Beiträge von Clemens

    Erzählen ist die mithilfe eines Zeichensystems (Schrift, Bild) vorgenommene und an bestimmten inhaltlichen Gesetzen (kausale Zusammenhänge; Konflikt; "Erzählmaus": Einleitung - Hauptteil mit Höhepunkt - Schluss; Cliffhanger usw.) und sprachlichen Gesetzen (s. Textlinguistik, Rhetorik) orientierte Wiedergabe von realen oder nichtrealen Geschehnissen (oder einer Kombination aus beiden).

    Edith Schreiber-Wicke, Gefährlicher Tausch, 2003/2007 bei Thienemann in der Reihe "Vorsicht Hochspannung!" erschienen, eine gut erzählte Identitätentausch-Geschichte zwischen Arm und Reich, die in der Gegenwart in irgendeiner Stadt in Deutschland spielt.

    Der arme Junge erzählt einer geheimnisvollen Frau von seinem Wunsch, auch einmal das angenehme Leben seines reichen Mitschülers zu führen. Der Wunsch wird wahr; nach diesem Einstieg, dessen Fantasyhaftigkeit unauffällig und wie nebenbei geschieht, geht es realistisch weiter.

    Kinder-, Jugend- und auch Bilderbücher lese ich immer gern, oft im Wechsel mit Erwachsenen- und Sach- und Fachbüchern.

    Wo es hier dauernd um auszeichnungswürdige kryptische Bezeichnungen geht: Was ist ein "Vollmilchschokoladenhohlkörper"?


    :/ a) ein Kinder-Überraschungsei?


    :/ b) ein Schnulzensänger?


    Und wenn jemand jemandem Schokolade bringt, wird er ganz schnell zum - Achtung, jetzt tuts weh 8| - Holkörper ...

    Vor Kurzem habe ich zum zweiten Mal ein Seminar der Bundeskademie für Kulturelle Bildung in Wolfenbüttel besucht, „Prinzip Maus. Die Kunst, einfach zu erklären“, das Christoph Biemann von der 'Sendung mit der Maus' zusamen mit Olaf Kutzmutz, dem Leiter des Programmbereichs Literatur an der Akademie, geleitet hat, um neunten Mal übrigens seit 2002.

    Die Akademie bietet Veranstaltungen für Menschen an, die als Vermittler in den Bereichen Bildende Kunst, Darstellende Künste, Kulturmanagement/-politik/-wissenschaft, Literatur, Museum, Musik tätig sind.

    Nach der obligatorischen Kennenlernrunde der etwa 20 Teilnehmer wurden die mitgebrachten Hausaufgaben vorgetragen und im Plenum besprochen: je eine zweiminütige Präsentation – früher nannte man so etwas Kurzreferat … – mit möglichst einfachen Mitteln zu einem beliebigen Begriff oder Sachverhalt.

    An den drei Tagen (30. 11. - 1. 2. 2018) wurden Einzel- und Gruppenarbeit die verschiedenen Aspekte einfachen Erklärens untersucht, vor allem aber angewendet und ausprobiert, indem inhaltlich oder sprachlich komplizierte Texte vereinfacht oder Präsentationen auf dem Wolfenbütteler Weihnachtsmarkt vorbereitet und durchgeführt werden sollten, u. a. m.

    Das „Prinzip Maus“, das Biemann auch mit einigen Lach- und Sachgeschichten illustrierte, lässt sich mit diesen Aspekten umreißen: Abholen – Einstieg – „Schwarzbrot“ (Fakten) – Anschaulichkeit (Vergleiche) – Recherche & Richtigkeit – Weglassen – Wiederholen – Ausstieg.

    Am Abend des zweiten Tages gab es in den Räumen der Akademie, in Schünemanns Mühle, wo auch die Seminare stattfinden, eine öffentliche Veranstaltung mit Christoph, der natürlich im legendären grünen Pullover auftrat: Experimente, die mit einfachen Mitteln durchgeführt werden können, angelehnt an sein Buch Christophs Experimente (ISBN 9783446203396). Da er seinen Koffer mit den Utensilien aber in Köln vergessen hatte, musste improvisiert werden. So durften ihm unmittelbar vor der Veranstaltung zwei Teilnehmer, darunter ich, eine fußballgroße Kugel kalter Knete weichkneten … Hat Spaß gemacht.

    Die Wolfenbütteler Seminare überzeugen, finde ich, durch ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis:

    • Die Arbeitssitzungen dauern, wenn nicht eine Veranstaltung wie die erwähnte geplant ist, in der Regel bis halbzehn am Abend.
    • Die Doppel- oder Dreifach-Moderation mit einem oder zwei prominenten Gästen (2019 u. a. Burkhard Spinnen, Flix, Markus Orths, Felicitas Hoppe, Uwe Anton & Klaus N. Frick, Get Ueding, Kathrin Lange, Jürgen Kehrer, Ijoma Mangold) und dem charismatischen Olaf Kutzmutz ist abwechslungsreich und bietet unterschiedliche, einander ergänzende Perspektiven im fachlichen Ansatz.
    • An der Unterbringung im Tagungshaus, einem ehemaligen Mühlengebäude, und der Verpflegung (morgens und abends im Haus, mittags in Restaurants in der Altstadt) ist nichts zu meckern.
    • Die Teilnahme an einem Seminar mit zwei Übernachtungen kostet, nach geringfügiger Erhöhung, ab 2019 um die 225 Euro.

    Wer sich angemeldet hat, ist aber noch nicht automatisch Teilnehmer, denn man erfährt erst ein paar Wochen vor Beginn, ob man dabei ist. Die Akademie lässt nicht die Reihenfolge der Anmeldung entscheiden, sondern wählt aus. Und dann spätestens fängt man an, die mit der Zusage verschickte Hausaufgabe zu machen …

    Ich werde auf jeden Fall wieder mal hinfahren.

    Ich würde den politischen Roman weniger als Roman-Genre definieren denn als Erscheinungsform der politischen Literatur generell. Und die beginnt ja schon in der frühgriechischen Lyrik (Tyrtaios ua). Die Staatsutopien der Renaissance, die oft monströsen barocken Staatsromane und viele, oft satirische Romane nach 1848 gehören auch dazu. Im 20. Jh. dann auch als neue Spielart die Agitprop-Literatur.
    Einige Romane von Hermann Kant z. B. sind, abseits jeder parteipolitischen Brille, erst mal aus ihrer Zeit heraus verstehbare politische Äußerungen, die eigenen poetologischen Gesetzen gehorchen. "Die Aula" ist besser als ihr im Westen schlechtgemachter Ruf und eine ernstzunehmende Auseinandersetzung mit den Gründerjahren der DDR.
    Ich würde auch Timur Vermes' Hitler-Redivivus-Roman als Spielart des politischen Romans ansehen: eher satirisch entlarvend als konstruktiv diskutierend. Why not?
    Und Norbert Niemann hat mit "Schule der Gewalt" einen auch politischen Roman im Gewand des (selten gewordenen?) Schulromans geschrieben, nicht parteipolitisch, sondern eher allgemeinpolitisch, an der Grenze zum Zeitroman.
    Ich stelle mir dieses Seminar sehr interessant vor. Viel Spaß dabei! Bin auf deine Erfahrungen gespannt. :dafuer

    Hallo Joni,
    beide vorgeschlagenen Begriffe treffen die Sache, die du beschreibst, nicht.
    Onomatopoesie ist Lautmalerei, d. h. ein Wort ahmt einen Klang, einen Laut nach, z. B. Muh, schmatzen.


    Piktogramm ist eine einfache grafische oder bildliche Darstellung, d. h. es braucht dafür keine Worte, Worte würden dem Charakter eines Piktogramms sogar widersprechen.
    Was du meinst, sind Figurengedichte sein (https://de.wikipedia.org/wiki/Figurengedicht). Die gibt es schon seit der griechischen Antike.
    In der deutschen Literaturgeschichte sind sie besonders häufig während des Barocks und während des 60er/70er Jahre des 20. Jh.s.


    Es muss sich bei den Texten nicht immer um Gedichte handeln, auch Prosatexte kommen vor; die Spanne ist weit, bis hin zur Werbung.


    Ich habe mich während des Studiums und auch später gelegentlich damit beschäftigt und mal einen Artikel über ein mittelalterliches lateinisches Figurengedicht in der Zs. 'Diagonal' (Uni Siegen) unterbringen können.


    Wär schön, wenn ich dir damit helfen konnte.
    Clemens

    Ja, etwas eigenartig ist das schon, da hast du Recht, Tom. Und natürlich sind Texte eine inhaltliche und sprachliche Einheit.
    Ich sehe solche Bearbeitungen in Einfacher Sprache als eine von vielen Möglichkeiten, Literatur – Fiction oder Non-Fiction, in einer anderen Form zu rezipieren: aus einem Roman ein Hörspiel, ein Theaterstück, ein Drehbuch, eine Graphic Novel zu machen, oder aus einem Erwachsenenroman einen für
    Kinder und Jugendliche (Moby Dick, Die drei Musketiere, Gullivers Reisen), bis hin zum Bilderbuch.
    In gewisser Weise ähneln diese Bearbeitungen Inhaltsangaben, nur dass sie nicht mit Sachstil und indirekter Rede arbeiten, sondern mit denselben literarischen Mitteln wie die Originale. Lediglich die Komplexität – strukturell, gedanklich, stilistisch – wird verringert.
    Dadurch wird aber gleichzeitig eine neue Zielgruppe erschlossen, die bisher sehr stark vernachlässigt worden ist, Menschen, die aus verschiedensten Gründen keinen Zugang zum Buch hatten und auch nie eine Buchhandlung betreten würden, weil sie dort nichts für sie Geeignetes finden würden bzw. gefunden hätten. Menschen, die wahrscheinlich nie den betreffenden Autor im Original lesen könnten, durch die Bearbeitung aber die Chance haben,
    die erzählten Handlungen und spezifische Gedanken kennenzulernen, weil sie jetzt in einem für sie fasslichen Sprachniveau vorliegen.
    Jetzt haben sie die Chance, über das eine oder andere Werk mitzureden.
    Von solchen Bearbeitungen stammt auch die Redewendung „ad usum Delphini“ (zum Gebrauch des Dauphin). Und in der Antike wurden die Textformen der Epitomé (griech. Abriss, Auszug) und das Breviariums (lat. kurzes Verzeichnis, Abkürzung, Verkürzung), allerdings um schnell das Wesentliche mitzuteilen. Um Menschen mit Leseproblemen hat man sich damals nicht gekümmert. Bearbeitungen in Einfacher Sprache sind also wirklich eine eigen-artige, und eine „soziale“ Gruppe von Texten.

    Vielen Menschen fällt es schwer, normale Texte in Zeitungen und Büchern zu verstehen. Solche Leseschwächen können verschiedene Ursachen haben: Legasthenie, Aphasie, mangelhaftes Beherrschen des Deutschen (z. B. bei Menschen ausländischer Herkunft), funktionaler Analphabetismus, u.a.
    Um davon betroffenen Menschen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu erleichtern oder überhaupt erst zu ermöglichen, wurden die Konzepte der "Einfachen Sprache" und, noch weitergehend, der "Leichten Sprache" entwickelt.
    Neben Bearbeitungen diverser literarischer Werke gibt es mittlerweile auch Originalwerke in Einfacher Sprache und spezielle Zeitschriften.
    Vor Kurzem sind meine Bearbeitungen einiger "Erzählungen von Hermann Hesse in Einfacher Sprache" (Sprachniveau A2/B1) erschienen. Das Schreiben in Einfacher Sprache ist aber gar nicht immer einfach, wie ich auch erfahren musste: Die Aussageabsicht muss erhalten bleiben, der spezifische Stil der Vorlage soll nach Möglichkeit noch "durchschimmern", und die sprachlichen Vorgaben müssen beachtet werden. Es macht aber Spaß, sich darauf einzulassen.


    Spaß am Lesen Verlag 2018


    ISBN 978-3-944668-85-7
    [buch]3944668855[/buch]
    Paperback (Fadenheftung), 143 S., € 14,-
    (Cover, Spaß am Lesen Verlag)

    Vom Rentner, der seine Tage - außer mit Grundverrichtungen wie Essen, Schlafen und Befriedigung elementarer Körperbedürfnisse - nur noch mit (Vor-)Lesen und Schreiben zubringt, ergeht hiermit eine kollektive Mitleidsadresse an alle Werktätigen, egal in welchem Frondienst sie geknechtet werden, besonders aber an die bedauernswerten Lehrer.

    Beuge mich unter der Last des Mitleids, froh, diesseits und jenseits von Klassenzimmerwänden meine eigene Stimme und jenseits der Buchenhecke die Stimme meines Nachbarn mal gerade nicht hören zu müssen. Hier in den Dünen Jütlands ist es wunderbar ruhig, die einzigen Geräusche: das Nieseln auf dem Reetdach des Ferienhauses, das Auffliegen der Stare aus dem Gras, das Rascheln der Seiten beim Umblättern. Highku-Stimmung. :high

    Ich mag übrigens (auch) Lehrerwitze.


    Heike, Horst-Dieter, genauso sehe ich das auch. Rumjammern ist nichts Berufstypisches. Es gibt eben überall solche und solche. - Aus den Kontrasten und Konflikten zwischen solchen und solchen Vertretern ein und desselben Berufsstandes entsteht aber auch oft wunderbare Literatur, wie Melvilles Bartleby The Scrivener (https://de.wikipedia.org/wiki/Bartleby_der_Schreiber).


    Übertriebenes und „unbegründetes“ Jammern und Klagen von Kollegen/Kolleginnen, oft sind es solche aus den weniger arbeitsintensiven Fächern, ärgert mich selbst auch.


    Ich brauche auch kein Mitgefühl, weder begrenztes noch unbegrenztes, davon kann ich mir nichts kaufen. Verständnis und Mitgefühl Lehrern gegenüber findet man mittlerweile, wohl seit dem unseligen Faulesäcke-Satz jenes Bundes-Abkanzlers auch allenthalben, aber meistens vom Typ „Sonntagspredigt“. Immerhin sehen viele Eltern jetzt deutlicher, was an Schulen passiert, es gibt Statistiken, auch zur Lehrerarbeitszeit, die erwartungsgemäß in den ministeriellen Schubladen verstauben, und diverse wissenschaftliche Studien. Das Hauptgefühl der meisten Lehrer ist mehr das der weitgehenden Macht-
    oder besser: Einflusslosigkeit sein. Alle maßgeblichen Parameter werden vorgegeben, teilweise natürlich notwendigerweise. Die „pädagogische Freiheit“ reduziert sich oft genug auf die Wahl zwischen Tafelanschrieb, Overhead oder Whiteboard. Na immerhin.


    Und dann die G8-Stümperei: Jedes G8, in welchem Kleinstaat auch immer verwirklicht, ist nichts als ein zusammengequetschtes G9, siehe Zunahme der Wochenstunden (auf dem Rücken von Schülern, Lehrern, Familien) statt der „Entrümpelung“ der Lehrpläne. Müssen diese überhaupt entrümpelt werden, muss Schulzeit überhaupt verkürzt werden in einer immer komplexer werdenden Welt und bei immer höher werdenden Ansprüchen an Schulen = Schüler + Lehrer?


    Das Beschreiben der Realität, auch in Schnipseln, hat nix mit J*****n zu tun. Wenn mir Selbstständige, Politiker, Reinigungskräfte, Schüler, Maurer, Trucker, Künstler, Notfallsanitäter undundund über Missstände in ihren Berufen und Tätigkeiten erzählen, die Mitgefühl verdienen, dann kriegen sie dieses Mitgefühl von mir selbstverständlich auch.


    Ich mag übrigens (auch) Lehrerwitze.


    In diesem Sinne: Schönen Urlaub! :write


    Man könnte ja fast meinen, Du seist Lehrer :evil

    Man könnte ja fast meinen, das sei witzig. :dagegen
    Bin Lehrer für zwei Kernfächer (D/L). Mein Jahresurlaub beträgt 6 Wochen = Sommerferien. Für den Rest des Jahres habe ich, alle sonstigen Ferien eingerechnet, die "unterrichtsfreie", aber eben nicht "arbeitsfreie" Zeit heißen, in etwa eine Sechstagewoche. Klasse.
    Dieser Beruf, den ich in zwei Bundesländern - Baiern, NRW - ausgeübt habe bzw. noch ausübe, hat zwar etliche unschöne Seiten, aber eben auch viele schöne, z. B. das Unterrichten selber (obwohl man nach fünf sechs Stunden, auch wenn's gut läuft, meist ziemlich platt ist). Eine von den unschönen Seiten ist, dass man sich immer wieder von allen möglichen Seiten her, selbst aus den Kultusministerien, Vorurteilen, Nichtwissen oder Besserwissen gegenüber sieht. :heul
    Und irgendwie lehne ich es ab, mir dagegen ein dickes Fell zuzulegen. :trotz
    Karen, jetzt darfst du mich gern humorlos nennen.
    Nichts für ungut.
    Clemens Wojaczek

    Ruth Rehmann, geb. 1922, ist bekanntgeworden durch ihren 1979 erschienenen Roman „Der Mann auf der Kanzel“. Wie Christoph Meckel in „Suchbild“ und Brigitte Schwaiger in „Lange Abwesenheit“ (beide 1980) versucht auch Rehmann eine Auseinandersetzung mit dem privaten Vater und dem politischen Vater, der den Kindern fremd wird durch seine Nähe zum Nationalsozialismus, nicht nur in den 30er und 40er Jahren, sondern auch später.
    Rehmann hat seit ihrem ersten Buch, das 1959 erschien, öfter mit großen Abständen veröffentlicht.


    Vor Kurzem nun habe ich Rehmanns Roman „Fremd in Cambridge“ (EA 1999; dtv 2004: ISBN 978-3-423-13156-X) aus dem Regal gezogen, der dort schon lange ungelesen steht: Zur Geburtstagsfeier der Studienrätin Elisabeth Götte hat ein Gast einen jungen Engländer, Jeremy Pearl, mitgebracht, den er soeben aus einer misslichen Situation im deutschen Straßenverkehr hatte befreien können. Einige Wochen später nimmt Elisabeth Götte, die dafür spontan ein Sabbatjahr beantragt hat, Jeremys Gegeneinladung an, bei ihm und seinen Eltern in einem ländlichen Vorort nahe Cambridge eine gewisse Zeit zu verbringen. Sie ist in dem engen Häuschen zur Untätigkeit verdammt, beobachtet das Verhalten ihrer Gastgeber und ihr eigenes im Wechselspiel, reflektiert Leben, Beruf,
    Philosophie (Wittgenstein, Russell), wechselseitige Urteile und Vorurteile, die britische Politik der Zeit (nach dem Falkland-Krieg). - Wenig äußere Handlung also, aber ich erst etwa ein Viertel der 160 Seiten gelesen.


    Sehr schnell aber wird dem Leser Rehmanns Kunst des Tell, don't show deutlich, die die Position(en) des Menschen in seiner Umgebung, in seiner Umwelt
    beschreibt. Selbstverständlich sprechen und handeln die Figuren (show), doch werden verbale und nonverbale Kommunikation sowie Reflexionen über
    eigenes Verhalten und das Verhalten anderer überwiegend nicht in szenischer Anschauung, sondern aus der Distanz des interpretierenden Berichts vermittelt (tell): „Von der Familie werden ihre Streifzüge mit amüsiertem Erstaunen wahrgenommen, weil hier alles, was über den Garten hinausgeht, mit dem Auto gefahren wird.“ (S. 22)


    Hans Krieger, in einer Rezension, aus der auf der Rückseite zitiert wird, attestiert dem Roman, dass er „mit einem Minimum an Stoff unendliche Horizonte öffnet“. So ist es tatsächlich. Nimmt in einem epischen Text diese Art des Erzählens, die immer wieder Deutungen des Dargestellten anbietet, breiten Raum ein, statt dass die anschauliche Formung von Figuren, Gegenständen, Szenerien bevorzugt wird, so kann das manche Leser langweilen, die eher ein Mainstream-Erzählen schätzen. Aber man darf die unterschiedlichen Typen der Narration nicht gegeneinander ausspielen; in der deutschsprachigen Literaturwissenschaft hat erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts diese Art, erzählende Texte zu werten, abgenommen. Nicht mehr „E“ = ernsthaft ist gut und „U“ = unterhaltend ist schlecht, sondern ein Text ist innerhalb eines Genres oder über seine Grenzen hinweg überzeugend, komplex, innovativ und damit ästhetisch gelungen, oder eben nicht. Wie Stifter erzählt, wie Austen erzählt, kann man langweilig nennen (ich nicht), aber damit gibt man ein Geschmacksurteil ab, (noch) nicht ein nach sachlichen Kriterien überzeugendes.

    Dass es sich um Marketing handeln dürfte, darin gebe ich dir Recht. Der Begriff klingt erst mal neu, interessant, ist noch nicht abgenutzt. Ich hätte ihn aber bei Suhrkamp erwartet. Kann man mal wieder sehen ...
    Aber kuschelig? Nein. Das assoziiere ich mit Landschaft gar nicht. Für mich ist Landschaft - neben anderen Facetten - auch ein philosophischer Begriff, aber nicht ein Nachfolge-Kandidat für Heimat. Aber vielleicht habe ich auch nur zuviel (??) Stifter und Rosei gelesen. Von Rosei empfehle ich: Entwurf für eine Welt ohne Menschen (1975). Das ist ein Landschaftsroman (wegen der Kürze eher eine Landschaftserzählung), und weil keine Menschen darin auftreten, der Landschaftsroman.