Beiträge von Th. Walker Jefferson

    Ich vermute mal Oscar Wilde.

    Nein, Oscar Wilde ist nicht gemeint. Im Vergleich mit unserem Dichter war Oscar Wilde auf dem Gebiet des Sexus ein Waisenknabe.


    Unser Dichter hier ging da ganz anders zur Sache, was erklärt, warum seine Biographen gar so emsig bemüht sind, das Leben unseres Autors stets zu verklären.


    Dennoch hat unser Autor einige der schönsten und besten Verse geschrieben, die es überhaupt nur gibt. Er ist ein bißchen aus der Mode gekommen und viele in diesem Forum werden noch nie einen Vers dieses Dichters gelesen haben – er ist trotzdem ein großer Dichter.

    Unser Autor war pädophil. Und schwul, eine nicht ganz unübliche Kombination, auch wenn die LGBT-Lobby das nicht so gerne hört. Es gibt natürlich eine ganze Menge pädophiler Schriftsteller, allerdings hat unser Autor seinen pädophilen Neigungen literarisch gesehen eine neue Dimension verliehen. Für unseren Autor war schwul sein gleichbedeutend mit pädophil sein und pädophil sein der Kerns seines Wesens, ja seiner ganzen Lebensgestaltung. Unser Autor war in erster Linie pädophil, und erst dann kam für ihn die Literatur.


    Von den Biographen unseres Autors, und das sind einige, wird das nie so eingestanden, bis zum heutigen Tag nicht. Da wird erstklassig und sehr geschwurbelt um den heißen Brei herumgeredet und die Neigungen des Autors stets metaphysisch verbrämt. Da wird er immer als Sucher, Erzieher und hauptsächlich als Freund oder Gefährte bezeichnet, von Vierzehn- oder Fünfzehnjährigen, die er gerne als "Buben" bezeichnete.


    Unser Autor hat im Leben gelernt, daß er sich bei der Suche nach Knaben zusammenreißen muß, weil das für ihn sonst erhebliche Konsequenzen haben könnte, aber als er jung war, kannte er diese Zurückhaltung nicht, Da hat er sich z.B. einen anderen Autor, der heute berühmter ist als unser Autor, so dermaßen aggressiv genähert, daß dieser zweite Autor seinen Vater eingeschaltet hat, um unseren Autor in die Schranken zu weisen.


    Trotzdem ist unser Autor ein in mancher Hinsicht großer und bedeutender Schriftsteller, der die Literatur seiner Zeit erheblich beeinflußt und geprägt hat. Er war auch ein guter Übersetzer, der aus drei Sprachen übersetzt hat, vielleicht nicht sehr idiomatisch, aber mit einem unbestreitbaren Talent für Klang und Ausdruck.

    Hallo, 42er,


    Irgendwann wird sich das totlaufen, aber vorher biete ich hier in lockerer Folge noch einige literarische Rätsel an, weil es ja wirklich eine nette Methode ist, mehr über Literatur zu erfahren und unterhaltsamer als irgendwelche Vorträge, Referate oder Abhandlungen über Autoren.


    Ich frage nicht nach total unbekannten Autoren, die nur noch Spezialisten bekannt sind – aber auch nicht nach Tagesgrößen oder Trivialautoren, sondern nach Autoren aus dem sog. literarischen Kanon, auch wenn ich den weiter als sonst gesteckt fasse.


    Rätseltexte schreibe ich so, daß man den gesuchten Autor nicht schon nach einmaligem Googeln errät. Warum? Weil alles andere Unsinn wäre. Ich bin altmodisch und konservativ und natürlich reaktionär und noch viele andere unangenehme Sachen, allerdings auch gebildet, weshalb ich an einem altmodischen Bildungsideal festhalte. Und dieses überholte Ideal besagt, daß man eine ganze Menge Fakten, Orte, Namen, Daten, Jahreszahlen und in der Literatur Figuren, Plots und Handlungsmuster im Kopf haben muß, um als gebildet durchzugehen.


    Wer auf die Frage: Wie heißt das berühmteste Gemälde im berühmtesten Museum Frankreichs? das Handy zücken und Google anschmeißen muß – der ist nicht gebildet. Mit dem ist jede Diskussion über die großen alten weißen Männer (und einige Frauen) der hauptsächlich abendländischen Kulturgeschichte sinnlos und macht auch keinen Spaß.


    Preise gibt es keine. Das einzige, was man sich hier erwerben kann, ist Respekt. Wer das Rätsel gelöst hat, soll es laut sagen. Dann ist es gelöst, und dann kommt halt ein anderes.

    Lieber Horst-Dieter,


    Ich weiß schon, wer die Nichte ist (Rhoda Broughton), aber ich finde es etwas unelegant, daß ich googeln mußte, um das herauszufinden.


    Der Onkel ist Sheridan Le Fanu, was nicht schwer herauszufinden ist, weil es nicht so viele irische Horror-Autoren gibt und Le Fanu tatsächlich eine Ausnahmestellung einnimmt. Aber daß er der Onkel von Rhoda Broughton ist, war mir komplett unbekannt – ebenso wie Rhoda Broughton selbst.


    Du hast recht: Rätsel darf man nicht gleich lösen können, sonst sind es keine. Aber hat es einen Sinn, sie so zu gestalten, daß ein Mensch, auch mit gewissen Kenntnissen der Literatur, sie praktisch nicht lösen kann?


    Hätte es beispielsweise einen Sinn, nach einem Autor wie Albert Ehrenstein zu fragen, der irgendwann einmal tatsächlich berühmt und für die Literatur des Expressionismus wichtig war und einen interessanten Lebenslauf hat? Den würde doch kein Mensch erraten, insbesondere wenn ich so frage: Es geht um einen Autor, über den eine bekannter, inzwischen verstorbener Literaturkritiker, der in den Feuilletons 1970er- und 1980er-Jahre jedoch allgegenwärtig war, 1969 promoviert hat.


    Trotzdem finde ich den Hinweis auf Broughton interessant, ich habe auf jeden Fall etwas dazugelernt. Den ausgelobten Preis kann ich nicht akzeptieren, weil ich nicht mit fairen Mitteln auf die Lösung gekommen bin.


    Letzte Frage: Hast du denn etwas von Broughton gelesen? Ich habe kurz in Not Wisely, But Too Well. A Novel. By the Author of Cometh Up as a Flower? reingelesen – Brougthon verwendet einen umständlichen, extrem betulichen auktorialen Erzähler, bei dem wenigsten mir Angst und Bang wird.

    Als Nichte eines damals sehr bekannten irischen Schriftstellers ...

    Ich weiß, wer der Onkel ist – er hat einen französischen Namen. Aber von der Nichte, sprich der gesuchten Autorin, habe ich noch nie gehört.


    Im viktorianischen Großbritannien gab es nicht besonders viele gute Schriftstellerinnen, mir fallen nur George Eliot, die Brontë-Schwestern, Christina Rossetti und Elizabeth Barrett Browning ein. Die ersten beiden sind aber auf keinen Fall gemeint, während die letzten beiden Dichterinnen sind und damit auch nicht gemeint sind.


    Ich würde deshalb sagen, daß die gesuchte Frau eine vergessene Trivialautorin ist, so etwas wie eine viktorianische Courths-Mahler. Auf diesem Gebiet bin ich leider nicht sehr beschlagen.

    Bleibt jetzt nur noch Anthony Burgess.

    Horst-Dieter: Wow! Sehr schön! Anna Wimschneider: :rofl


    Ich hätte das nur erraten, weil ich vage wußte, daß Burgess komponiert hat und eigentlich Musiker werden wollen – und natürlich wegen Clockwork Orange und Kubrick. Die Geschichte mit der Malaysia-Trilogie war mir komplett unbekannt. Interessant!


    Spartaner: Schönes Rätsel! Nicely done. Keep up the good work! Du kannst, keine Kritik, dafür auch eigene Threads eröffnen, was in der Forenübersicht am besten geht.

    Wolf Wondratschek?

    Das ist RICHTIG!


    Wolf Wondrtaschek war der größte Pop-Dichter der späten 1970er- und frühen 80er-Jahre. Heute halb vergessen, hat er damals mit einigen Gedichtbänden Auflagen von 100.000 Exemplaren und mehr erreicht.


    Liest man seine Gedichte jetzt wieder, was ich nochmals getan habe, dann haben sie im Vergleich zu damals deutlich gelitten, mehr als Bukowski z.B. Bei Wondratschek ist zu vieles aufgesetzt, nicht erlebt, nicht gefühlt, nicht echt und offensichtlich von Bukowski und Leuten wie Bob Dylan und David Bowie übernommen.


    Er spielt zu oft den einsamen, abgebrühten, enttäuschten, harten Kerl mit der Lederjacke, der bei den richtigen Frauen nicht landen kann, was ihn aber gar nicht so stört, denn es gibt ja Bierdosen, Boxkämpfe, herrlich leere Hotelzimmer und die ganzen Idioten um einen rum, die man komfortabel verachten kann, wenn man eine Dreizimmerwohnung in der Innenstadt, ein Ikea-Regal voller Bücher und einen Schreibtisch aus Glas hat.

    Unser Autor ist hauptsächlich als Dichter berühmt geworden, obwohl er auch Romane geschrieben hat. Aber Romane kann er nicht. Gedichte dagegen schon.


    Es gab eine Zeit vor vielleicht vierzig, fünfundvierzig Jahren, da waren die Gedichte unseres Autors richtig berühmt, auf jeden Fall unter jungen Intellektuellen.


    Dieser Autor hatte immer mit Verlagen Probleme. Am Anfang hat er gar keinen gefunden, da wurden seine Gedichte von einer Versandbuchhandlung vertrieben, einem Laden, der damals genau wie unser Autor Kult war, übrigens immer noch existiert, aber inzwischen so oft verkauft und umgemodelt wurde, das von dem fast schon einzigartigen Charme, den diese Verlagsbuchhandlung einmal hatte, nichts mehr da ist. Nach vielen Verlagswechseln ist dieser Autor auch heute wieder bei einem Verlag aus der zweiten oder inzwischen sogar dritten Reihe. Und da wird er wohl bleiben.


    Unser Dichter hatte berühmte Vorbilder, an die er sich, wie man aus heutiger Sicht sagen muß, vielleicht ein bißchen allzu stark angelehnt hat. Eines dieser Vorbilder ist Arthur Rimbaud, dessen Qualität unser Autor nie erreicht hat, der andere ist Charles Bukowski, mit dem unser Autor es durchaus aufnehmen kann, auch wenn er, da er ein ganz anderes Leben als Bukowski geführt hat, nie so authentisch wie der Amerikaner wirkte.


    Und doch haben einige der frühen Gedichte unseres Autors einen ganz eigenen Zauber, den sie für den, der damals jung war, immer behalten werden. Er hat zum ersten Mal in der deutschen Literatur eine Melodie gesungen, die es bis dahin nicht gab. Eine Melodie, die einen an nächtliche Straßen erinnert, die man einmal gegangen ist; an Fenster, unter denen man einmal gestanden hat, weil dahinter eine Frau war, die, wartete man nur lang genug, sich zeigen würde; an alte Autos, in denen man saß, am Radio drehte und im Shell-Atlas die Straße nach Granada suchte.

    "Multatuli", alias Eduard Douwes Dekker.

    Hauptwerk: Max Havelaar

    Das ist richtig! Hervorragend! :!oo)


    Der große Klassiker der holländischen Literatur ist ein Kolonialbeamter, der sich das Pseudonym "Multatuli" gegeben hat.


    "Multa tuli" bedeutet: Ich habe vieles getragen, was Douwes Dekker als "ertragen" begreift. Multa ist Neutrum Plural von multus (= viel), tuli 1. Person Singular Perfekt aktiv von ferre, tuli, latum (= tragen).


    Sein Hauptwerk ist der Roman Max Havelaar, in dem Multatuli die niederländische Kolonialherrschaft in Indonesien scharf und sehr kenntnisreich kritisiert, nachdem er selber 20 Jahre als Kolonialbeamter in Indonesien verbracht hatte.


    Multatulis Stil erinnert an eine Mischung aus Dostojewski, Gottfried Keller und Wilhelm Rabe. Mit Keller und Rabe teilt er einen Hang zum kauzigen Humor.

    Nils mit seinem profunden Wissen zu unbekannten Literaturen hat den gesuchten Autor erraten und auch schon den Hauptpreis abgeräumt, einen handsignierten Heyne-Pappband mit einem Roman von Utta Danella ("Das Glück der Hohentanns"), der in 200 Jahren bis zu 30 Euro wert sein könnte.


    Teilnehmen lohnt sich also!


    Aber es gibt natürlich noch jede Menge Trostpreise, ich bitte also um weitere Meldungen.