrichten, usw.), und daher ihre Aufmerksamkeit nicht so ungeteilt ist, wie die eines Lesers. Und nicht zuletzt gibt es technische Vorgaben durch die maximale Kapazität eines Tonträgers. Wegen zehn Minuten eine zusätzliche Kassette oder CD zu bespielen, lohnt sich nicht, also wird auf die passende Länge gekürzt. (Vieles, was heute als Download verkauft wird, wurde ursprünglich für Tonträger produziert.)
-
Es gibt m.E. durchaus legitime Gründe für das Kürzen: neben der Eliminierung von Geschwafel und Langatmigkeiten, können lange Schachtelsätze, abschreckend wirken.
Wie im verlinkten Artikel erwähnt, ist das tatsächlich der Fall.
Ich bin da zwiegespalten: Einerseits haben Kürzungen oft etwas für sich. Dann aber auch im geschriebenen Text. Wenn es im Hörbuch sinnvoll ist, wird es auch im Buch sinnvoll sein. Nur, weil ein Hörer womöglich schlechter folgen kann als ein Leser, das Buch kürzen oder einen langen Satz in mehrere kleine aufteilen: dem Verständnis kommt es entgegen, aber es läuft u. U. gegen die ursprüngliche Intention des Verfassers.
Ich glaube, da ist eine Menge Fingerspitzengefühl nötig, einen Text nicht totzukürzen. Convenience kann nicht alles sein.
-
Einen langen Satz in mehrere kurze aufzuteilen, das ist keine Kürzung. Das ist eine stilistische und strukturelle Änderung, die die Zustimmung des Urhebers erfordert. Eine Kürzung ist grundsätzlich immer eine Streichung, nie eine Umstellung. Kürzungen gestattet man für solche Fälle in der Regel in den Verlagsverträgen bei den Nebenrechten, aber Umstellungen wären weitergehende Eingriffe, die eigentlich nur von den Urhebern selbst vorgenommen werden dürfen.
-
Genau das räumt der bei Audible erschienene Artikel bez. der Arbeit des Kürzers im ersten Teil des folgenden Satzes ein. Zitat:
„er sorgt dafür, dass lange, verschachtelte Sätze besser verständlich werden oder streicht Redundanzen, also Beschreibungen einer Landschaft oder einer Person, die mehrmals vorkommen. Seine Herausforderung besteht darin, trotz Kürzungen die dramatische Form, die der Autor des Buches gewählt hat, nicht zu verändern.“
Quelle: https://magazin.audible.de/gek…der-ungekurzte-horbucher/
Lange Sätze werden für mein Verständnis verständlicher, wenn man (vermeintlich) überflüssige Satzbestandteile weglässt oder Wörter eindeutscht oder aus einem langen mehrere kurze Sätze macht.
Das mit den Redundanzen ist auch so eine Sache: Wiederholungen sind ja nicht automatisch abzulehnen, womöglich geht es ja nicht nur um die Vermittlung eines simplen äußeren Tatbestands. - Das immer unter der Annahme, dass der Kürzer einen Text bearbeitet, der vorher bereits durch die Hände eines Lektors gegangen ist, der Wiederholungen aus Schludrigkeit bereits eliminiert haben dürfte.Immerhin tröstlich, wenn der Urheber mitreden kann.
-
Ein Kürzer darf das tun, was die originelle Berufsbezeichnung sagt. Er darf nicht umstellen oder ergänzen oder sonstwie verändern. Dazu (also zu dem, was keine Kürzung ist) gehört nach meinem Dafürhalten auch das Eindeutschen von Begriffen und die Überführung von Schachtelsätzen in mehrere andere (also sich im Hinblick auf den Aufbau unterscheidende), kürzere. Für diese Eingriffe sind die Freigaben der Urheber erforderlich, wie im Lektorat, also in der Redaktionsphase. In Hörbuchverträgen wird in aller Regel explizit die Kürzung eingeräumt, mehr nicht. Eine Hörspieldramatisierung ist dann wieder ein anderer Schuh, weil es sich um eine Adaption handelt, also eine neue geistige Schöpfung (die dann aber auch "nach einem Roman von XY" als Etikett trägt).
Tatsächlich wird mit dem Wegfall der Datenmengenlimits der physikalischen Tonträger immer mehr ungekürztes Material publiziert bzw. als Hörbuch produziert. Die zwei Hörbücher, die von meinem Zeug bisher gemacht wurden, waren beide ungekürzt. Die nächsten beiden, die gerade in Arbeit sind, ebenso. Aus Autorensicht finde ich übrigens viel irritierender, wenn die Sprecher und Sprecherinnen übermäßig versuchen, den Figuren in den Dialogen eigene Stimmen zu geben, zuweilen mit, äh, recht ausgeprägter Charakteristik.
-
…
Lange Sätze werden für mein Verständnis verständlicher, wenn man (vermeintlich) überflüssige Satzbestandteile weglässt oder Wörter eindeutscht oder aus einem langen mehrere kurze Sätze macht.
…Gute Vorleser und Vorleserinnen können lange Sätze so vorlesen, dass sie verständlicher sind als wenn man selbst den Satz liest. Es gibt nicht viele solcher Vorleser, aber einige können das. Ein Meister darin war beispielsweise Gert Westphal.
Ein Negativbeispiel für das Kürzen habe ich vor Zeiten weiter oben verlinkt.
-
Ich, die ich es ja nur aus der Sicht einer Leserin betrachte, ahne, dass auf einen Urheber durch die Publikation seines Werkes neben der Freude darüber auch so einiges an Überraschungen zukommen könnte, auf die er lieber verzichtet hätte … Man gibt sein „Baby“ in die Hände von (anderen) Profis, die womöglich andere Vorstellungen haben. Den Wenigsten wird das überhaupt beschieden sein, weshalb man sich deshalb auch keine grauen Haare wachsen lassen sollte ????, aber ein Stephen King zum Beispiel wird von vielen filmischen Umsetzungen seiner Bücher - die um ganze Nebenhandlungsstränge gekürzt werden müssen - wenig begeistert sein.
Hörbuch, Hörspiel, Film, Merchandising - Dinge für sich, die eigenen Regeln unterliegen. So gesehen, wäre eine - mit Segen des Autors durchgeführte - Kürzung eines Hörbuchs ja schon wieder ok. - Ich glaube, ich bin da einfach etwas eigen, wenn ich im Zweifel doch lieber das gedruckte Buch lese ????
-
Huhu, Petra.
Stephen King gilt mit mehr als 80 Adaptionen (davon mehrere desselben Stoffs) als einer der meistverfilmten Autoren der Welt, aber er hat sich selbst über die richtig vergurkten Sachen ("The Mist" o.ä.) nie besonders abfällig geäußert. Drehbücher hat er kaum verfasst (das zu Michael Jackson's Musikvideo von "Thriller" war allerdings von ihm). Hier gibt es eine Sammlung von Statements von ihm zu seinen Filmadaptionen: https://www.filmstarts.de/nachrichten/18513917.html
Über Filmadaptionen - "Verfilmung" ist eigentlich nicht der richtige Terminus - haben wir ja schon häufiger hier gesprochen. Da muss man als Autor einfach loslassen können - oder eben als Drehbuchautor und/oder Produzent mitmachen, was nur wenigen Autoren angeboten wird. Ausgerechnet Stephen King allerdings wird in der Hauptsache genießen, dass praktisch alles von ihm verfilmt wird, und ich behaupte mal, dass ihm meistens nicht besonders wichtig ist, ob seine Vorlage wirklich seinen Vorstellungen gemäß umgesetzt wurde.
-
Ich habe das ganz anders in Erinnerung, Tom, mag aber sein, dass ich es nur anders auffasse: Was ich aber mit einer Quelle belegen kann, ist Kings Abneigung gegenüber der Kubrick-Ver…, -Adaption von „Shining“:
https://www.filmstarts.de/nachrichten/18501079.html
(Wenn ich mich nicht täusche, gibt es eine neuere Adaption des Romans, auf die King Einfluss (wie auch immer) hatte.Ob es immer gut ist, wenn man einen Autor z. B. auch das Drehbuch verfassen lässt, steht auf einem anderen Blatt.)
Nun bin ich über Hörbücher auf Filme gekommen, aber das, was King in dem Artikel bemängelt - dass die Entwicklung des Charakters Jack Torrance hin zum Wahnsinn im Film schlichtweg nicht vorkommt, weil er im Film unterschwellig von Anfang an verrückt ist - könnte genauso auf ein schlecht „gekürztes“, eher zusammengestrichenes Hörbuch passen. -
Ja, Kings Äußerungen zu "Shining" sind auch in der von mir verlinkten Sammlung zu finden. Und, ja, er hat sich unzufrieden darüber geäußert, dass der Weg in den Wahnsinn weggelassen wurde, aber das ist viel mehr als nur eine Kürzung. Tatsächlich kürzen Kürzer auch ganze Handlungsstränge, Vorgeschichten usw. raus, aber sie ändern den Rest dann nicht so, dass es trotzdem irgendwie eine Geschichte wird. Das ist aber das, was bei den meisten Filmadaptionen passiert. Und noch viel mehr. Dialoge ändern sich, die Figurenschar, Abläufe, nicht selten kommen auch Elemente hinzu, oft wechseln sogar der Schauplatz oder die Epoche, die Erzählstimme muss irgendwie ersetzt werden, und die Visualisierung gibt der Erzählung ohnehin eine ganz neue Ebene. Der Vergleich mit dem Kürzen von Hörbüchern endet, wie ich finde, recht früh. BTW, Autoren, denen die Verfilmungsrechte abgekauft werden, haben in aller Regel (jedenfalls unterhalb der Champions League) kein Mitspracherecht bei der Umsetzung, aber die fertige Produktion wird ihnen vor dem Kinostart in einem Screening gezeigt. Wem das Ergebnis dann stark missfällt, der kann aus dem plakativen "Nach einem Roman von XY" ein verschämtes und nur noch im Abspann sichtbares "Nach Motiven eines Romans von XY" machen lassen, aber in aller Regel endet an dieser Stelle das Veto. Wenn man also diese relativierte Schlussformel sieht, weiß man, dass der Film beim Schöpfer der Romanvorlage durchgefallen ist. Bei "Shining" ist das meiner Erinnerung nach nicht so.
-
Ich frage mich, warum Hörbücher fast nie von den Autoren selber gelesen werden. Dabei könnte das für die Käufer durchaus ein Anreiz sein. Vielleicht sogar noch mit kleinen Anmerkungen und Kommentaren.
-
Ich kenne die Antwort. ????