Beiträge von Marvin

    Hallo Achim,
    das Thema "Archetypen" ist für Schriftsteller sowieso superspannend. Die Phänomene, die C.G Jung beschrieben hat, sind zwar nicht wirklich Wissenschaft im engeren Sinne, aber einleuchtend erscheinen die meisten seiner Erklärungsversuche dennoch.
    Zumal für <hust> Künstler :D.
    Das hat vermutlich damit zu tun, dass er so schöne Begrifflichkeiten gewählt hat wie "großer Vater", "Held", "Persona", "Seelenkern" usw.


    Ich bin beileibe kein Spezialist in Archetypenlehre, würde aber bei den von dir angesprochenen Typen am ehesten an den Schatten denken. In dem Wikipedia-Artikel, den ich da verlinkt habe wird als Beispiel Mr. Hyde aus der Erzählung von Stevenson genannt.
    Auf jeden Fall ein Thema, das sich zu recherchieren lohnt.
    Gruß


    PS Und falls du nach Büchern zum Thema suchst, kann ich

    ASIN/ISBN: 3491401518


    empfehlen, weil es schön allgemeinverständlich die wichtigsten Konzepte erläutert. Und natürlich den Klassiker:


    ASIN/ISBN: 3491421357

    Zitat

    Bisher hab ich so 100 Seiten Konzepte, Szenenideen, Charakterbeschreibungen usw. zusammen (laut Marvin ist die kritische Masse damit erreicht ).


    Das ist nur Zweckoptimismus. Das habe ich mir nach zwanzig Seiten auch schon eingeredet... ;)

    Hallo Achim,
    das Gefühl, alles was man schreibt wäre ausgelutscht und langweilig, kenne ich auch. Ungefähr zur gleichen Zeit wie du hatte ich auch eine Phase, in der ich tausend Sachen angefangen und nach zwanzig Seiten wieder aufgehört habe, weil mir alles zu lahm vorkam. Inzwischen bin ich jetzt endlich wieder bei einem Projekt bei der "kritischen Masse" von 100 Seiten angekommen und fest davon überzeugt, dass ich es auch zuende bringen kann.


    Das Verrückte ist - wenn ich mir all die "lahmen" Anfänge von damals jetzt nochmal ansehe, dann gefallen sie mir eigentlich ganz gut. Ich bekomme geradezu Lust, sie zuende zu schreiben :D.


    Ich glaube, das Gefühl, alles was man da schreibt sei Mist, ist ziemlich verbreitet...


    Gruss
    Marvin


    PS


    Zitat


    Original von Topi


    Heute wäre ein Briefroman eine umständliche und verstaubte Sache.


    "Gut gegen Nordwind" kann ich sehr empfehlen. Ist auch ein Bestseller geworden. Es gibt nichts, was es nicht gibt. ;)

    Zitat

    Was haben eigentlich immer alle dagegen, wenn man sich mit der Sprache auseinandersetzt. Ich schreibe, weil ich das gerne mache. Und ich liebe die Sprache, weil sie so viel zu bieten hat, was ich heute noch nicht anzuwenden verstehe. Ich bin in einem Autorenforum. Manchmal kommt es mir so vor, als ob sich niemand an gewagte Konstruktionen traut - mag es sein, weil man sich dabei blamieren kann, mag es sein, weil die Vorstellung darin liegt, dass komplexe Sätze nicht massentauglich sind.


    Ich glaube, hier triffst du den Kern der Sache. Das ist meiner Meinung nach auch der Grund dafür, dass sich viele andere Schreiber von den Detailfragen so provoziert fühlen.
    Gekonnt mit der Sprache umgehen heisst nicht, triviale Dinge in komplexe grammatische Figuren zu stecken, bis am Ende kein Leser mehr versteht, worum es geht - es bedeutet vielmehr komplexe Sachverhalte so einfach auszudrücken, dass der Leser auch auf einer emotionalen Ebene möglichst sofort nachvollziehen kann, was gemeint ist. Manchmal - und das gebe ich gerne zu - sind die Dinge, die man erzählen will so komplex, dass es gut ist soviele sprachliche Pfeile im Köcher zu haben, wie möglich. Aber es ist Unsinn, sie nur zum Spass in die Luft zu schießen. (Ist nur ein mäßiger Vergleich, ich weiss :D)


    Auch Hochliteratur zeichnet sich dadurch aus, dass sie die Dinge klar und deutlich herausstellt. (Es sei denn, es soll etwas bewusst verschleiert werden)


    Ist zumindest meine Meinung.


    Marvin

    Auf- und eingestellt geht im Prinzip, auch wenn es wie ein müder Scherz klingt. Das Problem sehe ich aber woanders: Das Passiv klingt unnatürlich und distanziert. Schreibs aktiv oder lass es weg.

    Über das Thema "Charaktereigenschaften" ist schon viel gedacht und geschrieben worden. Ich mag in diesem Zusammenhang Fritz Riemann empfehlen - Grundformen der Angst

    ASIN/ISBN: 3497007498


    Das Buch hat zwar schon ein paar Jahrzehnte auf dem Buckel, vielleicht kommt es auch dem ein oder anderen etwas weitschweifig vor, aber es ist für den durchschnittlichen Forenbenutzer wahrscheinlich gut zu verstehen :evil und das Grundkonzept halte ich für sehr hilfreich, wenn es beim Schreiben um glaubwürdige Charakterkonzepte geht.

    An dieser Stelle noch ein Erfahrungsbericht von mir -


    An Pfingsten war es nämlich endlich soweit: Ich hatte mich seit Wochen mit "Red Mars" herumgequält und bin in meiner Verzweiflung schließ lich in eine (ich gestehe) Thalia-Buchhandlung gegangen. Als dann im Fantasy-Reagal 'Elbenzorn' ganz vorne stand, erinnerte ich mich an ein Versprechen, dass ich (mehr mir selber) anlässlich eines BTs gegeben hatte.


    Also kurz und gut - ich habe es gekauft und in zwei Tagen durchgelesen. Jaja - in meiner Jugend war ich ein echter Rollenspieler (in einer Zeit, in der man AD&D noch ohne Computer spielte) und ich habe mich schon lange nicht mehr so jung gefühlt wie bei der Lektüre dieses Romans. Über den Inhalt ist hier ja schon viel gesagt worden, ich möchte noch lobend die unaufdringliche Anwesenheit einer Bedeutungsebene hervorheben.


    Mein einziger Kritikpunkt ist, dass ich der Autorin den Gebrauch des Wortes 'durchaus' gerne verbieten würde, aber solche Haarspaltereien fallen nicht ins Gewicht angesichts einer gelungenen Gesamtkomposition von rund 500 Seiten.


    Und du kannst mir nicht erzählen, dass du das wirklich alles ohne Plotten geschrieben hast. nein. nein, das lassse ich mir nicht erzählen. :sulk

    Das ist eines meiner Lieblingsbücher. Ich kann zwar keinem deiner Punkte direkt widersprechen, aber ich bin bei Martin Suter immer wieder beeindruckt von der Präzision der meist kurzen Absätze und von seiner Fähigkeit, mit wenigen Worten viel zu sagen.
    Außerdem mochte ich das Neurologie-Grundthema seiner ersten Romane. Inzwischen ist er etwas weitschweifiger geworden und schreibt auch nicht mehr über organische Persönlichkeitsveränderungen, aber der Ansatz, Figuren zu präsentieren, von denen man sich als Leser wünscht, sie mögen sich weiterentwickeln, den behält er bei.
    Kurz und gut, ich hab sie alle gelesen und lese die nächsten auch :)

    Vielleicht sollte ich meine Frage hier auch noch einmal präzisieren.


    Romananfänge produziere ich tatsächlich schon etwa so lange ich denken kann. Aber vor einiger Zeit ist es mir tatsächlich geglückt - ich habe 340 zusammenhängende Normseiten zustandegebracht und konnte mit gutem Gewissen ENDE drunterschreiben. Ich war begeistert und habe mich gefragt, wie ich das eigentlich gemacht habe. Die Antwort war für mich: Ich hatte zum ersten Mal vorher intensiv geplottet.


    Leider hat sich herausgestellt, dass dies kein Patentrezept war. Auch plotten hat mir danach nicht geholfen. Und, dass meine Anforderungen zu hoch sind könnte tatsächlich ein wichtiger Punkt sein, es ist nur so, dass ich mich nicht schämen möchte, für das was ich fabriziere.


    Daher meine Frage: Plotten scheint mir zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine unumgängliche Voraussetzung (für mich) um etwas zuende schreiben zu können. Aber es ist offenbar nicht das einzige, was nötig ist.


    Und als kurzen Nachsatz: Zur Frage, ob meine Erstproduktion noch zur Reparatur taugt, oder mehr als Jugendwerk, über das ich später nur noch augenzwinkernd sprechen kann, werde ich im Mai den fachkundigen Rat der Ältesten - entschuldigung, der BT Runde einholen ;)

    Mann, das ist ja explodiert, hier! Danke für die vielen Rückmeldungen.
    Ich denke beinahe, dass Horst-Dieter dem Punkt sehr nahe kommt, der bei mir momentan mal wieder im Argen liegt -
    Wenn die erste Begeisterung verflogen ist, trotzdem weiterzuschreiben. Und dass mir viele von Euch berichte, dass es keine Versicherung gibt, die man vorher abschließenj kann, dass es diesmal aber auch wirklich gut geht ... das hilft mir schon auch. :)

    Wann ist der Moment, ein Großprojekt wie einen Roman in Angriff zu nehmen? Seit einem Jahr habe ich das Gefühl, hier permanent zu früh oder zu spät mit zu sein. Sprich - Romananfänge ohne Ende.


    Fange ich wild drauflos mit dem ersten Kapitel an, stecke ich nach einer Woche fest und habe keine Lust mehr. Schreibe ich erst den Plot, wird mir das Projekt zu fade, bevor ich die ersten Worte geschrieben habe.


    Und vielleicht liegt es auch ganz woanders dran: Wenn ich diesmal was zuende schreibe soll es besser sein als beim ersten Mal (ihr werdet schon noch sehen, was ich meine ;)) und alle Anfänge sehen irgendwie doof aus.

    Zitat

    Ich mag an Thrillern generell gerne Wissenschafts-Thriller, wie z. B. Michael Crichtons Bücher.


    Ich gebs zu - den mag ich auch. Obwohl der nun wirklich nicht tiefgründiger ist als Kerr. Zuweilen sogar politisch nicht mehr so ganz korrekt (siehe das klimakritische Hetzwerk 'state of fear').
    Trotzdem ist das irgendwie - sagen wir mal - stimmig.

    Zitat

    Weil hier im Vereinsbereich.


    Das hier ist Vereinsbereich? Dann bin ich wohl unbemerkt Mitglied geworden... Auch nicht schlecht. :D


    Stehen hier überwiegend solche Nachrichten drin? Ich muss zugeben, dass mir das um einige Dimensionen zu hoch ist...

    Glückwunsch! Ich selbst stehe da noch mit zwei Texten in der "Warteschleife".
    Gut zu hören, dass dort jemand aus diesem Forum erfolgreich war.

    ASIN/ISBN: 3499253127





    Ich muss hier jetzt auch mal ein Buch vorstellen und zwar vor allem, weil ich mich so geärgert habe.


    Ich hatte viel über das Buch gehört - zumeist positives - "ein philosophischer Thriller", "gut recherchiert", "viel Hirnforschung"... Das mag auch alles sein, es täuscht leider nicht darüber hinweg, dass das Buch in seiner Hauptsubstanz nichts weiter ist als ein Thriller. Und zwar ein schlechter.


    1992 erschienen spielt diese schmalspurphilosophische Verbrecherjagd in der damals nahen Zukunft von 2013. Die technischen Extrapolationen wirken heute zumeist lächerlich, vielleicht gerade, weil sie so dumm nicht waren. Sie liegen zumeist haarscharf neben der Wirklichkeit in 2010. "Piktofone" sind eine Art Bildtelefonhandy, RA ist der hier gebrauchte Begriff für das, was man heute wohl "Cyberspace" nennen würde.
    Vor diesem Hintergrund erzählt das Buch in einer oft schwammigen personalen Erzählperspektive die Jagd einer Polizistin auf einen Serienmörder, der der Reihe nach Männer umbringt, die sich in einem neurobiologischen Wissenschaftsprogramm als potentielle Mörder herausgestellt haben. Die Öffentlichkeit will den Killer tot sehen, die (natürlich) aufrechte Polizistin will ein Gerichtsverfahren. So weit, so vorhersehbar. Am gelungnsten sind wohl noch die Passagen, in denn der Mörder in der Ich-Perspektive seine Sicht der Dinge verbreitet. Hier hört man zumindest einer interessanten Erzählstimme zu, die in ihrer antisozialen Grundhaltung ("die Regeln der einfachen Leute sind für mich nicht gültig") bisweilen an die BTs von TWJ erinnert, sie aber bei weitem nicht erreichen kann (ganz echt).


    So können die ganzen Lockvögel, die dieses Buch für Bildungsbürger interessant machen könnten (Hirnforschung, Philosophie) nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich hier im Wesentlichen um einen schlecht geschriebenen Thriller handelt.
    Keine Ahnung, warum der sogar den deutschen Krimipreis gekriegt hat.

    Zitat

    Ich kann mir nicht vorstellen, dass es irgendeine bewusste Entscheidung gibt, die mehr Mut erfordert.


    Den Begriff "bewusste Entscheidung" finde ich hier problematisch. Das ganze Konstrukt "freier Wille" ist um einiges vielschichtiger, als es unserem Alltagsempfinden entspricht. Gerade für einen Suizid trifft der Begriff in den allermeisten Fällen nicht zu.
    Das (subjektive) Wegfallen von Alternativen gilt als das Kennzeichen des "praesuizidalen Syndroms" - ein Begriff, der zwar schon etwas veraltet ist, aber immer noch oft in diesem Zusammenhang genannt wird.


    Ob es soetwas überhaupt gibt - jemanden der kühl abwägt, was für Möglichkeiten er hat und sich dann bewusst dazu entscheidet aus dem Leben zu gehen, das sei einmal dahingestellt.


    Allerdings muss ich auch zugeben, dass ich große Probleme habe, diesen Suizid jetzt als beinahe erfreuliche Entwicklung anzusehen. Natürlich war der Mann in seinem (öffentlichen) Leben nicht gerade ein Sympathieträger, aber - Leute, ich bitte euch - er ist tot.