26.04.1986

  • an diesem tag explodierte der tschernobylreaktor block 4.
    wisst ihr noch, was ihr gerade gemacht habt, als ihr von der nachricht hörtet?


    ich war in hamburg auf dem großneumarkt einkaufen und dann beim "nur hier" bäcker einen kaffee trinken. wie ich es genau erfahren habe, weiß ich nicht mehr. von den anderen kunden dort oder radio im laden, ...

  • an diesem tag explodierte der tschernobylreaktor block 4.
    wisst ihr noch, was ihr gerade gemacht habt, als ihr von der nachricht hörtet?



    Ja. Ich saß mit zwei Kollegen und einem Externen in Bad Liebenzell (im Schwarzwald) in Klausur. War richtig schönes Wetter - aber die Laune war uns nach dieser Nachricht total verhagelt. Muss morgen mal meine Tagebücher vorholen, ich glaube, da gibt es einige Einträge zu.

    BLOG: Welt der Fabeln


    Kuhlen, Kohlen und Geklimper

    ASIN/ISBN: 3947848994


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Das war ein kann normaler Tag für mich, Tschernobyl war weit weg. In einem kleinen Dörfchen in Süd-Korea lebte ich in dieser seit schon zwei Jahre. Es gab zwar Fernsehen, aber das koreanische Fernseh hat Tschernobyl eine Woche ignoriert, so wußte ich nix.
    Ich pflanzte den ganzen Tag Reis mit den Bauern, bis es dunkel wurde und dann waren wir müde. Fernseh, Tschernobyl, nur noch schlafen war angesagt. Durch ein Telefongespräch aus Deutschland habe ich schließlich davon gehört.
    Zufällig schrieb ich das zu der Zeit:
    Bemüht
    leise aufzutreten
    poltere ich durch die fremde Kultur.
    Bemüht
    zu verstehen
    stolpere ich über meine Ansprüche.
    Zuletzt bleribt
    das Erstaunen über mich selbst.
    Jung gong ri April, 1986, Süd Korea

  • wisst ihr noch, was ihr gerade gemacht habt, als ihr von der nachricht hörtet?

    Nicht genau.Vor allem, weil die Dramatik (zumindest in Oberbayern) anfangs stark heruntergespielt wurde. So sind wir Kids in der Nacht zum 1. Mai draußen gewesen, und die Frage, was alles in dem Regen war, hat uns längere Zeit nicht schlafen lassen. Was folgte, waren die Geigerzählerversuche im Physikunterricht, das Verbot, Pilze zu sammeln, und das unheimliche Gefühl, bei etwas dabei zu sein, dessen Auswirkungen man nicht wirklich verstand.


    Pilze habe ich bis heute nicht mehr gesammelt.

  • Ich saß in Venedig auf der Rialtobrücke, schlürfte einen Capuccino, und blinzelte verschlafen in die Sonne, als ich die Nachricht von vorbeigehenden deutschen Touristen hörte.
    "Schrecklich", sagte ich und schlürfte meinen Kaffee. "Hat wohl so kommen müssen."
    "Ja, furchtbar", sagten die Touristen. "Schuld ist nur der russische Atomschrott."
    "Wahrscheinlich. Was denn sonst?"
    "Angeblich ist eine riesige, radioaktive Wolke auf dem Weg nach Deutschland."
    "Tatsächlich?"
    "Wir haben es eben auf Kurzwelle gehört."
    "Dann wird's wohl stimmen."
    "Ausgerechnet in unseren Ferien muss sowas passieren."
    "Das ist echt schade."
    "Sagen Sie, wir wollen zum Markusplatz. Wissen Sie, wie man dorthin kommt, wir laufen uns schon die Absätze durch."
    Ich wies ihnen den Weg und beschloss, die nächsten Tage in der unverstrahlten Lagunenstadt zu bleiben.
    (Damals konnte man sich das noch leisten.)


    Manuela :)

    Einmal editiert, zuletzt von Manuela K. ()

  • Ich habe beim Recherchieren nach diesem Datum eine interessante Webseite gefunden, auf der nachgeschaut werden kann, was zu einem bestimmten Datum alles loswar. Siehe h… äh … da


    Interessante Feststellung dabei: Meine Erinnerung an das Wetter war nicht korrekt.

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    Emanuel von Bodmann


  • Ich war bei meinem Gitarrenlehrer in Münster und lernte irgendwelche Lagerfeuer-Lieder, um sie bei den Pfadfindern klampfen zu können. Dort gab es ein nettes und hübsches Mädchen. Das war wichtig.


    Die WG des Gitarrenlehrers bestand aus langhaarigen Bombenlegern. Einer platzte irgendwannn in meinen Unterricht für mein Mädchen und erzählte irgendwas von "Unfall" und "Russland". In der Küche erhielt ich bei den linken Zecken eine kostenlose Schulung in Sachen Anti-AKW-Bewegung.


    Mama erklärte mir zu Hause, dass Tschernobyl nicht in Russland, sondern in der Ukraine liege. Und sie stellte sich vor, was jetzt in Polen los sei. In Polen war gar nichts los, erfuhren wir später.


    Und das Mädchen habe ich auch nicht gekriegt.

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • Wir waren in Holland zu der Zeit, auf Texel, haben das letzte Mal die außerschulischen Ferien vor meiner Einschulung genutzt.
    Ich weiß noch, dass meine Eltern Sorgen hatten, mich nach draußen zu lassen, meine Uroma hat schrecklich geheult. Letztlich haben wir aber nicht 3 Wochen einen Bugalow gemietet (was wir uns eigentlich nicht leisten konnten) um dann darin festzusitzen, also haben wir es ignoriert. Ich hab es ohnehin nicht verstanden, wurde von meinen Eltern ziemlich im Unwisse gelassen, was da passiert war, ich war nur traurig, dass das Mädchen aus dem Bungalow nebenan erst nicht mehr nach draußen durfte und dann abreiste.

  • Ich war bei meinem Gitarrenlehrer in Münster und lernte irgendwelche Lagerfeuer-Lieder, um sie bei den Pfadfindern klampfen zu können. Dort gab es ein nettes und hübsches Mädchen. Das war wichtig.


    LIest sich, als wäre Hugo 1986 zwölf, vielleicht vierzehn, höchstens fünfzehn Jahre alt gewesen. Einigen wir uns mal auf vierzehn. Jetzt, gut vierundzwanzig Jahre später ist Hugo also 38 (in Worten: Achtunddreißig). Interessant, dass er sich da als Rentner in der hinteren Reihe bei Toms Leseabenden outet =)


    Zitat


    Die WG des Gitarrenlehrers bestand aus langhaarigen Bombenlegern. Einer platzte irgendwannn in meinen Unterricht für mein Mädchen und erzählte irgendwas von "Unfall" und "Russland". In der Küche erhielt ich bei den linken Zecken eine kostenlose Schulung in Sachen Anti-AKW-Bewegung.


    Ich kenne Münster. Schließlich habe ich da lange genug gewohnt. Und zwar in der Zeit von 1975 bis 1980, die Zeit, in der es in der Anti-AKW Bewegung zu brodeln begann. Außerdem war da "Deutscher Herbst" (RAF). Das alles aber nicht so wirklich in Münster. Bombenleger waren das wohl nur in der Fantasie des Pfadfinderaspiranten. Die Wiedertäufer sind seit Jahrhunderten tot und die einzigen Kriminellen in Münster sind die Fahrraddiebe. :D


    Zitat


    Mama erklärte mir zu Hause, dass Tschernobyl nicht in Russland, sondern in der Ukraine liege. Und sie stellte sich vor, was jetzt in Polen los sei. In Polen war gar nichts los, erfuhren wir später.


    Und das Mädchen habe ich auch nicht gekriegt.


    Das Mädchen wird vermutlich ebenso Fantasie gewesen sein wie alles andere auch


    Nachtrag: Habe gerade nachgesehen. Da habe ich ja tatsächlich richtig geschätzt :)


    Dann will ich mal gnädig sein - das mit dem Mädchen wird doch stimmen. Das was ich über Münster geschrieben habe, stimmt aber auch :aetsch

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    Emanuel von Bodmann


  • Ich habe keine konkrete Erinnerung an den Tag, weiß aber noch, dass ich das lange (mehrere Tage, glaube ich) für eine Falschmeldung gehalten habe (zumal die Informationen aus der Sowjetunion nur scheibchenweise kamen). Oder halten wollte. Dann setzte eine gewisse Fassungslosigkeit ein, zumal ich damals noch energischer Kernkraftbefürworter und ziemlich technikgläubig war. Daraus wiederum wurde dann nacktes Entsetzen. Aber das hat gedauert. Meine Erinnerungen an den 9. November 1989 sind tatsächlich weitaus präsenter.

  • Allerliebster Horst-Dieter,


    LIest sich, als wäre Hugo 1986 zwölf, vielleicht vierzehn, höchstens fünfzehn Jahre alt gewesen. Einigen wir uns mal auf vierzehn. Jetzt, gut vierundzwanzig Jahre später ist Hugo also 38 (in Worten: Achtunddreißig). Interessant, dass er sich da als Rentner in der hinteren Reihe bei Toms Leseabenden outet =)

    das mit meinem Alter hast du fein geschätzt und berechnet, ganz fein. Dieses Alter steht auch in meinem Profil, und damit habe ich mich hier vorgestellt. Ich weiß nicht, ob andere das in meinem Profil lesen können, aber da steht auch, dass ich Rentner bin. In meiner Vorstellung schrieb ich außerdem, dass ich erwerbsunfähig bin und deshalb Rentner.


    Offen gestanden bin ich gerade ein klein wenig angesäuert. Was willst du mir unterstellen?


    Zitat

    Bombenleger waren das wohl nur in der Fantasie des Pfadfinderaspiranten.

    "Langhaariger Bombenleger" ist nur ein scherzhafter Ausdruck, bei dem ich noch nie erlebt habe, dass andere ihn missverstehen.


    Zitat

    Das Mädchen wird vermutlich ebenso Fantasie gewesen sein wie alles andere auch.

    Samma, Horst-Dieter, habe ich dir irgendetwas getan und das nicht mitbekommen?


    Herzliche Grüße,


    Hugo

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)


  • Nein. Ich habe schlicht dein Posting nicht ernst genommen, weil ich nicht in dein Profil geschaut habe. Rentner und Pfadfinder bekam ich nicht zusammen. Inzwischen habe ich zu meinem Posting einen Nachtrag verfasst, wo das auch drinsteht.


    Ich unterstelle dir nichts (mehr), glaube dir (fast) alles - bis auf die Bombenleger in Münster ;)


    Horst-Dieter

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    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Ich kann mich nicht mehr genau an den Moment erinnern, in dem ich es erfahren habe. Aber ich nehme an, es wird die Tagesschau gewesen sein. In Erinnerung bleibt: Meine (damalige) Frau war im 7. Monat, mein Ältester ist im Juni geboren. Ich weiß noch: Es war ein wunderschöner Sommer, die Wiege stand tagsüber fast dauernd auf der Reihenhaus-Terrasse. Die Diskussion, ob das gesundheitsgefährdend für den Kleinen sei, habe ich aber auch noch im Kopf. Und vor allem die Frage: Was dürfen wir noch essen? Irgendwas Strahlendes muss er aber abgekriegt haben. Er wird ... Physiker.

  • Wir waren mit den Mopeds los zum Zelten. Tschernobyl hatte uns irgendwie nicht so recht interessiert.


    Und HD, seit Kommissar Thiel in Münster tätig ist, gibt es dort nur noch einen Bombenleger: Seinen Vater

  • An den Tag erinnere ich mich nicht mehr, dafür aber gut an die Folgen.


    Meine Konfirmation stand an, ich kalkulierte, von welchen Verwandten ich Geldzuwendungen in welcher Höhe erwarten durfte, und wie dementstrechend die Stereoanlage ausfallen würde, die ich davon erwerben würde.


    Am Tag bevor es soweit war, verbaten mir meine Eltern netterweise, beim entscheidenden Spiel meiner Fußballmannschaft gegen den Meisterschaftskonkurrenten im Tor zu stehen. Grund: angebliche Strahlenbelastung der Fußballplätze. Stattdessen: Spazierengehen mit der Verwandtschaft. Das Spiel ging 1:2 verloren, obgleich mein Stellvertreter seine Sache gut gemacht haben muss. Vielleicht gerechte Strafe für meinen Materialismus. Der traf freilich genauso auf 2-3 andere zu, die spielen durften und gegen Bares konfirmiert wurden.


    Naja, dafür habe ich die Protestanten später verlassen.