Beiträge von Tom

    Pathos ist für mich ein Begriff, der nicht negativ besetzt ist.

    "Pathos" ist ein Werkzeug der Rhetorik, keine menschliche Eigenschaft. Du überzeichnest und verstärkst das, was Du für Aspekte der Leidenschaft und dessen, was Du "Ehrfurcht und Dankbarkeit" (wem gegenüber eigentlich?) nennst, und Du pulverisierst es damit. Es wird im Wortsinn zugekleistert. Deine Schilderungen erregen bei mir starken Widerwillen.

    Banale Grande


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    Mensch, was war das alles früher besser! Früher gab es zum Beispiel noch keinen Klimawandel, und die ganzen Tierarten sind nur ausgestorben, weil wir so viele ihrer Angehörigen abgeschlachtet haben, dass die Erhaltung für die Art aus eigener Kraft unmöglich wurde. Und früher hat der New Yorker Schriftsteller Tom Coraghessan Boyle auch noch so richtig coole Romane geschrieben, Sachen wie „Willkommen in Wellville“, „Grün ist die Hoffnung“, „Wassermusik“, „Der Samurai von Savannah“ und einige andere. Inzwischen verklappt T. C., der eigentlich T. J. (Tom John) getauft wurde, nur noch Ökoromane in die Literaturlandschaft und lässt sich dafür feiern, was ja okay wäre, wären es diese Romane auch. Aber sie werden mit jeder weiteren Geschichte banaler, langweiliger und ununterscheidbarer.


    In dieser x-ten tendenzdystopischen Betrachtung des Umgangs der Menschen mit ihrer Umwelt (der zweifelsohne deutlich mehr Luft nach oben als nach unten hat) geht es um eine Familie, deren weibliches Oberhaupt Ottilie mit ihrem Mann Frank in Kalifornien lebt, wo es, wie Albert Hammond schon im Jahr 1972 singend verkündet hat, quasi niemals regnet (mit Ausnahme des Anfangs der Siebziger, weshalb die Veröffentlichung des Songs seinerzeit verschoben werden musste). Aber es ist außerdem heiß und es windet stark, woran niemand Spaß hat, von Parasiten und Brandstiftern abgesehen. Ottilies Sohn Cooper ist Biologe und mit einer Insektenforscherin liiert, die im Hinterland die Bestände inventarisiert. Bei einem solchen Inventur-Ausflug wird Cooper von einer Zecke gebissen, was nicht folgenlos bleibt. Ach, und Ottilie versucht, ihre Ernährung und die ihres Mannes auf Gliederfüßler umzustellen, was aber nicht ganz so gut gelingt, wie sie das geplant hatte.


    Außerdem hat Ottilie noch eine Tochter namens Catherine, genannt Cat, die in Florida lebt und mit dem professionellen Partygastgeber Todd liiert ist, der im Auftrag der Firma Bacardi um die Erde jettet und weltweit zu Events einlädt, bei denen große Mengen Rum inhaliert werden, nicht zuletzt von Todd. Eher aus Langeweile legt sich Cat deshalb eine Schlange zu, eine hübsche, kleine Tigerpython, die zwar als invasive Art gilt und im ausgewachsenen Zustand – sie wird über fünf Meter lang – die halben Everglades leerfrisst (einschließlich der Alligatoren), aber auch ziemlich dekorativ aussieht, und da Cat die Idee hat, Influencerin zu werden, ist das neue Branding schnell ausgedacht. Aber Cat wird außerdem schwanger.


    Die persönlichen Schicksale dieser Kohorte ziemlich uninteressanter Flachpfeifen sind an die Amplituden der klimatischen Ereignisse geknüpft. Während der Wasserspiegel an Floridas Küsten unaufhörlich steigt und Cat ihr Haus oft nur noch per Boot erreichen kann, bläst der Wind in Kalifornien oder es brennt oder beides geschieht gleichzeitig, weshalb beispielsweise eine Hochzeit ins windige Wasser fällt und andere Ereignisse nicht ganz so munter gefeiert werden können, wie sie geplant waren. Dass Wetter, Klima, Umwelt und so weiter menschengemacht verrücktspielen, während die Menschen weiterhin so tun, als wäre das irgendwie in den Griff zu kriegen, wiederholt Boyle unaufhörlich, mindestens einmal pro Absatz. Das kaschiert anfangs ein wenig, dass die Dramaturgie des Romans eher unspektakulär ausfällt, um es noch nett zu formulieren. Und, klar, Boyle kann auch immer noch exzellent erzählen, schafft es also sogar, sein banales Personal und den sehr flachen Handlungsbogen irgendwie zu verkaufen. Aber unterm Strich hat dieser Roman das ganz große Garnichts, belohnt die Lektüre mit nachhaltiger Ermüdung, verbunden mit dem Wunsch, Boyle würde das Missionieren jetzt wieder ins Privatleben verlegen und wenigstens gelegentlich Romane mit etwas mehr Handlung und thematischer Abwechslung erzählen. Und mit intelligenterem Personal.


    ASIN/ISBN: 3446276890

    Wenn man keinen Verlagsvertrag und kein Geld hat, landet man bei jemandem, "der sich auskennt". Das sind Leute wie die, die PhotoShop auf dem Rechner oder eine Makita-Bohrmaschine im Keller haben und deshalb oft glauben, sie wären Grafik- oder Handwerkerprofis. (Nahezu) Niemand, der das wirklich beherrscht, bietet kostenlos Korrektorats- oder Lektoratsleistungen an. Mit etwas Glück hat man Leute im Umfeld, die Germanistik, Literaturwissenschaften, Publizistik oder Lehramt/Deutsch studiert haben, und die deshalb mindestens Korrekturlesen können, bei denen man aber in Sachen Lektorat (dramaturgische und stilistische Unterstützung) Vorsicht walten lassen sollte.

    Allerdings ist es für echtes Lektorat - das man besser begleitend zur Manuskripterstellung laufen lassen sollte, vor allem bei potentiellen Debütanten - etwas spät. Mehr als ein fachkundiger "Der-sich-auskennt" leisten könnte, geht also vermutlich sowieso nicht mehr. Denn ich nehme nicht an, dass Du ein grundsätzliches "Mach das mal anders" gelten lassen würdest, oder, Maja?


    Ach so, und: Herzlich willkommen.

    Und noch einmal. Das hat nichts mit covern zu tun. Eine Coverversion ist die Interpretation eines bestimmten Musikstücks durch einen anderen Musiker oder eine andere Band.

    19.) Good luck!

    Falls sich 1.) bis 19.) wiederholen:


    20.) Beizeiten prüfen, ob das selbstgebaute Hamsterrad perspektivisch verlassen oder gegen ein anderes getauscht werden kann. Manch ein Projekt generiert zwanghaftes Verhalten, obwohl man für sich längst erkannt hat, dass daraus nichts mehr wird und eigentlich auch von Anfang an nichts werden konnte.


    Aber das ist eher eine allgemeine Feststellung, die viel von einer Behauptung hat, weil sich einfach überhaupt nichts generalisieren lässt.

    Hallo, Fabio.


    Willkommen!


    Ich habe von wenigen Autoren gehört, die einfach drauflosschreiben und dabei etwas brauchbares liefern. Ein paar grundlegende Gedanken über das Ziel der Reise machen sich meiner Erfahrung nach tatsächlich alle. Aber es gibt Leute, die planen ihre Langtexte detailliert, während anderen ein grundlegendes Setting und etwas Basispersonal ausreichen, und der Rest entwickelt sich dann irgendwie (und außerdem gibt es reichlich Abstufungen). Von diesem Rest ist tatsächlich nichts in Granit gemeißelt, alles lässt sich überarbeiten, und meiner ganz persönlichen Erfahrung nach spielt beim Aufwand für die Überarbeitung kaum eine Rolle, welchen Ansatz man gewählt hatte. Ziemlich schlecht oder sehr gut kann es auf alle Arten werden, weil das von mehr Faktoren abhängt als nur von der Handlungsplanung. Ich kenne auch Leute, die keinen einzigen Satz stehen lassen, der sie nicht vollständig glücklich macht, während andere auch mal was erkennbar Gurkiges liegenlassen, um grundsätzlich voranzukommen. Das ist beim Schreiben so wie sonst im Leben auch - es gibt sone und solche. ;)


    Antworten auf Deine Frage, wer wie schreibt und welchen Rhythmus oder überhaupt einen braucht, findest Du schon eine Menge Antworten, wenn Du ein bisschen im Forum stöberst. Kurze persönliche Antwort: Punktuell und dann massiv. Ich arbeite auf ein Projekt hin und ziehe es dann ziemlich schnell durch. Einen täglichen Schreibrhythmus brauche ich nicht.