Susanne Gerdom: Der Nebelkönig

  • ASIN/ISBN: 380005566X


    Sallie ist Küchenmädchen in einem Herrenhaus, das ihre ganze Welt bedeutet, das ihre ganze Welt ist, denn das Haus und der Garten sind alles, was sie kennt und je gesehen hat. Dass es noch eine Welt außerhalb gibt, erkennt sie erst, als der Bibliothekar ihr Bücher zu lesen gibt, in denen von Bergen und Städten die Rede ist, Dinge, die sie noch nie gesehen hat, Dinge die sie glaubt noch nie gesehen zu haben.
    Besonders gefangen nimmt Sallie die Geschichte des Nebelkönigs und der Katzenkönigin, eine Geschichte die sich immer mehr mit Sallies Geschichte vermischt, die immer mehr Raum in ihrem Leben, in ihren Gedanken einnimmt. Und schon bald verschwimmt die Wirklichkeit, wird dunstig wie der Nebel, der mehr und mehr von dem Herrenhaus Besitz ergreift.


    Susanne Gerdom spielt gekonnt mit der Frage, was ist Realität, was bestimmt unsere ganz persönliche Wirklichkeit? Man entdeckt zusammen mit Sallie ihre Welt, mehr und mehr taucht man in die Geschichte ein, verliert sich im Nebel, um im nächsten Moment zu glauben der Wahrheit ein Stückchen näher gekommen zu sein, die sich dann doch als Täuschung entpuppt.


    Die Geschichte spielt nur in diesem Haus, das so real und irreal ist, wie seine Bewohner und doch hat man das Gefühl die ganze Welt darum herum ein bisschen kennenzulernen, was an den wunderbaren Figuren liegt, die Sallies Welt bevölkern, eine jede stellvertretend für ein ganzes Volk, und an den gelungenen, teilweise wirklich poetischen, Beschreibungen. So bekommt man einen Eindruck davon, wie die Welt wohl ausgesehen haben mag, als der Nebelkönig noch nicht ... aber das lest selbst. ;)


    Es hat mir riesigen Spaß gemacht in Sallies Geschichte einzutauchen. Das ist wohl das schönste Fantasy-Märchen, das ich seit der Unendlichen Geschichte gelesen habe.
    Wer vielleicht vergessen hat wie es war, die Bettdecke über den Kopf zu ziehen und mit einer Taschenlampe bewaffnet bis spät in die Nacht zu lesen, der sollte es mit dem Nebelkönig nochmal versuchen, denn wenn man sich darauf einlässt, dann bekommt man nicht nur eine wunderschöne Geschichte, sondern ein bisschen von diesem Gefühl zurück.


    Fazit: Eine spannende, bildhaft geschriebene und einfach wunderschöne Geschichte. Nicht nur für junge Leser.

  • Zitat

    Original von Sim
    Es hat mir riesigen Spaß gemacht in Sallies Geschichte einzutauchen. Das ist wohl das schönste Fantasy-Märchen, das ich seit der Unendlichen Geschichte gelesen habe.


    8o Da hast du ja nen Haken ausgeworfen, alle Achtung - jetzt *muss* ich das Buch auch lesen.

    Frau: "Warum müssen Frauen immer still sein?"
    Mann: "Weil sie dann länger schön bleiben."
    (Der Hexer, 1964)

  • Zitat

    Original von Berit


    8o Da hast du ja nen Haken ausgeworfen, alle Achtung - jetzt *muss* ich das Buch auch lesen.


    Als Haken war das eigentlich gar nicht gedacht, aber macht ja nichts, wenn es so ankommt. :D Also geh und kauf es, es lohnt sich.

  • Heute war der Nebelkönig im Briefkasten - ich lege ihn mal auf den Stapel mit den Büchern für den Urlaub :)

  • Danke, liebe Sim für den Tipp und danke Susanne für´s Schreiben eines augenscheinlichen Sommerschmökers für meine Große und mich...wird sofort besorgt!!!

    [buch]3866855109[/buch]


    "Sinn mag die äußerste menschliche Verführung sein." - Siri Hustvedt

  • Zitat

    Original von lametta
    Danke, liebe Sim für den Tipp und danke Susanne für´s Schreiben eines augenscheinlichen Sommerschmökers für meine Große und mich...wird sofort besorgt!!!


    Das kannst du dir gleich abschminken, liebe Stefanie. Ich habe es gestern bekommen und heute schon halb durch, obwohl ich überhaupt keine Zeit zum Lesen hab. Das Buch hält keinen Sommer. Nicht mal eine Sommerwoche lang


    bedauernde Grüße


    Horst-Dieter

    BLOG: Welt der Fabeln


    Kuhlen, Kohlen und Geklimper

    ASIN/ISBN: 3947848994


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Zitat

    Original von Horst Dieter
    (...) Das Buch hält keinen Sommer. Nicht mal eine Sommerwoche lang (...)


    Der Sommer derzeit ja auch nicht.

  • Nö...Filthaut...ein feiner, kleiner Laden...Thalia kommt mir nicht ins Haus...höchstens mal Amazon...wenn Filthautens etwas mal nicht besorgen können...

    [buch]3866855109[/buch]


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  • Hallo Susanne,


    massive Gratulation zu einem offensichtlich rundum gelungenen Buch. Kommt auf meine Wunschliste. Noch vor Goethe, Schiller und Descartes =)


    Liebe und bewundernde Grüße
    Achim

  • Zitat

    Original von AchimW
    Hallo Susanne,


    massive Gratulation zu einem offensichtlich rundum gelungenen Buch. Kommt auf meine Wunschliste. Noch vor Goethe, Schiller und Descartes =)


    Liebe und bewundernde Grüße
    Achim


    Göthe oder der Nebelkoenig? Keine Frage. Auch für mich nicht.
    :anbet :strauss :bier :strauss :anbet

  • Zitat

    Original von AchimW
    ... auch für mich keine Frage: der Nebelkönig ist der neue Faust und die Gerdom ist der neue Göte 8-)


    die neue Göte. Wenn schon, denn schon



    obwohl, früher kannte sie das sicher schon, nur nicht mit einem »t« sondern mit einem »r«

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    Emanuel von Bodmann



  • ...Uuups, da ist mir wohl wieder mal mein Mr. Hide, der elende Maskulist, entkommen... =)

  • Sallie ist Küchenmädchen in einem Schloss. In einer scheinbar gewohnten Welt bewegt sie sich zwischen Arbeit und Bibliothek, in der sie alte Sagen über Drachen und Zauberer liest. Dann muss sie Aushelfen bei einem Gastmahl und ab da verschiebt sich ihre gewohnte Welt nach und nach bis nichts mehr ist, wie es vorher war. Ihre Freunde sind Katzen, eine Eule, eine Ratte und ein Rabe, die aber alle auch als Menschen auftreten. Und dann begegnet sie zum ersten Mal dem Wolf im Nebel und im Südturm. Bis sie begreift, dass es ihre Aufgabe ist, diese unwirkliche Welt zu überwinden, ja bis sie überhaupt begreift, dass es keine wirkliche Welt ist, sondern sie in einer Blase angehaltener Zeit lebt, vergehen viele Seiten. Dass es nicht langweilige wird, dafür sorgt die Autorin mit ihrer bereits aus ihren anderen Büchern bekannten Fähigkeit, die Leser sofort in die Geschichte zu ziehen. Sie begleiten das Küchenmädchen quasi direkt auf ihrem Weg und die Irritationen, die diese erschüttern, erschüttern auch die Leser mit.


    Dieses Buch ist dicht geschrieben. Sämtliches Personal, von der Protagonistin, über den Antagonisten bis zur kleinsten Nebenfigur sind alle am richtigen Platz und weichen davon nicht ab. Keiner geht zum Beispiel im Laufe der Geschichte verloren ;-) Es gibt keine Längen und keine unmotivierten Sprünge und selbst die gerdomsche Adjektivitis ist soweit zurückgefahren, dass sie nicht mehr stört - oder vielleicht sogar genau die richtige Würze für dieses Buch ist.


    Ein Jugendbuch? Vielleicht. Jedenfalls hatte ich nirgends beim Lesen das Gefühl, dass ich mir etwas aus der Kinderecke geholt habe. Fantasy vom Feinsten - sogar ein bisschen Märchen, was man von den meisten Fantasygeschichten nicht sagen kann - ist dieses Buch und ich bin überzeugt, dass es so viele Erwachsene Leser positiv aufnehmen wie Jugendliche ganz gewiss.


    Überhaupt, Eltern ist eine Warnung mitzugeben. Ich habe auch schon eine entworfen, die ich gleich an die »Aktion zur Pflege jugendgemäßer Schriften und zum Schutz gegen Schmutz und Schund e.V.« senden werde:


    Zitat


    Liebe Eltern, vor den Jugendbücher der Autorin Susanne Gerdom muss dringend gewarnt werden. Wenn Sie nicht wollen, dass ihre Kinder plötzlich kein Interesse mehr für die täglichen Erfordernisse haben, die Termine im Sportverein, die Lieblingssendung im Fernsehen und das Abendessen verpassen, dann verhindern Sie, dass das Buch »Der Nebelkönig« in die Hände ihrer Sprösslinge fällt. Möglicherweise sind die noch formbaren Jugendlichen für immer verloren und vom Lesebazillus besetzt, gegen den kein Kraut gewachsen ist und eine Therapie nur seltenst anschlägt. Sicherheitshalber halten Sie, liebe Eltern, auch selbst gebührenden Abstand vor diesem Buch und schauen nicht selber hinein. Es ist keineswegs eine Kinderkrankheit, die sie sich holen könnten.


    Interviewer: »Hallo Modreg Enna Sus, alte Elster, schön, dass wir uns hier gerade sehen.«
    Ihr schäckern begrüßt mich gnädig.
    I: »Gerade habe ich auch das neue Buch der Gerdom ausgelesen, ihr kommt ja wieder mal gut dabei weg.«
    Elster: »Was sich auch so gehört. Aber schließlich habe ich auch dafür gesorgt, dass die Verwandschaft gebührend berücksichtigt wird.«
    I: »Wie das?«
    E: »Nun, als ich sie vor einiger Zeit wieder mal auf einem Zahnpfahl sitzen und auf den Rhein starren sah, wusste ich, dass sie über einer neuen Geschichte brütet. Da bin ich hin, hab sie begrüßt und mich neben sie gesetzt. Nachdem wir eine Weile laut vor uns hingeschwiegen haben, sagte ich: Du hast doch deine Verwandschaft ausreichend in deinem neuen Roman berücksichtigt? Madame Cornix? – Wenn du es nicht gesagt hättest … krächzte sie, schwang sich auf und flog gegen Uedem davon.«
    I: »So war das. Sieh an. Aber es wäre ja auch zu eigenartig gewesen, wenn im neuen Roman nicht wieder ein Rabe an handlungstragender Stelle aufgetaucht wäre«
    Lachend und schackernd flog Modreg Enna Sus davon.

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    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann