Die schreckliche deutsche Sprache

  • ... so heißt ein bekannter Essay von Mark Twain.


    Halt! Stopp! Bitte nicht steinigen! (Zumindest nicht ohne Bärte.) Nestbeschmutzer? Ich? Vaterlandsloser Geselle? I wo! Ich bin ein rechtschaffener Teutscher, der seine Sprache mag. Deutsch ist eine schöne und reiche Sprache, finde ich.


    Aber sie hat auch Nachteile.


    Und nur um die geht es mir hier. Ab und zu scheint mir auch etwas in dieser Richtung aufzublitzen. Zuletzt habe ich Saskias BT in Erinnerung. Warum also nicht mal ein eigener Fred?


    Ich hab' mal zusammengetragen, was mir heute Nacht als Nachteil der deutschen Sprache einfällt:


    - Stellung des (Haupt-)Verbs am Ende in Nebenätzen, beim Perfekt und beim Plusquamperfekt. Das regt mich bei jeder Sportnachricht im Radio auf: "Schalke hat das Spiel gegen Dortmund ... heute ... in der vollbesetzten Arena ... nach zwei gelben Karten für ... und einem insgesamt hart umkämpften Match ... mit 3:2 Toren ... verloren."
    Im Sinne des Spannungsaufbaus mag eine solche Konstruktion wie im Deutschen ganz nett sein. Verständlich ist sie nicht.


    - Regelmäßig taucht dann auch nicht nur ein Verb am Satzende auf, sondern gleich mehrere. Im Futur II sowieso: "Der Mann, der ich gewesen sein werde, ...", ganz schlimm aber im Perfekt bei Nebensätzen: "der Mann, der ich habe sein müssen, ..." oder auch mit erweiterten Infinitiven, spaßeshalber noch ergänzt um ein Passiv: "der Mann, der es ertragen musste, nie gewollt worden zu sein."


    - Trennbare Verben, wenn sie auseinander gerissen werden: "Der FC Bayern stieg heute, nach einer merkwürdigen Saison, mit der vorher keiner gerechnet hatte, und die unerwartet Preußen Münster als neuen deutschen Meister hervorbrachte, ab." (Wobei sich dann im Eifer der wörtlichen Rede, wenn gerade kein Duden zur Hand ist, noch die Frage ergeben kann: Überhaupt trennbares Verb? Saugte ich Staub, oder staubsaugte ich?)


    - Komposita: Der Grund, warum Fremdsprachler oft sagen, deutsche Wörter seien so lang. Die deutsche Sprache ist wie ein Legokasten - man kann die Wortarten: Substantiv, Adjektiv, Verb, Pronomen und Präposition beinahe frei miteinander kombinieren, und das theoretisch unendlich. Ich nenne solche Wörter gern "Naziwörter", so wie etwa die Rohrabwassersteigleitung bei uns unten im Haus.


    Aber im Großen und Ganzen ist die deutsche Sprache wirklich ganz hübsch.

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • Ich empfehle (statt des durchaus ironisch gemeinten Essays von Twain) die Lektüre von Reiners' Stilkunst. Und danach sprechen wir dann bei Bedarf noch mal über die Mängel unserer Sprache. Die ich, btw., ganz und gar so nicht empfinde. Wer Sätze baut, in denen man sich verläuft, beherrscht einfach sein Handwerk nicht. Und die beinahe unerschöpfliche Möglichkeit, Wörter zu erschaffen, ist eine Stärke, keine Schwäche. Und "ganz hübsch" ist ja wohl das bescheuertste Wort, das einem zu einer Sprache einfallen kann, in der man zu schreiben versucht. Hoffentlich eben nicht nur "ganz hübsch". *koppschüddel

  • Liebe Susanne,

    Ich empfehle (statt des durchaus ironisch gemeinten Essays von Twain) die Lektüre von Reiners' Stilkunst. Und danach sprechen wir dann bei Bedarf noch mal über die Mängel unserer Sprache.


    in Ordnung. Ich gehe erst einmal in Klausur und lese noch mehr Ratgeber zu gutem Stil zum x- und 1.-Mal. Aber danach darf ich mich dann doch hoffentlich mit dir unterhalten, oder?


    Und "ganz hübsch" ist ja wohl das bescheuertste Wort, das einem zu einer Sprache einfallen kann, in der man zu schreiben versucht. Hoffentlich eben nicht nur "ganz hübsch". *koppschüddel


    :gaehn Auf einmal werde ich so müde. Ist ja auch schon spät.

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • Meine französische Kollegin pflegte zu spötteln, dass man auf Deutsch seine ganze Lebensgeschichte erzählen könne und ganz zum Schluss komme dann der zweite Teil des Verbs. Ja, nu, ich kam mir ihrer Sprache auch nicht klar.


    Viele Sprachen (Finnisch, Ungarisch, Türkisch) haben eine anstrengende Grammatik. Oder widerspenstige Schriftzeichen (Japanisch, Chinesisch, Ivrit, Arabisch und das ganze kyrillische Gedöns). Aus Sicht der Außenstehenden, zumindest. Eine wirklich einfach zu lernende, streng logisch funktionierende Sprache gibt's meines Wissens nach nicht.


    Ich glaube, mit Deutsch sind wir ganz gut bedient. Ich bin allerdings froh, dass ich es nicht als Fremdsprache im Erwachsenenalter habe lernen müssen.

  • Meine französische Kollegin pflegte zu spötteln, dass man auf Deutsch seine ganze Lebensgeschichte erzählen könne und ganz zum Schluss komme dann der zweite Teil des Verbs. Ja, nu, ich kam mir ihrer Sprache auch nicht klar.


    Viele Sprachen (Finnisch, Ungarisch, Türkisch) haben eine anstrengende Grammatik. Oder widerspenstige Schriftzeichen (Japanisch, Chinesisch, Ivrit, Arabisch und das ganze kyrillische Gedöns). Aus Sicht der Außenstehenden, zumindest. Eine wirklich einfach zu lernende, streng logisch funktionierende Sprache gibt's meines Wissens nach nicht.

    Ich glaube, mit Deutsch sind wir ganz gut bedient. Ich bin allerdings froh, dass ich es nicht als Fremdsprache im Erwachsenenalter habe lernen müssen.


    Esperanto

    BLOG: Welt der Fabeln


    JB 23 - darin meine Erzählung "Eduards Nachtgang"

    ASIN/ISBN: 3948371962


    Und ganz ehrlich: wollen Sie Bücher über Menschen lesen, denen es gut geht? Eben Ich auch nicht.
    Emma Cline

    SZ Nr. 181, 8.8.2023, S. 11


  • Also das mit der anstrengenden Grammatik im Finnischen habe ich mal anders gehört und damals sogar mal einen Moment lang überlegt, finnisch zu lernen: http://www.lenz-online.de/reisen/finland/sprache.htm


    Aber ansonsten finde ich auch, dass wir mit deutsch gut bedient sind. Und außerdem kann ich halt nichts anderes richtig. :verleg3

  • An Esperanto dachte ich beim Schreiben auch, war mir aber nicht sicher, ob es stimmt. Die Vermutung liegt nahe, dass man eine Kunstsprache logisch und leicht erlernbar macht, wenn man sich schon der Mühe unterzieht, sowas zu entwickeln.


    Man kann aber nicht sagen, dass sie sich durchgesetzt hat, oder? Vielleicht ist eine einfache, logisch struktuierte Sprache ja auch farb- und kraftlos in der Anwendung.

  • Ich hab seit Teenie-Zeiten eine finnische Freundin und habe mal versucht, die Sprache zu lernen. Und es aufgegeben. Ich bin in einer multikulturellen Familie aufgewachsen. Mein Vater gebraucht innerhalb eines Satzes vier Sprachen, wenn's pressiert. Aber die Finnen und die Ungarn, die blieben uns ein Rätsel.

  • An Esperanto dachte ich beim Schreiben auch, war mir aber nicht sicher, ob es stimmt. Die Vermutung liegt nahe, dass man eine Kunstsprache logisch und leicht erlernbar macht, wenn man sich schon der Mühe unterzieht, sowas zu entwickeln.


    Man kann aber nicht sagen, dass sie sich durchgesetzt hat, oder? Vielleicht ist eine einfache, logisch struktuierte Sprache ja auch farb- und kraftlos in der Anwendung.


    Doch, kann man sagen. Die Zahl der Esperantosprecher ist weltweit groß. Die Zahl der Vorurteile darüber auch, wie man an deiner Anmerkung (farb- und kraftlos in der Anwendung) sehen kann.


    Hier ein Eindruck

    BLOG: Welt der Fabeln


    JB 23 - darin meine Erzählung "Eduards Nachtgang"

    ASIN/ISBN: 3948371962


    Und ganz ehrlich: wollen Sie Bücher über Menschen lesen, denen es gut geht? Eben Ich auch nicht.
    Emma Cline

    SZ Nr. 181, 8.8.2023, S. 11


  • Würdet ihr euch vielleicht lieber über die Stärken der deutschen Sprache unterhalten? Oder einfach über Unterschiede im Vergleich zu anderen Sprachen?

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • Lieber Hugo,


    bitte mach nicht dieses Abschaff-Zeugs. Ich liebe diese Sprache, weil sie genauso chaotisch sein kann wie ich. :suff


    Aber ein Vorschlag zur Güte: Wir schließen uns zusammen und verbannen dieses verdammte Behördendeutsch von dieser Erde. :oma :opa - Wer ist dafür?


    Liebe Grüße


    Linda

  • Aber sie hat auch Nachteile.


    Alles, was du hier als Nachteile der deutschen Sprache anführst, sind keine. Das sind nur Beispiele dafür, wie man sie verhunzt. Und daran ist nicht die Sprache, Grammatik oder was auch immer schuld, sondern der Schreiber oder Sprecher. ;)


    Wer mit langen Schachtelsätzen nicht umgehen kann, der soll eben kurze schreiben, das ist auch ein wunderbarer Vorteil der deutschen Sprache. Man kann alles auf unglaublich vielfältige Weise ausdrücken. Die deutsche Sprache ist wunderschön und bringt wirklich alles mit, was man braucht, man muss es nur benutzen tun.

  • bitte mach nicht dieses Abschaff-Zeugs.


    Abschaff-Zeugs? Ich will doch gar nichts abschaffen. Was meinst du damit?



    Alles, was du hier als Nachteile der deutschen Sprache anführst, sind keine. Das sind nur Beispiele dafür, wie man sie verhunzt. Und daran ist nicht die Sprache, Grammatik oder was auch immer schuld, sondern der Schreiber oder Sprecher. ;)


    Das sehe ich genau anders herum, liebe Simone. Über alle Punkte, die ich am Anfang nannte, braucht sich ein Franzose, ein Pole und ein Engländer keine Gedanken zu machen. (Das sind die Sprachen, zu denen ich verlässliche Aussagen treffen kann.) Ein Franzose etwa kann ein saumäßig schlechter Stilist sein, aber er wird niemals ein Verb ans Satzende setzen, vor dem er einen Bandwurm an Nebensatz konstruiert hat.


    Und zwar, weil das auf Französisch nicht geht. Die Grammmatik lässt es nicht zu.


    Im Deutschen braucht man jemanden mit wachen Augen, der auf guten Stil achtet und Gefahren umgeht, die die deutsche Grammatik in Fällen wie diesen mit sich bringt.


    Das bedeutet nicht, dass ich die deutsche Sprache für schlechter halte als andere. Überhaupt nicht. Jede Sprache hat Vor- und Nachteile. Sprachen sind komplexe Systeme. Und dabei ist die Grammatik der deutschen Sprache ja nur eine unter vielen möglichen, ebenso wie etwa auch ihr Klang.


    Herzliche Grüße,


    Hugo

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • Würdet ihr euch vielleicht lieber über die Stärken der deutschen Sprache unterhalten? Oder einfach über Unterschiede im Vergleich zu anderen Sprachen?


    Nein, lieber Hugo, ich persönlich nicht. Dazu fehlen mir Zeit und einfach auch genügend Wissen über die deutsche Sprache und andere. Und ich finde eigentlich, dass es gerade schön ist, dass man im Deutschen aufpassen muss.
    Was sollen die Russen erst sagen, die haben im Vergleich zu uns gleich sechs Fälle!!! Ist das Handicap? Ich glaube nicht...eher ein größeres Instrumentarium.

    [buch]3866855109[/buch]


    "Sinn mag die äußerste menschliche Verführung sein." - Siri Hustvedt

  • Ich finde unsere Sprache auch sehr sympathisch!


    Ich lese sie gerne, höre sie gerne, schreibe sie gerne und sowieso gibt es tolle Worte, die in anderen Sprachen lange nicht so schön klingen.


    Eierschalensollbruchstellenverursacher zum Beispiel. Sowas in Oxford English zu versuchen ist doch haarsträubend.
    Eggshell-predetermines-breaking-point-initiator...das klingt einfach ganz und gar nicht!

  • (Mein Name wird erwähnt? Muss ich jetzt drauf reagieren? War der Bt sprachlich soo schlecht? Nee, war nur Spaß, bitte nicht steinigen, ich habs schon verstanden ...)


    Also, ich finde, Hugo hat durchaus Recht. Im Vergleich zu anderen Sprachen hat die deutsche Sprache ... nun, sie ist ein zickiges Werkzeig. Sie ist nicht schlecht, aber voller unschöner Wörter ... Aber Sprache lebt, entwickelt sich weiter, und vielleicht ist sie bald ausschließlich voller schöner Wörter?


    Wer nicht unbedingt der begabteste Dichter per se ist, wird mit ihr unter Umständen seine Probleme haben, wenn er schreibt. Und ist es die Aufgabe eines Schriftstellers, die Sprache zu formen? Das Werkzeug sollte eigentlich schon fertig sein. Die Sprache. Isse aber nicht.


    (Klugscheißer-Modus: Als Beispiel für gelungene Sprachen empfehle ich Latein. Nicht völlig perfekt, aber schon sehr gut anzuhören. Altgriechisch ist auch eine höchst entwickelte Sprache gewesen. Es hat seinen Grund, dass diese beiden Sprachen auf die europäischen von heute so einen Einfluss hatten. Mein persönlicher Favorit allerdings - elbisch. Die finde ich perfekt. Im Ernst. Die Sprache ist toll. Allerdings spricht das, bis auf ein paar Freaks, keiner.)


    So. Jetzt bin ich fertig mit Klugreden.

  • Also Latein ist für mich ganz und gar nicht Perfekt. Und inzwischen Gott sei Dank Präteritum! Ok, der war schlecht. Tut mir leid.
    Latein hat mich traumatisiert :-S PPPs, ACIs (Erinnert mich immer an ACE Milde Bleiche, heißt doch so...oder?) - Furchtbar!^^

  • Reiners (the godfather of Stilistik ;-)) zitiert zu dem Thema Hebbel:
    "Schön erscheint sie mir nicht, die deutsche Sprache, und schön ist
    auch die französische nicht, nur die italische klingt.
    Aber ich finde sie reich, wie irgend eine der Völker,
    finde den köstlichsten Schatz treffender Wörter gehäuft,
    finde unendliche Freiheit, sie so und anders zu stellen,
    bis der Gedanke die Form, bis er die Färbung erlangt,
    bis er sich leicht verwebt mit fremden Gedanken und dennoch
    das Gepräge des Ichs, dem er entsprang, nicht verliert.
    Denn der Genius, welcher im Ganzen und Großen hier waltet,
    fesselt den schaffenden Geist nicht durch ein strenges Gesetz,
    überlässt ihn sich selbst, vergönnt ihm die freiste Bewegung
    und bewahrt sich dadurch ewig lebendigen Reiz."


    Ich hoffe, dass die Herrschaften, die an unserer Sprache herummäkeln, das jetzt ohne Dolmetsch verstanden haben. Vastehsse, ey?
    Wenn jemand, der sich in einem Autorenforum herumtreibt, nicht begriffen hat, was für ein grandioses Werkzeug wir hier zur Hand haben, dann sollte er/sie sich möglicherweise beizeiten ein anderes, auch hübsches Hobby suchen. Spitzenklöppeln?