Das System, der Käse und der Rest

  • Heute an der Kasse im Supermarkt: Ich lege unter anderem ein Stück Käse aus dem Angebot auf's Band. Die Kassiererin zieht es über den Scanner. Es piept nicht. Nochmal. Es piept nicht. Und piept nicht und piept nicht ...
    - "Tut mir leid, der Käse ist noch nicht im System."
    - "Im System?" (In mir entstehen Bilder aus "1984".)
    - "Es piept nicht."
    - "Es piept nicht?"
    - "Das heißt, dass das System den Käse noch nicht kennt."
    - "Das System kennt den Käse nicht?"
    - "Nein."
    - "Ich würde den Käse aber ganz gern kaufen."
    - "Das geht nicht. Das System kennt ihn nicht."
    - "Aber auf dem Käse steht ein Preis, und er ist im Angebot."
    (Grummeln in der Schlange hinter mir.)
    - "Es tut mir leid, ich kann Ihnen diesen Käse nicht verkaufen."
    - "Sie können mir diesen Käse nicht verkaufen? Aber er liegt im Regal, da hinten, gleich neben dem Harzer." Meine Stimme hat längst etwas Flehentliches.
    - "Aber das System kennt ihn nicht. 7 an 21. 7 and 21. Frau Malecki, kommst du mal? Ein Kunde macht hier Probleme."
    Eingeschüchtert versuche ich eine neue Taktik: "Er ist auch nur noch 4 Tage haltbar, der Käse."
    In der Schlange verteilt man Unterschriftslisten, wonach man mich entweder kastrieren oder gleich lynchen soll.
    Frau Malecki kommt. "Was ist das Problem?"
    Ich versuche es mit: "Das System kennt den Käse nicht."
    - "Was?"
    - "Ihr System. Es erfasst nicht den Strichcode des Käse."
    - "Da kann man nichts machen."
    - "Da kann man nichts machen?"
    - "Nein."


    Ich bin dann noch irgendwie gerade so am Hausverbot vorbei geschrammt. Das nächste Mal kriegt jemand eine auf''s Maul! Am besten das System!


    Fortsetzung ausdrücklich erwünscht! Vielleicht: "Guten Tag, hier spricht die Feuerwehr. Wir können den Brand in Ihrem Haus leider nicht löschen, weil das Navi Ihre Adresse nicht findet."

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • :rofl :rofl :rofl



    ... das könnte man doch hier im Forum noch verfeinern:


    Leider kann Ihr Fredshredderbeitrag nicht registriert werden. Das System kann die Fredshredder-ID nicht einlesen. Anscheinend piept's bei Ihnen nicht.Bitte versuchen Sie es zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal.


    Jetzt mal im Ernst: Wenn in "meinem" Supermarkt der Strichcode nicht funktioniert, wird die entsprechende Nummer händisch (tolles Wort) eingegeben. Aber dazu muss das Produkt wohl erst mal "im System" sein.


    Paranoide Vorstellung: Bürgeramt. "Leider können wir Ihren Antrag auf einen neuen Ausweis nicht bearbeiten. Sie sind nicht im System. Wenn ich die Nachricht auf meinem Terminal richtig verstehe, existieren Sie gar nicht."
    Da sind wir ganz schnell bei Neil Gaymans "Neverwhere".


    Gruselnde Grüße, Michel


  • Paranoide Vorstellung: Bürgeramt. "Leider können wir Ihren Antrag auf einen neuen Ausweis nicht bearbeiten. Sie sind nicht im System. Wenn ich die Nachricht auf meinem Terminal richtig verstehe, existieren Sie gar nicht."
    Da sind wir ganz schnell bei Neil Gaymans "Neverwhere".


    Gruselnde Grüße, Michel

    Bürgeramt in L. Unsere mittlere Tochter hat ein grünes und ein graues Auge. Bei der Beantragung eines neuen Personalausweises spielte sich ungefähr solcher Dialog ab;


    »Augenfarbe?«


    »Eins grün, ein grau«


    »Gibt's nicht, bitte sagen Sie mir ihre Augenfarbe«


    »Grün und grau«


    »Bitte.Nennen.Sie.Mir.Ihre.Augenfarbe«


    »Grün und grau - schauen sie doch nach, wenn sie's nicht glauben«


    »Hören sie auf, mich zu verarschen und nennen sie mir ihre eine Augenfarbe. Sonst gibt's keinen Ausweis«


    Die Dame auf dem Amt schaut selbstverständlich NICHT nach und die Prozedur wurde erst abgeschlossen, als unsere Tochter sich für »grün« entschied.


    8o

    BLOG: Welt der Fabeln


    Kuhlen, Kohlen und Geklimper

    ASIN/ISBN: 3947848994


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • ... Immerhin wurde Eure Tochter nicht annulliert.
    Glück gehabt, dass sie schon "im System" war! =)


    Wir haben im Nachhinein noch gezittert. Was wäre gewesen, wenn sie eine Augenfarbe (samt Auge) eingefordert hätten?


    Dann wäre das aber ins Auge gegangen.

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  • Wahre Geschichte:


    Muss mit meiner alten Schwedin warten. Ein Van verhindert durch Rangiererei die Weiterfahrt. Stetig nähert sich der Pampersbomber meiner betagten Schönheit. Langsam werde ich nervös. Hupe. Hupe nochmal. Krawumm. Eine aufgeregte Frau (bestimmt Zufall) springt aus dem Van. "Aber aber, es hat doch gar nicht gepiept!"

  • Manchmal piept's eben, wenn's nicht piept.


    Spaß beiseite: Man kann sich drüber lustig machen oder erschrecken - aber gerade für uns sind solche Szenen doch tolle Vorlagen. Konflikt schon in der zweiten Zeile, was will man mehr? Und alles, weil man... aber kennt jemand das Neun-Punkte-Rätsel noch nicht? (Aufgabe: Vebinde alle neun Punkte mit vier geraden Stichen, ohne den Stift abzusetzen.) Schönes Beispiel für eine begrenzte Perspektive. Ich gestehe, ich bin daran gescheitert.


    Sol Stein beschreibt mit der Methode des "Actors Studio", wie man das nutzen kann.

  • …... aber kennt jemand das Neun-Punkte-Rätsel noch nicht? (Aufgabe: Vebinde alle neun Punkte mit vier geraden Stichen, ohne den Stift abzusetzen.) Schönes Beispiel für eine begrenzte Perspektive. Ich gestehe, ich bin daran gescheitert.


    Ja, schönen Beispiel dafür, dass man erst über Begrenzungen hinausdenken muss, um auf Lösungen zu kommen :-)


    Eine andere schöne Übung habe ich mal vor gut 20 Jahren oder mehr als Gruppenaufgabe bekommen: Wir bekamen ein Brett, in das ein ca. 15 cm langer Nagel eingeschlagen war (so dass der größte Teil des Nagels heraussah). Dazu bekamen wir 15 weitere gleichlange Nägel. Die Aufgabe war es, die 15 Nägel so auf den einen, gerade herausstehenden Nagel zu legen, dass keiner Boden- bzw. Tischkontakt hatte. Die Gruppe bestand aus 12 Personen und wurde in 3 kleinere Gruppen geteilt á 4 Personen. Ich hatte das Glück, in einer Gruppe zu Landen, die zu gleichen Teilen aus Kopf- und Handlastigen Personen bestand. Oder kurz gesagt: wir hatten zwei Praktiker dabei. Die zweite Gruppe bestand nur aus Praktikern, die dritte Gruppe nur aus Theoretikern. Unsere Gruppe war nach 15 Minuten mit der Aufgabe fertig. Die Lösung ergab sich eindeutig aus der Kombination. Die Praktiker probierten, die beiden Theoretiker (zu denen ich zählte) dachten das ausprobierte weiter und so gab es schnell eine Lösung. Die Praktiker waren nach einer halben Stunde fertig die Theoretiker nach einer Stunde immer noch nicht. Dann wurde abgebrochen.

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    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann



  • Schöne Geschichte. Plausibler (im Sinne von realitätsnäher) würde sie, wenn die Kassendame erst einmal ordentlich zusammengeschnauzt würde. Ein Kunde macht nämlich selbstverständlich keine Probleme, schon gar nicht, wenn Publikum dabei ist. Falls das in einem real existierenden Supermarkt tatsächlich doch so gehandhabt wird, erhöht das trotzdem nicht die Plausibilität.
    Fürs nächste Mal: Die Kassieraufsicht soll den Code der Warengruppe händisch eingeben, danach den Preis und den Artikel zum Verkauf eröffnen. Fäddich. Moderne Kassen halten so etwas aus.
    :evil


  • Schöne Geschichte. Plausibler (im Sinne von realitätsnäher) würde sie, wenn die Kassendame erst einmal ordentlich zusammengeschnauzt würde. Ein Kunde macht nämlich selbstverständlich keine Probleme, schon gar nicht, wenn Publikum dabei ist. Falls das in einem real existierenden Supermarkt tatsächlich doch so gehandhabt wird, erhöht das trotzdem nicht die Plausibilität.
    Fürs nächste Mal: Die Kassieraufsicht soll den Code der Warengruppe händisch eingeben, danach den Preis und den Artikel zum Verkauf eröffnen. Fäddich. Moderne Kassen halten so etwas aus.
    :evil

    Liebe blaustrumpf,


    warum kriegt Horst Evers nicht solche Nachrichten?


    - Lieber Herr Evers, Ihre Geschichte ist ja ganz nett, aber unplausibel, realitätsfern. In Wirklichkeit gibt es keine Kunden, die sagen: "Guten Tag, ich möchte gern für morgen ein Brot von gestern vorbestellen."
    - Ja, liebe Leserin, ich dachte nur ...
    - Nee, nee, nee ... Falls das in einer real existierenden Bäckerei tatsächlich so gehandhabt werden sollte, dann erhöht es trotzdem nicht die Plausibilität Ihrer Geschichte.
    - Aber, liebe Leserin, ich dachte nur ...
    - Nee, nee, nee ... und für für das nächste Mal, wenn sie wieder mal eine Geschichte schreiben sollten, dann recherchieren sie doch bitte zuerst über die Gepflogenheiten in deutschen Bäckereien! Und zwar eigenhändisch!


    Herzliche Grüße,


    Hugo

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • Hallo, Hugo


    Horst Evers? Den musste ich mir erst ergooglehupfen. Aber je nun. Bei einem Kabarettisten weiß ich vorher, dass die Plausibilität im Normalfall an der Garderobe abzugeben ist. Hätte ich ahnen sollen, dass Du Kabarettist bist? Dann bitte ich vielmal um Entschuldigung.


    Die Sache mit dem alten Brot? Der Witz ist wirklich alt. "Haben Sie Brot von gestern?" "Nein, erst morgen wieder.", das ist wohl eine der Urfassungen. Hätte ich ahnen sollen, dass Du einen alten Witz in einen neuen Textschlauch füllen wolltest? Auch in dem Fall bitte ich vielmal um Entschuldigung.


    Die Sache mit der Recherche in einer deutschen Bäckerei, die wird sich etwas schwieriger für mich erweisen. Zum einen ist vor lauter Bäckerei- und Konditoreiwarenverkaufsstellen eine richtige, echte Bäckerei kaum noch auszumachen, zum anderen wohne ich nicht in Deutschland. Sollte ich für Dein nächstes Posting vorsichtshalber umziehen? Oder wäre es Dir sowieso lieber, wenn Du auf meine Hinweise in Sachen Textoptimierung Dich eher überhaupt nicht einzulassen verpflichtet fühlen würdest? Kein Problem. Im Gegensatz zum Umzug wird das eine leichte Übung.


    Fröhliches Weitertexteln wünsche ich Dir!
    :)

  • siempre ist auch nix anderes als ein systemunbekannter käse mit haltbarkeitsdatum, allerdings ist es abgelaufen. sie ist nämlich stolze besitzerin einer urkunde, die ihr die deutsche staatsangehörigkeit befristet bis zum jahre 2000 bescheinigt :winner


  • - Lieber Herr Evers, Ihre Geschichte ist ja ganz nett, aber unplausibel, realitätsfern. In Wirklichkeit gibt es keine Kunden, die sagen: "Guten Tag, ich möchte gern für morgen ein Brot von gestern vorbestellen."


    Eine meiner Lieblingsgeschichten von ihm. Endlich mal ein Mensch, der Evers auch kennt ... (Liest du den Salbader?)


  • Eine meiner Lieblingsgeschichten von ihm. Endlich mal ein Mensch, der Evers auch kennt ... (Liest du den Salbader?)

    Liebe Susanne,


    Horst Evers kenne ich vor allem, weil ich in seinem Dunstkreis wohne. radio 1 vom rbb bringt regelmäßig seine Beiträge ("Hallo, guten Morgen, Deutschland ..."). Der "Salbader" ist mir wegen dieses Dunstkreises auch ein Begriff, aber ich habe ihn noch nie in der Hand gehabt.


    Viele Grüße,


    Hugo

    Es gibt drei Regeln, wie man einen Roman schreibt. Unglücklicherweise weiß niemand, wie sie lauten. (William Somerset Maugham)

  • Ach ja, und wer Horst Evers noch nicht kennen sollte und wegen des morgigen Brotes von gestern:


    Brot von gestern


    Mein Lieblingstext, zufällig passend zum Thema dieses Freds, ist aber


    Der Router


    und eigentlich auch alles andere von Horst Evers, insbesondere ... egal, alles!

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