Beiträge von Kristin

    Schon richtig, Kirsten: schwitzen, schwotz ist stark.


    Stimmt, Bettina, danke! ich verwechsle das andauernd, ich denke immer, wenn etwas in der Vokalfärbung einer Veränderung durch Beugen widersteht (wie schwitzen, schwitzte ...), dann ist es stark.


    Mein Wunsch ans Grammatikuniversum: Ich fände es (u.a. auch für die armen Deutsch-als-Fremdsprachler) sinnvoll, wenn zusammengesetzte Verben wie z.B. auffangen, abballern etc. im Satzgefüge nicht getrennt würden. Zugegeben: der Satz "Der Gangster abballerte den Polizisten" hört sich ein bisschen gewöhnungsbedürftig an (oder anhört sich ein bisschen gewöhnungsbedürftig ) , ist aber auf Dauer doch eine bessere Lösung als "Der Gangster ballerte den Polzisten, der sich hinter der Hausecke verschanzte und verzweifelt nach seiner Waffe fummelte, wobei ihm dämmerte, dass er sie er in der Schublade etc. etc. - Lufthol - ab. Diese Trennung von Präfix und Verb gibt es in anderen Sprachen auch nicht. Oder doch?

    Aber ein anderes Beispiel, was mir gerade einfällt: Was ist eigentlich in dem Satz "Früher gab es Dinosaurier" das Subjekt? "Es" oder "Dinosaurier"? Hab ich mich als Kind mal mit meinem Vater (Deuschlehrer) drüber gestritten.

    Dass in "Mich hatte die Angst" die Angst (in grammatisch durchaus "inkorrekter" Weise) die Handlungsdominanz einnimmt, hat doch wohl jeder Leser verstanden


    Ja, schon, aber das klingt so kompliziert! Und warum inkorrekt? Mich=Objekt, hatte=Prädikat, die Angst=Subjekt. Mehr ist doch grammatikalisch gar nicht dran an dem Satz (auch wenn er inhaltlich wirklich wunderschön ist).

    Viel mehr starke Verben: Ich schwitze, ich schwotz, ich habe geschwotzen! Obwohl, wenn es die Regel wäre, würde es wahrscheinlich nicht mehr so viel Spaß machen. Werde mir was anderes ausdenken. Schönes Thema! :dhoch


    Eine Wieder-Aufwertung des Semikolons wie oben erwähnt fände ich auch prima. Es drückt eine schöne Nuance aus, aber ich habe es mir fast vollständig abgewöhnt, weil es so verteufelt wird.

    Wer Lust hat, kann hier laut überlegen, wo er oder sie grammatische Regeln bricht, und welche Wirkung damit jeweils erzielt wird. Einer der bekanntesten Regelbrüche ist die in anderen Threads schon mehrfach genannte Technik, eine Rückblende nicht durchgehend im korrekten aber auf Dauer sperrigen Plusquamperfekt zu schreiben, sondern nach zwei oder drei Sätzen ins Präteritum zu gleiten und darauf zu vertrauen, dass der Leser sich bis dahin schon in der Vorvergangenheit angekommen ist. Das ist aber inzwischen so gängig, dass es mindestens drauf und dran ist, die neue Regel zu werden. Nee, eigentlich ist das schon Regel.


    Also, habt Ihr irgendwelche Marotten, Techniken usw., was Grammatik angeht? Macht Ihr bewusst was "falsch", als Stilmittel, um irgendwas zu verdeutlichen, vielleicht einfach nur aus ästhetischen Gründen? Mein Beispiel: ich schalte manchmal gerne Haupt- oder Nebensätze ohne Subjekt hintereinander, mit der Absicht oder in der Hoffnung, dass eine gewisse Dramatik reinkommt. Also etwa so:


    Frau L. haut Sätze in die Tastatur. Stutzt. Starrt dann minutenlang darauf. Löscht das Geschriebene, flucht hässlich und verbeißt sich in den Nadelfilz.


    4 Sätze, weit und breit nur ein Subjekt. Also grottenfalsch. Ich weiß nicht genau, warum ich das mache, wahrscheinlich habe ich es mal in anderen Romanen gelesen und es hat mir gefallen. Vielleicht gibt es sogar eine Bezeichnung dafür.


    Also: habt Ihr auch solche Beispiele? Würde mich freuen!

    Regeln beugen, Regeln brechen ... Also, ich habe mir ehrlich gesagt noch nie Gedanken darüber gemacht, ob "man das darf". Nicht beim freien Schreiben. Ein Regelbruch ist doch auch nichts besonders Dramatisches, soll heißen: muss doch nicht gleich zu Unverständlichkeit führen (im besten Fall kann ein Bruch einen Sachverhalt sicher sogar anschaulicher machen - aber nein, ein Beispiel fällt mir dazu gerade nicht ein, also zieht das Argument jetzt wahrscheinlich nicht so toll :nein2 ) oder in experimentelle Überhöhung ausarten. Schreibt Ihr denn in Eurer Prosa nie was grammatikalisch "Falsches"? Ich tue das manchmal - ich würde mich nur gerne dazu bringen, das bewusster zu tun und gezielter einzusetzen!


    Und ob man nun die Regeln genau kennen muss, um sie zu brechen, hm. Ich denke, müssen muss man erstmal gar nichts. Es kann auch aus dem Bauch heraus klappen. Entscheidend ist doch das, was unterm Strich dabei herauskommt, und ob es etwas Lesbares, vielleicht sogar Originelles ist. Allerdings glaube ich, dass sich durch die Kenntnis der Regeln die Wahrscheinlichkeit stark erhöht, dass der Bruch gelingt. So oder so - diese Diskussion inspiriert auch mich zu einem neuen Thema.


    Und: "Mich hatte die Angst" ist absolut richtige Grammatik! Sogar "Mich hat Angst" wäre grammatikalisch noch richtig (nur so unkonventionell, dass es mit der Verständlichkeit kritisch wird).

    "Ei Karle, gut, des mir des Müsli gesse hent"


    :rofl Und "an etwas gewohnt sein" ist echt komplett falsch. Aber wenn der Roman ansonsten lesbar ist, war`s wohl ein Versehen. Klar, fällt bei dem Thema natürlich doppelt auf.


    Darf ich was anderes fragen? Was ist denn Eurer Meinung nach der Unterschied zwischen "an etwas gewöhnt sein" und "etwas gewohnt sein"? Ist "gewöhnt sein" mehr so ein Sich-Dreinfinden in etwas eher Negatives (z.B. Schnarchen) und geht "gewohnt sein" mit einem Anspruch auf etwas Positives einher (z.B. Applaus gewohnt sein)? Nach meinem Sprachempfinden liegt da der Unterschied.

    Ich glaube nicht, dass wir davor kapitulieren sollten.


    Nee, genau - so wie ich auch finde, dass wir diesen interessanten Fred vorschnell verloren geben sollten. Ich kann mir vorstellen, dass Du ihn Dir nicht so kontrovers gedacht hast, Alexander, jedenfalls nicht sooo kontrovers ;) und ich fände es schade um ihn. Bei streitbaren Geistern wie hier vertreten bleibt eine solche Diskussion aber wohl nicht aus. Mir driftete es dann von "lebendige Diskussion" zu schnell zu Festbeißen in Einzelargumentationen ab, deshalb habe ich mich irgendwann verabschiedet. ich kann mich an keine Diskussion meines Lebens erinnern, in der Rechthabenwollen viel Sinnvolles beigetragen hat.


    Auch wenn ich Jürgens Ansatz nachvollziehen kann, gehöre ich auch eher zu denen, die davor warnen, Sprache allzu beliebig einzusetzen. Wenn ich etwas höre wie "ich geh Schule", dann denke ich halt auch nicht: prima, prima Sprachentwicklung, sondern ich denke: autsch, der wird es in einem möglichen Vorstellungsgespräch schwer kriegen. Wo hört Demokratie auf und fängt Verarmung an? Da hat jeder seiner eigene Schmerzgrenze. Was ins Jürgens Nase muffelt (gedenken etc.) ist für mich Sprachreichtum, dessen Wegfall ich bedauern würde. Mir hat's früher Spaß gemacht, darüber nachzudenken, woher so ein komisches, geheimnisvolles Wort wie Portemonnaie wohl kommt. Portmonee" hätte mich um diesen Spaß geprellt - ein Beispiel dafür, wie dem einen Reformen was nehmen und den anderen von einer Quälerei erlösen. That`s democracy!


    Aber es gibt echt Grenzen. Und auch rein pädagogisch, pragmatisch und utilitaristisch gesehen denke ich, man tut niemandem einen Gefallen, wenn man ihm "Ich geh Schule" durchgehen lässt. Dafür geht es doch zu sehr am allgemeingültigen Sprachgebrauch vorbei. Wir sprechen uns aber gerne in fünfzig Jahren nochmal dazu :roll!


    Wobei ich jetzt natürlich selber auch abgeschwoffen bin, ging es doch tatsächlich ursprünglich eher um schlampigen Sprachgebrauch in den Medien, oder, Alexander?

    Von mir auch sehr lieben Dank, Christoph, für diese tolle Rückführung ins traumatische Erleben Schilderung des schönen Wochenendes! Und fürs nächste Mal üben wir uns in Multitasking: Segel setzen und Meckern gleichzeitig!

    Ach so, PS: Ob die regierungsnahe SZ nun eine Verunglimpfung oder Sprachschlamperei ist - es wird kaum schaden, sich einen wachen und kritischen Umgang mit Medien zu erhalten, indem man solche Wasauchimmers hinterfragt.

    Ich habe bei einem meiner Romane heftig mit dem Lektorat gekämpft, um in der Beschreibung eines warmen Frühlingstages an der Schlei für den dort im Wind wogenden Raps das Wort "geilgelb" zu benutzen.


    Schön, dass Du gewonnen hast, Didi! Auch ich bin beim Lesen über das Wort gestolpert. Und als nächstes über mich und mein Gewohnheitsdenken, das die neuere Bedeutung natürlich viel mehr verinnerlicht hat als die ursprüngliche. Ich muss gerade an ein Zitat aus irgendeinem literarischen Werk (das ich nicht gegoogelt kriege, finde nur was übers Ausgeizen von Tomaten), bei dem ich immer gedacht habe, dass es vielleicht den Übergang von der alten zur neueren Bedeutung markiert und das so ähnlich lautet wie "Ihm wachsen die Triebe gar zu geile" - ein der Pflanzenwelt entlehntes Bild, um einen jungen Mann zu charakterisieren. Kennt jemand das Zitat? Von wann, von wem mag ist es?


    Bei Lessing kann ich mir auch kaum vorstellen, dass er sich "vertan" hat - gab's damals eigentlich schon Lektoren? ?!?


    Auf jeden Fall gerne mehr solcher interessanten Beispiele, Alexander! Und natürlich auch immer her mit Positiv-Beispielen kreativer Sprachbeugung!

    Ist zwar kein Gedicht, nur ein YouTube-Hörtipp, den ich nicht einstelle, weil ich a) nicht richtig weiß, ob man das urheberrechtlich darf, in Wirklichkeit aber b) (hüstel) im Moment gerade nicht richtig weiß, wie das technisch geht ... Sie war auch dann noch da, von Marius Müller-Westernhagen, damals wohl auf dem Höhepunkt seines lyrischen Schaffens. Einfach mal reinhören. Meine Lieblingszeile:


    "Sie macht mir noch zu essen, auch wenn sie abgespannt." Toll.

    Das sei ursprünglich eine scherzhafte Verballhornung gewesen, eine Spielerei von Studenten im Vormärz -



    So alt schon!? Mon dieu! - ich dachte, die Leute hätten mit diesem Unfug erst in meinen jungen Erwachsenenjahren angefangen (und die waren nicht im Vormärz!).


    Herzliche Grüße!

    Vielmehr ist es der Sprache natürlich, dass sie sich im Wesentlichen demokratisch "von unten" verändert (mutatis mutandis).



    Und deswegen weiß ich auch nie so recht, ob ich ein Sprachungeheuer wie "nichtsdestotrotz" demokratisch oder einfach nur grässlich finden soll. Laut Duden gibt es das inzwischen sogar offiziell - könnte mich schon wieder empören! Den Gebrauch von "demnach" in Deinem Beispiel, Alexander, empfinde ich bei näherer Betrachtung auch als falsch, aber es wäre mir nicht aufgefallen. Es hat sich wohl schon so eingebürgert, dass ich drüber weglese.