Beiträge von Judith

    Hallo Jochen,


    das ganze Buch stellt nur Tagebucheinträge, Logbücher und Briefe einander gegenüber, die Stimmen unterscheiden sich dabei so, dass die Figuren und die Ereignisse im Kopf entstehen, jedenfalls im Original (wie das bei den Übersetzungen aussieht, weiß ich mal wieder nicht). Wirklich spannende Technik.


    Liebe Grüße
    Judith

    Hallo Jochen,



    Zitat

    Original von JochenAlexander
    Dracula hat mich noch nie richtig zum Lesen verführt, irgendwie zu angestaubt, zu ausgelutscht, zu kommerzialisiert.


    Ehem, letzteres war zwar Stokers größter Wunsch, aber das Buch finde ich so was von nicht angestaubt mit seinen in einander verschränkten Schein-Quellen.


    Und den kleinen Vampir liebe ich.


    Liebe Grüße
    Judith

    Zitat

    Original von Michael H
    Hallo Judith,


    Dein Argument, dass das System im Ganzen nicht völlig ökologisch und gesund sein kann, ist nicht verkehrt. Es ist aber auch nicht ganz richtig: Zum einen würde es wesentlich besser gehen (wie steht im Buch von Foer). Zum anderen subventioniert die EU, soviel ich weiß, immer noch eine riesige Überproduktion, für deren Vernichtung sie wiederum jährlich einen zehnstelligen Betrag ausgibt. Und generell ist es schonmal gut, wenn sich die Leute Gedanken darüber machen, was sie eigentlich so konsumieren. Und wer weiß, was sich daraus für Ansätze für die Zukunft ergeben?


    Es ist noch viel schlimmer (habe ich gerade ein dejá vù?), die EU überlädt den nordafrikanischen Markt mit dem Hühnerfleisch, das sie hier nicht verkaufen können und zwar so günstig, dass die einheimischen Produzenten nicht verkaufen können. Konsequenz: Kauf deine Hühner beim Bauern um die Ecke, nimm die Butter aus der Gegend, kauf den Saft aus lokalem Anbau und in möglichst leichten Verpackungen sobald es nur irgend möglich ist finanziell und logistisch (BTW, bei uns sind die "Bio"eier da günstiger als beim Diskounter). Gackern hören kann man die hier auch nicht, Vogelgrippevorschriften haben sie in die Ställe vertrieben. ;(


    Liebe Grüße
    Judith

    Hallo Horst-Dieter,


    Zitat

    Original von Horst Dieter


    Verhungerte Rinder bei Biobauern sind keine Massenerscheinung. Eine Google Suche brachte da nicht unbedingt viele Ergebnisse. Keine Ahnung, wieso du das überhaupt als Argument bringst. Biobauern lassen ihre Tiere nicht einfach verhungern. Sie sehen die auch grundsätzlich als wichtigen Bestandteil ihres Hofes an und auch als Fleischlieferanten. Gedankenlose Massentierhaltung findest du auch bei uns ohne Anstrengung, verhungerte Biorinder musst du aber suchen. Nur mal zur Verhältnismäßigkeit.


    Horst-Dieter



    Ehem, dass war eigentlich der Versuch, zum Ausgangspunkt zurückzukehren, denn genau darum ging es ja in der Quelle, dass es als letztes Argument im Artikel auftrat und ziemlich durchschaubar die Argumente gegen die Massentierhaltung aushebeln sollte. Unter: Begriffe sind dehnbar. :D


    Da das Thema Massentierhaltung vs. Tierschutz ist und Michael gefragt hat, was das mit einander zu tun habe, sah ich es durchaus für angemessen an, zu sagen, dass ich jeden Widerspruch zu ungunsten des Tieres missbillige, auch solche die aus bestem Willen geschehen, sich in ihren Auswirkungen für die Tiere aber nicht von denen der üblichen Übertretungen unterscheiden.


    Edit: Und nicht mal in der Haltung dem Tier gegenüber, das sich im Regel- wie im Einzelfall einer menschlichen Vorstellung unterzuordnen hat, bis es nicht mehr geht.


    Liebe Grüße
    Judith

    Hallo Siempre,


    mir ist klar, dass es hier keine Bewegung geben kann, weil es wieder einmal um das ureigenste Selbstverständnis geht, aber .ich fasse eine Lebensdauer, die uns überhaupt erlaubt, diese Krankheiten auszuprägen, als Geschenk auf.


    Nicht das es gerecht wäre, dass ich nun zu denen gehöre, die das können, in keiner Weise, aber ich fühle mich deshalb auch nicht schuldig. Es hätte - und kann immer noch jederzeit ganz anders kommen.


    Liebe Grüße
    Judith

    Hallo Michael,
    hallo ihr Lieben,


    so einfach ist es eben nicht für eine Gesellschaft oder noch komplexere Systeme, wie der einzelne lebt, bleibt ja ihm selbst überlassen - solange wie Sabine schon richtig anmerkt, überhaupt die Möglichkeit dazu besteht und dass die nicht überall besteht, hält meine Biokiste für mich bezahlbar, denn so viel extensiv angebautes Gemüse kann gar nicht produziert werden, um auch nur alle Deutschen damit zu versorgen.


    Denn es führt kein Weg daran vorbei, dass.auch Gemüseanbau Ressourcen und Flächen verbraucht, besonders da, wo eigentlich extensive Viehwirtschaft ohne größere Mengen an Dünger und Insektizide auskommt, weil es ein selbsttragendes System sein kann, wenn man es richtig anfängt. In einer idealen Welt, kann man Raps anbauen und Biosprit erzeugen, dabei den Boden für Legominosen auflockern, die ihn dann Düngen, bevor Mittelzehrer gepflanzt werden und dann wieder Raps. In einer Idealen Welt können Teile von Wäldern zur Hude genutzt werden, etc, aber die Erträge werden definitiv sinken, der Mangel wird sich verstärken, es sei denn, der Ertrag der einzelnen Pflanze wird durch Zuchtwahl weiter erhöht.


    Und satt werden war noch nie alles für Menschen. Dazu spielen wir zu gern, dazu brauchen wir auch die Reize jenseits von Schlafen und Sattwerden wie manche andere Species eben auch.


    So mühsam das ist, es gibt keine monokausalen Grundlagen für komplexes Handeln. Nimm das Fleisch weg und du verbrauchst Ressourcen, um es zu ersetzen. Nimm den Dünger weg und du hast ein Ertragsproblem. Benutze keine Insektizide und du verschiebst nicht nur die Populationen, sondern endest wieder bei einem wesentlich verringerten Ertrag. Betrachte das System mit Sachverstand und möglichst ohne Emotion und du findest vielleicht die Stellschrauben, die eine erste Verbesserung ermöglichen.


    Ich sage nicht, dass das einfach ist, aber Betroffenheit ist immer ein schlechter Ratgeber, wenn man Systeme betrachtet. Moral zumindest bei der Bestandsaufnahme auch, die kann erst bei der Entscheidungsfindung eine Rolle spielen..


    Liebe Grüße
    Judith

    Hallo Horst-Dieter,


    da rennst du mal wieder offene Türen ein. Nein, man muss diese Auswüchse nicht dulden, aber einen Königsweg für die Lösung gibt es nicht. In in einem Land wie unseren ist die Abstimmung per Kaufverhalten noch die effektivste Möglichkeit. Und wenn man da zur Minderheit gehört, muss man halt hartnäckig bleiben.


    Aber grundsätzlich formt der Mensch, auch als Jäger und Sammler, seine Umwelt, auch Australien war schon vor den Europäern seit Jahrzehnttausenden eine Kulturlandschaft, denn zum Jagen gehört auch das Sammeln, zum Hunger die Ausbildung von physiologischen Besonderheiten, um mit dem regionalen Nahrungsangebot umzugehen. Leider verlieren wir die meisten gerade.


    Die Sache mit den verhungerten Rindern bei Biobauern fällt dabei aber für mich tatsächlich in die gleiche Kategorie wie die gedankenlose Massentierhaltung. Die Produzenten stellen die Bedürfnisse des Tieres hinter die eigenen Vorstellungen von dem, was optimale Haltung ist. Aus welchem Motiv heraus das geschieht, ist für mich unerheblich, beides muss vermieden werden. Und ja, extensive Produktion ist teurer und wird zur Reduktion des Verbrauches an derzeit üblichem Fleisch führen, wenn sie als einziger Weg festgelegt würde, aber ersten hat sich viel getan in all den Jahren, und zweitens glaube ich, dass ein erkanntes Problem auf die Dauer auch gelöst wird.


    Und ja, natürlich verhungern Wildrinder in schlechten Jahren, das gehört in die Planet/Leben-Beziehung, aber Tiere in Obhut müssen das nicht, wenn man seinen Pflichten nachkommt. Und da mache ich in der Tat keinen Unterschied zwischen Bio- und konventioneller Haltung (wobei die bei uns mit den vielen mittelständigen Betrieben gar nicht so schlimm ist wie das in anderen Regionen Deutschlands oder der Welt sein könnte). Beides vernachlässigt die Bedürfnisse der Tiere, die noch dazu umso so besseres Fleisch geben, je glücklicher sie im Leben waren. Beides ist ab einem gewissen Level kriminell.



    Liebe Grüße
    Judith

    Hallo Siempre,



    Zitat

    Original von siempre
    es würde schon reichen, drastisch zu reduzieren. und - es ist ja nicht nur das fleisch, das gnadenlos vermarktet wird - das ganze tier ist ein produkt. milchkühe - fürchtbar. einemal gekalbt, bis zum geht nicht mehr ausgesaugt. dabei ist milch nicht annähernd so gesund, wie behauptet. leder - für schuhe, mäntel, jacken, ... etc. pp. und dann - land, das für futter der tiere reserviert ist und gleichzeitig hungern menschen. bekloppt das alles und gnadenlos. wie gut ginge es der erde ohne uns!


    Das mit dem Land und seiner Nutzbarkeit hatten wir schon mal. Nicht jedes Land eignet sich für landwirtschaftliche Nutzung, Tiere dagegen können auch solche Pflanzen verwerten, die auf Flächen wachsen, die für die Produktion von menschlicher Nahrung völlig ungeeignet sind.


    Und alles von einem Tier zu nutzen, das/wenn wir schon töten, finde ich richtig. Ich hätte halt gern auch mal wieder Kuhfleisch auf dem Teller, aber dann steigt wegen der längeren Zubereitungszeiten unweigerlich der Energieverbrauch.


    Und ehem, dieser Planet hat ziemlich lange ohne uns auskommen können, Massenaussterben von 99,99 % der Arten in wenigen Jahrhunderten inklusive. Es wär halt ein anderer Planet mit anderem Leben, das sich frisst und gefressen wird, neue Umweltbedingungen schafft, sich anpasst oder vergeht, selbst wenn mal eine längere Zeit keine großen Steine vom Himmel fallen.


    Ich weiß, ich bin fies und scheinbar zynisch. Aber letzteres stimmt nicht. Ich denke nur, dass wir uns mit ein paar Tatsachen abfinden müssen, dazu gehört es, dass das Leben sich jeweils seine eigene Bedingungen schafft, und desöfteren dabei bestimmte Formen hinter sich lässt. .Mitunter fast alle, aber bisher hat es so ziemlich alles überstanden, was dieses Universum zu bieten hat und das macht doch gewaltig Hoffnung.


    Liebe Grüße
    Judith

    Zitat

    Original von Tom


    Krepiert mit dreißig. Nur dann wird die Welt gut.


    Wär's so einfach, das wäre eine Wahl, die wir für andere treffen. Bestimmt für die nachfolgenden Generationen, dass sie die Bevölkerungsdichte der frühen Bauern nicht überschreiten werden (inkl der entsprechenden, wenig menschlichen Methoden zur Geburtenkontrolle) oder noch besser die, der späten Jäger und Sammler, als die großen Beutetiere bereits ausstarben (und die Menschen nicht mehr so lang waren, wie zuzeiten des Großtierparadieses, trotzdem noch immer fleischversessen) und Nahrungsproduktion gerade noch kein Problem war, aber der Planet ziemlich versessen darauf, mal wieder die artgerechtete Haltung des Lebens zu ändern (die fiesen Brocken aus dem All, die da noch durchsetzungfähiger waren, lasse ich mal außen vor, und von Gammablitzen, die vielleicht seit ein paar Jahrhunderttausende auf uns zurasen, schweigen ich). Eines muss uns klar sein, Umwelt-, Tier- und Pflanzenschutz gelten nicht denen, die angeblich geschützt werden sollen, sondern der Erhaltung unserer eigenen Spezies.


    Das ist legitim und nötig, aber zu glauben, wir könnten existieren, ohne im Netz der Nahrungsketten verankert zu sein und seinen Gesetzen zu unterliegen, zu denen auch die Wirkung von Massenaussterben gehört, ist ein bisschen naiv IMHO. Was uns nicht der Verpflichtung enthebt, die Dinge zu verbessern, dafür haben wir diese Ding in der Hirnschale, dass uns die Ausbreitung erst ermöglicht hat. Aber es wird immer eine Gradwanderung zwischen Gemeinwohl und individuellem Glück bleiben, so wie es auch sonst beim Leben so ist. Und sobald Moral hinzutritt auch eine Frage des Umgangs mit der eigenen unvermeidlichen Schuld. :evil


    Zitat


    Shit. Jetzt habe ich ja doch noch was gesagt.


    What you say. Aber eine Antwort muss ich noch loswerden.


    Und ja, das ist natürlich nur meine, ziemlich politisch unkorrekte Meinung.


    Liebe Grüße
    Judith

    Hallo Andy,
    hallo ihr Lieben,



    Tut es das? Gewöhnlich entwickeln Menschen in enger Beziehung einfach ihre eigene Sprache, einfach weil es notwendig ist, das müssten sie auch bei einer Einheitssprache dann tun, wenn sie dort verschiedenen Sprechergruppen angehören oder wenn ihre Konzepte hinter den vereinhetlichten Buchstabenkombinaitionen (BTW welcher Glyphensatz darf es denn sein?) und Lauten zu verschieden wären und sei es Mumbleleeze. (-:


    Wie gesagt, die Vorstellung mag viel für sich haben, aber ich zweifel an ihrer grundsätzlichen Umsetzbarkeit.


    Liebe Grüße
    Judith

    Hallo Andy,


    Zitat

    Original von Andreas Dietz
    Hallo




    Judith: Ich bin geneigt, ein Paradox zu vermuten. Wenn ich deine Auslegung richtig interpretiere, so forderst du für Gedankenvielfalt gegenseitiges Unverständnis (eine kleine Unterstellung, die du so nicht formuliert hast, ich aber gerne mit einem kleinen Stachel genau so auslegen möchte). Zugleich ist aber gerade die Kommunikation der notwendige Faktor für die Übermittlung unterschiedlicher Gedankenkonstruktionen. Ich glaube auch nicht, dass Vielfalt durch unterschiedliche Sprachen entsteht, sondern durch die bestehenden Verhältnisse der Örtlichkeiten und ihre Gebräuche. Meines Erachtens liegt die unterschiedliche Bewertung einer ‚Sache an sich‘ nicht in der Sprache verankert, sondern ist sprachunabhängig (*1) auf die Erfahrung des Betrachters zurückzuführen.


    Ich fordere eigentlich gar nichts. Ich beschreibe nur, den in der Tat paradoxen Zustand, dass es gegenseitiges vollkommenes Verstehen nicht geben kann und wir trotzdem die Sprache, mit denen unser Denken bis hin zu den neuronalen Verknüpfungen geformt wird, brauchen, um uns verständlich zu machen, auch denen gegenüber, die solche Verknüpfungen über andere Systeme aufgebaut haben.


    Es gibt durchaus Ebenen des Denkens, die non-verbal sind, aber um sie allein schon uns selbst zu "kommunizieren" müssen die meisten Menschen verbalisieren. Das tun sie in der Sprache, mit der sie aufwachsen. Selbst bilinguale Sprecher, denen man keine Akzent anhört, rechnen normalerweise in ihrer Muttersprache.


    Wie soll es da Bewertungen geben, die nicht Sprache zugeordnet werden, so lange wir nicht gezwungen aus Mangel an Sprachfähigkeit Ersatz zu suchen. Und selbst da sind die den Zeichen zugeordneten Bedeutungen frei wählbar. Und ja, natürlich entsteht allein daraus Vielfalt, denn was uns umgibt entsteht für uns in dem Moment, wo die von der Sensorik aufgenommenen Information integriert und verarbeitet werden. Davor sind Bilder nur Photonen, die Rezeptoren reizen, Töne nur Wellenlänge und Amplitude, Bewegungen Dopplereffekte und Lichtreize.


    Unter der Voraussetzung, dass Bewertungen schon vor der Verbalisierung entstehen, müssten Menschen ohne solche Fähigkeiten besonders präzise mit einander kommunizieren können. Aber selbst in den Zeichensprachen gibt es extreme gruppenabhängige Unterschiede und nicht einmal ein Esperanto. Die, die es mal gegeben hat, sind verschwunden, aber sie waren auch immer nur Händlersprachen, niemals dazu gedacht, über die ganze Bandbreite menschlichen Lebens zu kommunizieren.


    Nehmen wir diese schlichte Buchstabenkombination:


    H A U S


    Wenn du das liest, wirst du ein Bild oder ein Konzept haben, aber nicht wissen, welches Bild oder Konzept ich gehabt habe, als ich sie schrieb oder aussprach:.


    Walm-,Wellblech-, Spitz-, Flach- etc-dach, Holz, ZIegel, Lehm, Papier, Plastik als Baustoff, ein bis hundert Zimmer, Türme oder nicht. All das deckt noch nicht einmal den Bruchteil des Bedeutungskontinuum dieser Kombination innerhalb der Gruppe der Sprecher ab, deren Muttersprache deutsch ist und die in diesem Moment leben.


    Deshalb gibt es keinen ein-eindeutigen Austausch von Informationen außerhalb von extremen Fachsprachen wie z.B. der Formelsprache der Mathematik und Physik.


    Welchen Vorteil also böte eine Einheitssprache, wenn sich die Konzepte dahinter nicht vereinheitlichen lassen und davon gehe ich tatsächlich aus. Selbst wenn auf der ganzen Welt die Kombination gleich wäre, die Konzepte dahinter unterschieden sich noch immer. Die Verständigung wäre nicht wesentlich erleichtert, wenn man nicht auch die Bedeutung dahinter so eindeutig definiert, dass die gleichen Bilder in allen Sprechern entstehen. Die Wahrscheinlichkeit dafür ist enorm niedrig IMHO.


    Und selbst wenn das für einen bestimmten Zeitpunkt innerhalb der Geschichte gelänge, würde dieses Konstrukt nur wenig später wieder zerfallen, weil es innerhalb von isolierten Sprechergruppen immer wieder zu Bedeutungsverschiebungen kommen würde.


    Und sobald das geschieht, wie in deinem Beispiel mit den Pilastern, gibt es die Einheitssprache schon nicht mehr, denn eine kleinere Sprechergruppe versteht unter dem Begriff etwas anderes als andere. Träfen solche Gruppen aufeinander, bräuchte es schon wieder eine Verständigung über die genaue Bedeutung. Damit ist der eigentliche Kern, der für eine Einheitssprache spräche, dahin. Und die damit einhergehenden Anstrengungen verpufften ohne Nutzen.


    Aber ich bezweifle tatsächlich, dass sich die Einheitssprache überhaupt einführen ließe, denn wir lernen unsere Muttersprache über das Zuhören (und bei Sprachdefiziten über Ersatzzeichen) in direkten Kontakt mit den Menschen, denen wir während der frühen Kindheit am nächsten sind. Die wären aber keine Muttersprachler, machten die entsprechenden Fehler und tradieren sie so an die nächste Generation, bei denen sich diese Fehler manifestieren und die sie dann - zusammen mit allen Eigenheiten der anderen Sprechergruppen, mit denen sie in ihrem Leben zu tun haben - an ihre Kinder weitergeben usw.


    Zitat


    *4 Ich gebe einer Einheitssprache tatsächlich den Status einer Evolution, da sie generationsübergreifend einen Teil menschlicher Entwicklung darstellt.


    Dummerweise sehe ich keinen Selektiondruck in diese Richtung und um nicht missverstanden zu werden, ich meine tatsächlich den biologischen TT damit, der beschreibt, dass alle die Dinge, die nicht zum Tod des entsprechenden Individuums vor der Geschlechtsreife führen, sich auch innerhalb einer Population erhalten. :evil


    Im Ernst, gäbe es tatsächlich einen evolutionären Druck in diese Richtung, hätte der längst zugeschlagen und sich im System Mensch manifestiert. Aber alles, was wir mitbekommen haben (egal von wem oder was) ist die Fähigkeit, willkürliche Beziehung von Zeichen und Bedeutung herzustellen und ihnen über Konventionen eine gewisse allgemeinere Verständlichkeit zu geben, die einen Austausch, aber eben keinen 100% Abgleich ermöglichen. Und das ist gut so, denn alles, was starr ist, wird von der Entwicklung überholt.


    Liebe Grüße
    Judith

    Hallo ihr Lieben,


    Zitat

    Original von Andreas Dietz


    Ich möchte hier nicht über Kosten oder die Möglichkeiten einer Umsetzung diskutieren. Vielmehr interessiert mich, ob ihr - und das ist gerade für Autoren, die ihre Sprache zu lieben und anzuwenden gelernt haben eine nur schwer anzugehende Hürde - ob ihr euch mit der Idee einer Einheitssprache anfreunden könntet; und somit zu einer grundlegenden Veränderung zu Gunsten der Zwischenmenschlichkeit bereit wäret.



    Um hier überhaupt mit der Überlegung zu beginnen, kommen wir aber IMHO um die Frage der schieren Möglichkeit zur Entwicklung einer Einheitssprache gar nicht erst herum. Dass ich die für kaum möglich halte, habe ich ja schon gesagt, selbst wenn Lexem und Grammatik festen, unveränderlichen Regeln unterworfen wären, so würde die Wörter und Sätze in diesen Regeln gesetzt, aber die Bedeutung würde sich innerhalb der verschiedenen Gruppen doch in relativ kurzer Zeit zumindest auf einigen Ebenen unterscheiden. Subtext ist ja keine Erfindung der Literatur, sondern wird nur darin gespiegelt. Dieser Spieltrieb des Menschen ist durch noch so gute Absichten IMHO nicht auszuhebeln. Das haben viele auch schon versucht, mit dem Erfolg, dass die Schriftsprache erstarrte, die orale sich entwickelte und Autoren sich anderen, lebendigen Sprachen zuwandten, die ohne solche Beschränkungen auskamen (Niedergang der gälischen Erzähltraditionen).


    Der Wunsch nach widerspruchsfreier Kommunikation ist auch uralt, aber erfüllbar scheint er deshalb nicht, weil es bedeuten würde, dass Bedeutung und Zeichen eine ein-eindeutige Zuordnung haben könnten, die für alle Menschen gilt. So funktioniert aber unser Gehirn nun mal nicht. Nicht einmal die Bausteine, aus denen es sich zusammensetzt, sind unveränderlich, geschweige denn, die Art, wie diese Bausteine interagieren, wie Verknüpfungen aufgebaut werden. Und wenn das schon nicht stabil ist, wie soll es Sprache sein?


    Ich glaube nicht, dass die nationale Identität das Hindernis darstellt, sondern "das Problem" in der individuellen Wahrnehmung beginnt, die sich in jedem Menschen, egal in welchen Sprachen er sich innerhalb seines Lebens äußert, unterscheidet. Das ist auch der Grund, warum jeder Text bei jedem Lesen neu entsteht. Selbst wenn wir also bereit wären, alles zugunsten einer Einheitssprache aufzugeben, wäre "das Problem" nicht aus der Welt. Nach spätetes der ersten Nutzung träten neue Bedeutungen dazu, je nachdem, in welchem Konventionsumfeld sich die Sprecher bewegen.


    Die Bibel macht aus der Vielfalt eine Strafe, ich wie gesagt empfinde sie als Möglichkeit, die Welt anderen dennoch zu erschließen, in alle individueller Identität und Kreativität, nur gehört auch die Erkenntnis dazu, dass nichts so beim anderen ankommt, wie es im eigenen neurologischen Netzwert entstanden ist und dieser Unterschied um so größer wird, je weiter die Sprecher von einander entfernt sind und je weniger die Konventionen, denen man sich unterwirft, der direkten Kontrolle der non-verbalen Zusatzinformationen unterliegen.


    Das alles zusammengenommen führt dazu, dass ich gewiss nicht bereit bin, meine sprachliche Identität aufzugeben, lange vor der Entscheidung für oder gegen eine Einheitssprache.


    Etwas anderes ist die Sicht auf sprachliche Defizite. Ich habe mal "gymnasiale" Deutscharbeiten aus den ersten Jahrzehnten des letzten Jahrhunderts untersucht, mit der erstaunlichen Erkenntnis, dass die Fehlerquotienten relativ hoch lagen, von den Textkörpern aus anderen Schulformen ganz zu schweigen, aber gar nicht als so extrem angesehen wurden.


    Einige Tippfehler pro Seite im geschäftlichen Verkehr der obersten Ebene (also solche, die nicht korrigiert wurden), wurden nicht als störend empfunden, was sich in manchen Autorenrichtlinien noch heute findet, Kommunikation auf der Produktionsebene unterlag keinerlei orthographischer Kontrolle, weil die rechte Schreibung einfach unwichtig war. Plötzlich aber muss auch ein Lagerist die Namen der zu lagernden Gegenstände perfekt beherrschen, weil sie sonst in der virtuellen Welt verloren gehen. Dabei wird vernachlässigt, dass im beschränkten Vokabular die Mustererkennung eine viel größere Rolle spielt als in der umfassenden Kommunikation. Die Testverfahren aber auf letztere ausgerichtet sind.


    Schriftsetzer konnte lange genug häufig gar nicht lesen, sondern arbeiteten nur über die Mustererkennung (was gute Korrektoren oder Datenerfasser auch tun). Niemand würde ihnen mit den heutigen Testverfahren überhaupt zutrauen, in die Nähe einer in Deutschland stehenden Druckmaschine zu kommen (dass die chinesischen Setzer deutscher Texte genauso arbeiten, wird dabei außen vor gelassen).


    Der eigentliche Wandel hat IMHO gar nicht in den Fähigkeiten stattgefunden, sondern a. in ihrer Wahrnehmung und b. in der Bewertung der Nützlichkeit für die verschiedenen Produktionswege.


    Dass sie heute im geschäftlichen Umfeld so deutlich zu sehen sind, liegt IMHO nicht, jedenfalls nicht nur oder in erster Linie darin, dass weniger Menschen die Sprache beherrschen, als darin, dass die eine Gruppe von Fachleuten wegrationalisiert wurde, denen explizite Fähigkeiten auf den Gebiet der rechten Schreibung lag und die früher zwischen Sender und Empfänger von Nachrichten standen: Schreiber. Plötzlich werden die schriftlichen Fähigkeiten der Menschen viel sichtbarer, die früher auf die eigenen Fachgebiete "beschränkt" waren und damit entsteht die Notwendigkeit, dass auch sie (gleichgültig ob sie Setzer, Schriftsteller oder Schiffbauingenieur sind) nach ihren schriftlichen Fähigkeiten beurteilt werden. Und auf einmal entstehen da Defizite, wo sie früher gar nicht aufgetreten sind. Und das Gefühl, dass sie früher nicht da gewesen seien.


    Was so nicht stimmt. Einstein war in milden Maße dyscalculativ und sicher in größerem Maße dyslektisch, Bor war letzteres in einem Maße, dass er schon in der Schule seine Hausaufgaben diktierte (und diktieren durfte), unter den Schriftstellern finden sich auch genug Menschen mit solchen Störungen, die die physischen Verknüpfung von Schriftzeichen und Bedeutung betreffen. Was kein Wunder ist, wenn man bedenkt, wie jung diese Form der Kommunikation ist.


    All das räumt eine Einheitssprache nicht aus dem Weg. So wenig, wie den Hang des Menschen, das Frühere zu glorifizieren, einfach deshalb, weil es den Wunsch nach eben dieser ein-eindeutigen Zuordnung von Bedeutungen an dem einen Ort zu erfüllen verspricht, der unerreichbar bleiben kann.


    Liebe Grüße
    Judith

    Hallo ihr Lieben,


    der Traum von der Einheitssprache, die über die Funktion von rudimentärer Verständigung bis hin max. zur Verkehrssprache hinausgeht, ist, glaube ich eine Utopie oder vielleicht sogar eine Dystopie. Sprache, egal wie sie beginnt, ist nicht statisch und kann es auch gar nicht sein, weil sie sich den verschiedenen Umständen, in denen sie gebraucht wird, anpassen muss und auch immer mehr als eine Bedeutungsebene haben wird.


    Es fängt schon damit an, dass die Zuordnung von Zeichen und Bedeutung nur auf Konventionen beruht und die ändern sich von Gruppe zu Gruppe.


    Aber ich denke, es geht auch einfach unglaublich viel Denkmöglichkeit verloren, mit jeder Sprache die wir ausrotten. Gerade weil sich die Bedeutungen und vor allem die Bedeutungsbandbreiten unterscheiden, lassen sich Ideen anders verbalisieren und auch ein Stück mit anderer Bandbreite fassen.


    Vielfalt einzubüßen finde ich immer bedenklich.


    Außen vor gelassen einmal, dass auch die neuronale Zuordnung von Zeichen und Bedeutung willkürlich und individuell ist und man damit nicht einmal zwischen eineiigen Zwillingen davon ausgehen kann, dass sie den Zeichen eine Bedeutung zuordnen, die absolut identisch ist.


    Das ist die eine Seite, die für mich dafür steht, dass sich gerade Autoren keine Einheitssprache wünschen sollten.


    Auf der anderen Seite steht die alte Tradition der lingua franka in all ihren oralen und haptischen Inkarnationen. Aber auch hier kann man (von Ausnahmen wie dem Maori, das seine grundsätzlichen Strukturen bis zur Ankunft von Tasman angeblich bewahren konnte, über Australien mit einer ziemlich ausgefeilten Handzeichensprache als lingua franka, bis hin zu Papua NeuGuinea mit seiner babylonischen Sprachenvielfalt abgesehen) gewöhnlich die Entwicklung von Pidgin über Kreol zu Dialekt oder Sprache innerhalb weniger Generationen beobachten.


    Menschen ticken offensichtlich so, dass sie als Gruppe eigene Codes entwickeln (und nicht nur Menschen, selbst nicht nur Primaten oder Meeressäuger, auch bei anderen Gruppen würde ich mich nicht gegen die Freiheit der Zuordnung von Zeichen und Bedeutung festlegen) und diese erst im Kontakt miteinander zu verschmelzen beginnen. Wie viel von welcher Sprache dabei erhalten bleibt unterliegt so vielen Variablen, dass ich mich nicht traue, Muster darin zu erkennen. Aber das derzeit so wohlfeile Gejaule vom Untergang der deutschen Sprache ist schlicht falsch, es gab ganze Zeitalter, in denen hier von den gebildeten Schichten eben überhaupt kein Deutsch gesprochen wurde. :evil


    Natürlich gibt es Schriftsprachen, die ein sehr viel konservative Entwicklung als Sprache der Schrift nehmen (arkadisch, sumerisch, Latein, Hoch-Arabisch, Chinesische Zeichen in vielen asiatischen Glyphen getragenen Sprachen, aber dort, wo es sich um lebendige, dem Alltag zugewandte Formen handelt, ist der Wandel ebenso hartnäckig wie unvermeidlich. Und ich finde das auch gut so. Das hat nichts mit Nationalstolz zu tun, sondern tatsächlich mit einer tief in die Denkstruktur hinein reichenden, gleichwohl in allen Ausformungen völlig gleichwertigen Identität des Individuums zu tun. Und nein, das ist auch nicht politisch korrekt gemeint, sondern einfach so, dass wir viel verlieren, wenn wir Angst vor den Möglichkeiten haben und den daraus resultierenden Schwierigkeiten.


    Liebe Grüße
    Judith

    Hallo Horst-Dieter,


    Zitat

    Horst-Dieter schrieb:


    Ja, und das Zobeltitz, zwar ein vielgelesener Autor seiner Zeit war, aber nicht zuletzt seine handwerklichen Schwächen ihn nicht über diese Zeit hinaus gerettet haben, dass ist auch schön gesagt. Und das ist heute nicht anders. Besieht man sich viele aktuelle Autoren näher, dann lässt sich leicht erkennen, welches Werk den Autor vermutlich nicht überleben wird.


    Autsch, ja meine blödes Hirn hat die ganze Zeit den Titel mit dem Autor gleichgesetzt, kommt von zu viel Textarbeit in den letzten Wochen. :bonk


    Ich hoffe, das es so ist, aber Tradierung ist ein Lottospiel, so manches Gute dürfte auf lange Sicht einfach dem Zufall zum Opfer fallen, so wie so manches Schlechte dann doch überlebt. Dabei sind 100 Jahre einfach ein sehr kurzer Zeitraum.


    Liebe Grüße
    Judith, die zu gerne Aristoteles Sicht auf die Komödie lesen würde, wobei auch bei dem sich durchaus solche Autorenbeschränkungen finden wie bei Zobeltitz, sobald es um die Rolle der Frau im Drama geht.

    Otto versuchte, sich über das klar zu werden, was seit seiner Rückkehr aus Dombrowka geschehen war. Er hatte zuerst den Oheim gesprochen und dann Supan gerufen. Von diesem Augenblick ab war er bis zu dem Moment, da er den Tod des Alten entdeckt hatte, nicht mehr am Bette Zloczews gewesen. Er hatte im Vorzimmer im Lehnstuhl geschlafen. Wollte man in das Schlafgemach des Oheims, so mußte man das Vorzimmer passieren, und Grätz wäre, da er nur in leichtem Halbschlummer gelegen, in diesem Falle ohne Zweifel erwacht. Es blieb nur noch die letzte Annahme übrig, daß Supan den Alten erwürgt oder erstickt hatte, während er bei ihm war, um ihm ein Glas Rum zu geben. Während dieser Zeit aber hatte Otto nicht geschlafen, sondern wach im Lehnstuhl am Fenster gesessen. Wäre die That geschehen, so hätte er wenigstens ein leises Röcheln hören müssen. Supan war indessen ruhig wie immer aus dem Zimmer des Kranken getreten. Es war unmöglich. Supan war ein roher alter Kerl, aber dem Rittmeister immer treu ergeben gewesen. Ein Racheakt konnte nicht vorliegen, noch weniger ein Raubanfall, denn der Oheim führte niemals bar Geld bei sich, und auch das Schlüsselbund unter seinem Kopfkissen hatte Grätz richtig vorgefunden und an sich genommen.


    Ws zwischen diesen beiden Zeigern für den allwissenden Erzähler steht, könnte genauso innerhalb eines rein personalen Erzählers gesetzt werden. Dadurch, dass es aber an den AE geknüpft wird, vereinnahmt diese Rückblende auch dessen Wahrheitspflicht. So entsteht nicht nur für Otto, sondern auch für den Leser ein nicht lösbarer Widerspruch. Das interessante daran ist, dass trotzdem nicht der AE daran leidet, sondern nur Ottos Glaubwürdigkeit. Das liegt nicht an bestimmte Wörtern oder Fügungen, sondern einfach an der Konvention, dass ein AE nicht lügt, sondern verlässlich bleibt. Eine Konvention die heute nicht mehr so große Wirkung entfalten dürfte wie zur Entstehungszeit des TExtes.


    Es folgt der Expertenstreit, auch heute noch ein probates Mittel Fährte um Fährte zu legen, dann der Blick auf die Zuschauer der Untersuchung. Handlungspannung wird herausgenommen, als Jadwigas Lebensgeschichte erzählt wird und gleichzeitig Spannung durch weiteren Informationsvorsprung für den Leser aufgebaut, nämlich das ihr Vater in aller Verkommenheit auf schräge Weise nur ihr Wohl im Sinn hat.


    Weitere Meander folgen, auch der, dass das Gericht nicht wirklich an die Schuld eines Mitglieds ihres Standes glauben mag. Der Kreisphysikus, ganz Ritter der Moderne, ändert seine Taktik, als Eid gegen Eid steht, beinahe mittelalterlich, weil jetzt plötzlich die Eidkraft zuschlägt. Aus dem Mord wird Todschlag. Der auf alle Fälle Sapan entlastet, denn er hätte nie hören können, ob der Onkel um Hilfe ruft.


    Jetzt kommt also auch der physische Raum ins Spiel, Entfernung wird zur Sicherheit, Nähe zur Bedrohung.


    Der Kreisphysikus unterschätzt die alten Bindungen und Ottos Verzweiflung, steht plötzlich selbst unter Anklage, weil preußische Unbestechlichkeit in Form des Amtsgerichtsrat den Kopf hebt und ihn die Schranken seines Amtes verweist. Noch ein Raum, der eng begrenzte Mauern hat, an die man nicht rühren sollte. Die Bestrafung des Antagonisten rückt in die Nähe des Möglichen.


    Dann findet sich der Knopf. Die Eidfähigkeit wird auf den Kopf gestellt, weil sich auch die alte Ständeordnung nicht dem Offensichtlichen entziehen kann. Eigentlich hat sich die Situation nicht geändert, noch immer stehen Aussage gegen Aussage, aber allein die Tatsache, dass plötzlich etwas Handfestes, Berührbares da ist, kippt die Haltung der Agierenden, während der AE die Leser mit einer Erklärung bedient, die uns heute offener erscheinen wird, als sie eigentlich einmal funktioniert hat. Denn der AE ist nun verlässlich in dieser Zeit. Während also die Figuren Otto plötzlich als Schuldigen sehen können, räumt der Erzähle diese Bedenken beim Leser aus.


    Erst hier also setzt er auf die heroische Wirkung des unschuldig Verdächtigten, kein Wunder, weil gleich die Horoine ins Geschehen eingreifen wird. Aber so ganz traut der Text der Tragfähigkeit seines Twists nicht, also sichert er ihn noch einmal durch eine Bewertung des AE ab (als ein seltsames Geschehniß eintrat, das der ganzen Angelegenheit eine unerwartete Wendung gab.) Ein Stilmittel, dass heute so durchbar ist, dass die Leser es übelnehmen und ich bin mir nicht sicher, ob das nicht auch damals schon so war.


    Nicht zu übersehen sind die alten Vorurteile der beiden Völker, die sich seit den Deutschrittern um diese weite Landschaft gestritten haben, ob absichtlich oder nicht, zeigt der Text, dass es auch immer das Vorurteil der Gruppe gegenüber handelt, von den Menschen, die als Individuen wahrgenommen werden, so lange ausgenommen bleiben, wie sie sich heroisch verhalten wie Jadwiga.


    Was jetzt folgt, lässt sich nicht ohne einen Blick auf den Autor aufzeigen, so sehr ich das eigentlich zu vermeiden trachte, hier geht es deshalb nicht, weil das, was man daraus lernen kann, nämlich mit der Haltung des Autors seinen Figuren gegenüber zu tun hat. =)


    Supan dagegen kann seine Rolle aus genau dem Grund nicht vollständig ausüben, denn er spinnt eine Intrige, aber der Autor kann der Figur dazu nicht die nötige Kompetenz gönnen, weil in seinem Vorstellungsraum die einzige Erklärung für die Tat tierhafte Gier sein kann. Was er im Kreisphysikus an Moderne gewinnen kann, verliert er beim Täter. Denn es ist offensichtlich, dass die Intrige, die Supan spinnt, nicht minder klug angelegt ist, als die des Doktors. Hier wird die Integrität der Figur zugunsten bewusster oder unbewusster Beschränkung der Wahrnehmung des Autors beschädigt, natürlich auch deshalb, weil ein kognitiverer Supan die Sache mit den Haaren durchschaut hätte und der Autor - weil er vielleicht dachte, dass sei des biblischen Klischees zuviel - nicht mit dem Geständnisdrang arbeiten wollte. Dabei hat er seinen eigenen kleinen, eleganten Hinweis auf ein anderes Motiv übersehen. Eine familiären Verbindung zwischen Supan, dem Alten und Otto. So blieb ihm nur die Wahl, das zu benutzen, was heute oft dummy plot genannt wird: die Kompetenz einer Figur so zu beschneiden, dass sie trotzdem zum Täter werden kann. Was er damit aber retten kann, ist der eigentliche Handlungsraum dieser Geschichte: Die Gier, in der ihre Figuren gefangen sind.



    So, das war es von mir zu den Räumen, die physischen und psychologischen in diesem Text. Dass er ein wenig angestaubt wirkt, liegt vor allem an tatsächlichen handwerklichen Schwächen als an seiner Erstehungszeit für mich.



    Liebe Grüße
    Judith