Ausgelutschte Methoden der Erzählung

  • Hallo ihr Lieben,


    in der Tat hat es letzthin ein Briefroman (klassisch) auf die Bestsellerlisten geschafft:


    ASIN/ISBN: 0747598800


    Liebe Grüße
    Judith

    Nay, thy lordship, me ain't no thief, not even a smart one - Piper Quickfingers



    Der Tokee in Die rote Kammer [buch]393991407X[/buch]

  • Hallo ihr Lieben,


    nein, ich finde das überhaupt nicht unqualifiziert, sondern richtig. :anbet


    Das ist letztlich das einzige Kriterium, das zählt, und ins Schwanken gerät man eigentlich nur, wenn das Gefühl aufkommt, etwas stimmt nicht.


    Wir schreiben in einem uralten literarischen Kontext und die Anzahl von Stilmittel ist begrenzt, erst durch die eigenen Beobachtungen, die eigene Sichtweise entsteht wirklich das "Andere". Sich krampfhaft auf die Suche nach neuen Stilmittel zu begeben ist ungefähr so sinnvoll, wie nach wirklich neuen, nie dagewesenen Ideen zu suchen (gut, das ist immerhin letztens noch vorgekommen, als Well seine Zeitmaschine schrieb). :evil


    Liebe Grüße
    Judith

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    Der Tokee in Die rote Kammer [buch]393991407X[/buch]

  • Bei einem historischen Stoff keine schlechte Wahl.


    Grüße Topi

    Es ist idiotisch, sieben oder acht Monate an einem Roman zu schreiben,
    wenn man in jedem Buchladen für zwei Dollar einen kaufen kann.


    Mark Twain

  • Zitat

    Original von Topi
    Bei einem historischen Stoff keine schlechte Wahl.


    Grüße Topi


    Wenn heute eine Autorin oder ein Autor den Mut hätte, einen Briefroman zu schreiben für einen Stoff der nicht historisch ist, würde ich ihn/sie allein dafür schon bewundern. Dann würde ich mir ansehen, ob sich die Wahl dieses Stilmittels gelohnt hat …


    Horst-Dieter

    BLOG: Welt der Fabeln


    Kuhlen, Kohlen und Geklimper

    ASIN/ISBN: 3947848994


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Zitat

    Original von Horst Dieter


    Wenn heute eine Autorin oder ein Autor den Mut hätte, einen Briefroman zu schreiben für einen Stoff der nicht historisch ist, würde ich ihn/sie allein dafür schon bewundern. Dann würde ich mir ansehen, ob sich die Wahl dieses Stilmittels gelohnt hat …


    Horst-Dieter


    Nun überlege ich, ob ich es wagen soll.Einen Leser hätte ich ja schon mal =)


    Grüße
    Topi

    Es ist idiotisch, sieben oder acht Monate an einem Roman zu schreiben,
    wenn man in jedem Buchladen für zwei Dollar einen kaufen kann.


    Mark Twain

    Einmal editiert, zuletzt von Topi ()

  • Zitat

    Original von Horst Dieter


    Wenn heute eine Autorin oder ein Autor den Mut hätte, einen Briefroman zu schreiben für einen Stoff der nicht historisch ist, würde ich ihn/sie allein dafür schon bewundern. Dann würde ich mir ansehen, ob sich die Wahl dieses Stilmittels gelohnt hat …


    Hallo Horst-Dieter,
    einen modernen deutschen Briefroman gibt es auch: Christian Geissler (k): ein kind essen. liebeslied. Rotbuch 2001. Er handelt von zwei schwulen Kommunisten, die sich Mitte der 1990er Jahre zwischen Aaltuikerei / Rheiderland und Rostock briefeschreibend den "Einigungsprozess" vergegenwärtigen. Dieser Roman ist übrigens ein Meisterwerk ohne Leser. Das ist aber eine andere Sache.
    Viele Grüße
    Jürgen

    ASIN/ISBN: 395494104X


    "schönheit ist das versprechen, daß das werden kann, was wir uns wünschen." (Ronald M. Schernikau: Die Tage in L.)

  • Zitat

    Original von Jürgen B.
    Dieser Roman ist übrigens ein Meisterwerk ohne Leser. Jürgen



    ???


    Topi

    Es ist idiotisch, sieben oder acht Monate an einem Roman zu schreiben,
    wenn man in jedem Buchladen für zwei Dollar einen kaufen kann.


    Mark Twain

  • Zitat

    Original von Jürgen B.


    Hallo Horst-Dieter,
    einen modernen deutschen Briefroman gibt es auch: Christian Geissler (k): ein kind essen. liebeslied. Rotbuch 2001. Er handelt von zwei schwulen Kommunisten, die sich Mitte der 1990er Jahre zwischen Aaltuikerei / Rheiderland und Rostock briefeschreibend den "Einigungsprozess" vergegenwärtigen. Dieser Roman ist übrigens ein Meisterwerk ohne Leser. Das ist aber eine andere Sache.
    Viele Grüße
    Jürgen


    Oh Jürgen, musstest du den vorkramen? :( Meine Leseliste ist sowieso schon lang. Und dann will Topi auch noch so einen Roman schreiben …

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    Emanuel von Bodmann


  • Zitat

    Original von Horst Dieter


    Und dann will Topi auch noch so einen Roman schreiben …



    NEEEEEEEEEEEIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIINNNNNNNNNNN !!!!!!!!!!!


    Topi

    Es ist idiotisch, sieben oder acht Monate an einem Roman zu schreiben,
    wenn man in jedem Buchladen für zwei Dollar einen kaufen kann.


    Mark Twain

  • Liebe Judith, liebe Siempre,


    falls der Eindruck aufgekommen ist, ich würde nach schriftstellerischen Methoden fragen, weil mir inhaltlich nichts einfiele: nay ladies :D.


    Ich hab seit einiger Zeit einen Stoff an der Angel, der für gefühlte fünf oder sechs Bücher reicht und mir richtig viel Freude macht und bei dem ich mit meinen Notizen für Personen, Szenen, Problemlösungen etc. kaum hinterher komme. Das ist nicht das Problem. Ich bereite die eigentliche Schreiberei vor, setze mich mit meiner Thematik auseinander, das hält mich richtig gepackt.
    Aber trotzdem sind ja auch ein paar strategische Dinge zu bedenken. Ich frage mich schon, welche Perspektive mir gefallen könnte (also habe ich in einem anderen Thread mal nach eurer Meinung gefragt) und ich spiele auch mit dem Gedanken, einen Teil der Informationen, die meine Protagonisten und auch die geneigte Leserin benötigen, in Form von Tagebucheinträgen zu liefern. Tatsächlich schreibe ich das Ding gerade runter und bin zu 2/3 damit fertig, mit ca. 2000 Worten täglich, was für mich als Hobbyschreibe ne Menge ist (sonst schaff ich üblicherweise die Hälfte). Bisher hab ich so 100 Seiten Konzepte, Szenenideen, Charakterbeschreibungen usw. zusammen (laut Marvin ist die kritische Masse damit erreicht ;)).
    Bei aller Freude an der Sache schlich sich bei mir so ein gewisses Unbehagen ein... halt, dass es irgendwie nix neues gibt. Ich weiß nicht, ob ich so ne Art Künstlersensibelchenseele entwickle oder nur unter klassischen Autorenselbstzweifeln leide... jedenfalls ist das der Hintergrund meiner Frage. Und sie ist echt ernst gemeint.
    Unabhängig davon werde ich weiter das Tagebuch eines Landarztes im amerikanischen Westen in der Nachbürgerkriegszeit schreiben. Aber es wird kein Western, bei mir rauchen nicht die Colts, sondern eher die Schamanen :D


    Liebe Grüße
    Achim

  • Hallo Achim,


    huch, wie kommst du darauf, dass ich dachte, du wüsstest nicht, was du erzählen willst. Nein, mir war schon seit der Perspektivenfrage klar, dass es hier um ein konkretes Projekt geht (gut, jetzt weiß ich, es sind zwei 8-)). Nur ist die Frage eben gar nicht einfach zu beantworten.


    In Beziehung auf die Häufigkeit ihrer Verwendung dürften tatsächlich alle Stilmittel schon "ausgelutscht" erscheinen, aber es gibt eben immer wieder Bücher, die belegen, dass sie dennoch funktionieren.


    Was die Tagebucheinträge angeht, da kann ich ohne Text einfach nicht sagen, ob sie funktionieren und warum (oder eben warum nicht).


    Zur möglichen Vielfalt: Kennst du die Left Handed Poems von Michael Ondatje? Ein Kollage aus fiktiven und realen Texten, Gedichten und Faximile.


    Nein, ich will dir das nicht als Vorlage empfehlen, sondern als Sammlung der unterschiedlichsten Stilmittel, die sich miteinander verbinden lassen.


    ASIN/ISBN: 0330310429


    Liebe Grüße
    Judith

    Nay, thy lordship, me ain't no thief, not even a smart one - Piper Quickfingers



    Der Tokee in Die rote Kammer [buch]393991407X[/buch]

  • Liebe Judith,


    keine Sorge, ich war nicht beleidigt oder sowas. Ich dachte bloß, dass dieser Verdacht aufgekommen sei. No Problem.
    Vielleicht stelle ich ja mein Tagebuch tatsächlich mal hier als BT rein, bin grade beim Höhepunkt der Geschichte :evil
    Danke für den Buchtipp, ich schau mal, wo ich das herbekomme.


    Liebe Grüße
    Achim

  • Zitat

    Bisher hab ich so 100 Seiten Konzepte, Szenenideen, Charakterbeschreibungen usw. zusammen (laut Marvin ist die kritische Masse damit erreicht ).


    Das ist nur Zweckoptimismus. Das habe ich mir nach zwanzig Seiten auch schon eingeredet... ;)

    “Life presents us with enough fucked up opportunities to be evaluated, graded, and all the rest. Don’t do that in your hobby. Don’t attach your self worth to that shit. Michael Seguin

  • Zitat

    Original von Marvin


    Das ist nur Zweckoptimismus. Das habe ich mir nach zwanzig Seiten auch schon eingeredet... ;)


    Ja, aber so ein Zweckoptimismus ist hilfreich. Er schützt wenigstens ein bisschen vor der absoluten Verzweiflung ;)

    BLOG: Welt der Fabeln


    Kuhlen, Kohlen und Geklimper

    ASIN/ISBN: 3947848994


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Die folgenden Überlegungen befassen sich mit zwei neueren Briefromanen: „Bleib“ (2024) der Französin Adeline Dieudonné und „Dieser Beitrag wurde entfernt“ (2022) der Niederländerin Hanna Bervoets.

    Mich hat die Form der Romane mehr beschäftigt als der Inhalt (was nichts über die Qualität der Romane aussagt), deshalb habe ich keine Rezensionen verfasst.


    Was den Begriff „Briefroman“ angeht, hatte ich bisher nur eine vage Vorstellung: zwei Personen schreiben sich - literarisiert - Briefe, in der Regel abwechselnd. Damit ergeben sich automatisch zwei Perspektiven/zwei Erzählstimmen (Multiperspektive). Wahrscheinlich sind die beiden Personen in entscheidenden Punkten unterschiedlicher Meinung - wäre es anders und beide würden sich ständig nur zustimmen, gäbe es keinen Konflikt und mithin machte sich beim Leser wahrscheinlich schnell Langeweile breit. In der Regel sind die Briefe chronologisch geordnet.


    Das ist aber nur eine Möglichkeit. Tatsächlich gibt es auch Briefromane mit nur einem Erzähler (Monoperspektive). Entweder antwortet der Briefschreiber auf (fiktive) Briefe, die aber nicht Teil des Romans sind oder es erfolgt von vornherein eine einseitige Ansprache.

    Auch, was die Zahl der Briefe angeht, gibt es kein Minimum. (Damit wäre so ein Brief dann natürlich u. U. sehr lang! Natürlich ist es aber ja kein Brief - auch ein Briefroman bleibt ein Roman.)


    Stellt sich die Frage:

    Gibt es dann überhaupt Unterschiede?

    Was hat die Autorinnen dieser Romane veranlasst, ihre Protagonistinnen Briefe schreiben zu lassen?

    Hat die Briefform Vorteile gegenüber einer Ich-Erzählerin, die keine Briefe schreibt?


    Ein Unterschied zum Roman, der von einem „Ich“, aber nicht in Briefform erzählt wird, ist die direkte Ansprache des fiktionalen Lesers: des Briefempfängers. In den beiden genannten Romanen ist das jeweils eine Person, die die Briefschreiberin nicht persönlich kennt und die folglich gesiezt wird. Dies erfolgt nicht ständig, aber mehr als einmal.

    Trotzdem also nicht der Leser gemeint ist, passiert etwas, wie wenn im Theater die vierte Wand durchbrochen wird. Der Leser wird erinnert: Dies ist eine subjektive Geschichte. Jemand (die Ich-Erzählerin) hat diese Geschichte nicht nur erlebt, sondern auch bereits aufgeschrieben.

    Dadurch entsteht eine gewisse Distanz zum Stoff, aber nicht notwendigerweise zum Erzähler. Protagonist/-in und Leser/-in sind einerseits stärker voneinander getrennt. Andererseits wird man quasi stellvertretend zum Empfänger einer vertraulichen Informationen. Man „versinkt“ aber kaum je oder nur vorübergehend in der Handlung.

    (In den beiden geschilderte Fällen möglicherweise, weil die beschriebenen Sujets (siehe unten) ohnehin keine Identifikation zulassen?)


    Die Haupthandlung entwickelt sich nicht fortwährend, sondern ist (in einem Fall komplett, im anderen zweigeteilt) bereits abgeschlossen. Das Geschehen wird im Rückblick erzählt. Hierdurch sind reflektierende Gedanken möglich, wie auch Rückgriffe auf Dinge, die sich vor Einsetzen der Haupthandlung zugetragen haben.

    Es wäre wenig glaubhaft, von einem höchst dramatischen Geschehen, während es passiert, abzuschweifen. Genau das ist aber möglich, wenn das Geschehen abgeschlossen ist und darüber nachgedacht wird. Der Brief ist also auch eine Form der Verarbeitung durch den Schreiber (wobei der Schreiber nicht mit dem Autor verwechselt werden darf).


    In den beiden genannten Romanen gibt es nur jeweils eine Erzählperspektive. Es werden keine Briefe ausgetauscht. Nur eine Person legt einer anderen ihre Sicht der Dinge dar. Der Empfänger/die Empfängerin der Briefe bleibt stumm. Was man über diese Personen erfährt, erfährt man von der (in beiden Fällen) Briefeschreiberin, also aus deren Sicht. Das Gesagte kann, muss aber nicht zutreffen, gerade auch, wenn Briefe an unbekannte Personen gerichtet werden.


    In „Bleib“ werden zwei Briefe geschrieben. Einer unmittelbar nach dem auslösenden Ereignis, einer drei Monate später.

    In „Dieser Beitrag wurde gelöscht“ ist es nur ein einziger Brief.


    Empfängerin der Briefe in „Bleib“ ist die Ehefrau eines Mannes, der während eines Urlaubs mit seiner Geliebten verstirbt.

    Briefeschreiberin ist die Geliebte, die nicht (wie man erwarten sollte, was aber nur bedingt, allenfalls ein Auftakt zu einer Geschichte wäre) tut, was man so tut (Arzt, Polizei verständigen), sondern sich auf eine insgesamt dreitägige „Reise“ mit dem Leichnam macht.

    Empfänger der Briefe in „Dieser Beitrag wurde gelöscht“ ist ein Rechtsanwalt, der eine Sammelklage von Mitarbeitenden einer Firma vorbereitet, deren Aufgabe es war, verstörenden Content im Internet zu löschen.

    Briefeschreiberin ist eine ehemalige Mitarbeiterin.


    Auch wenn die genannten Romane unbekannt sein sollten: Wann ergibt die Form eines Briefromans Sinn? Wenn sie sich aufdrängen sollte: die Form ist trotzdem selten. Was also macht einen Stoff für einen Briefroman geeignet?


    PS: Ich hole hiermit einen Thread von 2010 nach oben, der sich auch mit Briefromanen befasst. Mehrfach geäußerte Meinung: Die Form des Briefromans taugt allenfalls noch für historische Stoffe.

    Das ist bei diesen beiden Romanen absolut nicht der Fall! Beide „trauen sich was“, der eine greift sogar ein hochaktuelles Thema auf.

    Entweder, die damals geäußerte Meinung traf damals schon nicht zu - z. B., weil man es mit der Form strenger nahm als eigentlich nötig - oder da hat sich was getan in den letzten Jahren. Auch möglich, dass man sich an die Form des Romans gar nicht erinnert, wenn der Roman an sich gut erzählt ist. Dass „Wir müssen über Kevin reden“ von Lionel Shriver ein Briefroman ist, hätte ich heute z. B. nicht mehr gewusst.

  • Hallo Petra,


    ich musste da gleich an den Roman "Zwischen Welten" denken, der letztes Jahr erschienen ist.


    Auch ein Briefroman, wenn man denn so will, auch wenn "Briefe" größtenteils ersetzt werden durch moderne Kommunikationsformen wie SMSs/WhatsApp-Nachrichten, E-Mails und dergleichen. (Kleine, relativ unwichtige Bemerkung am Rande: Überlege mal, wie viele Kinofilme und TV-Serien heute nicht mehr so funktionieren würde wie damals, weil es heute so viel einfacher ist, miteinander über Distanzen zu kommunizieren; das Handy hat viele Plot-Wendungen zerstört)


    Der Grund für diese Form der Erzählung ist wohl der, dass hier zwei Autoren zugange waren, nämlich Juli Zeh und Simon Urban, die beide jeweils eine Perspektive in diesem Austausch für sich beanspruchen. Das gibt der Erzählung eine Menge Feuerstoff und Perspektive, wovon sie vor allem zu Beginn profitiert.


    Dann allerdings merkt man schon, dass diese Wahl der Erzählweise ihre Grenzen hat. Wie du ebenfalls feststellst, wenn es dann actionreich wird und zur Sache geht, wirkt die von den beiden Protagonisten wiedergekäute Erzählung irgendwie gezwungen und nicht mehr echt (mal abgesehen davon, dass die Nahbarkeit gezwungermaßen verschwindet, weil das große Beben ja schon geschehen ist und jetzt von der Figur verarbeitet wird). Will sagen, ab einem gewissen Punkt war ich beim Lesen raus und litt nur noch daran, dass es unglaubwürdig ist, dass zwei Personen sich so konsequent alles schriftlich mitteilen.


    Fazit: Es ist eine wahnsinnig schwierige Art, eine Geschichte zu verpacken, auch wenn natürlich jede Form des Erzählens irgendwo ihre Grenzen hat. Die Frage ist, wie deutlich die Schwächen dann zutage treten mit dem Risiko, dass die Geschichte ihre Glaubwürdigkeit verliert, oder ob es vielleicht eben genau so als eine Art Kunstform gewollt ist.

  • Hallo,

    ich habe bisher nur einen einzigen Briefroman gelesen: In Liebe, Agnes von Hakan Nesser.

    Wenn ich heute gefragt werde, wie ich diesen Roman fand, würde ich antworten, dass er totlangweilig war.

    Fragte man mich morgen oder vorgestern, dann fand ich ihn hochspannend.

    Ich weiß einfach nicht, was ich davon halten soll. Der Roman war fluffig zu lesen. Er war glaubwürdig. Dennoch habe ich keine echte Meinung dazu. Andererseits habe ich aber auch noch nie darüber nachgedacht, woran das liegen könnte.

    Konkreter Kritikpunkt ist das recht bald absehbare Ende und daher ein Spannungskiller. Doch ich glaube, das liegt nicht an der Erzählform sondern eher am Inhalt.

  • Hallo Silke,


    ich habe das nachträgliche Erzählen nicht als nachteilig empfunden. Da die Erzählerin in „Bleib“ in eine psychische Ausnahmesituation gerät, später raucht sie noch Gras, wäre hier ein direktes Erzählen wahrscheinlich viel zu konstruiert gewesen.

    Bei zwei Perspektiven würde ich Dir wahrscheinlich folgen, bei einer einzigen bin ich dem Aufbau der Romane gern gefolgt.