Beiträge von Th. Walker Jefferson

    So. Ostelbe Sieben. Dies könnte ein passender Augenblick sein, um Dich freundlich dazu aufzufordern, mit den Leuten zu kommunizieren, wenn Du etwas schreibst. Und das bedeutet auch: Auf sie einzugehen. Sich verständlich auszudrücken, statt zu schwafeln.

    Hallo Alexander,


    Ostelbe Sieben kann schreiben, was sie will. Und sie kann sich auch ausdrücken, wie sie will. Das ist und war immer eine freie Diskussion hier. Hier muß sich doch niemand sagen lassen, was und wie er/sie zu schreiben hätte bzw. was und wie er/sie nicht zu schreiben hätte.


    Wie Ostelbe Sieben mit den Leuten hier kommuniziert, ist allein ihre Angelegenheit.


    Wie heißt es doch so schön auf Eurer Homepage:


    Zitat

    Das Internetforum der 42erAutoren bietet auch einen Bereich, der für Jedermann zugänglich ist. Alle Interessierten können sich hier anmelden, ohne Vereinsmitglied zu sein, und sich über das Schreiben und den Literaturbetrieb austauschen.


    Ich lese hier auch nirgendwo, daß du kraft deines Amtes hier als Moderator eingesetzt wärest.

    Lieber Jürgen,


    herzlichen Glückwunsch zur Veröffentlichung – und natürlich viele Leser!


    Nun mein Wermutstropfen: Ich finde die Punkte "Kurz vorab" und "Über die Kurzgeschichte" belehrend und nichtssagend, ergo überflüssig, um nicht zu sagen: ärgerlich.


    Mir wäre viel lieber, ich würde a) ein Inhaltsverzeichnis zu sehen bekommen, damit ich weiß, wie viele Geschichten da drin sind; und ich möchte b) gerne in eine Geschichte hineinlesen können.

    Danke für Deine Rezension meiner Rezension. Hast Du das Buch gelesen? Oder irgendwas von A. L. Kennedy?

    Um Gotteswillen, nein - ich stehe immer noch unter dem Celeste-NG-Schock!

    Und ich muss nichts beweisen, weder mit Adjektiven, noch ohne sie - es geht hier nur um meine Meinung, meine Einschätzung, meine Rezension.

    Wenn du willst, daß deine Rezension erstgenommen wird, dann mußt du sehr wohl was beweisen. Du mußt zumindest argumentieren. Aber mit einer Anhäufungen von Adjektiven argumentierst du nicht – du behauptest nur.


    (Behaupte ich. :evil)

    Hallo Tom,


    Ich bin ja von deinen Rezensionen immer irgendwie grausig fasziniert. Auf der einen Seite bewundere ich die schiere Mühe, die du dir immer gibst, m.M.n. drittklassige Bücher ausführlich und sorgfältig zu besprechen.


    Auf der anderen Seite ist mir gar nicht klar, wie ein Mensch mit deinen Talenten, deinen literarischen Fähigkeiten, deiner enormen Belesenheit und deinen eigentlich starken analytischen Fähigkeiten sich mit solchen – ich sage jetzt mal böse: ausschließlich mit kommerziellen Absichten geschriebenen Unterhaltungsromanen – überhaupt abgeben mag.


    Manchmal kommst du mir wie ein Sternekoch vor, der selber die großartigsten Menüs kochen kann und alles über Kochen und Essen weiß, aber aus unerfindlichen Gründen den Plan gefaßt hat, sich durch alle Dönerläden, Burgerbuden, Sandwichshops und Pizzajoints in ganz Berlin zu fressen, um seine Eßerlebnisse dann auf einem Blog ausführlich zu dokumentieren und dabei in falscher Herablassung zu behaupten, das wäre ja in Wirklichkeit alles ganz gutes Essen.


    Zu der Handlung des hier rezensierten Buches sage ich besser nichts, weil ich mit zwei Menschen, die in den Zeiten von Tinder Briefe schreiben und in London irgendwie nicht zusammen kommen können, obwohl die meisten 15 Minuten nach dem ersten Tinderdate im miteinander Bett landen, lieber nichts. Für mich ist sowas einfach lebensfremd, eine prätentiöse, an den Haaren herbeigezogene Geschichte, die es nur in Romanen gibt.


    Ich komme jetzt zu den Aussagen, die für mich nur noch Klischees darstellen und die in einem guten Roman nie vorkommen dürften, einfach deshalb, weil ein guter Roman frische, neue, interessante Gedanken bringen sollte und nicht uralte, tausendmal gehörte Klischees, die ich, wenn ich will, von meiner Friseurin hören kann.


    Da heißt es einmal: "… dieses London, das schon seit Jahren keine Stadt mehr ist, sondern ein Disneyland für Superreiche, ein Denkmal für eine Macht, die längst vergangen ist, eine absurd teure Kulisse für ein armseliges Schauspiel."


    Das ist ein Klischee. London ist kein Disneyland, mit dem Empire geht es seit den 1930er Jahren zu Ende, eine Weltstadt war und ist kein Schauspiel und war 1890 oder 1970 nicht mehr oder weniger Schauspiel, als die Stadt das jetzt ist.


    Nächstes Klischee: die ewig gleiche Kritik an Margaret Thatcher. Wie oft kann man eigentlich einen toten Hund totprügeln? Gewiß, in den üblichen ach so linken, ach so grünen, ach so progressiven, ach so umweltfreundlichen, ach so achtsamen, ach so klimabewußten, ach so antirassistischen, ach so palästinafreundlichen, ach so isreaelfeindlichen, ach so gerechten, ach so "woken" Kreisen ist die Kritik an Margaret Thatcher ja Aufnahmevoraussetzung, die Kondition sine qua non – und zwar seit 1975.


    Und natürlich ist sie das auch in diesem Roman der Fall, denn in einem Unterhaltungsroman dürfen absolut keine Abweichungen von der herrschenden Meinung vorkommen, weil die Leser mit ihren zarten und schwachen Seelen nicht das Hirn und den Charakter für eine eigene, starke, unabhängig Meinung haben und deshalb auf jeder Seite mehrmals mit der Mainstream-Meinung gestreichelt werden müssen, damit sich nicht beim Leser intellektuell implodieren und vielleicht das nächste Buch des Autor-Unternehmers nicht mehr kauften, was für dessen Miete und Autoleasing ja ein Desaster wäre.


    Ich habe alle Thatcher Biographien gelesen - und die sind ihr keineswegs immer gewogen - wie auch ihre Autobiographie – und diese Frau gehört zu den wenigen Frauen in der Politik, die ich fast schon bewundere. Das war die Tochter eines kleinen Eckkrämers aus der Provinz, die, Lichtjahre von den männlichen Seilschaften des Establishments entfernt, eine spektakuläre Karriere gestartet hat und tatsächlich so etwas wie eine Überzeugung hatte – auch wenn die manchmal falsch war.


    Kein Mensch, auch nicht A. L. Kennedy, möchte im England von Ted Heath oder Arthur Scargill leben. Margaret Thatcher hat ein total kaputtes Land übernommen, das von einem stalinistischen Gewerkschaftsbund, der sich Gelder aus Moskau geholt hat, wirtschaftlich und politisch dominiert war, der das sehr reale Ziel hatte, das Land in Grund und Boden zu fahren. Thatcher hat eine vollkommen unproduktive verstaatlichte Industrie übernommen, die seit Jahrzehnten keine Gewinne machte, dem Steuerzahler Milliarden kostete und den verbliebenen produktiven Sektor der Industrie aushöhlte.


    Glaubst du denn wirklich, daß das England vor Margaret Thatcher ein "Land für Mitgefühl, Glück und Gemeinsamkeit" war?


    Ich kann schließlich mit solchen Adjektivketten nichts anfangen: "Und dann sind da noch diese kleinen, sehr nüchtern und sachlich erzählten, dennoch sehr emotionalen Episoden … (…) …liest sich „Süßer Ernst“ einfach großartig. Kennedy schreibt äußerst eindringlich und anschaulich, findet gerade für die eher abstrakten Dinge ganz präzise die genau richtigen Worte."


    Für mich sind Adjektive einfach nur Behauptungen, aber keine Beweise, noch nicht einmal Argumente. Ich könnte das eher glauben, wenn du das an der Handlung, an Aktionen, an Dialogen, an Beschreibungen im Text konkret zeigen würdest.


    Nur als Beispiel und weil ich soeben 1984 wiedergelesen habe. Was weiß ein Leser, wenn ich sage: 1984 ist ein dystopischer Roman einer grauenhaften, furchtbaren Gesellschaft abscheulicher Menschen, der das entsetzliche, düstere, unheimliche Bild einer gräßlichen Zukunft mit bestürzender Deutlichkeit zeichnet.

    Hallo Manuela,


    Ich finde das Buch nicht lesenswert; die letzten 50-60 Seiten waren zum Einschlafen.


    Ich mag Dystopien sowieso nicht gerne, aber wenn, dann kann manch gleich 1984 lesen, das besser geschrieben ist und Figuren hat, mit denen man sich identifizieren kann.


    Aus Sicht der ZEIT ist Die Mauer natürlich doppelplusgut – aber bei der ZEIT war das von vornherein klar. :rofl


    Ich habe vor zwei Jahren, weil meine Kinder das für die Schule lesen mußten, The Hunger Games gelesen – und selbst dieser Mist ist noch besser als Die Mauer.

    Großbritannien in nicht allzu ferner Zukunft: Rund um das ganze Land zieht sich eine Mauer aus Beton – 10.000 Kilometer lang, fünf Meter hoch und an der Krone drei Meter breit. Alle drei Kilometer steht ein Wachhaus für die Wachmannschaften, insgesamt mehr als 3000. Weiter gibt es in regelmäßigen Abständen Kasernen, Krankenstuben, Hubschrauberlandeplätze, Wassertürme, Vorratslager, Munitionslager, Fahrzeughangars und Rampen, um Boote zu Wasser zu lassen. Und natürlich Treppen, Millionen rutschiger Treppen, auf denen die Mannschaften, die die Mauer Tag und Nacht bewachen, auf und abgehen. Ach ja die Mannschaften: eigentlich kann man sie gar nicht so nennen, denn sie bestehen aus Männern und Frauen. 300.000 Soldaten und Soldatinnen sind jeden Tag das ganze Jahr lang an der Mauer im Einsatz, exakt 50 Prozent Männer und 50 Prozent Frauen, und alles geschieht ganz ohne Diskriminierung, denn die Frauen wachen, kämpfen und sterben genauso wie die Männer. Sie alle zusammen machen die "Defender" aus, die Verteidiger, die die Mauer gegen die die "Others" schützen, die Anderen.


    Diese Anderen sind in der Hauptsache Afrikaner, gegen deren Eindringen sich Großbritannien nach einer globalen Katastrophe, die in diesem Roman immer nur "The Change", der Wechsel, genannt wird, schützen will. Dieser mysteriöse Wechsel, der sich vor einem Menschenleben ereignet hat und von der jungen Generation im Roman den Alten angelastet wird, stellt ein Ansteigen des Meeresspiegels aufgrund einer Umweltkatastrophe dar, wodurch tiefergelegene Länder reihenweise überflutet wurden. Was genau den Wechsel ausgelöst hat, wird nie erklärt, aber es ist klar, daß dieser die Welt in zwei Gruppen aufgeteilt hat: die Staaten, deren Landmasse über dem gestiegenen Meeresspiegel liegt, und die anderen, deren Länder untergegangen sind, und die nun mit Schiffen und Flößen auf den Meeren herumfahren und mit aller Macht darum kämpfen, in die Länder, die es noch gibt, einzudringen. Wenn es sein muß mit Gewalt.


    Der Wechsel und die Abschottung Großbritanniens gegen die Anderen haben das Land in eine Diktatur verwandelt, in der eine vage als "Elite" bezeichnete Oberschicht den Rest der Gesellschaft in einem permanenten Kriegszustand regiert. In diese Elite wird man nicht demokratisch hineingewählt, sondern nach Ausbildung und Leistung berufen.


    Das ist der Hintergrund für den neuen Roman des britischen Schriftstellers John Lanchester. Das Ganze beginnt damit, daß der junge Joseph Kavanagh seine zweijährige Dienstzeit als Defender auf der Mauer antritt. Natürlich: auf der Mauer ist es kalt, der Dienst, der daraus besteht, jeden Tag mit geschultertem Gewehr zwölf Stunden lang auf das graue Meer hinauszuschauen, ist langweilig, das Essen schlecht und der Sergeant wortkarg. Doch der junge Kavanagh kommt mit all dem einigermaßen zurecht, weil jeder Brite Dienst auf der Mauer tun muß und Kavanagh ohnehin nicht weiß, was er sonst mit seinem Leben anfangen soll.


    Und damit sind wir beim ersten Problems des Romans: der uninteressanten Hauptfigur, die nichts kann, nichts will, nichts liebt, nichts haßt und auf 275 Seiten weder einen klugen Satz sagt noch einen interessanten Gedanken denkt. Mit den Nebenfiguren ist es nicht besser bestellt. Da haben wir einen knorrigen Sergeant, einen verschwiegenen Hauptmann, der streng nach Dienstvorschrift lebt, sich im nachhinein aber als Verräter herausstellt, einige hausbackene Verteidigerinnen, die unter ihren dicken Klamotten als Frauen nicht erkennbar sind, und noch mehr junge Männer, die auch nicht wissen, was sie wollen, und über die Mauer, die Welt, die Anderen und die ganze Misere, in der England sich befindet, nichts zu sagen haben. Schließlich gibt es da noch Hifa, die spätere Geliebte des Antihelden, die genauso gewöhnlich redet, denkt und handelt wie sie aussieht.


    Voltaire hat einmal gesagt: Jede Art zu schreiben ist erlaubt, nur die langweilige nicht. Diesen coolen Spruch sollte sich John Lanchester für seinen nächsten Roman unbedingt merken, denn Die Mauer ist langweilig. Das liegt noch nicht einmal so sehr an der unwahrscheinlichen Handlung, zu der wir noch kommen, sondern an all diesen blassen und konturlosen Figuren. Das klassische Rezept für das Verfassen eines guten Romans lautete immer: Nimm eine Figur, die etwas von der Welt will und lieber zugrunde geht, als es nicht zu bekommen. Alle großen Romane haben solche Protagonisten: Werther will Lotte bekommen, der grüne Heinrich will Maler werden, Anna Karenina will aus einer lieblosen Ehe ausbrechen, Ahab will den weißen Waal killen, Gatsby möchte Daisy zurückgewinnen, Josef K. will wissen, warum er angeklagt wurde, Franz Biberkopf will frei sein, Winston Smith will durch die Liebe zu Julia dem System entkommen, Stiller nicht er selbst sein und Harry Potter Lord Voldemort besiegen.


    Gute Romane brauchen starke Hauptfiguren. Und Nebenfiguren, die dem Willen und Wollen der Hauptfiguren Widerstand leisten, sie quälen, verfolgen, unterdrücken, ihnen Prügel zwischen die Beine werfen, ihnen auflauern, schaden und sie manchmal sogar umbringen. John Lanchasters Josef Kavanagh jedoch will gar nichts außer dreimal am Tag einen Müsliriegel mit einem Becher Tee und am Abend ein warmes Bett. Ja, er will noch nicht einmal Sex mit Hifa - da muß die ihn erst draufbringen.


    Nun gibt es aber andere Romane, die ebenfalls über ein ziemlich durchschnittliches Personal verfügen, dieses Manko aber durch eine spannende Handlung wieder wettmachen. Viele Krimis, Thriller und Sciencefiction-Romane fallen in diese Kategorie. Die Thriller John le Carrés sind nie mit überzeugenden Charakteren bevölkert, Stanislaw Lems Raumfahrer sind reine Schablonen, und so unterschiedliche Autoren wie Agatha Christie, Daphne du Maurier, Dan Brown, Stieg Larsson und Tom Clancy haben nie auch nur eine psychologisch glaubhafte Romanfigur zustande gebracht. Aber dafür haben sie etwas anderes: Eine mitreißende Handlung, die oft in einem nervenzerreißenden Höhepunkt kulminiert und in einem überraschenden Schluß endet.


    Die Mauer kann damit leider auch nicht aufwarten. Nachdem die Defender eine erste Attacke der Anderen zurückgeschlagen haben, kommt irgendwann endlich der große Angriff auf die Mauer, auf den ihre Bewacher sich seit Jahren vorbereiten. Der fällt schlimmer aus als der erste, aber nur deshalb, weil der bislang übereifrige Hauptmann sich als ein früherer Anderer erweist, der die Aggressoren unterstützt. Doch bald sind sie überwältigt, und an der Mauer herrscht wieder Ruhe. Außer für Kavanagh, seine Freundin Hifa und einer Handvoll anderer Armleuchter, die beim Kampf gegen die Anderen aus Sicht nie genannter Vorgesetzter versagt haben, weshalb sie ohne Gericht und Urteil in der Nordsee in einem Boot auf Gedeih und Verderb ausgesetzt werden. Nun müssen sie noch ein Abenteuer im Kampf gegen Piraten bestehen, aber die Geschichte wird nun zunehmend weniger plausibel, bis alles in einem kläglichen Ende verlischt.


    Das ist schade, denn John Lanchester schreibt eine sachlich-kühle, präzise Prosa, wie man sie aus den Romanen George Orwells oder Eric Amblers kennt. Der Autor ist hier eindeutig an einem großen Thema dran, das, spannend erzählt, sehr viel hergeben würde. Der Klimawandel – egal, ob er stattfindet oder nicht – ist jeden Tag in den Nachrichten, Großbritannien laboriert am Brexit wie an einer schweren Krankheit, und Donald Trump will zwischen den USA und Mexiko eine Mauer errichten. Ein Autor mit Fantasie, Wirklichkeitssinn und einer gehörigen Portion an Fabulierlust und literarischen Fähigkeiten könnte mit diesem Stoff im Hinterkopf eine absolut fesselnde Version unserer Zukunft entwerfen. John Chandler ist leider nicht dieser Autor.


    ASIN/ISBN: 0571298729
    ASIN/ISBN: 360896391X

    Gegenmeinung:

    I know!


    Offen gestanden: Ich habe das Buch aufgrund deiner Rezension gelesen - die mir, wie fast alle deine Rezensionen, gut gefallen hat und die ich, auf ihre Art, vollkommen plausibel finde.


    Ich lese öfter Bücher, die du rezensiert hast, und bin dir für deine Rezensionen dankbar, weil ich auf viele Bücher, die du liest, von mir aus nie gekommen wäre.


    Übrigens ließe sich an diesem Buch sehr schön zeigen, warum der allwissende Erzähler wieder so dermaßen beliebt ist und welch offen ideologische Funktion er in der - Trivialliteratur - hat.


    Trotz meiner vollständigen Ablehnung all dessen, was Celeste NB hier propagiert, fand ich das Buch spannend und gut zu lesen.

    Am Schluß ist das Haus der Familie Richardson bis auf die Grundmauern niedergebrannt – angezündet von der fünfzehnjährigen Tochter des Hauses. Das großzügige Anwesen in einem Stadtteil von Cleveland im US-amerikanischen Ohio ist nur noch ein rauchender Trümmerhaufen. Mrs. Richardson, die hyperordentliche, stets hilfsbereite, dauerengagierte Hauptfigur dieser Geschichte, die immer weiß, was richtig und was falsch ist, steht vor den Scherben ihrer Existenz. Das ist das Ende eines recht erfolgreichen Unterhaltungsromans der chinesisch-amerikanischen Autorin Celeste NG, der in der deutschen Übersetzung "Kleine Feuer überall" heißt und auch in Deutschland viele Leser gefunden hat.


    Das Erstaunliche an diesem Roman ist jedoch nicht sein Ende – in der Trivialliteratur brennen Burgen, Schlösser und Herrenhäuser mindestens seit Daphne du Mauriers Rebecca zu tausenden ab -, sondern die Bewertung dieser Konflagration durch die Autorin. Die sagt nämlich: das geschieht den Richardsons recht. Wer so strukturiert, wohlhabend, bürgerlich, arbeitsam und philanthropisch-wohlmeinend ist wie Helena Richardson, ihr Mann und ihre vier Kinder; wer vier dicke Autos besitzt und noch dazu einen Aufsitzmäher, eine Schneefräse und ein Riesenhaus mit Dreifachgarage hat – der hat es verdient, unterzugehen.


    Dies ist das Fazit einer Geschichte, die 1998 spielt und damit beginnt, daß Helena Richardson der alleinerziehenden Mia, von Beruf Künstlerin und alleinerziehende Mutter der fünfzehnjährigen Pearl, eine Doppelhaushälfte günstig vermietet, weil sie auf ihre freundliche, aber penetrante Art der mittellosen Mia helfen will. Die beiden Familien kommen sich daraufhin außerordentlich nahe. Mia beginnt bei den Richardsons zu putzen und ihre Tochter freundet sich mit einem der Richardson-Söhne an. Eine Zeitlang sieht es so aus, als würde eine privilegierte Familie einer weniger privilegierten aus reinem Altruismus unter die Arme greifen, was für alle gut ist. Aber der schöne Schein trügt.


    Die spätere Katastrophe beginnt vollkommen harmlos: Helena Richardsons beste Freundin Linda – ebenfalls weiß, ebenfalls wohlhabend und genauso hyperordentlich, aber weniger fruchtbar – adoptiert ein chinesisches Baby, das in Cleveland ausgesetzt wurde. Aber Lindas Mutterglück währt nur kurz, denn Bebe, die chinesische Mutter des Kindes, taucht plötzlich auf und reklamiert ihr Kind für sich. Dahinter steckt nun ausgerechnet Mia, was Mrs. Richardson erzürnt und sie anstachelt, Mias ohnehin verdächtige Vergangenheit genauer unter die Lupe zu nehmen. Und sie wird fündig: Mia, stellt sich heraus, hat einst gegen gute Bezahlung als Leihmutter für eine reiche Bankers-Familie fungiert, das Kind auch ausgetragen, es dann aber dem Banker und seiner unfruchtbaren Frau nie übergeben, sondern selber aufgezogen. Das weiß aber keiner, auch Mias Tochter Pearl nicht, der von ihrer Mutter sowieso dauernd erklärt wird, daß Väter nicht wichtig seien.


    Als eine der Richardson-Töchter mit sechzehn ungewollt schwanger wird und das Kind mit Pearls Unterstützung und Mias rührendem Verständnis abtreibt und dann auch noch Mr. Richardson, ein Anwalt, die Adoptivmutter des chinesischen Babys gegen ihre leiblichen Mutter vor Gericht vertritt und gewinnt, beginnt die Katharsis. Mrs. Richardson konfrontiert Mia mit deren Vergangenheit und schmeißt sie aus der Wohnung, muß dabei aber erfahren, daß die eigene behütete Tochter mit Mias Ermutigung heimlich abgetrieben hat, während die anderen Kinder der Richardsons wegen des Adoptionsprozesses Stellung gegen den eigenen Vater beziehen, den sie einen "Kinderräuber" nennen. Und jetzt geht alles ganz schnell: Mia und ihre Tochter flüchten aus Cleveland, während die jüngste Tochter der Richardsons das Elternhaus anzündet und danach auf Nimmerwiedersehen verschwindet.


    So weit, so trivial, könnte man sagen. Wäre da nicht der erstaunliche und durchaus ungewöhnliche Unterton, der sich durch das ganze Buch zieht und dem Leser sagt: Das normale, bürgerliche, wohlgeordnete Leben amerikanischer Vorzeigebürger ist es wert, zu Asche zu werden. Alles in diesem Buch ist besser als das Leben der Richardsons, das, daran läßt die Autorin keinen Zweifel, eine verlogene, böse, trostlose Charade darstellt.


    Mia, die kein Geld, keine Möbel und keine Anstellung hat, Männer haßt, mit ihren Eltern seit Jahrzehnten kein Wort redet, ihre Tochter über deren Herkunft stets im Unklaren läßt, weil Männer vielleicht als biologische Samenspender, nicht aber als Väter wichtig seien, ist besser als die Richardsons. Bebe, die chinesische Mutter, die weder Beruf noch Geld noch einen Mann noch eine Zukunft besitzt und ihr Kind mitten im Winter an der Feuerwache von Cleveland ausgesetzt hat, ist ebenfalls besser als jede gutbetuchte amerikanische Adoptiv-Mutter, weil Kinder zwar keine Väter, wohl aber die biologische Mutter brauchen. Und bei einer chinesischen Mutter spielt nun genau das, was bei weißen Amerikanern doch so total verpönt ist, nämlich Herkunft, Ethnie und Geschichte, sprich die kulturelle Identität, eine zentrale Rolle, welche rechtfertigt, daß die Chinesin ihr Kind bei Nacht und Nebel aus dem Haus seiner Adaptiv-Eltern holt und mit dem nach China entschwindet - obwohl sie fünf Minuten davor noch nicht einmal das Geld für ein warmes Essen hatte.


    Ebenso wichtig wie die Ablehnung bourgeoiser Wohlanständigkeit ist in diesem Buch die Befürwortung von Teenie-Promiskuität und der lockere, absolut entspannte Umgang mit der Abtreibung. Die Kinder der Richardsons sind, obwohl noch auf der High-School und damit jünger als achtzehn, alle sexuell bereits ganz schwer am Machen. Als die sechzehnjährige Lexie von ihrem schwarzen Freund - aus selbstverständlich bester Familie - schwanger wird, ist der mit einfühlsamer Detailfreude geschilderte Besuch in der Abtreibungs-Klinik eine organisatorische und ethische Lappalie, nicht problematischer als eine Zahnreinigung. Bei Bauchschmerzen am Folgetag hilft Mia mit Kräutertee.


    Feminismus, Antikapitalismus und der Haß auf das weiße, republikanische Amerika sind also in der Unterhaltungsliteratur angekommen. Die Ideen, die Celeste NG hier in Romanform verkündet und von einem klebrigen allwissen Erzähler, der dem Leser verbindlich sagt, was der zu denken hat, vortragen läßt, sind uralt. Sie stammen aus den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts, aus der Frauenbewegung und dem Populär-Marxismus. Daß diese Ideen irgendwann den Weg in die Trivialliteratur finden würden, war klar, denn sie dominieren Politik, Journalismus und den liberalen gesellschaftlichen Diskurs seit Jahren. Ebenso klar ist, daß kein Mensch im echten Leben das prekäre, halt- und bindungslose Leben Mias oder gar Bebes führen will. Aber Literatur und Leben waren ja noch nie das gleiche.



    ASIN/ISBN: 9780349142920

    Warum, H. Dieter, erinnerst du mich nur so an Heinrich Manns Diederich Heßling, in seinem Roman "Der Untertan"? Du könntest die Hauptrolle in einer Verfilmung spielen. Sie wäre dir auf den Leib geschnitten. :)

    Ma très chère Manuela,


    wollen wir die Kirche nicht wieder zurück ins Dorfzentrum bringen?


    Diederich Hessling ist eine ausgesprochen unangenehme, halb lächerliche, halb bösartige Romanfigur, mit der niemand gerne verglichen werden möchte.

    Ich kann nicht erkennen, daß es einen Grund gäbe, H. Dieter mit dieser Romanfigur zu vergleichen.


    Du verfügst doch über genügend sachliche Argumente, um nicht zu solch einem Vergleich Zuflucht nehmen zu müssen, oder?