Hallo Siempre,
hms, für mich spricht das consciously gegen das Verschwinden wollen, weil ein harter Stuhl bei mir aus welchen Gründen auch immer eine gerade Rückenlehne hat und der Kerl sehr aufrecht sitzt.
Liebe Grüße
Judith
Hallo Siempre,
hms, für mich spricht das consciously gegen das Verschwinden wollen, weil ein harter Stuhl bei mir aus welchen Gründen auch immer eine gerade Rückenlehne hat und der Kerl sehr aufrecht sitzt.
Liebe Grüße
Judith
Hallo ihr,
mir ist gerade eine Rohübersetzung der ersten fünf Sätze zusammengebrochen, weil ich mit meinen krummen Fingern die Seite geschlossen habe. Jetzt reicht die Kraft nicht mehr, um das alles noch mal zu machen. Aber deine Verbesserungen, Siempre, verstehe ich nicht so ganz. Liegt vielleicht am Wattekopf, aber ist das eine Überarbeitung der Übersetzung oder eine Korrektur oder das, was du schreiben würdest an Wallace Stelle?
Was mir auffällt am Originaltext und was in der Übersetzung untergeht, sind die vielen, vielen Alliterationen, die die Sätze klingen lassen und sie auch da segmentieren, wo es Satzzeichen nicht unbedingt tun. Dazu fängt es ja langsam an.
I am seated in an office, surrounded by heads and bodys.
Kurzer Satz, hilfsverbkonstruiert (wie die meisten Sätze von Hal - und ja, die Verbindung zu HAL setzt zusammen mit O.N.A.N die SF oder zumindest alternative reality Ebene, in der das Land auf alle nördlichen Amerikas erweitert ist (Mexiko inklusive)..
seated/surrounded führen gleich die Alliterationen ein
heads and bodys bezieht sich auch auf die Struktur der Fakultäten (das ist so eine Stelle, die eigentlich einer erklärenden Fußnote bedarf)
My posture is consciously congruent to the shape of my hard chair.
Mehr Alliterationen, congruent ist dabei im englischen Wortschatz viel weiter verbreitet und hat auch die zu erwartende Präposition, die in der Übersetzung verschwindet (ist kongruent zur/kongruiert mit). Dadurch, dass der Übersetzer sie weg lässt, beschränkt er die Wortbedeutung nicht nur auf die mathematische Ebene (wenn kongruieren im allgemeinen deutschen Gebrauch auftaucht, dann heute mit einer Präposition), sondern überhöht das Register.
Posture - hat eine Bedeutungsbandbreite, die von Körper- bis zu Geisteshaltung reicht.
hard chair - konnotiert die Verhörstuhl, der auch immer extrem unbequem ist, wird später auch durch die doppelte Bedeutung von interview room gestützt und gespiegelt.
Dann folgt erste lange Satz. Voller Doppeldeutigkeiten
z.B. remington-hung - hat neben der offensichtlichen Bedeutung der Westernschinken des Malers auch nur die Möglichkeit als Waffen- oder/und Computerhersteller zu wirken),
nur die eine Stelle, in der Wallace das Wort mit der eingeschränkten Bedeutung wählt, nämlich insulated (was isoliert im technischen Sinne auch von insulated glass windows (Doppelglasfenster) meint und eben keine Metapher trägt) wird ignoriert und wie isolated übersetzt, dass auch bildhafte Bedeutungen wie eingekapselt, verinselt, (ab)schirmen etc. trägt)
Auch, dass der Text Onkel, deLint und Hal quasi als Firmennamen einführt (bei einer schlichten Aufzählung hätte ein Komma vor dem "and" gesetzt werden müssen) muss in nicht kommentierten Übersetzungen untergehen.
Dann ein echter Bruch der Lesererwartung. Bis zur Novemberhitze klingt alles nach uralter Universität (so lange man Remington nicht mit den anderen Bedeutungen als der des Malers belegt, trotz der Motive), dann muss man als Leser auf die Reise in wärmere Gefilde gehen und kommt erst bei Arizona noon am richtigen Ort an.
In diesen wenigen Sätzen sind die Regeln des Spiels klar. Trau nichts und niemanden, nicht dem ersten Eindruck, nicht der Figur, alles kann Scherz sein.
Mag ich den Helden? Nö, muss ich auch nicht, aber ich kann mich daran erfreuen, wie er es den anderen "zeigt". Die Voyeuristin in mir wartet auf den Ausbruch dieses Komödianten. Da ist einer, der versucht seinen Weg durch die Mühlen zu finden, ein Jester, ein Trickster, einer der weiß, aber es nicht lassen kann, einer, der jeden zur Weißglut treiben kann, wenn er es will, einer mit einer halb hysterischen, halb narzisstischen Grundhaltung (hier sind die Charaktertypen nicht die Persönlichkeitsstörungen gemeint) mit ein bisschen schizoidem Salz und depressivem Pfeffer, der gerade aufgrund dieser eigentlich unmöglichen Konstellation all den anderen Narzissten den Spiegel vorhalten kann.
Weiß ich, warum es in dem Buch geht?
Ein anderes Amerika, um Hochschulpolitik, aber sicher nicht, dass Infinite Jest ein Film ist, um den sich alle schlagen werden werden, weil er die Menschen so vereinnahmt, dass sie das Essen und Trinken vergessen. Aber allein die ersten paar Sätze machen mir klar, dass ich mich auf ein Vexier einlasse, dass ich gute 1100 Seiten lang nicht einmal Wort werde trauen können. Und das verspricht unendliche Lesefreude, auseinanderbauen, neu zusammenfügen, erweitern, verkürzen, denn auch jedes weitere Lesen wird neuen Text entstehen lassen.
Schreibt da einer ohne Regeln?
Nein, im Gegenteil, er reizt sie aus bis hin zur Überhebung über den Leser, den er zwingt, manches nachzuschlagen. Wobei mir der Stil im Original weniger hoch im Register erscheint als in der Übertragung.
Englisch hat nun mal die doppelte Menge an Wörtern und ab einem bestimmten Bildungsniveau jede Menge in die Umgangssprache integrierte Fremdwörter, mehr jedenfalls als das Deutsche IMHO. digestive odor, z.B., kann man digestive Geruch nennen, aber digestive ist viel verbreiteter im Englischen, als digestiv im Deutschen, wo es eigentlich nur im Sinne von Verdauungsschnaps auftritt oder als (Neu?)Entlehnung in der Medizin auftritt. Wenn es um Verdauungsgase geht, sprechen wir im Hochregister von Flatulenzen, sonst vom anderen F-Wort.
Defäkation kam vor der Übersetzung bei uns höchstens in Fachsprachen, z.B. als Defäkationsvakuole der Einzeller, vor, im Englischen gibt es das auch gemeinsprachlich. Es ist also keine Neuschöpfung des Textes.
Mancher Ärger könnte hier wirklich an der Übersetzung hängen, weil die im Zweifel das ungewöhnliche Wort bevorzugt, die im Deutschen unübliche Latinisierung. Dabei bleibt ja auch sonst Rätselhaftes genug jenseits dieser dem Text neu auferlegten Schrägheit.
Und die Regeln?
Alliterationen, Konstruktionen bis ins bedeutungsunterscheidende Komma hinein, im wesentlichen Hilfsverbkonstruktionen, wenn wir in Hals Kopf sind. Die Konzentration auf die Fehler der anderen, selten wirklich kommentiert, aber doch deutlich in der Art, auf was sich Hal konzentriert und wo die Dinge für ihn austauschbar bleiben. Ja, der eine Dean hat gelbe Haut, aber gelb steht eben auch für feige. Eine Figur gezeichnet in einem Farbwort. Oder die gekreuzten Hände, im Deutschen mit einem Spiegelkabinett verglichen. Warum? Das Register weiterzuheben, nehme ich an, dabei ist das auch so schon hoch, nur nicht so betulich und mal wieder über die Alliterationen gegliedert:
My fingers are mated in a mirrored series of what manifests, to me, as the letter X.
Bisweilen ein nettes Wort wie Kekulean, das nachzuschlagen wäre, wenn man es nicht kennt, aber typisch für die Multiple-Scheiß-Fragen in Aufnahmetest, die wie in den Fernsehshows Inselwissen abfragen und zwar häufig genug solches, auf das man nicht aufgrund von verstandenem Prinzip kommt. (Dazu war Knotentheorie in den 90ern in der Mathematik ziemlich en vogue) Wortgeklingel bei den Deans, um die direkte Anschuldigung zu vermeiden etc. Jede Menge Spielereien wären zu finden.
Mittendrin der Jester, oder zumindest dessen Sohn, noch abhängig von den äußeren Mächten wie Denny Kaye im endlichen Jester-Film, vorbereitet (coached), aber ausgeliefert, vielleicht sogar desinteressiert. Aber alles in sauber geformten, lesbaren Sätzen, selbst hier:
; the other sit, stand and stand, respectively, in the periphery of my focus.
Wieder geht es um das scheinbar fehlende Komma, das anzeigt, dass es sich eben nicht um eine Aufzählung handelt, sondern um einen Hauptsatz mit einer zweiteiligen Aufzählung und einem Teilsatz, der sich mit dem Hauptsatz das Subjekt teilt (Syllepse) und über "and respectivly" an ihn angeschlossen wird:
Die anderen sitzen, stehen bzw. stehen/befinden sich am Rand meiner Wahrnehmung/meines Blickfeldes/meiner Konzentration/meines Fokus.
Ja, das klingt immer noch schräg auf Deutsch, aber die Konstruktion ist logischer, die Betonung zwingt einem auch auf Deutsch keinen Knoten mehr auf.
Nein, der Text löst auf der sprachlichen Ebene keine Regeln auf, er spielt mit ihnen und mit der Geduld des Lesers, aber eben nicht so abgehoben, wie man es anhand der Übersetzung meinen könnte IMHO.
Liebe Grüße
Judith
Hallo Siempre,
tja, deshalb meine ich ja, dass es ohne Fußnoten nicht geht, der Übersetzer entscheidet sich für den Müllsack statt eine Erklärung anzufügen, die die Mehrdeutikeit auch aufzeigt. und das ist schon eine ziemlich eindeutig Entscheidung darüber, welche Bedeutung der Leser gefälligst als Hauptbedeutung wahrzunehmen hat. Da hätte ich dann doch lieber die entsprechende Freiheit.
Liebe Grüße
Judith, zwischen Frankfurt und Odenwald
Hallo ihr Lieben,
ZitatOriginal von Th. Walker Jefferson
Wahrscheinlich finanzieren sie bei KiWi so die wahnsinnig teure Übersetzung.
Guckst du auch hier
Dabei fällt mir auf, ob wir wohl einen eigenen Fred dafür aufmachen sollten?
Liebe Grüße
Judith, die eigentlich arbeiten sollte
Hallo Thomas,
hier ist Seite 7 aus dem von Kipenheuer & Wich angebotenen PDF zum Ausdrucken:
JAHR DES GLAD-MÜLLSACKS
Ich befinde mich in einem Büro, umgeben von Körpern und Köpfen.
Meine Haltung kongruiert bewusst der Form des harten Stuhls, auf
dem ich sitze. Es ist ein kaltes Zimmer, das zur Universitätsverwaltung
gehört, holzgetäfelt, remingtonbehängt und doppelverglast gegen die
Novemberhitze, durch das Empfangsareal draußen von Verwaltungsgeräuschen
abgeschirmt. Dort wurden Onkel Charles, Mr deLint und
ich vorhin empfangen.
Ich bin hier drin.
Auf der anderen Seite des Konferenztischs aus poliertem Kiefernholz,
der im spinnfädigen Mittagslicht von Arizona glänzt, schälen
sich über leichten Sommersakkos und halben Windsors drei Gesichter
heraus. Sie gehören den drei Kommissionsleitern – Zulassung, Studiendekanat
und Hochschulsport. Welches wem gehört, weiß ich nicht.
Ich glaube, ich wirke neutral, vielleicht sogar liebenswürdig, dabei
wurde mir eingebläut, neutral zu bleiben und nicht zu versuchen,
eine mir liebenswürdig erscheinende Miene aufzusetzen oder gar zu
lächeln.
Ich schlage sorgfältig, so hoffe ich, die Beine übereinander, Knöchel
auf Knie, Hände im Schoß der Hose. Meine verschränkten Finger sehen
aus wie eine Serie des Buchstaben X im Spiegelkabinett. Im Sitzungszimmer
sind außerdem: der Literarische Gutachter der Fakultät,
der Universitäts-Tennistrainer und der Prorektor Mr A. deLint. C. T.
sitzt neben mir; die anderen sitzen bzw. stehen und stehen am Rand
meines Gesichtsfeldes. Der Tennistrainer klimpert mit Kleingeld in
der Tasche. Ein leicht digestiver Geruch liegt im Zimmer. Die Profilsohle
meines von Nike gesponserten Turnschuhs ist parallel ausgerichtet
zum ausgelatschten Loafer des Halbbruders meiner Mutter,
anwesend in seiner Eigenschaft als Rektor. Er sitzt auf dem Stuhl, so
hoffe ich, gleich rechts neben mir und sieht ebenfalls die Kommissionsleiter
an.
Der Kommissionsleiter zur Linken, ein schmaler, gelblicher Mann, [...]
Edit: es heißt Witsch, ich weiß.
Edit II: Da steht ein Müllsack in der Überschrift. Wo kommt der Müllsack her
Liebe Grüße
Judith
Hallo Thomas,
ZitatOriginal von Th. Walker Jefferson
Hallo, ja du liegst daneben - nicht voll, aber knapp; leider ist das auch ganz vorbei.
Ich hab's geahnt. Danke. Muss mir die Sache mit der OED-Subscription wohl doch noch überlegen, wenn ich nicht weiß, dass das ein valides Adjektiv ist.
Zitat
In meinem Original-Schinken steht:
Dafür übersetze ich:
Das lustige ist, da wäre ich auch angekommen, wenn auch aus falschen Gründen ...
Zitat
Mit ist schon klar, warum der Übersetzer sechs Jahre gebraucht hat – weil er kein Englisch kann. Rara avis, kann ich da nur sagen.
Na ja, er zwitschert wirklich ein bisschen anders, das ist wohl wahr, und sie nennen es dann Übertragung. Das bedeutet auch, dass mehr Interpretation einfließt, als vielleicht gut ist. Möglich, dass der Übersetzer ein besonders hohes Register einsetzen wollte und sich größere Freiheiten dafür genommen hat. Ich halte Wallace eigentlich für nicht übersetzbar ohne entsprechende Fußnoten (deshalb habe ich ja auch z.B. bei Murakami immer das Gefühl, nicht mal ein Drittel zu verstehen). Aber so schlecht wie damals der Dan Brown Übersetzer ist die Übersetzung nicht (obwohl, auch hier gehen die Alliterationen verloren gleich auf den ersten Sätzen). Denke ich. Hoffe ich. Habe mich doch glatt von Preisen blenden lassen. Ich weiß nicht, keine Ahnung. In any case, I stand corrected.
Das sagt der Übersetzer [URL=http://www.spiegel.de/kultur/literatur/0,1518,646947,00.html]hier[/URL] und da
Seufz. Aber vielleicht ist der Schritt, für 5 Minuten von Rechtsgeschichte zu unendlichem Scherz zu wechseln, ein bisschen zu großund ich sollte es für die nächsten Wochen wirklich lassen.
Liebe Grüße
Judith
Hallo ihr Lieben,
diese Runde werde ich nachholen müssen. So was nachholen. Im Dezember frühestens. Was für eine Schande, bei dem Text.
Zitat
Kekuléknoten = vermutlich meint er den Krawattenknoten in der Forme der historichen Kekulé-Benzol-Formel (nach Friedrich August Kekulé von Stradonitz), etwa in dieser Form:
Wird er meinen, im Original ist das ein Adjektiv, so wie ich es lese (trotz Großschreibung), dann wäre es im Deutschen das Getüm wie: sein kekuléonisch (geformter) Knoten
(Leseprobe findet sich auf Amazon.com)
Zitat
aviarische Gestalt = gemeint ist vermutlich eine vogelartige Gestalt (lat. aviarius = zu den Vögeln gehörig)
avian - die Vögel betreffend
aviary birds - Volierenvögel
= aviarian
Sieht nicht nur wie ein Vogel aus, sondern wie ein eingesperrter Vogel.
@Thomas: Oder liege ich da gerade voll daneben? :dumm
Nicht falsch verstehen, die Übersetzung ist so gut, wie man ohne Fußnoten auch nur werden kann, aber Wallace war so groß, dass sie seinem Text trotzdem jede Menge Ebenen klaut IMHO. Vielleicht ist es deshalb besser, erst mal keine Zeit zu haben, zu Wallace gelingt mir kein Abstand. Der saugt mich einfach ein und spukt mich am Ende wieder aus und ich wollte bisher gar nicht wissen, wie er das gemacht hat. Zeit, sich dem Zauber zu entziehen, nehme ich an.
Liebe, gerade heulende, weil keine Zeit habende Grüße
Judith
Edit: Mit Fußnoten meine ich solche, in denen irgendwo Anm. des Übersetzers auftaucht.
Hallo Thomas,
hallo ihr Lieben,
jetzt mal nur halb kurz, schmerzhaft und ernst.
Zitat
Für mich ist dies auch eine Art, denjenigen, die der hier angebotenen Analysemethode etwas abgewinnen konnten, meinen Respekt zu bezeugen.
Meiner gilt dir, Thomas, und allen anderen, aber ich hatte und habe tatsächlich Zweifel, ob es möglich ist, in diesem Rahmen und ohne sehr eingehende Beschäftigung mit einem einzelnen Text, aus eigener Kraft aus der STA mehr Informationen für die eigene Textproduktion zu gewinnen, als die Raumstruktur aufzubauen. Das tut aber jedes andere Plotsystem auch. Du hast doch selber immer wieder gesagt, dass die STA wissenschaftlich gelehrt wird, in Seminaren, die gewöhnlich in Deutschland über ein halbes Jahr gehen (bis zum Scheinerwerb) und von Einführungsvorlesungen wie -Seminaren vorbereitet werden. Kein Wunder, dass du sie hier nie angewendet findest, sie überfordert die Zeitrahmen sowohl der BTs als auch TAs.
Allein aus diesem technischen Grund hast du uns andere vom Versuch ausgeschlossen, uns die Texte nach der STA zu erarbeiten, weil uns diese wichtigen Voraussetzungen fehlen mussten und wir schlicht keine Zeit hatten, sie uns erst einmal zu erarbeiten, denn wie du selbst schreibst:
Zitat
Die STA ist zwar schon 70 Jahre alt, aber sie ist kompliziert, terminologisch verwirrend und sie setzt eine gründliche und oft mühsame Beschäftigung mit einigen hermetischen Lehrbüchern voraus.
Und weil du zaghafte Versuche, neben deinen Analysen andere Wege zu gehen, absichtlich oder nicht über Wertungen wie Leser-Anmutung, Laberei etc. disqualifiziert oder völlig ignoriert hast, entsteht der Eindruck, du ließest trotz aller Beteuerungen nur Meinungen gelten, die deine Lesart unterstützen, selbst die Respektsbezeugung oben könnte so gelesen werden, auch wenn sie so sicher nicht gemeint war.
Genauso, wie du dich bemüht hast, ohne Fachtermini auszukommen, aber die scheinen mir tatsächlich nötig, um damit umzugehen, um nachvollziehen zu können, wie die Methode denn nun funktioniert und wo sie sich von den anderen unterscheidet und sie entschlüpfen einem auch immer wieder, wenn man damit spielt (hermetische Lehrbücher z.B.) Das ist in sich selbst ein hermetischer Begriff, der dafür steht, dass Fachsprachen stark vereinfacht nach Neutralität suchen, aber eigentlich die Wörter selbst als Zeichen für die dahinter liegenden Definitionen verstehen und zwar deren Spektrum, solange ein Oberbegriff nicht weiter definiert wird. Deshalb habe ich nach deiner Definition von auktorialem Erzähler gefragt, nicht nach der von Stanzel oder Genette, sondern danach, woran du ihn festmachst und wo du die Subjektivität personalen Erzählens findest.
Und ja, da war durchaus Provokation. Aber für jemanden, der beständig selbst mit verschlüsselten und ironischen Setzungen, Angriffen und manchmal durchaus giftigen Pfeilen arbeitet (auch wenn du manchmal die erste, derbe Spitze weg-editierst), haben mich die Empfindlichkeiten über den Versuch einer anderen meiner Meinung nach durchaus möglichen Lesart jetzt tatsächlich völlig überrascht.
Ich wollte mit dir über den Text wie die Methode diskutieren, ich wollte verstehen, wie du auf die Zuordnung deiner Begriffspaare da kommst, wo sie mir nicht offensichtlich waren, oder es zu viele anderen möglichen Zuordnungen hätte geben könne, und ich nahm an, dass du Spaß an einem solchen Diskurs hast.
Da habe ich mich vielleicht geirrt, vielleicht habe ich auch selbst zu viel Freude an der Sache gewonnen, mich auf den Text und seine Wörter einzulassen, daran, dass es eben nicht die erste, offensichtliche Bedeutung sein könnte.
Etwas davon oder alles ist dir zu nahe getreten. Das war keine Absicht, die Absicht war nur, ins Gespräch zu kommen über über den Text, die Methode und darüber, ob es einen oder ob es keinen Sinn ergibt, Methoden und Texte auf verschieden hohe Sockel zu setzen.
Das hier ist nämlich als Arbeitsgruppe gemeint. Ganz ohne Referenten, sondern "nur" mit Moderatoren.
YMMV
Liebe Grüße
Judith
Hallo Thomas,
Zitat
Und dann habe ich erstaunlicherweise eine Co-Referentin, die sich durch meinen Beitrag offenbar in ihrer Stellung und Ehre als resident technician (just look it up) so sehr gekränkt und angegriffen fühlt, dass sie Nachtschichten einlegen und für jeden Satz, den ich schreibe, drei eigene schreiben muss, mit denen sie meine Sätzlein mit Stumpf und Stiehl ausreißt. Ach, was muss ich gefährlich sein ...
:klatsch:klatsch:klatsch
Schade, dass du das "nicht eingeladen" weg-editiert hast, das war besonders gut.
Und was meine Nächte in ICEs angeht, einen anderen Ansatz zu suchen und den versuchsweise durchzuziehen, war viel spannender als dem Schnarchen der lieben Sitznachbarn zuzuhören.
Schade nur, dass du es aus zeitlichen Gründen nicht geschafft hast, mit der Riposte aus dem allgemein-psychologisierenden Soßentopf zu kommen, statt mich mit Textstellen und Definitionen ordentlich zu füsilieren. Aber so ist das Leben.
Da ich also noch stehe, wenn auch schwankend, wäre ich einem textbasierten Schlagabtausch keineswegs abgeneigt, sobald du wieder Zeit dazu hast. Gerne auch in zwei oder drei Jahren.
Denn der Text ist ja spannend, wie du am Anfang noch sagtest, obwohl ... es kann doch nicht sein, dass ich daran schuld bin, dass er plötzlich vom "fast spannenden" zum... nun ja ... soll ich das zitieren, damit es später noch da steht ... ach, was, der Ruf ist ohnehin ruiniert ... zum "nicht schlechten" degradiert wurde und der Cornet zum "Edelkitsch"?
Liebe Grüße
The residual ... oops ... resident evil
Hallo ihr Lieben,
dann versuche ich es mal mit dem Klein- und Kleinsträumen in der Reitergeschichte.
Kleinraum:
Mailand
Unter dem Geläute der Mittagsglocken, der Generalmarsch von den vier Trompeten hinaufgeschmettert in den stählern funkelnden Himmel, an tausend Fenstern hinklirrend und zurückgeblitzt auf achtundsiebzig Kürasse, achtundsiebzig aufgestemmte nackte Klingen[/B];
[B]Mittagsläuten: Klang breitet sich über die ganze Stadt, Pausen- wie Triumphzeichen
Generalmarsch von vier Trompeten: Kann ich nicht für die Entstehung des Textes einordnen, weil der eigentlich getrommelt wurde und zum Sammeln aufrief, hier aber geblasen wird.Für mich als Leserin aber entsteht das Bild eines Siegeszeichen, dass auf das Läuten der Glocken als triumphales Willkommen antwortet, ohne dessen Wirkung eindeutig zu bestimmen, weil es immer noch für Innehalten wie Triumph stehen kann, aber gleich auch den Himmel als Ort vereinnahmt. Die Welt ist in einziger Jubel, der unter dem Glanz der Schwadron erstrahlt (die dummerweise ja nur die Arbeit anderer (zumindest mit)einheimst. Damit dringt auch die Gier (nach Ruhm hier) in das ganze, scheinbar auch überirdische Strahlen des "Sieges" ein.
Der Raum wird nicht nur kleiner, der unschuldige Glanz ist schon verloren.
tausend Fenstern hinklirrend und zurückgeblitzt auf achtundsiebzig Kürasse, achtundsiebzig aufgestemmte
Weiter unten aber trifft der Glanz wie der Klang auf physische Hindernisse, so weit ist der Raum also nicht, für den, der den Kopf heben müsste, um den Himmel zu sehen oder auch nur die oberste Reihe Fenster.
Straße rechts, Straße links,
Im Gegenteil, dieser Raum wird für mich zum Hohlweg durch das Gewirr der Reflexionen, weil ich Straße links, Straße rechts als Befehl höre, als gleichförmige Bewegung der Schwadron sehen, wo die Augen auf die Seiten zwischen die Häuser gerichtet werden.
wie ein aufgewühlter Ameishaufen sich füllend mit staunenden Gesichtern;
Der sich auch noch auf chaotische Weise füllt, und der Ordnung immer näher kommt. Staunen kann ehrfürchtig, neugierig, wohlwollend, neutral sein. Der Bilkc ist auf eine ovale Fläche gerichtet, nicht auf Hände oder Körper. Nach hält der Triumph seine Stellung.
fluchende und erbleichende Gestalten hinter Haustoren verschwindend,
Der Blick Richtet sich nach unten, die, die nicht der Schönheit verfallen, oder der eigenen Überraschung, oder der Neugier, oder der - nicht genannten - Freude, entziehen sich (in einem Freischälersinne geordneten Rückzug = verschwindend) der Kontrolle, verfluchen gleichzeitig die Schwadron und sind von Schrecken vor ihr erfasst (erbleichend). Aber wer Angst hat, ist eben nicht gerade harmlos. Und er hat einen Körper, der reagieren kann.
verschlafene Fenster aufgerissen von den entblößtem Armen schöner Unbekannter;
Hier öffnen sich die Fenster, wo, bleibt zunächst undefiniert, jedes für sich ein einzelnen kleiner Raum, hinter dem sich Versprechen verbirgt (darauf, ob schöner Unbekannter hier geschlechtsspezifisch gemeint ist, kann ich nicht antworten, grammatisch möglich wäre, wenn auch unterschiedlich wahrscheinlich. Anderseits waren ja auch die meisten anderen Gegner hübsch oder schön)
Eindeutiger ist hier das entblößt, denn ohne Ärmel lassen sich keine Waffen verstecken. Die Verlockung ist für diesen Moment ohne Bedrohung.
vorbei an San Babila, an San Fedele, an San Carlo, am weltberühmten marmornen Dom, an San Satiro, San Giorgio, San Lorenzo, San Eustorgio; deren uralte Erztore alle sich auftuend und unter Kerzenschein und Weihrauchqualm silberne Heilige und brokatgekleidete strahlenäugige Frauen hervorwinkend;
So geht es durch die Stadt, vorüber an all den kleinräumigen Verlockung (auch bei den Frauen kommt der materielle Wert (brokatgekleidete) vor der Verführungen (stahlenäugig). Der Weg weitet sich dabei bei mir, der Blick reicht ebenfalls weiter als bei Fußgängern, kann in die erleuchteten Räume sehen, würde Bedrohung entdecken, wenn sie da wäre, findet aber Werte vor (silberne Heilige, obwohl die im Kerzenlicht eigentlich golden scheinen wollen)
Und in genau dem Strahlen spiegelt sich auch das Licht des Eingangritts wieder für mich. Für einen Moment blitzt wieder der Himmel auf.
Erztore: Das Eisen/Stahl-Motiv schon wieder, dass die Schönheit der Schwadron wie die Grausamkeit des Krieges spiegeln kann.
aus tausend Dachkammern, dunklen Torbogen, niedrigen Butiken Schüsse zu gewärtigen,
Dazwischen dann der Blick in die Dunkelheit, oben wie unten (Dachkammern, Torbogen, Butiken), in der der Tod lauert.
und immer wieder nur halbwüchsige Mädchen und Buben, die weißen Zähne und dunklen Haare zeigend;
und gleich wieder die Beruhigung.
vom trabenden Pferde herab funkelnden Auges auf alles dies hervorblickend aus einer Larve von blutbesprengtem Staub; zur Porta Venezia hinein, zur Porta Ticinese wieder hinaus: so ritt die schöne Schwadron durch Mailand.
warum diese Pferde für mich im versammelten Trab gehen, die Beine sehr hoch heben, kann ich nur mit dem Kontext begründen, die Brünnen, die Musik, die "schöne" Schwadron am Ende, alles Show, alles Besitznahme, alles auch Verstellung, denn über den blitzenden Rüstungen, den schimmernden Klingen sitzt das Gesicht voller Blut, wie Shabana schon schrieb.
So dringt der schmutzige Krieg in der letzte strahlende Raum der schönen Schwadron, die Reiter selbst.
Keine Ahnung, ob ich jetzt von Räumen so beeinflusst bin, dass ich sie zu sehr gegeneinander abgrenze, aber für mich findet sich hier - wie überall in der Geschichte - Licht und Dunkel in allem wieder, werden durch die Blicke auf die unterschiedlichen Räumen, die sich schließen und öffnen, immer wieder beide Prinzipien anhand der gezeigten Räume ineinander verschränkt. Keiner davon ist nur licht, nur dunkel.
Und das erreicht der Text immer wieder durch die Gegenüberstellung von Elementen: Klang, Licht, Bedrohung, Entspannung, alles wird immer wieder in einander verschränkt, das meinte ich damit, dass es die Spiegelung ist, mit denen der Text seine Räume schafft und in jeden großen auch die kleineren legt.
Liebe Grüße
Judith
Hallo Achim,
jede Zeit der Welt.
sie alle, die die Zeichen lieben, haben ihr ganze Wissenschaftlerleben daran geforscht und ich glaube keiner von ihnen hat je behauptet, die Form dieses speziellen Elefanten ganz erfasst zu haben. Und die vom LiGo gehören da eindeutig dazu, guck mal ins Impressum.
Was das für die eigene Wahrnehmung und die Analyse von Texten in Hinsicht auf Stilmittel bedeutet - da muss jeder wie immer beim Schreiben seinen eigenen Weg finden und meiner ist eben meiner. Das bedeutet auch, dass ich noch verfolge, was so an neuen Ideen dazu auftaucht, aber aus nostalgischem Interesse und mit viel zu wenig Zeitaufwand, um auf der Höhe der Forschung zu bleiben. Und der sehr persönlichen Überzeugen, dass man leichter an die Werkzeuge kommen kann, wenn es "nur" darum geht, Texte zu schreiben.
Und ja, im Nachhinein bin ich aus sehr egoistischen Gründen dankbar für diesen Ausritt in die Wissenschaft und die Wissenschaftstheorie. Sie hat mich gezwungen, meine Positionen noch einmal mit vielem abzugleichen und Gefühltes noch einmal zu überdenken für lange Zeit und intensiver, als ich es in vielen Jahren getan habe und ich habe nie zu denen gehört, die sich ein Leben in dieser Vorstellungswelt für sich selbst vorstellen konnte, nur zu denen, die das Thema faszinierend finden, weil es mir klar macht, dass so viel dran ist am "Ich weiß, dass ich nicht weiß".
Liebe Grüße
Judith
Hallo Achim,
hallo ihr Lieben,
bin gerade zurück von einem sehr inspirierenden Wochenende, aber nicht deshalb aus dem Bauch heraus, sondern weil ich zu keinem endgültigen Schluss für mich gekommen bin (und wahrscheinlich auch nie kommen werden) Und eigentlich liegt das alles weit jenseits des Handwerkes des Schreibens, sondern kreist um die großen Fragen von menschlicher Wahrnehmung, Verarbeitung und Kommunikation, und die sind eben nicht gelöst.
ZitatOriginal von AchimW
Ich lese in dem Aufsatz über seinen strukturalistischen Ansatz Aussagen wie die folgende:
Ist die Beziehung zwischen Signifikat und Signifikant in der natürlichen Sprache arbiträr und konventional, so ist den Zeichen der Kunst hingegen ein ikonischer Charakter eigen.
Hier erst mal eine Liste von Nachschlage-Seiten im Netz,
umfassendes Glossar der Fachbegriffe mit kurzen Erklärungen
Semiotik für Anfänger auf Englisch, aber mit guter Übersicht über die Beziehungen der Begriffe und äußerst unerquicklichem Bildschirmhintergrund:
nützliche Links finden sich hier
Hier finden sich jede Menge Links zu den verschiedenen Ansätzen
http://www.fernuni-hagen.de/EUROL/termini/welcome.html
Zitat
Aber ich stehe mal wieder völlig naiv und staunend vor der Frage: warum Lotman und seine Schüler nicht einfach normale Worte verwenden. Das ist ein Gewusel mit bedeutsam klingenden Fremdwortungetümen, dass es seinem die Schädeldecke zusammenkräuselt. Oder gehört es zur Pflicht, dass möglichst wenige Menschen verstehen, was gemeint ist???
Jein. Ja, es ist eine Sprache, die sich an die diejenigen richtet, die auf dem Gebiet forschen. Ja, sie ist nicht auf Anhieb allgemeinverständlich.
Ja, das hat zu einem gewissen Teil wohl auch mit Abgrenzung zu tun, aber das eigentlich Problem besteht darin, dass hier mit dem Gegenstand der Forschung geforscht werden muss und dazu braucht es Begriffe, die eine (einigermaßen) eindeutige Bedeutung haben, damit sie eben nicht mit alltäglichen Vorstellungen überlagert werden. Das führt dann dazu, dass sie für alle, die nicht in diesem Bereich arbeiten, erst einmal fremdeln. Aber das tut Verwaltungssprache ja auch wie jede andere Fachsprache.
Lothman richtet sich ja an die "Eingeweihten", an die, die sich dieses Fachvokabular erarbeitet haben, aber IMHO muss auch er an den Grenzen der Metasprache scheitern.
Ich schaue mir mal einfach diesen Satz ohne seinen Kontext an
Zitatst die Beziehung zwischen Signifikat und Signifikant in der natürlichen Sprache arbiträr und konventional, so ist den Zeichen der Kunst hingegen ein ikonischer Charakter eigen.
Ist die Beziehung zwischen Bedeutung und in Buchstabenzeichen umgesetzter Laute willkürlich und über durch Übereinkommen [der Sprecher/Leser] bestimmt,
so ist den Zeichen der Kunst hingegen eine Art inhaltlicher Verbindung zwischen Zeichen und Bedeutung eigen
bzw.
so ist der Kunst eigen, dass sie über Ähnlichkeiten beim Interpretanten die Zuordnung eines Begriffes (auslöst).
Je nach dem, ob man einem zweidimensionalen oder mehrdimensionalen Zeichenbegriffes folgt.
Klingt total abgehoben. Ist es auch. Aber der Unterschied ist IMHO wesentlich, denn lässt man den Interpretanten außen vor, scheint die Zuordnung zwischen Zeichen und Bedeutung wegen der direkten inhaltlichen Verbindung und der Satzstellung, die durch die Stellung einen Gegensatz impliziert, eben nicht willkürlich, sondern (auf den ersten Blick zumindest) "zangsläufig".
Nimmt man aber hinzu, dass auch solche Beziehungen nur durch den Interpretanten entstehen können und in ihm, so hängt sie von dessen Wahrnehmung ab. Das wiederum bedeutet, er kann sich irren. Was der Wikipedia-Artikel perspektivisch nennt, heißt für mich nichts anderes, als auch bei Ikonen eine Konvention zwischen zwei Interpretanten bestehen darüber bestehen muss, was da gerade für ein Begriff entsteht. Und plötzlich entschwindet der Gegensatz.
Das könnte der Grund sein, warum Lothmann (oder sein Übersetzer) auf "ikonischen Charakter" ausweicht. Nennt er es eine Ikon, kommt PIerce und damit der Interpretant und damit die Unsicherheit der Kommunikation ins Spiel, die ein Übereinkommen zwischen Sprechern über die Bedeutung verlangt. Weil er aber auf eine Fügung ausweicht, die Fachwort und Bild vermischt, kann er den Gegensatz aufbauen, ohne die dritte Komponente ins Spiel zu bringen.
Isoliert betrachtet zeigt dieser Satz für mich, wie schwer Interpretation grundsätzlich sein kann.
Und mir schwirrt immer wieder der Kopf dabei :bonk. Mal kann ich die Zeichenbeziehung fassen, mal nicht. Sie entzieht sich - da sie genau diesen Denkprozess beschreiben will - einer konkreten, ein-eindeutigen Verbalisierung, selbst bei denen, die versuchen, sich eine eigene Sprache dafür aufzubauen
Zitat
By the way: was ist damit gemeint, dass den Zeichen der Kunst ein ikonischer Charakter eigen ist. Bildhaft? Religiös kann ja wohl in diesem Kontext kaum gemeint sein!
Die Frage kann ich nicht beantworten. Keiner kann das im Moment, soweit ich das sehe. Es kommt darauf an, welche grundsätzlichen Einschränkungen man dem Model auferlegt, mit anderen Worten, mit welchen Definitionen man arbeitet. Selbst bei der Rezeption von Semiotiktheorien entsteht der Text im Leser, fürchte ich.
Zur Ikone http://avalon.germanistik.fu-berlin.de/~litin/Glos/ikon.htm
und hier zur Zeichenbeziehung: http://de.wikipedia.org/wiki/Charles_Sanders_Peirce
Zur Ikonizität: http://de.wikipedia.org/wiki/Ikonizität
Und für die ganz harten: Hier ein Beispiel, wie schwer es nun mal ist, wenigstens einigermaßen tragfähige Definitionen aufzubauen, bevor man sich dem Forschungsgegenstand zuwendet
http://www.linguistik-online.com/27_06/faroe.html
Liebe Grüße
Judith
Hallo ihr LIeben,
ne, ich glaube Maren meint "True Stories". Und ja, bei denen wird eindeutig auch auf Voyeurismus, aber ist das bei der Belletristik so anders? Sachbücher sind da anders. Sie bieten keinen Abstand über fiktionale Abfederung. Das wirkt allerdings genau deshalb viel tiefer und erreicht IMHO tatsächlich die Gefühlsebene, die auch im Umgang mit echten Lebewesen entsteht.
Liebe Grüße
Judith
Hallo Horst-Dieter,
ZitatOriginal von Horst Dieter
Liebe Judith,
ist das so? Hat HvHt (um mal bei TWJs Abkürzungen zu bleiben) bewusst mit (Kleinst-)Räumen gearbeitet?
Das sind drei Fragen, von denen ich erst mal nur zwei beantworten kann, weil ich da noch so einen Reader fertigstellen muss.
Ob der das bewusst getan hat, kann ich nicht beantworten. Ob das die können, die ausreichend tief in der Materie stecken, weiß ich nicht. Für das Handwerk ist das aber auch nicht wichtig IMHO.
Zitat
Oder arbeitet die Literaturwissenschaft mit »Räumen« die sie in den Texten der Schriftsteller zu finden versucht?
Genau daraus ist der Ansatz der STA entstanden, Lotmann stellt sie den chronologischen, an der Wortfolge entlang arbeitenden Methoden gegenüber und versucht, die Grenzen zu finden, an denen Neues entsteht.
Hier käme dann das Handwerk auch ins Spiel. Welche Stilmittel eingesetzt werden oder entstehen, wenn die beiden Räume einander begegnen.
Zitat
Da ein wesentliches Merkmal dieser TAs ja das Handwerkliche sein soll interessiert mich dies brennend.
Horst-Dieter
Zu den Kleinsträumen versuche ich nachher noch mal ein Beispiel auseinanderzubauen, ganz ohne STA.
Liebe Grüße
Judith
Hallo Achim,
na ja, das hängt ja ganz von deiner Neugier ab, ob du dich dem aussetzt.
Wenn es dir um den Strukturalismus geht, ist es aber viel spannender den anderen Lotmann zu lesen, der sich damit beschäftigt, wie Sprach- und andere Kulturakte Neues schaffen:
ASIN/ISBN: 3518294962 |
und besonders:
ASIN/ISBN: 3518295446 |
LIebe Grüße
Judith
Hallo Stefanie,
na ja, das Problem ist, dass die Methode - wie alle literaturwissenschaftlichen Methoden -, dazu da ist, mit viel Aufwand in einem Feld zu arbeiten, das man gut kennt. In der Situation war ich weder, was die Übung im Umgang mit der Methode betrifft, noch die Zeit und das Umfeld des Texte.
Außerdem sind sie alle samt darauf ausgerichtet, bestehende Texte zu untersuchen. Dass dabei Ergebnisse herauskommen können, die auch dem Handwerk zum Erstellen dieses Forschungsgegenstandes dienen, ist wahrscheinlich, aber für Autoren eben nicht der einzige Weg, dahin zu kommen. Und sicher nichts der einfachste, weil er so viel Vorarbeit braucht, die eben die Wissenschaft ausmacht.
Wenn man semantische Zuordnungen einfach nur aus der Liste auswählt, tut man Lotmanns Ansatz Unrecht. Wenn man es intuitiv tut, kann man treffen oder auch nicht (und da wären wir wohl einzuordnen, allesamt), wenn man es "wisschenschaftlich" machen will, braucht es erst einmal einen Datensatz, den man bearbeiten kann.
Um handwerklich Grenzüberschreitungen zu untersuchen, wäre es IMHO durchaus nützlich, sich auch mal eine wissenschaftliche STA zu einem Text vorzunehmen, da ist die Daten-Arbeit erledigt, und sich dann die Strukturen im Text anzusehen, mit denen diese Räume erzeugt werden. Überhaupt denke ich, dass literaturwissenschaftliche Methoden auf diese Weise das Handwerk leichter erschließen.
Nur, essentiell sind sie eben nicht, dafür, dazu reichen die einzelnen Texte.
Liebe Grüße
Judith.
Hallo Achim,
guckt du hier.
Für mich wird immer klarer, warum es so schwierig ist, bei gerade diesem Text mit der STA Ergebnisse zu erzielen. Die Räume sind nicht binär. Selbst in Mailand gibt gleichzeitig Bedrohung und Versprechen, fast überall sonst auch. Die semantischen Zuordnung greifen zu grob, gerade weil Hoffmannsthal so intensiv mit (Kleinst)-Räumen arbeitet, die aber nie .einfach so in zwei "Untermengen" zu unterteilen sind.
Die Grenzüberschreitungen sind auch nicht eindeutig. Ja, Lerch will Besitz und Anerkennung, aber der Rittmeister will die Schwadron bewahren (und wahrscheinlich natürlich auch sein Leben). Und er überschreitet die Grenze eben auch, denn er stellt den Lerch nicht vor ein Kriegsgericht, sondern erschießt ihn.
Vielleicht ist das der Grund, warum die Schönheit verloren geht, denn die Ordnung ist nur zu halten, wenn man gegen sie verstößt. Damit hätte auch die Schwadron als "Held" eine Grenze zur Grausamkeit überschritten.
Liebe Grüße
Judith
Hallo Margot,
da mir die Affinität zu Masseurinnen fehlt, was vielleicht erklärt, dass mein rudimentäres Japanischen noch lange nicht für Originalliteratur reicht *seufz*, will ich zu dem Stil gar nicht mehr sagen, als Tom gesagt hat. Zugeben muss ich das Gefühl, das mich immer begleitet, wenn ich Übersetzungen aus den Bildschriften lese: Wie viele Ebenen gehen mir da gerade verloren, die nicht in Nebensätzen stecken, sondern in der Vielfachbedeutung von Zeichen.
Trotzdem dringt diese unglaubliche Vorstellungskraft durch, die wenigen Striche, die wie "Schafjagd" Figuren und Beziehungen zeichnen (eine Todesanzeige, der Erzähler fährt hin, Tristess - man erwartet eine tiefe, unerfüllte Beziehung -, Seitenhieb auf die Höflichkeit in Form von Mengen gekaufter Zigarettenschachteln, um den Ort zu finden, Erinnerungen daran, dass sie immer nur gelesen hat. Dann das Eingeständnis, dass sich der Erzähler nicht an den Namen erinnert, überhaupt keiner, das tut, sondern sie einfach " Damals- (gab-es-doch)-das-Mädchen-das-mit-jedem-schläft" heißt (ist auch so eine Sekundärübersetzung, ich hab das Buch auf Englisch) und gleich wieder das Eingeständnis, dass sie ihre Standards hatte. Nichts ist sicher, Bilder kommen und gehen, verweben sich, um sich immer wieder in die Realität und herausarbeiten. Diese Räume, die sich da öffnen, die man füllen kann, auch wenn man einem der kulturelle Kontext fehlt. (ne, stimmt so nicht, er kennt ja beide und setzt genug Anker, damit auch die eurozentrischen Leser mitkommen).
Ich habe Murakami noch nie analytisch gelesen. Ich lass mich einfach ziehen und ich wage keine Analyse, warum das so ist, weil ich keine kommentierten Übersetzungen kenne.
Höchstens, dass ich schon auf den Knien liege, wenn einer seinen Roman 1984 nennen kann, ohne mit irgendwas in Konflikt zu geraten.
Liebe Grüße
Judith
Hallo Lametta,
ZitatEinmal in den Text eingelesen, wurde ich als Leserin von einer Empfindung in die nächste gerissen und erst am Ende erlöst. Ich kannte bisher nur Gedichte von HvHT, finde in diesem Text die gleiche Gabe wieder: Vom Außen in die Innenwelt eines Menschen zu zoomen...mit sinnlichster, farben- und formenvoller Sprache. Steh ich drauf. Danke Thomas und Anja! War mir ein Genuss!
Ja, ich finde, das gehört zu den Techniken, die man wirklich aus dieser Geschichte lernen kann (und die gerade in Texten wie denen - ich weiß, ich wiederhole mich - von Erpenbeck wieder aufgenommen wird), dass der Blick von außen auf die Figur Dinge im Leser erwecken kann, die man dann eben nicht explizit in der Reflexion der Figur darstellen muss.
Liebe Grüße
Judith
Hallo Shabana,
hallo ihr LIeben,
ZitatOriginal von Shabana
Der eigentlich positive Wunsch Lerchs nach einem idyllischen Dasein wird dadurch untergraben, dass er seine soldatische Gewalt, seine Macht, die ihm sein Säbel gibt, und seine Gier nicht ablegen kann. Im Dorf wird ihm vorgeführt, zu was Gewalt führen kann. Die Idylle des menschlichen Zusammenlebens wird hier pervertiert dargestellt.
und ich habe da nur die sexuelle Komponente sehen können. Da bin ich wohl dieser Gefahr erlegen, die Hofmannsthal an den Schluß von Der Dichter und diese Zeit stellt:
Ich höre des öfteren, man nennt irgendwelche Bücher naturalistische und irgendwelche psychologische und andere symbolistische, und noch andere ebenso nichtssagende Namen. Ich glaube nicht, daß irgendeine dieser Bezeichnungen den leisesten Sinn hat für einen, der zu lesen versteht. Ich glaube auch nicht, daß ein anderer Streit, mit dem die Luft erschüttert wird, irgendeine Bedeutung für das innere Leben der lebendigen Menschen hat, ich meine den Streit über die Größe und die Kleinheit der einzelnen Dichter, über die Abstufungen unter ihnen, und darüber, ob die lebendigen Dichter um so viel geringer sind als die toten. Denn ich glaube, für den einzelnen, für den, der das Erlebnis des Lesenden kennt, für ihn wandeln tote Dichter mitten unter den Lebendigen und führen ihr zweites Leben. Für ihn gibt es ein Zeichen, das dem dichterischen Gebilde aufgeprägt ist: daß es geboren ist aus der Vision. Sonst kümmern ihn keine Unterscheidungen. Er wartet nicht auf den großen Dichter. Für ihn ist immer der Dichter groß, der seine Seele mit dem Unmeßbaren beschenkt. Die einzige Unterscheidung, die er fällt, ist die zwischen dichterischen Büchern und den unzähligen anderen Büchern, den sonderbaren Geburten der Nachahmung und der Verworrenheit. Aber auch in ihnen noch ehrt er die Spur des dichterischen Geistes und die Möglichkeit, daß aus ihnen in ganz junge, ganz rohe Seelen ein Strahl sich senke. Er wartet nicht, daß die Zeit in einem beredten Dichter, einem Beantworter aller Fragen, einem Herold und einem Anwalt, ihre für immer gültige Synthese finde. Denn in ihm und seinesgleichen, an tausend verborgenen Punkten vollzieht sich diese Synthese: und da er sich bewußt ist, die Zeit in sich zu tragen, einer zu sein wie alle, einer für alle, ein Mensch, ein einzelner und ein Symbol zugleich, so dünkt ihm, daß, wo er trinkt, auch das Dürsten der Zeit sich stillen muß. Ja, indem er der Vision sich hingibt und zu glauben vermag an das, was ein Dichter ihn schauen läßt – sei es menschliche Gestalt, dumpfe Materie des Lebens, innig durchdrungen, oder ungeheuere Erscheinung orphischen Gesichtes –, indem er symbolhaft zu erleben vermag die geheimnisvollste Ausgeburt der Zeit, das Entstandene unter dem Druck der ganzen Welt, das, worauf der Schatten der Vergangenheit liegt und was zuckt unter dem Geheimnis der drängenden Gegenwart, indem er es erlebt, das Gedicht, das seismographische Gebilde, das heimliche Werk dessen, der ein Sklave ist aller lebendigen Dinge und ein Spiel von jedem Druck der Luft: indem er an solchem innersten Gebilde der Zeit die Beglückung erlebt, sein Ich sich selber gleich zu fühlen und sicher zu schweben im Sturz des Daseins, entschwindet ihm der Begriff der Zeit, und Zukunft geht ihm wie Vergangenheit in einzige Gegenwart herüber.
Tja, und schöner und genauer kann ich meine Vorstellung von Textwirkungen nicht darstellen, allerdings blicke ich auf diese Zeilen mit meinen eigenen Vorstellungen, die auch von denen geprägt wurden, die nach Hoffmannsthal kamen, von denen, die die neurologischen Grundlagen untersuchen genauso wie von denen, die Texte analysieren.
So ist das eben, Text entsteht im Leser und genau deshalb finde ich das Gespräch darüber so spannend. :D.
Liebe Grüße
Judith