Beiträge von Pookerman

    Seine Frau hatte ihm eine Szene gemacht, als er zum zweiten Mal die rein hypothetische Möglichkeit einer behutsamen Stimmbänderoperation durch den Tierarzt in Erwägung gezogen hatte.
    Karl-Heinz liebte Fussball und Tiersendungen, ab 18 Uhr wollte er seine Ruhe haben. Der nagelneue Flachbildschirm passte gerade so in die Zimmerecke, in der vorher neben dem alten Gerät noch zwei Pflanzen und eine kleine Stehlampe ausreichend Platz fanden. "Aha, ein Raumteiler" hatte seine Frau gesagt. Full-HD, teuer, vom Feinsten. Jede Ballbewegung im Mittelfeld des Europapokalspiels, jedes Löwenweibchen in der Savanne auf der Jagd nach einem Gnu, alles so, als sei man selbst dabei.
    Günther, sein direkter Nachbar, den er unter dem Vorwand eines gemeinsamen Bierchens ins Wohnzimmer gelotst hatte, regierte wie gewünscht mit neidvollen Blicken auf das schwarze Monstrum, er ließ die halb volle Flasche Bier stehen und verließ unter dem Vorwand dringender Gartenarbeiten das Haus.
    Bundesligaspiele waren für Karl-Heinz nicht so spannend wie Länderspiele oder große Meisterschaften, aber besser als gar kein Fussball. "Tiere suchen ein Zuhause" waren vor allem wegen der Katzen sehenswert, er mochte Katzen. "Expeditionen ins Tierreich" war sein Favorit.


    Sie sah nach der Tagesschau am liebsten "Dr. Gertrud Gronberg-Gebhardt: Abendglanz in der Alpenambulanz", "Polizeiruf 0900 - Dieser Anruf kostet das Leben" oder "Deutsche Volksmusik live aus El Alamein und Kundus", verzichtete bei der Übertragung eines Fussballspiels aber zugunsten von Karl-Heinz.


    In der Nachbarschaft bellte ein Hund.
    "Jetzt ist hier gleich Alarm und Rumgetrampel" sagte er, "dein Hund muss ja immer dem blöden Köter von Hansens antworten. Und gerade jetzt wollen unsere Jungs den Freistoß schießen!"
    Die Frau blickte ihren Gatten an. "Er wird wohl kaum den Freistoß deiner Jungs verschießen. Die sind da nicht in echt im Fernsehgerät, das nennt man Übertragung."
    "Sehr lustig", antwortete er, "Du wolltest ja unbedingt einen irischen Wolfshund, eine vierbeinige, haarige Berliner Mauer, die jede Sicht auf den Bildschirm verhindert."
    Der Hund hatte den Kopf gehoben. Die flach herabhängenden Ohren waren, soweit es die Anatomie herabhängender Ohren erlaubte, im Ansatz leicht nach oben gestellt. Er war aufmerksam, aber er bellte nicht. Der Freistoß blieb torlos.


    Sie gingen zeitig schlafen. Mitten in der Nacht schlug zuerst der irische Wolfshund an, dann die Turmuhr.
    Er stand senkrecht im Bett. "Was ist denn nun schon wieder?". Seine Frau, die nun ebenfalls wach lag, zuckte mit den Schultern. "Vielleicht eine Katze im Garten."
    "Nein, ich höre was, ich gehe mal nachsehen". Er warf sich den Bademantel über und ging nach unten, der Hund folgte ihm mit lautem Bellen. Im Flur lief der Hund ihm vorbei und blieb knurrend vor dem dunklen Wohnzimmer stehen.
    Er machte das Licht an.
    "Halt' mir den Riesenköter vom Hals!" In der Ecke des Wohnzimmers stand sein Nachbar, direkt neben dem Fernseher.
    "Günther? Was machst du in meinem Haus?"
    Der Hund hatte den Nachbarn nun auch erkannt und setzte sich auf den Boden.
    "Ich... äh, hatte was gehört." Günther zeigte zur Terrassentür "Die stand offen."
    "Hast du jemanden erkannt?"
    "Äh, nein. Ja, doch, ein Mann mit dunkler Jacke. Aber nur so am Horizont."
    "Scheint nix geklaut worden zu haben." Er drehte sich um und rief nach oben "Hilde, schlaf weiter, es ist alles in Ordnung." Dann blickte er zum Fernseher.
    "Günther!"
    Der Nachbar schluckte.
    "Da, der Fernseher steht schief, der Lump hatte es auf meinen schönen neuen Fernseher abgesehen!"
    "Puuh", sagte der Nachbar und lächelte gezwungen, "nochmal Schwein gehabt, wie?"
    "Komm, Günther, setz' dich. Auf den Schreck hol' ich uns erstmal ein Bier."
    Der Nachbar betrachtete den Hund. "Du blödes Tier" sagte er. "Warum hast du nicht einfach weitergeschlafen?"
    Karl-Heinz schaute hoch und wedelte mit dem Schwanz. Er liebte nicht nur Fussball und Tiersendungen, er liebte auch den neuen Fernseher.

    "durchschellte" (sorry, aber was soll das denn im bürgerlichen Leben genau sein, bitte?

    Danke für den Hinweis, war ich also nicht der Einzige, der darüber gestolpert ist. Ich bekam das Bild von süßen Welpen nicht mehr aus dem Kopf, die alle wie die Schellenmännle aus der Alemannischen Fastnacht rumrennen.

    Hallo Pampelmuse,


    willst du den Ärger von Mitbürgern vermeiden?


    Falls du Leute so richtig auf die Schippe nimmst, musst du damit leben, Anonym kannste vergessen. Zur Not schnell in eine andere Stadt ziehen.


    Ich kannte flüchtig einen Autoren, der gleich drei Prozesse wegen Rufschädigung an den Hals bekam und zwei Jahre später lieber aus seiner kleinen Stadt wegzog. Er hatte allerdings den selten dämlichen Fehler gemacht, das ohnehin erfolglose Buch als kleinen Rachefeldzug zu missbrauchen.


    Ich würde dir deshalb wie alle anderen hier dazu raten, mit Realnamen zu veröffentlichen.

    "Kieler Schule".

    Ja, gesundes Rechtsempfinden hat hier in Kiel gute Tradition.
    Anfang der 80er durften wir uns im Rechtslehre-Unterricht des Gymnasiums von einem Herrn Rechtsanwalt und Lehrer anhören, dass sein Vater Richter während des Dritten Reiches war und dass wir nun aber nicht glauben sollten, dass jene Zeit eine rechtsfreie Zeit gewesen sei, denn die Rechtsprechung der Weimarer Republik sei ohne Unterbrechung unverändert Grundlage der Rechtsprechung von 1933 bis 1945 geblieben und dass weder er oder andere mithin das Recht hätten, seinem Vater irgendeinen Vorwurf zu machen, denn alles wäre ja schließlich durch das geltende Gesetz geregelt gewesen. Die anschließende "Diskussion" wurde durch den Herrn Lehrer abrupt mit Hinweis auf den Lehrplan als beendet erklärt, um den Unterricht wieder auf Spur und damit auf die relevanten Inhalte der Besonderheiten des BGBs zu bringen.


    Den Namen des Vaters habe ich nirgendwo gefunden, was aber nichts heißt. Auch nichts Gutes.

    Ein völlig neuer Zugang. Ganz sicher. Ein Bestseller. Einfach genial.

    Ich sollte mal eine Amazon-Fake-Seite aus den Rubriken "Bestseller" und "Noch nicht erschienen" programmieren, in der jeder 42er seinen Titel mit Cover einstellen kann, natürlich schon mit 10 Fünf-Sterne-Rezensionen im voraus, zweistelligem Verkaufsrang (zwischen 28 und 39), die größten Bestseller der Weltliteratur sind natürlich gelistet unter "Kunden, die dieses Buch kauften, kauften auch...". Das geht dann online und man schickt es Freunden, Verwandten, Agenten und Verlagen. Natürlich wäre die Seite auch automatisch die Startseite beim morgendlichen Öffnen des Browsers.


    Schreibmotivationstechnisch wäre das vermutlich eine echte Marktlücke.

    Ich hätte noch einen exotischen Tipp. Heinz Strunk: "Die Zunge Europas ". Der Prota/Erzähler steckt von der ersten bis zur letzten Seite in einer Sinnkrise. Ich finde es noch besser als "Fleisch ist mein Gemüse".


    Bezeichnend: "Mein größter und in Wirklichkeit einziger Wunsch: Mit nacktem Oberkörper Holz hacken, ohne dass es scheiße aussieht. Glück könnte so einfach sein. Nichts schmeckt so gut, wie Dünnheit sich anfühlt."


    :-)

    Wahrscheinlich hast du Recht, Kristov. Warum nicht den Strang einfach und ohne gewollte Vergleiche erweitern?


    Es ist natürlich unsere Pflicht, im Sinne des Weltfriedens wie ein deutscher Schäferhund aufzupassen, dass es hier nicht wie beim Schwarzen Kanal auf Stürmer-Niveau zugeht und hier mit Gestapo-Methoden eine Wehrkraftzersetzung der antifaschistischen Argumente stattfindet. Genossen, wir sind doch keine Kulturbolschewiken, die in SA-Manier einen Kampf der befreiten Völker vom kruppstählernen Zaun brechen müssen. Von einer Endlösung der SED-NSDAP-Debatte habe ich aber nie gesprochen und davon habe ich auch nie etwas gewusst und meine Nachbarn auch nicht.

    hauchdünne Wand

    Genau darum geht es aber. Hauchdünn, aber Wand.
    Es sind keine hunderttausend Menschen ermordet worden, geschweige denn Millionen.


    Wir verzetteln uns hier ganz schnell und rettungslos, wenn Vergleich aufgestellt werden.
    Der Thread hatte die alten Nazi-Seilschaften in der Politik der westdeutschen Bundesrepublik als Thema. Punkt. Dabei sollten wir hier auch bleiben. Es gab ja auch genügend alte Naziseilschaften in der zweiten und dritten DDR-Führungsebene, aber auch das ist nicht Inhalt des Themas. Nur darum ging es mir.

    @Hugo
    Meinungen, die sich gleich zu Beginn durch Relativierung ihrer selbst reinwaschen, sollte man immer mit größter Vorsicht betrachten, also Sätze aus der Rubrik "Nicht, dass ich hier was vergleichen will, aber man muss auch mal sagen dürfen, dass ..."


    Ich glaube, dass die Idee des Kommunismus - wie die Ideen der großen Weltreligionen - nicht mit den evolutionär bedingten Verhaltensmustern des Menschen in Einklang zu bringen ist. Vielleicht eine Option in einigen 10.000 Jahren, vielleicht auch nicht. Sie sind lediglich nicht wie gewünscht realisierbar. Das macht sie per se aber nicht schlecht. Ich glaube, dass die Marktwirtschaft nur deshalb noch nicht erledigt ist, weil sie wirtschaftlich an genau an diese urmenschlichen Instinkte appelliert. Das geht alles fein ins Stammhirn und das funktioniert wunderbar, macht sie per se aber nicht gut. Das ist aber nur meine persönliche Meinung.


    Vergleiche hinken immer. Historische sowieso. Und historische Vergleiche mit dem Nazi-Regime ganz besonders.


    Ich habe bei bestem Willen keinen Hinweis dafür gefunden, dass selbst die schlimmsten Stasi-Leiter eine konsequente Ermordung aller Regimekritiker oder Kapitalisten in eigens dafür errichteten und industriell organisierten Vernichtungslagern betrieben hätten. Gefunden habe ich auch nichts darüber, dass der Kommunismus/Sozialismus auf der Idee einer nationalistischen Überlegenheit einer Rasse beruhen, die die Unterdrückung und Vernichtung aller als unterlegen klassifizierten Rassen rechtfertigen würden. Wenn ich mich recht erinnere, ging und geht es um die so genannte Befreiung des arbeitenden Menschen und der Errichtung einer "gerechten" Gesellschaft. Was ich selbst von der ideologisch verbrämten Ostalgie nach dem Motto "Ohne die Mauer hätte es Krieg gegeben" halte, habe ich im gleichnamigen Buchbesprechungs-Thread kommentiert.


    Ja, und nun könnte jemand kommentieren, dass es gerade deshalb absolut legitim war, dass der gute Grüne Jockel Fischer deutsche Soldaten endlich wieder in die Welt geschickt hat, um die Demokratie bei uns zu verteidigen, und dass der ältesten parlamentarische Demokratie wohl zuzugestehen sei, dass Abu Ghuraib, Guantanamo (Guantanamo - hoppla, immer noch) und andere, nicht ganz öffentliche Orte als kleine Fleckchen auf der ansonsten blütenweißen Weste unserer Demokratie nun mal hinzunehmen seien, um den globalen Terrorismus oder gar einen Welkrieg der guten Werte (Demokratie, freier Zugang zum Öl und anderen Rohstoffen, usw.) zu verhindern.


    Und danach? Ja dann würde dir am Ende womöglich noch jemand unter dem Nick "autor18" zustimmen und den Hinweis ergänzen, dass die SED-Opfer weitaus zahlreicher waren und aber im Dritten Reich gar nicht 6, sondern nur 5,8 Millionen Juden umgebracht worden seien.


    Und spätestens dann würdest vermutlich richtig in die Luft gehen.


    Der von dir aufgestellte Vergleich ist also "flüssiger als flüssig, überflüssig!" (Inspektor Sidney Wang).

    Endlich ein sinnvolles Feature für die BT-Gruppe (Anhang). Da kann man sich zukünftig mit Chips und Cola vor den Rechner setzen.

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