Beiträge von Juergen P.

    Ich kenne nur sehr wenige Autoren, die das nicht kennen. Es kursieren jede Menge Sharepics unter Autoren zu diesem Thema, meistens Cartoons, in denen die Autoren in verschiedenen Stati zu sehen sind, zwischen unfassbarer Euphorie, weil das soeben vollendete Werk absolut bahnbrechend ist, und nicht endenwollender Niedergeschlagenheit, weil jeder andere Text besser ist als ausgerechnet dieser.

    Seufz ... X/Über das Thema könnte ich ein ganzes Buch schreiben. Während ich an meinem ersten mit dem Ziel einer Veröffentlichung geschriebenen Roman arbeitete, habe ich fast täglich sehr viel Zeit in Buchhandlungen verbracht, gefühlt zumindest jeden Klappentext gelesen und daraufhin jeden zweiten Roman angelesen, viele der angelesenen Bücher nach Hause geschleppt, um dort weiterzulesen und den Vergleich mit meinem eigenen Geschriebenen im Detail fortzuführen.

    Herausgekommen ist dabei ein ständiger Wechsel meiner Gefühlslage zwischen himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt, der extrem zermürbend war und hinsichtlich meiner Frage, ob ich zwischen all dem gedruckten Geschriebenen irgendwann meinen Platz finden könnte, zu absolut gar nichts geführt hat. Erst durch die Zusammenarbeit mit einer Autorin bin ich zu einer realistischeren Einschätzung meiner Schwächen und Qualitäten gekommen. Aber auch um das daraus entstandene und näher an der Wirklichkeit angesiedelte Selbstbewusstsein muss ich mich täglich neu bemühen.

    Kein Manuskript ist immer nur einfach gut, das schwankt von Tag zu Tag, und manchmal beschleicht mich der Gedanke, dass Schriftstellersein automatisch mit einer Art bipolarer Störung einhergeht (ohne diese unerträgliche Beeinträchtigung damit kleinreden zu wollen). ;)

    Dieses Gefühl begleitet mich, seit ich mit dem Schreiben angefangen habe. Das Ganze hat etwas Pathologisches. Aber für den, der schreibt, ist es vermutlich eine Unausweichlichkeit, eine Notwendigkeit zuletzt, sich auf diese Pathologie einzulassen.:|

    Anscheinend wünschen sich die meisten Menschen eine kleine heile Welt, in die sie flüchten können, hoffentlich gibt es noch genug Leser die ein verhindertes Happy End zu schätzen wissen, sonst kann ich die nächste Story gleich zu den anderen in die Schublade packen

    Wie schon meine Oma sagte: „Zu jedem Topf gibt es einen passenden Deckel.“ Da mach dir mal keine Sorgen. Es gibt genug Menschen, denen von Happy endings speiübel wird, weil die aus ihrer Sicht nicht die Wirklichkeit spiegeln. Aber wenn ich schon der Meinung bin, dass eh alles scheiße ist, dann gehe ich ins Internet oder vor die Haustür. Dafür brauche ich kein Buch. Es sei denn, es handelte sich um ein literarisches Meisterwerk.

    Das „Ende“ einer Geschichte ist auch nicht einfach der freien Entscheidung des Autors überlassen, sondern ergibt sich in noch stärkerem Maße aus der Geschichte selbst. Und überhaupt: Happy ending ... Downer ending ... Sad ending ... Das Ende einer Geschichte ist immer nur eine Momentaufnahme oder, um es mit Kurt Tucholsky zu sagen: „Es wird nach einem happy end im Film jewöhnlich abjeblendt.“ Geschichten werden abgebrochen, niemals beendet. Deshalb ähnelt die Diskussion über die Frage Happyend oder nicht für mich mehr dem berühmten Sturm im Wasserglas. Zuletzt geht es immer nur um Vorlieben, die von Autorin oder Autor sowie jene von Leserin und Leser. So what?

    Ich möchte einige Aspekte des bisher Gesagten noch einmal aufgreifen.


    Verlage sind zuallererst Wirtschaftsunternehmen, und das gilt aktuell mehr denn je. Wer will es ihnen deshalb verübeln, dass sie Wünschen und Erwartungen ihrer Klientel so weit wie nur irgend möglich zu entsprechen versuchen?

    Denn es sind eben nicht die Verlage, die erst durch ihr Angebot jene Wünsche und Erwartungen erschaffen. Niemand wird schließlich dazu gezwungen, ein Buch der vielgescholtenen Rosamunde Pilcher zu kaufen, obwohl es vier Meter weiter fürs gleiche Geld einen John Updike, eine Nell Leyshon oder Anne Enright zu kaufen gibt und in weniger als doppelter Armeslänge eine Eva Baronsky und ein Stefan Schwarz (die Auswahl ist mehr oder weniger zufällig) bequem erreichbar sind.

    Es geht weit am Kern des Problems vorbei zu glauben, die böse Absicht profitgeiler Literaturimperien mitsamt der Klonkriegerheerscharen willfähriger Autorinnen und Autoren wäre ursächlich für das Niveau von vielem, was schwarz auf weiß zwischen zwei Buchdeckel gedruckt in den Regalen der Buchhandlungen steht.


    Die traurige Wahrheit ist eine andere: Masse drängt nach unten. Das gilt für einen Apfel, und es gilt für den Lesegeschmack.


    Petra hat weiter oben den Begriff Eskapismus benutzt. Der ist weit besser geeignet, um das Selbstbeharrungsvermögen von Klischees zu verstehen. Und er trägt außerdem zum Verständnis der Tatsache bei, warum viele Menschen bereit sind, zwanzigmal 9,99 € für die gleiche Geschichte zu berappen, auch wenn die Namen von Personen und Orten von Mal zu Mal verschieden sind.

    Über alle Genregrenzen hinweg hat die Mehrzahl der Romane, die sich wie geschnitten Brot verkaufen, einen gemeinsamen Nenner: die in ihnen erzählten Geschichten spielen ausnahmslos

    - in einer Welt, die es nicht gibt. Beispiel: Fantasy

    - in einer Welt, die es noch nicht gibt. Beispiel: Sience-Fiction

    - in einer Welt, die es nicht mehr gibt. Beispiel: Historische Romane

    - in einer Welt, die es so nicht gibt. Beispiel: Chic-Lit


    Das Sehnen nach einer heilen Welt kann deshalb nicht das ausschlaggebende Argument für den Griff zum klischeegetränkten und somit „sicheren“ Buch sein. Die Blutrünstigkeit historischer Romane ist manchmal kaum zu ertragen. Warum aber dennoch Geld für einen 1300 Seiten langen Schinken ausgeben, wenn ich das Gleiche umsonst und in Echtzeit von jedem Nachrichtenportal geliefert bekomme? Eben. Die Echtzeit ist schwer auszuhalten. Ich kann sie nicht konsumieren. Sie zwingt zur Auseinandersetzung mit ihr. Der Schrecken von 1099 hingegen ist der Schrecken von 1099 und deshalb nicht (mehr) real. Er ist handhabbar geworden.

    Um Handhabbarkeit geht es primär. Um Überschaubarkeit. Um die Reduzierung einer überfordernden Komplexität. Um eine schmerzlindernde Schrumpfung des eigenen Wahrnehmungsrahmens.


    Trotzdem.

    Wer kann es der Frau verdenken, dass sie sich beim Anblick ihres schlaffen Großmauls auf der Wohnzimmercouch in Gedanken lieber mit dem schriftstellernden Jungbauern Greg im Heu wälzt und sich am nächsten Tag das passende Buch zum Film besorgt, wer dem Mann, dass er sich im allmorgendlichen Stauritual kurz vor dem Innenstadtring „Zurück in die Zukunft“ träumt.


    Wir werden unsere Lieblingsklischees auch weiterhin pflegen und hegen wie einen Schatz. Einfach, weil wir sie brauchen. Zumindest hin und wieder. Daran ist zunächst einmal nichts Verwerfliches, allem Naserümpfen zum Trotz.


    Herzliche Grüße,


    Jürgen

    Bei dem Wort Klischee verzieht sich bei vielen von uns das Gesicht spontan zu einer Grimasse. In jedem Fall ist dieser Begriff negativ besetzt. Einerseits.

    Andererseits sind die meisten Klischees unausrottbar.


    Meiner Meinung nach hat das zum einen sehr viel mit Selbstvergewisserung zu tun, zum anderen mit dem Wunsch, die Kontrolle zu behalten.

    Und nichts hat ein so starkes Selbstbeharrungsvermögen wie das Gekannte und Bekannte.

    Überdies enthalten Klischees immer auch einen wahren Kern. Ansonsten hätten die darin enthaltenen Vorstellungen niemals zum Klischee werden können. Und wenn wir ehrlich mit uns sind, spiegeln sie häufig unsere eigenen unreflektierten Meinungen, Vorurteile, Ängste und Sehnsüchte. Aber weil wir doch eigentlich intelligente, weltoffene, coole, reflektierende und differenzierende Individuen sind, müssen wir uns von Klischees auf einer rationalen Ebene natürlich distanzieren.;)


    Während der Alzheimerjahre meiner beiden Eltern bestand meine einzige „Freizeitaktivität“ im Schauen von Fernsehserien. Und das bis zum Exzess. Deutlich favorisiert habe ich zwei Gruppen: auf der einen Seite die eher harten Serien wie Dexter, Criminal Minds, Bones, CSI etc., auf der anderen Seite die oft zuckersüßen und fast immer klischeetriefenden Kuschelserien wie Friends, How I met your mother, Dharma and Greg, Will and Grace etc.


    Ich glaube, die damals weitgehend unbewusste Absicht hinter meiner Auswahl bestand wesentlich darin, keine Überraschungen erleben zu wollen. Gut und Böse sowie deren Verkörperungen, das Verhalten der Protagonisten, die Dramaturgie ... all das sollte, musste im Rahmen des Vorhersehbaren bleiben.


    Grundsätzlich ist es wohl so, dass bei der Auswahl dessen, was wir lesend, schauend oder hörend konsumieren, die aktuelle Lebenssituation eine maßgebliche Rolle spielt.


    Obwohl ich persönlich bei Büchern doch andere Maßstäbe anlege. Ein Buch zu lesen verlangt von mir ungleich mehr Zeit, Konzentration und auch eigene Teilnahme, als eine Serie zu schauen. Weshalb ich das Gefühl hätte, mich selbst zu verscheißern, würde ich meine fürs Lesen verfügbare Zeit und Energie an vorhersehbare, klischeebeladene Geschichten verschwenden.

    Und was für das Lesen eines Buches gilt, versuche ich erst recht auf das Schreiben eines solchen anzuwenden. Für mich ist es ein Qualitätsmerkmal einer Geschichte, wenn deren Verlauf sowie die Entwicklung der Figuren weitgehend unvorhersehbar bleiben. Was ich hingegen sehr, sehr gerne mache, ist, mit Klischees zu spielen. Die Frage nach dem Happyend bleibt von all dem aber zunächst einmal unberührt. Zumal statt des erwartbaren Happyends ein in seiner Ausgestaltung unerwartetes Happyend häufig die reizvollere Variante ist.



    Herzliche Grüße,


    Jürgen

    In meinem ersten Roman habe ich Inquits noch sehr reichlich verwendet. Manche dieser Dialoge wirken heute auf mich so, wie der Eintopf schmeckt, wenn sich beim Nachsalzen der Deckel vom Salzstreuer löst. Inquits sind eine Ursache, wenn nicht sogar die Hauptursache dafür, warum Dialoge auch in veröffentlichten Werken häufig so schrecklich dröge wirken. Sie unterbrechen, bremsen und verkaufen überdies Leserin und Leser regelmäßig für blöd.


    „Ich bin einverstanden“, nickte er.

    Das ist natürlich doppelt blöd, weil niemand einen Satz nicken kann.


    Aber selbst die „erlaubten“ und deshalb so häufig verwendeten Inquits, wie „sagte“ oder „fragte“ oder „antwortete“, sind fast immer überflüssig.


    „Mir ist schlecht“, sagte er.

    „Hast du wieder Muscheln gegessen?“, fragte sie.

    „Nein,“, antwortete er.

    Oder alternativ:

    Mir ist schlecht“, stöhnte er.

    „Hast du wieder Muscheln gegessen?“, wollte sie wissen.

    „Nein,“, antwortete er.

    Die Alternativen sind auch nicht wirklich besser, auch wenn sie den üblichen Einheitsbrei aus „sagte“, „fragte“ und „antwortete“ ein klein wenig auflockern.

    Und, klar, es geht immer auch noch schlimmer:

    „Und du kannst sagen, was du willst“, sagte er, „ich sage dir, heute wird es noch regnen.“


    Okay finde ich hingegen Toms leicht ironischen Hybriden:

    "Vielleicht wirst du ja trotzdem nicht schwanger", orakelte Susi.

    Solche Inquits haben ihre Reiz, finde ich. Aber sie müssen passen, sonst kann es sehr schnell peinlich werden.


    Auch mit Anjas erweiterter Inquit-Formel bin ich einverstanden, die direkte Rede zu unterbrechen und sie dann wieder fortzuführen. Das mache ich in meinen Texten sogar sehr gerne:

    „Was ist los mit euch?“ Moira deutete auf die vier Gläser. „Hat man euch unter Drogen gesetzt? Paulo ist ein wundervoller Mensch ...“

    „Und vor allen Dingen ein wundervoller Tänzer.“

    „... und wenn alle Männer so wären wie er ...“

    „... hätten wir ein paar Probleme weniger. Sicher. Und stattdessen ein paar neue.“

    Moira seufzte. „Ich hatte einen wundervollen Morgen. Und von euch beiden lasse ich mir die Laune nicht vermiesen.“ Ein Grinsen erschien in ihrem Gesicht. „Ich hasse euch.“

    Caitlin erwiderte das Grinsen ihrer Mutter. „Ich liebe dich auch, Mom.“


    Für mich bestehen Sinn und Zweck von Inquits einzig darin, Eindeutigkeit herzustellen. Zum Beispiel: wer spricht? Wie auch in diesem Beispiel braucht es dazu aber nicht notwendigerweise eines Inquits. Wozu ein Inquit verwenden, wenn bereits aus dem Gesagten hervorgeht, wer gerade spricht? Dennoch können Inquits, so wie Anja sie definiert, die elegantere Lösung darstellen, um einen Sachverhalt zu vermitteln. Und ohne sie wäre die direkte Rede in manchen Fällen sogar missverständlich. Um beim Beispiel der zitierten Dialogzeilen zu bleiben:

    - Vier von ursprünglich fünf Personen sitzen an einem Tisch. Mindestens drei der vier Anwesenden haben etwas getrunken.

    - Gesprochen wird über die nicht mehr anwesende Person (Paulo).

    - Lediglich zwei der vier Anwesenden (Moira und Caitlin) sprechen miteinander.

    - Mindestens eine weitere anwesende Person teilt offensichtlich Caitlins Meinung über Paulo.

    - Es wird deutlich, dass Paulo schwul ist.

    - Trotz ihrer Worte denkt Moira über den Sachverhalt letztendlich nicht anders als Caitlin und der hier stumm gebliebene Gesprächsteilnehmer.

    Das alles wäre ohne die Unterbrechungen der direkten Rede nur durch umständliche Umschreibungen zu vermitteln. Und was den letzten Punkt betrifft, würde die „nackte“ direkte Rede hier das Gegenteil dessen suggerieren, was tatsächlich gemeint ist, und das sogar in zweifacher Hinsicht.


    Mit Inquits halte ich es so wie mit vielem Anderen: so wenig wie möglich und so viel wie nötig. Dabei ist weniger die Dosierung das ausschlaggebende Kriterium als vielmehr die Platzierung.


    Herzliche Grüße,


    Jürgen

    Juergen P.: Mich würde mal interessieren, wie es dir inzwischen damit geht?

    Soweit es das Schreiben betrifft, bin ich mittlerweile wieder deutlich entspannter, als ich es damals im April war.

    Am Anfang hatte ich die Befürchtung, meine beiden letzten Geschichten, eine beendete sowie eine in Arbeit befindliche, komplett eindampfen zu müssen. Beide spielen ursprünglich unmittelbar vor Corona und sind in weiten Teilen Roadnovels. Schwierig, wenn nicht gar unmöglich, habe ich zunächst gedacht, während einer Pandemie eine Roadnovel zu schreiben, in der sich der Handlungsort über mehrere Landesgrenzen hinweg ständig verlagert. Ich habe mich dann für die optimistische Annahme entschieden, dass es schon bald sowohl Impfstoffe wie auch wirksame Medikamente gegen Covid-19 geben wird und „siedele“ deshalb kurzerhand beide Geschichten ins Jahr 2021 um.

    Corona erwähne ich dabei mit keinem Wort und flechte in den ursprünglichen Text nur hier und da ein paar dezente Anspielungen ein. Das sieht konkret dann zum Beispiel so aus, dass eine Nebenfigur während des Betrachtens eines unbeschreiblichen Tohuwabohus auf Strand und Uferpromenade eines belgischen Küstenstädtchens zum Protagonisten der Geschichte sagt: „Wenigstens haben alle wieder ihr Leben zurück.“ Ich denke, das versteht zumindest noch während der kommenden Jahre jeder.


    Falls deine Frage allerdings mehr auf die gesamtgesellschaftlichen Implikationen der Pandemie abzielt sowie auf das, was sie mit dem Denken und Fühlen des Einzelnen macht, dann werde ich dir (die) eine Antwort schuldig bleiben müssen, bzw. fällt diese, gemessen an meinen Hoffnungen des Frühjahrs, deutlich pessimistischer aus. Die Frustrationstoleranz vieler Menschen ist letztendlich doch erschreckend schwach ausgebildet und immer häufiger tritt wieder blanker Egoismus an die Stelle der Solidarität und Hilfsbereitschaft, für die wir uns im Frühjahr noch gegenseitig gefeiert haben. Viele legen zudem ein seltsam paradoxes Verhalten an den Tag, indem sie zwar einerseits ihre Angst vor einer Ansteckung zugeben, um dann anzufügen: „Awer irjendwann is et och jenuch mit dem Corona.“ Und sich daraufhin entsprechend sorglos verhalten, frei nach dem Motto: "Es reicht! Corona go home!" Und in ein paar Monaten schubsen die Coronaleugner und Maskenverweigerer diejenigen, die sich die ganze Zeit über verantwortungsvoll verhalten haben, aus den Intensivbetten.X(


    Du siehst, ein wenig fehlt mir derzeit die Zuversicht. Aber auch deshalb schreiben wir ja. Und eine gute Geschichte wird nie aus Wohlempfinden geboren. Wer weiß? Vielleicht wird sich das Coronajahr ja als exzellenter Jahrgang für Bestseller entpuppen.;)


    Herzliche Grüße,:)


    Jürgen

    Meine Erfahrung: Jein, es ist (nicht) möglich.

    Jetzt, wo ich noch den ersten Krimi in Arbeit habe, stelle ich fest, paralleles Schreiben geht nicht, obwohl ich es geplant hatte. Ich unterbreche also für die Tage, in denen der nächste Heftroman fertigwerden muss, den Krimi vollständig, statt vormittags das eine und nachmittags das andere zu machen. Auch hier aus stilistischen Gründen, obwohl ich den Krimi personal und im Präsens schreibe, also völlig anders als Heftromane oder Romances. Aber hin- und herschalten geht trotzdem nicht bzw. bräuchte zu viel Zeit, macht mich unproduktiv, unruhig und erforderte letztlich viel mehr Überarbeitung als normal.

    Zwei (gar drei) Romane gleichzeitig zu schreiben halte ich für schwierig ...

    Das ist meine Befürchtung und gleichzeitig meine Hoffnung.

    Befürchtung deshalb, weil ich mir vorgestellt hatte, dass die Fähigkeit, zwischen zwei Projekten mehr oder weniger nach Belieben hin- und herschalten zu können, mein Arbeiten insgesamt produktiver machen könnte, wenn sich zum Beispiel in einer der beiden Geschichten die Inspiration eine Auszeit nimmt, einfach mit der anderen Geschichte weiterzumachen und umgekehrt. Aber das, was ihr dazu schreibt, ist weitgehend eine Bestätigung eigener, wenngleich auch noch sehr geringer diesbezüglicher Erfahrungen, weil es mit den beiden Geschichten, an denen ich seit Jahresanfang arbeite, mit dem Hin- und herwechseln auch nicht so recht klappen will. Bereits die sehr ungleiche Zeitaufteilung - circa 80 % der Zeit für Geschichte A und bestenfalls 20% für Geschichte B - zeigt mir deutlich, dass ich zumindest unbewusst Prioritäten gesetzt habe, und mittlerweile befürchte ich sogar, dass Projekt B tatsächlich schon „gestorben“ ist und ich mir das nur noch nicht eingestehen will.

    Und Hoffnung, weil ich mich aus anderen Gründen unbewusst dagegen sträube, parallel an zwei oder sogar mehr Geschichten gleichzeitig zu arbeiten. Zumindest auf einer rein methodischen Ebene ist meine Art zu arbeiten eh schon recht unproduktiv. Zum einen brauche ich jeden Tag aufs Neue anderthalb bis zwei Stunden, um wieder so weit in der Geschichte angekommen zu sein, dass die Sätze zu „fließen“ beginnen. Insbesondere für Dialogszenen ist das in meinem Fall eine grundlegende Bedingung. Und wenn dann der Paketdienst klingelt oder im Nachbarhaus der Schlagbohrer losgeht, bin ich wieder komplett „raus“ und muss den Resetknopf drücken. Ich reagiere in diesen Dingen recht mimosenhaft. Und zum anderen gehöre ich zu denen, die das bereits Geschriebene permanent überarbeiten, ehe sie in der Lage sind, weiterschreiben zu können. Das hat schon etwas Zwanghaftes. Im Wissen um ein paar krumme Formulierungen oder schiefe Bilder dennoch mit der Rohfassung weiterzumachen, schaffe ich einfach nicht.

    Für mich kommt da die Frage nach dem Autor auf: Bist Du so konsequent und vor allem diszipliniert, das Begonnene fortzuführen, auch wenn Dir die neue Idee im Kopf herumspukt? Wenn ja, was hat das für Auswirkungen auf das/die bisherigen Projekt/e, die eigentlich schon nicht mehr sooo hochgeschätzt sind wie die neue Idee (die sich natürlich als Strohfeuer erweisen könnte). Und: Was wird derweil aus der neuen Idee? Bleibt die „heiß“, auch wenn sie „für später“ zurückgestellt wird?

    Auch das ist ein Punkt, in dem ich mir meiner selbst nicht sicher bin. Einerseits habe ich bereits so viel Zeit und Energie in Maxi gesteckt, sind mir die Figuren so nah, dass ich mir das nicht nachsehen könnte, jetzt einfach alles stehen- und liegenzulassen, um mich stattdessen in das neue Projekt zu stürzen, auch und gerade auf die nicht zu leugnende Gefahr hin, dass das Interesse an Maxi im Laufe der Zeit trotz allem zu stark abkühlt, insbesondere dann, wenn sich bis dahin zusätzlich noch einige weitere Romanideen in meinen Gedanken eingenistet haben sollten.

    Andererseits übt die neue Geschichte trotz meiner inhaltlichen Bedenken eine so starke Anziehungskraft auf mich aus, dass ich auch sie nicht einfach so auf ein „irgendwann einmal“ vertrösten will.

    Was in Träumen (oder auch Tagträumen o. ä.) manchmal genial klingen mag, hat in der Umsetzung oft Haken, die erst dann richtig offenbar werden, wenn man die Idee aus dem Luftschloss auf den Boden der Tatsachen holt.

    Vielleicht wäre es wirklich sinnvoll, ein Probekapitel zu erstellen, um mögliche Risiken im Voraus abschätzen zu können, in Verbindung mit einer Skizze, die die Gesamtidee umfasst. Das nur als ein weitgehend fixer Gedanke.

    Bereits weiter oben hatte ich geschrieben, dass ich es für einen Zufall halte, dass die Idee zu dieser neuen Geschichte mitsamt Teilen des Personals aus einem Traum hervorgegangen ist. Hinzukommt, dass ich im Gegensatz zu früher Träumen jetzt grundsätzlich zunächst einmal mit einer gehörigen Portion Skepsis begegne. Deshalb ist euer Vorschlag, es doch zunächst einmal mit einem Probekapitel zu versuchen oder das Anfangskapitel zu schreiben, zweifellos ein guter Rat. Darüber wird sich vermutlich bereits ein Teil des Nebels lichten hinsichtlich der Frage, ob die Idee überhaupt trägt und auch, um hoffentlich ein erstes Gefühl dafür zu bekommen, ob es überhaupt Sinn machen könnte, mich auf diese Geschichte einzulassen - was deren Inhalt betrifft ebenso wie hinsichtlich meiner Möglichkeiten, mit einem solchen Stoff umgehen zu können.

    Ich bin sicher, dass jede Geschichte, der man sich zuwendet (indem man sie sieht bzw. liest oder sich ausdenkt und zu Papier bringt), einen Imprint in der Seele - oder Psyche - hinterlässt. Einige Dinge möchte ich mir aber nicht "einverleiben" - im wahrsten Sinne des Wortes nicht -, weil ich weiß, dass es Zeiten gibt, in denen man sich gegen diese zum eigenen Inneren gewordenen Eindrücke nicht gut zur Wehr setzen kann.

    Was den vorletzten Abschnitt angeht: interessante Frage. Und vielleicht ein Haupthindernis, das Dich zögern lässt …? - Nicht, dass ich eine Antwort darauf hätte.

    Deshalb würde ich über diese Dinge sehr, sehr gerne einmal in einem gesonderten Thread diskutieren, falls auch andere daran Interesse haben. Unsere Geschichten leben in uns und wir leben in unseren Geschichten. Und das ist etwas, worin sich die Tätigkeit einer Autorin oder eines Autors fundamental von anderen Tätigkeiten und Berufen unterscheidet. Umso mehr wundere ich mich darüber, dass die damit zusammenhängenden Fragen inmitten der Vielzahl der anderen und oft wiederkehrenden Diskussionen so gut wie nie thematisiert werden.


    Noch einmal danke ich euch allen für das Teilen eurer Gedanken, für eure Anmerkungen und Ratschläge. :)


    Herzliche Grüße,


    Jürgen

    Kristin, Silke Porath, Anja: Auch euch danke ich ganz herzlich für eure Kommentare, Anmerkungen und Ratschläge.:blume


    Aufschreiben, Skizzieren ... habe ich gemacht. Dazu die Charakterisierungen der Romanfiguren soweit bereits anwesend. Der Versuchung hingegen, bereits die Ausarbeitung von im Rohbau vorhandenen Szenen voranzutreiben, habe ich ebenso widerstanden wie der, mit dem Schreiben des Anfangskapitels zu beginnen. Das geht mir alles zu schnell. Deshalb:

    Ui, da hat Mr. Sandman aber mal seinen Job gemacht. Ich beneide dich richtig ein bisschen drum - eine packende Story frei Haus! Was ich, glaube ich, machen würde, wäre, zunächst mal eine KG oder Skizze schreiben und die dann darauf abzuklopfen, ob sie das Potential zu was Größerem, Längeren hat. Ansonsten: Die Zeit wird's weisen. Es ist vielleicht so wie mit dieser tollen Jacke, die wir in einem Geschäft sehen, und von der wir nicht wissen, ob sie uns wirklich glücklicher machen wird. Wenn die mir nach einer angemessenen Zeit immer noch im Kopf herumspukt, dann tendiere ich dazu, sie zu kaufen. Im Falle der Jacke wäre das vielleicht eine Woche oder so. Jedenfalls wünsche ich dir viel Freude mit dem Stoff!


    Hallo Jürgen,


    Du suchst nach einem anderen Tipp? Hier ist er, geht aber, glaube ich, in dieselbe Richtung wie Kristins Stellungnahme: Wenn es sich nur um eine kurze Geschichte handelt, würde ich sie aufschreiben. Geht's aber um einen ganzen Roman, würde ich erst mal versuchen, das Ganze zu einem schlüssigen Konzept zu bündeln. Alles ein paar Tage liegen lassen (klingt gerade wie eine Anleitung für Hefeteig :) ) und dann mal schauen, wie tragfähig Dir die Idee mit etwas Abstand noch erscheint.

    Über die „tolle Jacke“ und den „Sauerteig“ habe ich im ersten Moment geschmunzelt, dabei sind das zwei exzellente Ratschläge. Auch meine eigenen Gedanken gingen sehr schnell in diese Richtung. Die Grundidee aufschreiben, ein paar Szenen grob skizzieren plus die bereits genannten Figurencharakterisierungen. Auch der zeitliche Horizont von einer Woche scheint mir gut zu passen. Zu einer Kurzgeschichte taugen der Stoff und die Geschichte wohl eher nicht, zumal ich mit dem Schreiben von Kurzgeschichten ja eh schon meine liebe Not habe.


    Ein wenig ärgere ich mich darüber, dass ich nicht sorgfältiger über den Threadttitel nachgedacht habe. Er verengt den Blick zu sehr auf die Herkunft der Geschichte. Geschichten speisen sich aus den unterschiedlichsten Quellen. Dass es in diesem Fall ursprünglich ein Traum war, ist wohl eher Zufall. Und es ist mir zum ersten Mal passiert. Für andere hingegen ist es vielleicht sogar die Regel. Aber, wie gesagt, es lenkt ab von zwei Fragenkomplexen, die mir ungleich wichtiger sind.


    Zum einen, auf einer eher praktischen Ebene, die banale Frage: Ist es möglich bzw. ratsam, über einen längeren Zeitraum an zwei Romanprojekten gleichzeitig zu arbeiten? Bei mir war es bisher so, dass ich eine Geschichte zu Ende geschrieben habe, ehe ich mich dem nächsten Projekt zuwandte. Derzeit arbeite ich ja bereits gleichzeitig an zwei Geschichten, obwohl das nur bedingt zutrifft, denn Geschichte A, das bereits mehrfach erwähnte Maxi, bekommt grob geschätzt etwa 80% der Zeit, die mir zum Schreiben zur Verfügung steht. Und jetzt soll noch eine dritte Geschichte hinzukommen? Puh ... Eine wundersame Zeitvermehrung wird wohl ausbleiben.:(

    Überdies ist das Verhältnis zu meinen Romanfiguren immer sehr innig. Da geht es mir vermutlich nicht anders wie den meisten von euch. Das ist wie Familie. Diese Figuren sind in mir so lebendig wie viele der real existierenden Menschen in meinem Umfeld. Einige sogar lebendiger. 8)Und wenn ich mir vorstelle, dass ich es von nun an mit drei Familien gleichzeitig zu tun habe ... Nochmals Puh! Von der Zeitfrage einmal ganz abgesehen befürchte ich, dass sich die Geschichten wechselseitig zu viel Energie wegnehmen, dass ich mich verzettele, dass daraus ein Gefühl der Überforderung entsteht, das zuletzt zu einer völligen Blockade führt.

    Wer von euch hat bereits Erfahrungen mit dem mehr oder weniger gleichzeitigen Arbeiten an mehreren Romanprojekten gemacht?

    Horst-Dieters Feststellung, dass ich mir über alles zu sehr einen Kopf mache, statt einfach mal zu machen und danach zu schauen, ob es was taugt, passt grundsätzlich natürlich auch hier. Dennoch sehe ich hinsichtlich dieser speziellen Fragestellung einen Unterschied. Mit fünfunddreißig hört man das Ticken der Uhr noch nicht so laut wie später in einem fortgeschrittenen Lebensalter. Und als alte Socke, die ich nun mal bin, habe ich habe einfach Angst davor, mich sechs Monate lang, ein ganzes Jahr oder noch länger in ein Projekt zu verbeißen, um am Ende feststellen zu müssen, nein, es hat nicht gelangt.


    Der zweite Fragenkomplex dreht sich um die Art der Geschichte und deren Hauptakteure. Vor Jahrzehnten, lange bevor ich mit dem Schreiben überhaupt ernsthaft angefangen hatte, habe ich mich mit überheblichem Gegockel in Gedanken vor mir selbst damit gebrüstet, alles schreiben zu können, wenn ich nur wollte. Im Laufe der Jahre hat sich meine Überheblichkeit vollständig abgeschliffen, ist an deren Stelle das genaue Gegenteil getreten, ein beinahe lähmender Realismus. Mittlerweile glaube ich zu wissen, an welche Art Geschichten ich mich heranwagen kann, und von welchen ich besser die Finger lasse, auch wenn es in denen juckt.

    Und jetzt wird mir quasi auf dem Silbertablett eine Geschichte serviert, wie ich sie damals gerne geschrieben hätte, die aber, wie ich inzwischen glaube, ungleich mehr erfordert, als mein Talent und mein Vermögen hergeben.


    Hinzu kommt noch ein völlig anderer Aspekt. Ich glaube, jede Geschichte, die man erzählt, macht etwas mit einem, lässt einen aus dieser als einen anderen herauskommen als den, der in die Geschichte hineingegangen ist. Beim Lesen einiger skandinavischer Autoren oder dem Schauen von Fernsehserien wie True Detective, Dexter, Die Brücke et cetera habe ich mir deshalb immer wieder die Frage gestellt, was das für Menschen sind, die solche Geschichten erzählen, wer sie waren, bevor sie diese Geschichten erzählt haben und wie es danach mit ihnen weitergegangen ist.


    Wir verhalten uns ja immer so, als wüssten wir ganz genau, was Menschsein bedeutet, bedeuten soll, und auch, was Menschsein in seinen Extremen bedeuten kann, und das oft, ohne tatsächlich je groß darüber nachgedacht oder dem nachgespürt zu haben. Und wenn wir hin und wieder doch einmal konkret werden wollen oder sollen, kommt meistens nur ein oberflächliches, moralisierendes Gestammel dabei heraus. Aber was geschieht, wenn die Gewissheiten, all die geglaubten Sicherheiten verschwinden, wenn alle Prämissen sich als auf nichts gegründete Dogmen herausstellen? Wenn es immer wieder geschieht? Wenn Verdrängen nicht länger mehr eine handhabbare Option ist?

    Diese Fragen - und natürlich eure etwaigen Antworten darauf - interessieren mich brennend, insbesondere, wenn ihr mit diesen Dingen bereits im Rahmen eurer Arbeit als Autorin oder Autor konfrontiert wurdet. Aber vermutlich wäre eine Diskussion darüber besser in einem gesonderten Thread aufgehoben.

    Irgendjemand?


    Ansonsten werde ich mich einstweilen dem „Brotbacken“ widmen. Während meiner Bio-Eso-Phase habe ich das gemacht. Brot backen. Die Brote auf Hefebasis sind mir immer gelungen. Lecker waren sie außerdem. Mit den Sauerteigbroten war das anders. Genießbar war allenfalls das Resultat eines jeden dritten bis vierten Versuchs. Aber wenn es glückte, schmeckten die Hefebrote danach eine Weile lang irgendwie langweilig.


    Herzliche Grüße,:)


    Jürgen

    Ich benutze auch Safari und hatte vor einiger Zeit das gleiche Problem. Der Warntext war damals allerdings anders formuliert, wenn ich mich recht entsinne, wies aber auch auf ein Sicherheitsproblem mit der 42er Website hin. Wie Christian schrieb, hatte das damals mit irgendeinem abgelaufenen Zertifikat zu tun, was auch immer das bedeuten sollte. Jedenfalls war das Problem am nächsten Tag verschwunden.

    @All: herzlichen Dank an euch alle für die schnellen Reaktionen.

    Unbedingt aufschreiben, lieber Jürgen.


    Nutze die Gunst der Stunde, schreibe sie auf, die Geschichte, die offenbar aus dir raus will.


    Allein deine Begeisterung zeigt, dass die Story - zumindest bei dir selbst - einen Nerv getroffen hat. Ich würde Lindas Ratschlag folgen (aufschreiben im Sinne von grob skizzieren) und dann reifen lassen.


    Die Geschichte ist da, schreib sie auf.


    Lieber Jürgen,

    ich würde auch sagen: Einfach mal machen.


    Bleib auf jeden Fall dran. :)

    Vermutlich werden dich die Ideen sowieso so lange verfolgen, bis du sie notierst.

    Das ist eindeutig: dranbleiben, die Gunst der Stunde nutzen, schreiben, einfach nur schreiben.

    Diese Eindeutigkeit hat mich überrascht, denn weil auf meiner Seite diese Eindeutigkeit in der Einschätzung fehlt, habe ich diesen Thread ja überhaupt erst gestartet.


    Es ist ja nicht so, dass ich auf eine zündende neue Romanidee gewartet hätte, dass ich den lieben, langen Tag lang auf dem Bleistift herumkauen würde, weil ich nichts zu schreiben hätte. Bereits an zwei Projekten im Wechsel zu arbeiten, ist für mich eine neue Erfahrung. Insbesondere die Arbeit an Maxi macht mir wieder Spaß, nachdem ich zuvor einen kräftigen und langanhaltenden Motivationshänger hatte. Und Geschichten wie Maxi gehören im Gegensatz zu dieser neuen Geschichte zu der Art Geschichten, in denen ich mich wohlfühle.

    Jürgen, du machst Dir viel zu viel Gedanken über das Wie, Warum, Ob, Oder nicht und was weiß ich noch.

    Das geht mir nicht nur beim Schreiben so. Dieses verrückte Streben danach, wirklich jede Eventualität antizipieren zu wollen, und der Glaube, erst beim Vorliegen aller relevanten Informationen entscheiden zu können, wo es lang gehen soll. Oder ist das nur eine andere Form von Prokrastination?:achsel

    Hallo Jürgen,


    als eine Person, die sehr viel träumt und dann häufig bekannten Personen wieder begegnet, sehe ich keinen Grund, warum das nicht funktionieren sollte.

    Meist warte ich allerdings, bis der nächtliche Eindruck verflogen ist, um mit etwas Distanz über das geträumte Erlebnis nachzudenken.

    Auch ich träume sehr viel. Aber noch nie ist aus einem Traum eine Geschichte hervorgegangen. Die meisten meiner Träume habe ich bereits wenige Stunden nach dem Aufstehen wieder vergessen und nur an sehr wenige Träume erinnere ich mich auch Jahre später noch. Bereits aus diesem Grund gehört der heutige Traum zu den Ausnahmen und stellt angesichts der aus ihm entstehenden Geschichte eine Premiere dar. Und wäre nicht die von der Geschichte entfachte Begeisterung, säße ich schon längst wieder an Maxi.

    Vielleicht will dir dein innerer Autor auch sagen: Es reicht mit "Schmusegeschichten". Jetzt hol den Hammer raus.

    "Schmusegeschichten"? In meinem letzten beendeten Roman waren Missbrauch, sexuelle Gewalt und Selbstjustiz bestimmende Themen und in dem eben erwähnten Maxi geht es unter anderem um eine Kindesentführung und den Mord an einem Kind, auch wenn das in der Geschichte rückblickend erzählt wird, es geht um einen weiteren Mord und eine durch diesen ausgelöste Flucht, um religiös rechtfertigte Intoleranz, es geht um Rassismus und Homophobie, Themen, die ich gleichfalls nicht in der Kuschelecke verorten würde.;)

    Ignorieren funktioniert meiner Erfahrung nach, wenn die Idee tatsächlich nicht so gehaltvoll war, wie sie zuerst schien. Manche Ideen lassen sich aber nicht ignorieren und funken dann doch - aller Disziplin zum Trotz, an etwas anderem dranbleiben zu wollen - dazwischen.

    Das erwarte ich auch nicht anders. Aber was mich seit heute Morgen kirre macht, ist einerseits die unglaubliche Dynamik, mit der diese Geschichte an die Oberfläche drängt, und andererseits die Diskrepanz zwischen einem Stoff sowie einer Gattung von Romanfiguren, auf die ich mich bislang auch als Leser allenfalls mit großer Zurückhaltung eingelassen habe, und dieser deshalb umso mehr irritierenden, weil auf mich so unpassend wirkenden Begeisterung.


    Nochmals danke für eure Anmerkungen und Gedanken.:blume


    Herzlichen Gruß aus Aachen,


    Jürgen

    Hallo, liebe 42er,


    vorausschicken will ich meinen Fragen das Eingeständnis, dass ich mir keine Geschichten ausdenken kann. Ein paar Mal habe ich es versucht. Herausgekommen sind von platten Figuren bevölkerte dünne Geschichtchen, des Papiers nicht wert, auf dem sie geschrieben waren.

    Es beginnt immer mit mindestens einer, häufiger sogar mit mehreren Figuren, die plötzlich in meinem Kopf sind und die anfangen, mir ihre Geschichte zu erzählen. So war es bisher und hat auch insoweit recht gut funktioniert, als dabei in meinem Empfinden überwiegend lesenswerte Geschichten herausgekommen sind.


    Und dann habe ich heute Nacht diesen verrückten Traum. Es war der reinste Horrorfilm, und das umso mehr, als etliche Details aus meinem realen Leben in den Traum eingebettet waren - Orte, Personen, Begebenheiten, Gegenstände. Noch während des Wachwerdens habe ich versucht, den Traum so schnell wie möglich „loszuwerden“, aber stattdessen entwickelt sich aus dem Traum heraus rasend schnell eine eigenständige Geschichte, die zwar immer noch einige Horrorelemente enthält, inzwischen aber ganz sicher nicht mehr eine Horrorgeschichte zu nennen ist. Aber die drei Hauptakteure des Traums sind auch die Hauptakteure der Geschichte, einige Nebenfiguren sind hinzukgeommen ... wie gesagt, es geht rasend schnell, auch, was die praktische Umsetzung angeht, was für mich völlig untypisch ist. So weit, so gut. Aber ...


    Ich bevorzuge tragisch-komische Geschichten mit einem erkennbaren Bezug sowohl zur Gegenwart als auch zur Realität, den Protagonisten wünsche ich mir in der Regel mit ein paar ordentlichen Macken, aber auch mit einer hilfreichen Portion Selbstironie ausgestattet, und wenn es zwischendurch auch mal ganz tief nach unten geht, soll zumindest am Schluss der Geschichte stets auch Raum für Hoffnung sein. Ich mag mich nicht zum Chronisten des Leids und des Scheiterns machen und möglicherweise bei Leserin und Leser Depressionen auslösen.


    Und heute also nistet sich praktisch von jetzt auf gleich diese irre, düstere Geschichte in meinem Kopf ein, verdrängt einstweilen meine beiden aktuellen Romanprojekte und einige andere Ideen vollständig, obwohl es eine Geschichte ist, von der ich nie hätte annehmen wollen, dass ich sie schreiben will: mit drei auf sehr unterschiedliche Weise extrem beschädigten Hauptfiguren, die essentielle Anteile ihres Lebens bislang an andere Menschen delegiert haben und durch diese „ausleben“ lassen, es ab einem bestimmten Punkt aber nicht mehr dabei belassen wollen ... Verwerfungen, die aufgrund der wechselseitigen Abhängigkeiten daraus entstehen inklusive einer sich parallel entwickelnden doppelten Liebesgeschichte, einer Dreiecksgeschichte schließlich ... eine Hauptakteurin, für die Mord das Normalste auf der Welt ist, lästig zwar wegen der regelmäßig damit verbundenen Umstände, aber hin und wieder halt notwendig, so wie Zähneputzen. Das sind ganz grob skizziert ein paar Ingredienzen der Geschichte, die, so wie es aussieht, beim besten Willen keinen Raum für ein optimistisches Ende bieten kann, und die zu schreiben ich nicht nur deshalb einen Mordsbammel verspüre, sondern mehr noch, weil sie in fast jeder Beziehung so völlig anders ist als alles, was ich bisher geschrieben habe. Aber gleichzeitig ist da eine Begeisterung, die ich seit dem Schreiben meines allerersten beendeten Romans nie mehr verspürt habe.


    Oder ist das eher der Stoff, aus dem Rohrkrepierer gemacht sind? Denn das kenne ich ja zu Genüge: dass ich abends mit ein paar „brillianten“ Ideen schlafen gehe, für die ich am nächsten Morgen allenfalls eine Grimasse übrig habe. Aber das hier fühlt sich anders an.


    Was meint ihr? Soll ich diese Begeisterung, den aktuellen Schwung nutzen, dranbleiben, so gut es geht? Oder im Gegenteil versuchen, diese Bilder- und Gedankenflut zunächst möglichst zu ignorieren und zu schauen, ob die Begeisterung dennoch bleibt, ehe ich weiterhin Zeit und Energie in ein Projekt stecke, dass sich am Ende doch als der erwähnte Rohrkrepierer herausstellen mag? Wie ist das bei euch? Habt ihr ähnliche Erfahrungen hinsichtlich der Entstehung einer Geschichte gemacht? Und vor allen Dingen: Was ist daraus geworden?


    Herzliche Grüße,


    Jürgen

    Hallo Tom,


    danke für die Rezension.

    Mal schauen. Der Stapel ungelesener Bücher ist bereits einschüchternd hoch, die Liste der zu kaufenden Bücher noch länger. Aber du schreibst:

    Bleibt ein schön ausgestattetes, liebenswürdiges, aber etwas unbefriedigendes Buch, das vermutlich umso besser funktioniert, je mehr eigene Erinnerungen man wiedererkennt.

    Und da ich im Moment recht nostalgisch gestimmt bin ... :)


    Herzliche Grüße,


    Jürgen