Beiträge von Th. Walker Jefferson

    Nein, Ihr Lieben!

    Jack London


    Salman Rushdie?

    Nein, keiner von beiden!


    Okay, das ist ein merkwürdiger Autor, der nur in einem deutschen Nachbarland als absoluter Klassiker gilt. In Deutschland ist er fast unbekannt.


    Sein Pseudonym bedeutet wörtlich "Ich habe viel getragen", damit ist Leid und Sorge gemeint, denn unser Autor war einer der großen Unglücklichen in der Literaturgeschichte. Mit Dostojewski hat er etwas geteilt, das man heute "Spielsucht" nennt.

    Der Autor, von dem hier die Rede ist, gilt in seinem Land als Klassiker und ist dort Schullektüre. Er ist jedoch nicht unter seinem wirklichen Namen bekannt geworden, sondern unter einem merkwürdigen Pseudonym, das nicht der Sprache seines Heimatlandes entstammt und obendrein auch noch eine verborgene Bedeutung enthält.


    In seinem Hauptwerk hat der Autor bestimmte Praktiken und Lebensweisen seines Heimatlandes scharf angegriffen, wodurch er berühmt wurde – Praktiken und Lebensweisen, die es heute nicht mehr gibt, die jedoch den damaligen Reichtum des Landes begründet haben.


    Wer war es?

    Das mag sogar sein. Aber meinst Du damit MEINEN Stil? Ich halte mich selber nämlich weder für jemanden, der polarisiert, noch für jemanden, der anderen gegenüber aggressiv auftritt.

    Hallo, Anja,


    Nein, ich meine jetzt nicht explizit dich. Am Abgang von Manuela, Didi und Heike Duken ist keiner ganz allein schuld, es wird schon die ganze Gemengelage gewesen sein, aber auffällig ist, daß sich solche Leute früher nicht in solcher Zahl verabschiedet haben.


    Also läuft irgendwas nicht richtig.


    Wir haben übrigens auch keine BTs mehr, und deren Vorstellung und Besprechung war ja einmal das Herz dieses Forums.


    Ich bin – in einem gewissen Rahmen – auch für Moderation, insbesondere, da ich ja auch nicht immer nett bin oder war und ein legendärer Streit zwischen Michael und mir ja vor Jahren sogar in den Sandkasten verschoben werden mußte, damit er nicht das ganze Forum kontaminiert.


    Aber Moderation kann nicht recht viel mehr bedeuten als Streit schlichten und die Diskussion sachlich einigermaßen im richtigen Bachbett zu halten. Bemerkungen eines Moderators nach dem Motto (ich übertreibe): "Jetzt drück dich endlich klarer aus – oder halt die Klappe!" bringen gar nichts und vertreiben auf die Dauer die Leute. Wer so moderiert, der hat irgendwann keinen mehr zum Moderieren.

    Ostelbe sieben hatte schon mal ein anderes Pseudonym, und er ist ein Mann, keine Frau :) .

    Und natürlich kann hier jeder schreiben, was er/sie möchte. Aber mal ehrlich: Verstehst Du immer so ganz genau, was er sagen möchte? Ich nicht. Und viele andere hier auch nicht.

    Hallo, Anja,


    Es ist mir doch ganz egal, wer sich hinter Ostelbe sieben verbirgt. Mir geht es um den Ton hier und darum, wie die Leute hier ganz plötzlich angefahren werden, was dazu führt, daß es hier bald überhaupt keine offenen Diskussionen mehr geben wird.


    Und dann könnte ihr den Laden hier zusperren, das sage ich dir Anja. Es haben in der letzten Zeit einige geschätzte Mitglieder und gute Autoren das Forum hier abrupt verlassen – auch weil sie mit dem Stil hier nicht mehr klarkamen. Nicht nur mit den Inhalten.


    Wenn ich hier noch ein paarmal sehe, daß Alexander Leute weiterhin so dermaßen blöd anredet oder ihr beide glaubt, ihr müßtet hier die Threads auch inhaltlich moderieren bzw. zensieren, dann bin ich auch nicht mehr lange hier.


    Das ist nicht der Thread hier, um die Sache auszudiskutieren, aber dich sage dir und Alexander hier und jetzt, daß ich nur allzugern bereit bin, die Sache in einem anderen Thread auszufechten. Und da kann er mich dann, wie er es angedroht hat, "stechen". Das schaue ich mir an.

    So. Ostelbe Sieben. Dies könnte ein passender Augenblick sein, um Dich freundlich dazu aufzufordern, mit den Leuten zu kommunizieren, wenn Du etwas schreibst. Und das bedeutet auch: Auf sie einzugehen. Sich verständlich auszudrücken, statt zu schwafeln.

    Hallo Alexander,


    Ostelbe Sieben kann schreiben, was sie will. Und sie kann sich auch ausdrücken, wie sie will. Das ist und war immer eine freie Diskussion hier. Hier muß sich doch niemand sagen lassen, was und wie er/sie zu schreiben hätte bzw. was und wie er/sie nicht zu schreiben hätte.


    Wie Ostelbe Sieben mit den Leuten hier kommuniziert, ist allein ihre Angelegenheit.


    Wie heißt es doch so schön auf Eurer Homepage:


    Zitat

    Das Internetforum der 42erAutoren bietet auch einen Bereich, der für Jedermann zugänglich ist. Alle Interessierten können sich hier anmelden, ohne Vereinsmitglied zu sein, und sich über das Schreiben und den Literaturbetrieb austauschen.


    Ich lese hier auch nirgendwo, daß du kraft deines Amtes hier als Moderator eingesetzt wärest.

    Lieber Jürgen,


    herzlichen Glückwunsch zur Veröffentlichung – und natürlich viele Leser!


    Nun mein Wermutstropfen: Ich finde die Punkte "Kurz vorab" und "Über die Kurzgeschichte" belehrend und nichtssagend, ergo überflüssig, um nicht zu sagen: ärgerlich.


    Mir wäre viel lieber, ich würde a) ein Inhaltsverzeichnis zu sehen bekommen, damit ich weiß, wie viele Geschichten da drin sind; und ich möchte b) gerne in eine Geschichte hineinlesen können.

    Danke für Deine Rezension meiner Rezension. Hast Du das Buch gelesen? Oder irgendwas von A. L. Kennedy?

    Um Gotteswillen, nein - ich stehe immer noch unter dem Celeste-NG-Schock!

    Und ich muss nichts beweisen, weder mit Adjektiven, noch ohne sie - es geht hier nur um meine Meinung, meine Einschätzung, meine Rezension.

    Wenn du willst, daß deine Rezension erstgenommen wird, dann mußt du sehr wohl was beweisen. Du mußt zumindest argumentieren. Aber mit einer Anhäufungen von Adjektiven argumentierst du nicht – du behauptest nur.


    (Behaupte ich. :evil)

    Hallo Tom,


    Ich bin ja von deinen Rezensionen immer irgendwie grausig fasziniert. Auf der einen Seite bewundere ich die schiere Mühe, die du dir immer gibst, m.M.n. drittklassige Bücher ausführlich und sorgfältig zu besprechen.


    Auf der anderen Seite ist mir gar nicht klar, wie ein Mensch mit deinen Talenten, deinen literarischen Fähigkeiten, deiner enormen Belesenheit und deinen eigentlich starken analytischen Fähigkeiten sich mit solchen – ich sage jetzt mal böse: ausschließlich mit kommerziellen Absichten geschriebenen Unterhaltungsromanen – überhaupt abgeben mag.


    Manchmal kommst du mir wie ein Sternekoch vor, der selber die großartigsten Menüs kochen kann und alles über Kochen und Essen weiß, aber aus unerfindlichen Gründen den Plan gefaßt hat, sich durch alle Dönerläden, Burgerbuden, Sandwichshops und Pizzajoints in ganz Berlin zu fressen, um seine Eßerlebnisse dann auf einem Blog ausführlich zu dokumentieren und dabei in falscher Herablassung zu behaupten, das wäre ja in Wirklichkeit alles ganz gutes Essen.


    Zu der Handlung des hier rezensierten Buches sage ich besser nichts, weil ich mit zwei Menschen, die in den Zeiten von Tinder Briefe schreiben und in London irgendwie nicht zusammen kommen können, obwohl die meisten 15 Minuten nach dem ersten Tinderdate im miteinander Bett landen, lieber nichts. Für mich ist sowas einfach lebensfremd, eine prätentiöse, an den Haaren herbeigezogene Geschichte, die es nur in Romanen gibt.


    Ich komme jetzt zu den Aussagen, die für mich nur noch Klischees darstellen und die in einem guten Roman nie vorkommen dürften, einfach deshalb, weil ein guter Roman frische, neue, interessante Gedanken bringen sollte und nicht uralte, tausendmal gehörte Klischees, die ich, wenn ich will, von meiner Friseurin hören kann.


    Da heißt es einmal: "… dieses London, das schon seit Jahren keine Stadt mehr ist, sondern ein Disneyland für Superreiche, ein Denkmal für eine Macht, die längst vergangen ist, eine absurd teure Kulisse für ein armseliges Schauspiel."


    Das ist ein Klischee. London ist kein Disneyland, mit dem Empire geht es seit den 1930er Jahren zu Ende, eine Weltstadt war und ist kein Schauspiel und war 1890 oder 1970 nicht mehr oder weniger Schauspiel, als die Stadt das jetzt ist.


    Nächstes Klischee: die ewig gleiche Kritik an Margaret Thatcher. Wie oft kann man eigentlich einen toten Hund totprügeln? Gewiß, in den üblichen ach so linken, ach so grünen, ach so progressiven, ach so umweltfreundlichen, ach so achtsamen, ach so klimabewußten, ach so antirassistischen, ach so palästinafreundlichen, ach so isreaelfeindlichen, ach so gerechten, ach so "woken" Kreisen ist die Kritik an Margaret Thatcher ja Aufnahmevoraussetzung, die Kondition sine qua non – und zwar seit 1975.


    Und natürlich ist sie das auch in diesem Roman der Fall, denn in einem Unterhaltungsroman dürfen absolut keine Abweichungen von der herrschenden Meinung vorkommen, weil die Leser mit ihren zarten und schwachen Seelen nicht das Hirn und den Charakter für eine eigene, starke, unabhängig Meinung haben und deshalb auf jeder Seite mehrmals mit der Mainstream-Meinung gestreichelt werden müssen, damit sich nicht beim Leser intellektuell implodieren und vielleicht das nächste Buch des Autor-Unternehmers nicht mehr kauften, was für dessen Miete und Autoleasing ja ein Desaster wäre.


    Ich habe alle Thatcher Biographien gelesen - und die sind ihr keineswegs immer gewogen - wie auch ihre Autobiographie – und diese Frau gehört zu den wenigen Frauen in der Politik, die ich fast schon bewundere. Das war die Tochter eines kleinen Eckkrämers aus der Provinz, die, Lichtjahre von den männlichen Seilschaften des Establishments entfernt, eine spektakuläre Karriere gestartet hat und tatsächlich so etwas wie eine Überzeugung hatte – auch wenn die manchmal falsch war.


    Kein Mensch, auch nicht A. L. Kennedy, möchte im England von Ted Heath oder Arthur Scargill leben. Margaret Thatcher hat ein total kaputtes Land übernommen, das von einem stalinistischen Gewerkschaftsbund, der sich Gelder aus Moskau geholt hat, wirtschaftlich und politisch dominiert war, der das sehr reale Ziel hatte, das Land in Grund und Boden zu fahren. Thatcher hat eine vollkommen unproduktive verstaatlichte Industrie übernommen, die seit Jahrzehnten keine Gewinne machte, dem Steuerzahler Milliarden kostete und den verbliebenen produktiven Sektor der Industrie aushöhlte.


    Glaubst du denn wirklich, daß das England vor Margaret Thatcher ein "Land für Mitgefühl, Glück und Gemeinsamkeit" war?


    Ich kann schließlich mit solchen Adjektivketten nichts anfangen: "Und dann sind da noch diese kleinen, sehr nüchtern und sachlich erzählten, dennoch sehr emotionalen Episoden … (…) …liest sich „Süßer Ernst“ einfach großartig. Kennedy schreibt äußerst eindringlich und anschaulich, findet gerade für die eher abstrakten Dinge ganz präzise die genau richtigen Worte."


    Für mich sind Adjektive einfach nur Behauptungen, aber keine Beweise, noch nicht einmal Argumente. Ich könnte das eher glauben, wenn du das an der Handlung, an Aktionen, an Dialogen, an Beschreibungen im Text konkret zeigen würdest.


    Nur als Beispiel und weil ich soeben 1984 wiedergelesen habe. Was weiß ein Leser, wenn ich sage: 1984 ist ein dystopischer Roman einer grauenhaften, furchtbaren Gesellschaft abscheulicher Menschen, der das entsetzliche, düstere, unheimliche Bild einer gräßlichen Zukunft mit bestürzender Deutlichkeit zeichnet.

    Hallo Manuela,


    Ich finde das Buch nicht lesenswert; die letzten 50-60 Seiten waren zum Einschlafen.


    Ich mag Dystopien sowieso nicht gerne, aber wenn, dann kann manch gleich 1984 lesen, das besser geschrieben ist und Figuren hat, mit denen man sich identifizieren kann.


    Aus Sicht der ZEIT ist Die Mauer natürlich doppelplusgut – aber bei der ZEIT war das von vornherein klar. :rofl


    Ich habe vor zwei Jahren, weil meine Kinder das für die Schule lesen mußten, The Hunger Games gelesen – und selbst dieser Mist ist noch besser als Die Mauer.

    Großbritannien in nicht allzu ferner Zukunft: Rund um das ganze Land zieht sich eine Mauer aus Beton – 10.000 Kilometer lang, fünf Meter hoch und an der Krone drei Meter breit. Alle drei Kilometer steht ein Wachhaus für die Wachmannschaften, insgesamt mehr als 3000. Weiter gibt es in regelmäßigen Abständen Kasernen, Krankenstuben, Hubschrauberlandeplätze, Wassertürme, Vorratslager, Munitionslager, Fahrzeughangars und Rampen, um Boote zu Wasser zu lassen. Und natürlich Treppen, Millionen rutschiger Treppen, auf denen die Mannschaften, die die Mauer Tag und Nacht bewachen, auf und abgehen. Ach ja die Mannschaften: eigentlich kann man sie gar nicht so nennen, denn sie bestehen aus Männern und Frauen. 300.000 Soldaten und Soldatinnen sind jeden Tag das ganze Jahr lang an der Mauer im Einsatz, exakt 50 Prozent Männer und 50 Prozent Frauen, und alles geschieht ganz ohne Diskriminierung, denn die Frauen wachen, kämpfen und sterben genauso wie die Männer. Sie alle zusammen machen die "Defender" aus, die Verteidiger, die die Mauer gegen die die "Others" schützen, die Anderen.


    Diese Anderen sind in der Hauptsache Afrikaner, gegen deren Eindringen sich Großbritannien nach einer globalen Katastrophe, die in diesem Roman immer nur "The Change", der Wechsel, genannt wird, schützen will. Dieser mysteriöse Wechsel, der sich vor einem Menschenleben ereignet hat und von der jungen Generation im Roman den Alten angelastet wird, stellt ein Ansteigen des Meeresspiegels aufgrund einer Umweltkatastrophe dar, wodurch tiefergelegene Länder reihenweise überflutet wurden. Was genau den Wechsel ausgelöst hat, wird nie erklärt, aber es ist klar, daß dieser die Welt in zwei Gruppen aufgeteilt hat: die Staaten, deren Landmasse über dem gestiegenen Meeresspiegel liegt, und die anderen, deren Länder untergegangen sind, und die nun mit Schiffen und Flößen auf den Meeren herumfahren und mit aller Macht darum kämpfen, in die Länder, die es noch gibt, einzudringen. Wenn es sein muß mit Gewalt.


    Der Wechsel und die Abschottung Großbritanniens gegen die Anderen haben das Land in eine Diktatur verwandelt, in der eine vage als "Elite" bezeichnete Oberschicht den Rest der Gesellschaft in einem permanenten Kriegszustand regiert. In diese Elite wird man nicht demokratisch hineingewählt, sondern nach Ausbildung und Leistung berufen.


    Das ist der Hintergrund für den neuen Roman des britischen Schriftstellers John Lanchester. Das Ganze beginnt damit, daß der junge Joseph Kavanagh seine zweijährige Dienstzeit als Defender auf der Mauer antritt. Natürlich: auf der Mauer ist es kalt, der Dienst, der daraus besteht, jeden Tag mit geschultertem Gewehr zwölf Stunden lang auf das graue Meer hinauszuschauen, ist langweilig, das Essen schlecht und der Sergeant wortkarg. Doch der junge Kavanagh kommt mit all dem einigermaßen zurecht, weil jeder Brite Dienst auf der Mauer tun muß und Kavanagh ohnehin nicht weiß, was er sonst mit seinem Leben anfangen soll.


    Und damit sind wir beim ersten Problems des Romans: der uninteressanten Hauptfigur, die nichts kann, nichts will, nichts liebt, nichts haßt und auf 275 Seiten weder einen klugen Satz sagt noch einen interessanten Gedanken denkt. Mit den Nebenfiguren ist es nicht besser bestellt. Da haben wir einen knorrigen Sergeant, einen verschwiegenen Hauptmann, der streng nach Dienstvorschrift lebt, sich im nachhinein aber als Verräter herausstellt, einige hausbackene Verteidigerinnen, die unter ihren dicken Klamotten als Frauen nicht erkennbar sind, und noch mehr junge Männer, die auch nicht wissen, was sie wollen, und über die Mauer, die Welt, die Anderen und die ganze Misere, in der England sich befindet, nichts zu sagen haben. Schließlich gibt es da noch Hifa, die spätere Geliebte des Antihelden, die genauso gewöhnlich redet, denkt und handelt wie sie aussieht.


    Voltaire hat einmal gesagt: Jede Art zu schreiben ist erlaubt, nur die langweilige nicht. Diesen coolen Spruch sollte sich John Lanchester für seinen nächsten Roman unbedingt merken, denn Die Mauer ist langweilig. Das liegt noch nicht einmal so sehr an der unwahrscheinlichen Handlung, zu der wir noch kommen, sondern an all diesen blassen und konturlosen Figuren. Das klassische Rezept für das Verfassen eines guten Romans lautete immer: Nimm eine Figur, die etwas von der Welt will und lieber zugrunde geht, als es nicht zu bekommen. Alle großen Romane haben solche Protagonisten: Werther will Lotte bekommen, der grüne Heinrich will Maler werden, Anna Karenina will aus einer lieblosen Ehe ausbrechen, Ahab will den weißen Waal killen, Gatsby möchte Daisy zurückgewinnen, Josef K. will wissen, warum er angeklagt wurde, Franz Biberkopf will frei sein, Winston Smith will durch die Liebe zu Julia dem System entkommen, Stiller nicht er selbst sein und Harry Potter Lord Voldemort besiegen.


    Gute Romane brauchen starke Hauptfiguren. Und Nebenfiguren, die dem Willen und Wollen der Hauptfiguren Widerstand leisten, sie quälen, verfolgen, unterdrücken, ihnen Prügel zwischen die Beine werfen, ihnen auflauern, schaden und sie manchmal sogar umbringen. John Lanchasters Josef Kavanagh jedoch will gar nichts außer dreimal am Tag einen Müsliriegel mit einem Becher Tee und am Abend ein warmes Bett. Ja, er will noch nicht einmal Sex mit Hifa - da muß die ihn erst draufbringen.


    Nun gibt es aber andere Romane, die ebenfalls über ein ziemlich durchschnittliches Personal verfügen, dieses Manko aber durch eine spannende Handlung wieder wettmachen. Viele Krimis, Thriller und Sciencefiction-Romane fallen in diese Kategorie. Die Thriller John le Carrés sind nie mit überzeugenden Charakteren bevölkert, Stanislaw Lems Raumfahrer sind reine Schablonen, und so unterschiedliche Autoren wie Agatha Christie, Daphne du Maurier, Dan Brown, Stieg Larsson und Tom Clancy haben nie auch nur eine psychologisch glaubhafte Romanfigur zustande gebracht. Aber dafür haben sie etwas anderes: Eine mitreißende Handlung, die oft in einem nervenzerreißenden Höhepunkt kulminiert und in einem überraschenden Schluß endet.


    Die Mauer kann damit leider auch nicht aufwarten. Nachdem die Defender eine erste Attacke der Anderen zurückgeschlagen haben, kommt irgendwann endlich der große Angriff auf die Mauer, auf den ihre Bewacher sich seit Jahren vorbereiten. Der fällt schlimmer aus als der erste, aber nur deshalb, weil der bislang übereifrige Hauptmann sich als ein früherer Anderer erweist, der die Aggressoren unterstützt. Doch bald sind sie überwältigt, und an der Mauer herrscht wieder Ruhe. Außer für Kavanagh, seine Freundin Hifa und einer Handvoll anderer Armleuchter, die beim Kampf gegen die Anderen aus Sicht nie genannter Vorgesetzter versagt haben, weshalb sie ohne Gericht und Urteil in der Nordsee in einem Boot auf Gedeih und Verderb ausgesetzt werden. Nun müssen sie noch ein Abenteuer im Kampf gegen Piraten bestehen, aber die Geschichte wird nun zunehmend weniger plausibel, bis alles in einem kläglichen Ende verlischt.


    Das ist schade, denn John Lanchester schreibt eine sachlich-kühle, präzise Prosa, wie man sie aus den Romanen George Orwells oder Eric Amblers kennt. Der Autor ist hier eindeutig an einem großen Thema dran, das, spannend erzählt, sehr viel hergeben würde. Der Klimawandel – egal, ob er stattfindet oder nicht – ist jeden Tag in den Nachrichten, Großbritannien laboriert am Brexit wie an einer schweren Krankheit, und Donald Trump will zwischen den USA und Mexiko eine Mauer errichten. Ein Autor mit Fantasie, Wirklichkeitssinn und einer gehörigen Portion an Fabulierlust und literarischen Fähigkeiten könnte mit diesem Stoff im Hinterkopf eine absolut fesselnde Version unserer Zukunft entwerfen. John Chandler ist leider nicht dieser Autor.


    ASIN/ISBN: 0571298729
    ASIN/ISBN: 360896391X