Beiträge von Andrea

    Hallo, Achim,


    um noch einmal auf die Perspektive zurückzukommen:
    M.E. funktioniert es tadellos, einen Text, der von personalen Erzählern (oder einem personalen Erzähler) in der 3. Person Singular geschildert wird, durch Passagen aus der Perspektive eines Ich-Erzählers zu unterbrechen. Ganz ausgezeichnet gelöst hat das Val McDermid in ihrem ersten Thriller der Hill-Jordan-Reihe "Das Lied der Sirenen". Sie beginnt sogar den Roman mit einem solchen Absatz.


    Es ist der Mörder, der hier selbst zu Wort kommt. Als Leser ist man so dicht an ihm dran, dass es fast wehtut. Im Verlauf des Buches spricht der Mörder wieder und wieder. Der Leser bekommt in diesen Passagen eine Ahnung, mit was die Ermittler konfrontiert werden. Im englischen Original wird die Mörder-Perspektive zusätzlich typographisch durch Kursivschrift hervorgehoben.


    Was mich als Leser aus dem Konzept bringt, ist ein Perspektivwechsel innerhalb eines Absatzes. Das verwirrt mich und ich muss zurücklesen, ob ich etwas verpasst habe. Beginnt ein neuer Absatz, stelle ich mich aus Leseerfahrung darauf ein, dass eine andere Perspektive eingenommen werden könnte. In den Krimis, die ich so lese, ist es der Normalfall, dass eine Geschichte aus unterschiedlicher Sicht geschildert wird.


    Viel Erfolg bei Deinem Epos!


    Schöne Grüße von
    Andrea Martini


    ASIN/ISBN: 342650247X

    Michael H

    Zitat

    weil log-bücher für mich nicht unbedingt das interessanteste literarische genre darstellen.


    Dass man aus Logbüchern durchaus etwas Interessantes machen kann, beweist derzeit Olli Jalonen mit seinem Buch "Vierzehn Knoten bis Greenwich" - über eine Reise um die Welt dem Nullmeridian entlang.


    Ansonsten stimme ich völlig zu.
    Btw: Der Reisebericht ist auch nur für diejenigen interessant, die dabei waren. Uneingeweihte werden die Andeutungen überlesen.


    ASIN/ISBN: 3866481241

    Anja,


    dieses Buch ist in der Tat anders. Viel weniger schrill als vieles, was man von ihr kennt. Es ist das erste Buch, das ich von ihr gelesen habe. Die früheren habe ich beim Anlesen bisher immer wieder ins Regal gestellt, weil mir ihre Sprache auf Dauer - wie soll ich sagen - zu stark und zu zynisch war.


    Auch in diesem Buch gebraucht sie drastische Bilder, als Berg-Fan solltest Du also auf Deine Kosten kommen. Es klingt jedoch ein milderer Ton durch.


    Schöne Grüße von
    Andrea Martini

    Nichtfinden, suchen, sinnlos …


    Sibylle Berg erzählt in ihrem für den Deutschen Buchpreis 2009 nominierten Roman „Der Mann schläft“ die Geschichte vom Finden und Verlieren einer … na, was? Soll man es Liebe nennen? Ja, und zwar eine ohne all die romantisch-verkitschten Vorstellungen, die frau sich erziehungs- und sozialisationshalber so angeeignet hat. Denn darüber ist die Protagonistin, deren Namen wir ebenso wenig erfahren wie den des Mannes, mit dem sie von heute auf morgen ihr Leben teilt, längst hinaus. Sie glaubt nicht mehr an die Liebe, damit werden allenfalls Waschmittel verkauft. Sie hat sich im Laufe ihres mittelalten Lebens zudem einen gehörigen Hass auf die Menschheit zugelegt, sie selbst eingeschlossen. Beziehungsversuche mit jungen Männern enden in unsäglichen Demütigungen. Wirkliche Freunde gibt es nicht, obwohl hie und da von solchen die Rede ist, Bekannten widmet sie allenfalls drei Stunden bei einem Abendessen, bevor sie erleichtert zurück in ihr Allein-Da-Sein in ihre Wohnung flüchtet, wo sie ihren Tagesablauf „mit der Perfektion eines Ikebana-Gestecks gestaltet“ – und Augen, Herz und Hirn vor der Welt verschließen kann. Nichts als Verachtung hat sie übrig für die Paarbindungen ihrer Umgebung.


    Zitat:
    "Starren und die Zeit besiegen. Nichts denken und nichts fühlen, weil man es nicht aushält. Vermutlich entstehen so Mörder, Päderasten und Soldaten. Sie sind einer einer Lücke zwischen den Gedanken hängengeblieben."


    Und doch ist da diese Sehnsucht.


    Dann passiert es: Sie trifft ihn in einem dieser austauschbaren Designer-Cafés und beide wissen. Wortlos stehen sie auf und lassen ihre jeweilige Begleitung am Tisch sitzen. Vergleichsweise wortlos verlaufen auch die folgenden vier Jahre, in denen sie mit dem Mann zusammen ist, ihn erst nur besucht und später bei ihm einzieht. Nicht mehr loslassen will sie ihn, kriecht unter sein Hemd, der einzige Platz auf der Welt, der ihr sicher erscheint. Weil er sie so lässt, wie sie eben ist, weil er zwar mit ihren Launen nicht klar kommt, sie ihr aber nicht übel nimmt, weil er ihr Tee und Honig bringt, wenn sie krank ist. Keine Pläne machen, wie es einmal sein könnte, keine Aktivitäten zur Aufrechterhaltung der Spannung in der Liebe, wozu: Den Irrsinn des Verliebtseins hat sie sich ohnehin gespart. Lebensentwürfen an sich steht sie skeptisch gegenüber, wer weiß schon, wie man sich im nächsten Jahr fühlt:


    Zitat:
    "Wüsste man es doch nur von Anfang an, wie rührend albern jeder Plan im Leben ist, dachte ich, das Auge ein wenig matt. Dann hätte man all die Stunden, die man verbringt mit der Erstellung von Listen, auf denen man Vor- und Nachteile einer Entscheidung aufzeichnet, und mit dem Sinnieren darüber, was sein würde und wie es aussehen sollte, das Leben, später, und all die unglaublich wichtigen Entscheidungen zum Grillen von Innereien verwenden können."


    Und dennoch. Aus unerfindlichen Gründen macht man dann doch Dinge wie „normale“ Paare. Es beginnt mit einer Fahrt nach Mailand, es folgt ein Flug nach Tokio und dann hat sie die Idee mit dem Urlaub auf einer Insel im südchinesischen Meer, auf der ihr der Mann am Ende abhanden kommt. Er wollte doch nur eine Zeitung holen.


    Und sie wartet, und hofft, dass er zurück kommt, sucht ihn, findet ihn nicht und verharrt schließlich in einer scheinbar ausweglosen Starre. Auf einer Insel im südchinesischen Meer. Täglich geht sie dieselben Wege ab. Nichts geht mehr, sie kommt nicht vorwärts und weiß nicht, warum sie zurück sollte. Dann begegnet sie einem Mädchen und von da an weiteren Menschen, die auf dieser Insel leben. Keiner davon unversehrt. Eine Prostituierte im Rollstuhl, ein Mädchen, das seine Mutter beim Großvater abgeladen hat, ein Chinese, dem die Mutter ein Bein amputiert hat. Sie erzählen ihr in langen Monologen ihre Lebensgeschichten, die die Protagonistin nicht interessieren. Sie erträgt sie nur, alkoholisiert. Sie muss entscheiden: Gehen oder bleiben und warten?


    Sibylle Berg lässt die Ich-Erzählerin in zwei Zeitebenen erzählen, die sich aufeinander zu bewegen: Die Geschichte des Findens in den vergangenen vier Jahren (in ihrer Stadt und später bei ihm am See im Tessin) und die des Suchens im Heute in einer Zeitspanne von etwa einer Woche (auf der Insel im südchinesischen Meer). Am Schluss sitzt sie im Jetzt mit einer Flasche französischen Rotweins am Fähranleger und hält Ausschau nach dem Rotschopf, der die kleinen Chinesen, die auf dem Weg nach Hause sind, wie ein Riese überragen würde. Ihren Hass auf die Welt und die Verzweiflung drückt sie in drastischen, bisweilen bösartigen und immer wieder überraschenden Worten aus. Dazwischen flicht sie Gedanken über den Zustand der Welt, der Gesellschaft und der Menschen ein, denen sie allesamt ein vernichtendes Zeugnis ausstellt.


    Zitat:
    "Gibt es einen größeren Witz als den Menschen? Emotionale Krüppel in abstoßenden Hüllen, der Welt, dem Rudel, dem Wetter, den Gewalten hilflos ausgeliefert, torkeln wir durch ein Dasein, das an Lächerlichkeit nicht zu überbieten ist. All unsere ernsthaften Versuche, die Welt zu verstehen, charakterlich integre Personen zu werden, Besitz anzuhäufen, die Umwelt zu retten, Doktortitel zu erwerben, enden mit verschissenen Windeln im Altersheim."


    Für den Mann hat sie fast liebevolle Worte übrig. Fast wirkt es wie eine Überhöhung, wenn sie von ihm spricht. Hier spart sie sich jeden Zynismus:


    Zitat:
    "Der Mann war neben mir, und ein Gefühl, als wäre er schon immer da gewesen, und würde er sich entfernen, entstünde eine unangenehme Leere. Es war ein Moment, der sich durch stille Perfektion auszeichnete. Die Temperatur, die Umgebung, die Freude, nicht alleine zu sein und dennoch unter keinem Druck zu stehen, machten ihn vollkommen."


    Gestört wird die Idylle am See nur von ihren Begegnungen mit wiederum zwei Versehrten: Die seltsame Bekannte aus der Stadt besucht sie und hackt sich, nachdem die Protagonistin sich dazu durchgerungen hat, sie endgültig wegzuschicken, eine Hand ab, und auf einer Insel im See begegnet sie einem Kleinwüchsigen, der sich auf den Weltuntergang vorbereitet, indem er ein tsunamitaugliches Ufo baut. Beide sollen im späteren Verlauf des Romans wieder auftauchen.


    Bergs Zustandsschilderungen halten einem den Spiegel vor und lassen einen lange grübeln über so manche Wahrheit, die sie dem Leser förmlich ins Gesicht schleudert. Die Weltanschauung der Protagonistin deprimiert bisweilen und man klammert sich an jeden Funken Hoffnung, sie möge den Mann doch wieder finden. Berg lässt sie einem.


    Sibylle Berg: Der Mann schläft. - München : Hanser, 2009. - 19,90 € (Gebundene Ausgabe)


    ASIN/ISBN: 3446233881

    @Allen, die auf meine Vorstellung geantwortet haben, herzlichen Dank für die freundliche Aufnahme in eurer Runde. Inzwischen habe ich mich ein wenig umgesehen. Mir gefällt der respektvolle Umgangston und ich glaube, ich werde mich hier wohl fühlen.


    Berit: Ich bin sicher, Bücher werden nicht abgeschafft. Und wenn doch, erfindet sie irgendjemand wieder neu. Ans elektronische Lesen gewöhnen sich die Meisten nicht so schnell (oder wollen sich nicht daran gewöhnen).
    So papierfixiert bin ich aber gar nicht. Mir genügt schon mein Smartphone. Wenn der Text richtig gut ist, kommt es auf die Form nicht mehr so sehr an. Die haptischen Vorzüge eines Handpressendruckes weiß ich jedoch auch sehr zu schätzen.


    Cordula (Admini): Vermute ich richtig, dass mit "BT-Runde" die Textbesprechungsrunde gemeint ist, die auf der Eingangsseite erwähnt wird? Vielen Dank für die Einladung, Fragen zu stellen. Darauf komme ich bei Gelegenheit gern zurück. Erst einmal habe ich mich um Teilnahme beworben. Ich denke, dort geht es an's Eingemachte, was Textkritik und Lerneffekte angeht, an denen ich besonders interessiert bin.


    Michael H: Ja, das tue ich. Und was nach dem letzten Segeltörn aus dem Logbuch geworden ist, kannst Du, falls es Dich interessiert, in meinem Reise-Weblog nachlesen. Nach dem nächsten Törn Anfang Juli möchte ich etwas Ähnliches produzieren. Und irgendwann einmal einen Segel-Krimi. Davon gibt es noch nicht allzu viele, obwohl das Segeln sehr viel Stoff bietet.


    Nochmals vielen lieben Dank für eure Nachrichten.
    Es grüßt aus der Kieler Woche
    Andrea Martini


    Nachtrag: Allen noch nachfolgend Begrüßenden sage ich ebenfalls danke für die herzliche Aufnahme.

    Weitere kostenfreie E-Books (in verschiedenen Formaten, auch epub) gibt es unter diesen Adressen:


    Das deutsche Projekt Gutenberg bietet für elektronische Lesegeräte aufbereitete Texte (epub) als CD-ROM bzw. DVD zum Kaufen an. Mit einem klitzekleinen Aufwand kann man die Texte jedoch auch selbst in epub umwandeln und auf dem Reader der Wahl lesen.


    Schöne Grüße von
    Andrea Martini

    ... so sagt man da, wo ich jetzt zuhause bin. In Kiel, an der Ostsee, wo gerade eines der größten Segelevents Europas stattfindet, die Kieler Woche.


    Mein Name ist Andrea Arndt, ich arbeite zurzeit als Bibliothekarin an der hiesigen Universitätsbibliothek und habe im letzten Jahr "ernsthaft" mit dem Schreiben angefangen. Für meine Krimis verwende ich den "Künstlernamen" Andrea Martini - und sonst sehr selten Anführungszeichen.


    Nach Tagebüchern, Weblogs und vielen Texten im beruflichen Umfeld wagte ich im vorletzten Jahr den Schritt, an einem Schreibkurs teilzunehmen. Der motivierte wesentlich mehr als all die Ratgeber und Schreibanleitungen, die meine Bücherregale füllen. Der Austausch mit anderen Schreibern hatte mir gefehlt, das merkte ich in diesem Kurs. Und diesen Austausch suche ich auch hier. Was ich bisher gelesen habe, lässt auf nette Bekanntschaften und konstruktives Miteinander schließen.


    Zurzeit schreibe ich an mehreren Projekten:

    • einem ersten Kriminalroman, der irgendwo am Meer spielt. Bei Gelegenheit könnte ich euren Rat gebrauchen, ob er eine bestimmte Stadt als Schauplatz braucht oder ob es - dem derzeitigen Regionalkrimi-Hype entgegen - besser ist, ortsspezifische Details auszulassen.
    • einem Liebesroman, der im Londoner Banken- und Geldadel-Milieu spielt und vielleicht für einen Heftroman taugt
    • zwei Tagebüchern
    • mehreren Weblogs


    Aus dem Schreibkurs hat sich inzwischen eine Schreibgruppe zusammengefunden, die sich einmal im Monat trifft und über ein oder zwei Projekte der Teilnehmer berät. Für diese Gruppe habe ich das Weblog http://lesenschreiben.wordpress.com/ ins Leben gerufen. Das läuft jetzt langsam an.


    Zwischen dem Schreiben lese ich viel, vor allem Krimis. Und ich habe ein Faible für neuere deutschsprachige Literatur. Was gerade angesagt ist - und manchmal auch, was ich davon halte -, könnt ihr in meinem persönlichen Weblog http://andreaarndt.wordpress.com/ nachlesen. Darin steht auch bisweilen etwas über mein zweites großes Hobby, das Segeln. Außerdem interessiere ich mich für alles rund um die neuen Möglichkeiten des elektronischen Publizierens und des Lesens auf mobilen elektronischen Endgeräten.


    Mein erster abgeschlossener Kurzkrimi hat es gleich bis zur Veröffentlichung geschafft. Darauf bin ich besonders stolz. Ich habe im vergangenen Oktober am Schreibwettbewerb "Der Mörder geht ins Netz" teilgenommen, den die Internetplattform BookRix in Zusammenarbeit mit dem Verlag Monsenstein & Vannerdat ausgerichtet hat. Mein Kurzkrimi "Death on disorder" ist eine von 18 Kurzkrimis, die in einer Anthologie im Mai 2010 veröffentlicht wurden.


    Von diesem Forum erhoffe ich mir Anregung, Weiterentwicklung, Austausch, Hinweise, Tipps und jede Menge neue Kontakte, die mich meinem Ziel näherbringen, mit 50 einmal mit einem eigenständigen Krimi auf der "Criminale" gewesen zu sein. Den Hinweis auf das Forum fand ich übrigens im Uschtrin-Handbuch für Autorinnen und Autoren.


    Damit erst einmal genug von mir. Jetzt freue ich mich auf euch!
    Andrea Martini


    ASIN/ISBN: 3942153017