Beiträge von Tom

    Lahm


    Eigentlich ist die Idee gut: Ein Londoner Bibliothekar, der in seiner Heimatstadt keinen vernünftigen Job findet, nimmt das Angebot einer nordirischen Gemeinde an, die dortige Bücherei zu führen. Doch die Verwaltung des Städtchens hat inzwischen beschlossen, die Bibliothek als "ambulantes Freizeit- und Lernzentrum" zu führen, was ein Euphemismus dafür ist, mit einem betagten Büchereibus über Land fahren zu müssen. Aber das ist längst nicht das einzige Problem, mit dem sich Israel Armstrong konfrontiert sieht. Die Halsstarrigkeit der irischen Provinzler ist ein weiteres. Davon abgesehen, dass die 15.000 Bücher spurlos verschwunden sind ...


    Sansom wollte eine Hauptfigur schaffen, die Douglas Lindsays Barney Thomson ähnelt, also einen tolpatschigen, etwas weltfremden Eigenbrötler, der von einer Katastrophe in die nächste stolpert, ohne etwas dagegen tun zu können. Folgerichtig ist Armstrong bereits am zweiten Tag mit Blessuren übersät, und er lässt sich wie ein Vollidiot von den muffeligen Iren hin- und herschubsen. Bis zu einem gewissen Punkt ist das auch leidlich amüsant, aber es wiederholt sich ständig, und man wird das Gefühl nicht los, dem dicklichen Büchermenschen ein paar erholsame Backpfeifen verpassen zu wollen. Zudem sind die Nebenfiguren stereotyp angelegt, wie es dem gesamten Buch - vom Plot abgesehen - an Originalität fehlt. Die sprachlich zwar knapp gehaltenen, aber viel zu langen und sich ebenfalls wiederholenden Dialoge langweilen alsbald, und ab etwa der Mitte dreht sich der Roman nur noch im Kreis. Die lahme Auflösung verhagelt das Lesevergnügen schließlich vollends.


    Wer die Art von britischem Humor mag, an der sich Sansom hier erfolglos versucht hat, ist mit Lindsay oder Sharpe besser bedient, und wer es etwas pfiffiger will, sollte nach den Büchern von Magnus Mills greifen. Ian Sansom schreibt oberflächlich, die Pointen verpuffen und den vermeintlich vorhandenen Situationswitz muß man mit der Lupe suchen. Selbst besonders gutmeinenden bibliophilen Lesern nicht zu empfehlen. Und der einzig wirklich gelungene Scherz ist der Klappentext.


    ASIN/ISBN: 3492271235

    Hallo, Ischtar.


    Zitat

    Vielleicht kann mir vorab jemand an einem Schema erklären, was passiert,wenn EpN ( Elastizität der Nachfrage ) <1 ist.


    Bin kein VWLer, aber die Elastizität der Arbeitsmarktnachfrage gibt an, um welchen Prozentsatz die Arbeitslosigkeit sinken würde, wenn man die Lohnkosten generell um einen Prozentpunkt senkte. Ein hoher Wert (> 1 %) bedeutet, daß der positive Effekt für den Arbeitsmarkt größer wäre, ein niedriger das Gegenteil. Das sind Rechenmodelle, die anzugeben versuchen, inwieweit das generelle Lohnniveau bedeutsam für die Gesamtsituation auf dem Arbeitsmarkt ist. Hierbei wird davon ausgegangen, daß Arbeitslosigkeit zu einem Gutteil darauf zurückzuführen ist, daß die Lohnkosten eben zu hoch sind. Da es aber in so gut wie keinem demokratischen und marktwirtschaftlich ausgerichteten Staat der Erde die Möglichkeit gibt, Lohnkosten generell zu verändern, bleibt es beim Rechenmodell, das kaum beweisbar ist.

    Es gibt sehr viele Wettbewerbsmodelle, die dem Hauptzweck dienen, zur Bereicherung des Ausschreibenden beizutragen. So gibt es Bewerbe, bei denen die Veröffentlichung in einer Anthologie winkt, und wenn es dann zur Sache geht, erfahren die "Gewinner", daß sie 10 Euro pro Seite ablatzen und/oder 30 Belegexemplare zum Vorzugspreis bestellen müssen. Undsoweiter. Wettbewerbe ausschreiben kann jeder, und man gewinnt den Eindruck, es tut auch jeder. So, wie Kleti und Pleti ihren Tagebuchmüll per BoD veröffentlichen. Im vorliegenden Fall ist dem Veranstalter ("freiezeitart") ein Verlag angeschlossen ("fza"), und es gibt hier und da Posten, die in Personalunion besetzt sind.


    Seriöse(re) Wettbewerbe findet man bei Uschtrin, im "Tempest" des Autorenforums und, natürlich, im Autorenkalender des 42erAutoren e.V. 8)

    Der Mitteldeutsche Rundfunk schreibt zum 13. Mal seinen Literaturpreis aus. Der Wettbewerb ist mit 9.500 Euro dotiert; hiervon entfallen 5.000 auf den Sieger, 2.000 auf den Zweitplatzierten und 1.500 auf den Dritten, zudem gibt es einen Publikumspreis in Höhe von 1.000 Euro.


    Der Wettbewerb ist offen für Autoren, die bereits literarische Texte veröffentlicht haben. Bis zum 31. Januar 2008 können bisher unveröffentlichte Texte (Kurzgeschichte/Short Story) eingereicht werden. Es gibt keine thematische Vorgabe, aber die Texte sollten nicht länger als 15 Vorleseminuten (ca. 6 Manuskriptseiten, max. 11.000 Zeichen) sein. Das eingereichte Manuskript muß kopierfähig sein und aus einseitig bedruckten A4-Seiten bestehen.


    Der Zusendung muß eine Übersicht der bisher veröffentlichten Texte beiliegen. Book on Demand zählt nicht. Außerdem sollte eine Kurzvita enthalten sein. Auf dem Manuskript darf kein Verfassername auftauchen. Anschrift, telefonische Erreichbarkeit und e-Mail sollten angegeben werden.


    Die Siegertexte und bis zu zehn weitere werden in einer Anthologie veröffentlicht, außerdem schickt der MDR die Sieger auf Lesereise. Der Siegertext wird zudem im Radio präsentiert.


    Für die Endrunde werden von einer Jury sieben Texte ausgewählt, die Sieger werden dann am 5. Mai 2008 im Leipziger "Haus des Buches" gekürt.


    Einsendungen an:
    MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK
    MDR FIGARO
    Postfach 100122
    06140 Halle
    Kennwort: Literaturwettbewerb

    Die Ausschreibung ist noch nicht online, einfach ab und zu mal hinklicken:
    http://www.mdr-figaro.de

    Hallo, Horst-Dieter.


    Zitat

    Man muss einmal in Extremsituationen geraten sein, um zu erfahren, dass dann leicht nichts von dem mehr gilt, für das man vorher eingetreten ist.


    Absolute Zustimmung. Deshalb rollen sich mir auch immer die Schamhaare auf, wenn jemand in einer Diskussion Dinge sagt, die mit "Ich würde nie ..." beginnen.


    Zitat

    Trotzdem halte ich es für anmaßend und falsch, daraus ein Recht zu definieren.


    "Recht" war oder ist das falsche Wort. Es wurde getan, es gab eine stillschweigende Übereinkunft, und es gibt Dutzende von belegten Fällen. Aber - natürlich - kein Recht z.B. als Bestandteil des Seerechts.

    Ergänzung: Der Kannibalismus spielt in "Terror" auch eine nicht unwesentliche Rolle. Wir haben hier ja kürzlich das Buch "Evangeline" von D. W. Buffa diskutiert ( D.W. Buffa: Evangeline ), in dem es um eine - in der Jetztzeit stattfindende - Schiffsreise geht, die in Not gerät, und deren Überlebende sich nur dadurch retten können, daß sie einander aufessen (natürlich nicht alle, sonst hätte es ja keine Überlebenden gegeben). Interessanterweise - ich habe das seinerzeit vergessen anzumerken - galt es bis weit ins zwanzigste Jahrhundert als unausgesprochenes Recht, in einer solchen Grenzsituation auf See durch das Losverfahren Opfer zu ermitteln, die als Nahrung für die anderen Schiffbrüchigen herhalten mußten. Dies nur am Rande.

    Hallo, Horst-Dieter.


    Der Roman hat (angemessene) tausend Seiten. ;) (Liest sich aber weg wie nix; ich hänge sehr viel länger an den dreihundertlangsam Seiten meiner aktuellen Lektüre, dem spärlich lustigen "Bücher auf Rädern" von Ian Samson.)


    Es gibt einige Bücher, die sich mit Expeditionen von Naturforschern befaßt und sie fiktiv aufbereitet haben, nicht zuletzt das kongeniale "Wassermusik" von T.C. Boyle um die Entdeckung der Nigerquellen durch Mungo Park. Besonders an "Terror" ist der durchgängig gelungene Versuch, den Duktus der Zeit wiederzugeben, und seine zärtliche Brutalität im Umgang mit den Protagonisten. Ich habe ein derartiges Buch noch nicht gelesen, vorher. Auch über diese Expedition (also Franklins Suche nach der Nordwestpassage) gibt es reichlich Material; am Ende von "Terror" befindet sich eine mehrseitige Literaturliste.

    Nein, dieses Buch handelt NICHT von Osama Bin Laden, vom 9.11. oder von ähnlichen Ereignissen. "Terror" ist ein lupenreiner historischer Roman, der die Ereignisse rund um John Franklins letzte Expedition thematisiert, die Suche nach der legendären Nordwestpassage.


    Zwei britische Schiffe brechen im Sommer 1845 auf, um in den arktischen Eismeeren nördlich von Amerika einen Seeweg nach Asien zu erkunden: Die "Erebus" unter dem Kommando von James Fitzjames und die "Terror" mit ihrem Kapitän Francis Crozier. Etwa 130 Mann befinden sich auf den beiden Mörserschiffen, die verstärkt und mit reichlich Proviant ausgestattet für eine mehrjährige Polartour gerüstet sind - oder sein sollten. Im Frühherbst 1846 schließt sich das Eis um die Schiffe, und als es auch im Sommer 1847 nicht aufbricht, deutet sich das Unausweichliche an: Die Expedition wird scheitern. Früher oder später werden die Männer ihre Schiffe verlassen und mühevoll einen rettenden Landweg suchen müssen. Im Frühjahr 1848 schließlich wagen sie diesen Schritt.


    Der berühmte Expeditionsleiter John Franklin, dem u.a. der deutsche Autor Sten Nadolny in "Die Entdeckung der Langsamkeit" ein Denkmal gesetzt hat, spielt in diesem Buch nur eine Nebenrolle; er stirbt relativ früh. Helden dieses epischen und weitgehend fiktiven Werkes sind Francis Crozier, der Kapitän der "Terror", ein Assistenzarzt namens Goodsir und einige andere Besatzungsmitglieder. Wechselnd erzählt Simmons aus deren Perspektiven das Geschehen. Dieserart erlebt der Leser mit, wie die Not wächst, wie Skorbut, Sturm, Kälte, Hunger, Meuterei und andere Ereignisse ihre Opfer fordern. Zu letzteren gehört ein monströser Eisbär, oder ein Wesen, das die Reisenden lange Zeit für einen Eisbären halten, obwohl es doppelt so groß ist wie alle bislang gesichteten Exemplare. Dieses Tier meuchelt nach und nach Dutzende der Expeditionsteilnehmer, und wohin sich die im Eis eingeschlossenen auch wenden, es scheint ihnen immer auf den Fersen zu bleiben. Alle Versuche, es zu erlegen, scheitern unter großen Verlusten.


    Dan Simmons gilt als einer der besten SF-Autoren unserer Zeit ("Hyperion", "Endymion", "Illium", "Olympos"), er hat Horrorgeschichten ("Kinder der Nacht") geschrieben - und wagt sich mit "Terror" erstmals an einen historischen Roman, der zwar in gewisser Weise phantastische Elemente hat, aber weit weniger, als dies der Klappentext weiszumachen versucht. Sehr eindringlich und fachgenau schildert Simmons das Leben und Sterben an Bord der Schiffe und später auf dem endlosen Eis. Man spürt als Leser nachgerade die klamme, bittere Kälte, die die Rettungssuchenden niemals aus ihrem eisigen Griff entlässt, und obwohl die Handlung insbesondere im zweiten Teil recht linear und manchmal vorhersehbar verläuft, wächst die Spannung von Seite zu Seite. Von der tatsächlichen Expedition wurden nur wenige Spuren gefunden. Simmons skizziert einen plausiblen und sehr authentisch anmutenden Ablauf, erzählt großartig, einfühlsam, brutal und extrem unterhaltsam. Ein packendes, interessantes Buch, dem man seine Längen verzeiht. Beeindruckend und überraschend, vor allem für eingefleischte Simmons-Fans.


    ASIN/ISBN: 3453029054

    Hallo, Cordula.


    Zitat

    Trotzdem habe ich mal eine Gegenfrage (die aber ganz ernst gemeint ist): Was ist "gut"?


    Keine Ahnung, ehrlich. Ein Mensch liebt Currywurst, der andere ist nur befriedigt, wenn er in Störsperma eingelegte Wachteljungfrauenküken an Froschaugenmus bekommt. :achsel Es gibt eine gewisse technische Qualität, die allerdings auch sehr diffuse Aspekte hat, aber kein Gardemaß für "gute" Texte. Wenn ich einen Text gerne gelesen habe, dann war er in meinen Augen gut. Für irgendwen sonst mag er die Hölle sein. Die Frage läßt sich einfach nicht beantworten. Die Gegenfrage eher. Schlechte Texte sind viel leichter zu kategorisieren. ;) (Edit: Was nicht bedeutet, daß Texte, die nicht schlecht sind, automatisch gut sind. Noch ein Edit: Manchmal bin ich redlich verblüfft, welchen Leuten meine Texte gefallen und welchen Leuten meine Texte nicht gefallen. Oder welche Texte Leuten gefallen oder nicht. Oder welche Textstellen Leute sehr mögen und welche nicht. Jede diesbezügliche Wette würde ich verlieren.)


    Zitat

    Deine Erfahrungen als Jurymitglied finde ich sehr spannend. Ich dachte nicht, dass es so schlimm aussieht. Auch da hab ich mal eine Frage: wenn Anonymisierung zugesagt ist, stimmt das wirklich? Oder wird nicht doch vor Bekanntgabe der Gewinner "vorsorglich" noch einmal nachgeschaut?


    Wir haben es bisher so gemacht, daß derjenige, der die Texte bekommen/eingesammelt hat, sie also später den Autoren zuordnen konnte, bestenfalls eines der (drei oder vier) Jurymitglieder war. Und als ich mit derlei befaßt war, habe ich die Texte aus den Umschlägen gezogen und sie gesondert gestapelt, um sie an die Mitjuroren zu schicken. Die Verursacher wurden dann erst nach Abschluß der Jurorentätigkeiten ermittelt. Und auch nur diejenigen der Siegertitel. Bis auf drei oder vier Nachfragen von Leuten, die wissen wollten, warum ihr Text nicht in dieEndausscheidung kam.

    Hallo, Horst-Dieter.


    Zitat

    Novum wird erst dann für mich zu einem seriösen Verlag


    Beide Begriffe sind falsch, sowohl das Ajektiv als auch das Substantiv. Zumindest die Dienstleistungssparte von novum ist keine Verlagsleistung im Sinne des Wortes (das ich jetzt nicht schon wieder erklären will), aber unseriös ist das Unternehmen deshalb noch lange nicht. Es wird eine käufliche Leistung angeboten, und man bekommt, was man kauft, fertig. Übrigens betreibt novum auch das originelle Geschäftsmodell "Buchpartys". Man wird Abnehmer und bekommt einen Satz Bücher rabattiert geliefert, die man dann zum Ladenpreis bei Partys zu verkaufen sucht. Die Auswahl macht der Verlag, und wenn man Abnehmer bleibt, bekommt man regelmäßig neue Bücher (welche das sein können, darüber gibt die Verlagsseite Auskunft, möglicherweise finden sich "Bilderkette" von Robert Glabutschnig, "Auch nirgendwo ist irgendwo" von Alexandru Hinta oder "Lebensweisheiten zum Nachdenken" von Walter Veigl im Paket). Auch das ist eine Leistung, die mit normalem Verlagswesen wenig zu tun hat, und möglicherweise kann man damit auch nur vergleichsweise wenig Geld verdienen, aber es ist eine "seriöse" Art von Unternehmung. Autoren, die unbedingt veröffentlicht werden wollen, werden veröffentlicht. Leute, die meinen, man könnte auf Partys Bücher verkloppen wie Tupperware, werden gleichfalls befriedigt. Und mit einem bißchen Glück verkaufen sich auf diese Art ein paar Dutzend Bücher, die sonst keinen Abnehmer gefunden hätten.


    Nur, wie gesagt. Mit dem "normalen" Verlagswesen hat all das wenig bis nichts zu tun.

    Hallo, Anja.


    Zitat

    Gibt es Texte, wirklich gute Texte, für die es einfach keinen Markt gibt?


    Natürlich. Schau Dir einfach mal Dein eigenes Bücherregal an, und dann vergleich es mit denen, die bei denen Freunden, Bekannten und Verwandten vorzufinden sind. Du wirst eine gewisse Schnittmenge finden, und einen Anteil, der nur bei Dir und nirgendwo sonst steht.


    Gut und marktfähig ist fraglos nicht immer dasselbe. Textqualität, sofern man überhaupt von ihr reden kann, hat viele Aspekte. Und es mag hervorragend verfaßte Texte geben, die thematisch und inhaltlich so eigenartig sind, daß sie niemals ein großes Publikum finden würden. Solche Bücher sind bei ambitionierten Kleinverlagen möglicherweise gut aufgehoben. Und manch ein sonderlicher Text findet auf diesem oder anderen Wegen doch noch ein großes Publikum; weiß der Geier, warum. Viele Lektoren würden gerne mal mit diesem Geier reden. :D (Ich denke da an einige Veröffentlichungen bei Verlagen wie blumenbar und ähnlichen.)


    Bücher verlegen ist ein Geschäft, eines mit recht hohem Aufwand, wenn man es ernsthaft und wirtschaftlich betreibt. Ein größerer Verlag verschleudert seine Kapazitäten, wenn er ein Buch veröffentlicht, von dem feststeht (oder festzustehen scheint), daß es nie mehr aus tausend Leser erreichen wird. Das ist eigentlich auch schon alles. Aber ich habe in meinem vorigen Posting nicht von Leuten gesprochen, die sehr gut schreiben, sich aber unorthodoxen Themen widmen. Und auch solche Leute können bei großen Verlagen landen und viel Beachtung einfahren. Der Ex-42er Michael Stavaric schreibt unglaublich gute Texte, meistens jedenfalls, und wir durften ihn in diesem Jahr in Klagenfurt bewundern; sein sehr seltsames Manuskript "stillborn" ist bei Residenz erschienen. Dieses Buch kann einfach kein Bestseller werden. Dafür leben die falschen Leute auf unserem Planeten. Aber es ist ein großartiges Buch.

    Hallo, Cordula.


    Zitat

    Wer will ernsthaft behaupten, dass es nicht mehr gute Texte und Autoren gibt?


    <hüstel>


    Ich. 8)


    Spaß beiseite. Wenn man durch die diversen Autorenforen stöbert, um Textproben zu lesen, oder sich den sehr empfehlenswerten Spaß gönnt, mal einer Wettbewerbsjury beizuwohnen, die hunderte von Texten prüfen muß, um schließlich ein Dutzend geeigneter Beiträge auszuwählen, verstärken sich nach und nach gewisse Zweifel hinsichtlich der Merkfähigkeit so manch eines "Autoren". Immerhin präsentieren diese Leute - und zwar alle - ihre Texte, senden sie an Wettbewerbsträger oder an Verlage, weil sie felsenfest davon überzeugt sind, eine so hohe Qualität zu bieten, daß eine Chance auf Anerkennung/Bewerbsgewinn/Veröffentlichung besteht. Ich habe zweimal in Wettbewerbsjurys gesessen, und die Texte waren zu weit über 90 Prozent so schlecht, daß zuweilen weniger übrigblieb, als man auszuwählen hatte.


    Ja, ja. In großen Verlagen werden auch Scheißbücher veröffentlicht, und manch eine Perle landet bei BoD oder DKZ, obwohl sie verdient hätte, einem größeren Publikum präsentiert zu werden. Aber das sind die Ausnahmen, das ist nicht der Normalfall. Der ist nämlich: Das Gros der Leute, die sich um Veröffentlichung, Reputation, Wettbewerbssieg bemühen, leidet an notorischer Selbstüberschätzung. Vielleicht nicht 99,99 Prozent, aber es ist ein sehr, sehr hoher Wert. Wirklich.


    Zitat

    Folgerichtig befinden sich also unter den Texten der DZVerlage neben den sicherlich vorhandenen schlechten auch eine Menge guter


    Mag sein, aber keineswegs im gleichen Verhältnis wie sich schlechte Texte bei großen Verlagen finden.


    Außerdem hat diese oft gehörte Argumentation m.E. keinen Wert - höchstens denjenigen, sich die eigene Vorgehensweise schönzureden. Das ist nicht persönlich gemeint; Du hast die Entscheidung für novum ja sehr bewußt getroffen. Letztlich geht es nur darum, wie man Leser erreicht. Und das ist nur auf einem Weg möglich, den man auch gehen kann, und zwar nicht als Sieger einer Manuskriptlotterie (so sehen die Leute das gerne, die mit diesen Zahlen jonglieren), sondern wenn man gut ist.

    Hallo, Cordula.


    Kein Problem. ;)


    Du hast Dich immerhin bewußt für einen Dienstleistungsverlag entschieden, was meiner Erfahrung nach schon eine Ausnahme darstellt - viele der Kunden von DKZV geraten in diese Art von Geschäftsbeziehung, ohne zu wissen, daß es normalerweise anders wäre. In einem anderen Forum schrieb letztens sogar jemand, daß er sich über die Branche "schlaugemacht" hätte und daß man ihm einhellig mitgeteilt hätte, daß es inzwischen absolut üblich wäre, daß die Autoren "ins Risiko genommen" werden (juhu, ein Satz mit vier "daß"). Wer also behaupten würde, Autoren würden vorab Geld für ihre Veröffentlichungen bekommen, wäre ein dreister Lügner.


    Was die Lesungen und die Buchhandelspräsenz anbetrifft - das gilt, als kleiner Trost, auch für viele neue Autoren, die bei größeren Verlagen veröffentlicht haben. Da schaffen es die Buchhandelsvertreter zwar, dafür zu sorgen, daß der neue Titel für ein paar Wochen präsent ist, aber wenn er sich innerhalb dieser Zeit nicht zum Seller entwickelt, verschwindet er auch bald wieder. Und Lesungsanfragen von Buchhandlungen sind bei Neulingen, die keine dicke Presse haben, auch selten. Meistens geht es erst beim zweiten, dritten Titel richtig los. Jedenfalls in vielen Fällen.

    Hallo, Cordula.


    Willkommen! :)


    Zitat

    Das zweite Buch, ein Roman, ist im letzten Monat erschienen. "Der Traumapfel" heißt es und ist schuld daran, dass ich mich im Moment eher wie eine Vertreterin fühle als eine Autorin.


    Dein Verlag - Novum - war hier (und in vielen anderen Autorenforen) übrigens schon das eine um das andere Mal Diskussiongegenstand. Wenn man bei einem "Dienstleistungsverlag" Kunde wird, ist es leider so, daß Marketing, Presse usw. häufig an einem selbst hängenbleiben. Davon abgesehen sind Erfahrungen mit solchen, generell aber mit allen Verlagen für alle Forenmitglieder von Interesse. Magst Du mal aus dem Nähkästchen plaudern?


    Ansonsten: Viel Spaß im Forum.


    Add: Weil Du selbst so bescheiden warst - hier der Link zu Deinem Buch:


    ASIN/ISBN: 3850220400

    Das Ranking der Rezensenten ergibt sich (irgendwie) aus der Anzahl der Rezensionen und der Anzahl der "hilfreichen" Bewertungen. Der dahinterstehende Algorithmus ist wahrscheinlich (s.u.) ein Betriebsgeheimnis eines einzelnen Amazon-Programmierers.


    Zitat

    Nun ja - auch die Ränge der Bücher sind ja für Normalsterbliche nicht unbedingt nachzuvollziehen.


    Das ist eine wirklich originelle Sache, die sich Amazon da ausgedacht hat. Wie das genau funktioniert, weiß wahrscheinlich im Haus niemand, aber das Verkaufsrang-Jo-Jo zu beobachten ist zumindest interessant. Und da es für Autoren, die nicht in den Bestsellerlisten sind, der einzige Gradmesser für den (vermeintlichen) Verkaufserfolg der Bücher ist, tun das wahrscheinlich sehr, sehr viele.

    ... muß ein heißes Jahr gewesen sein. Das hier schreibt die Amazon-Top-100-Rezensentin Regina K. (Rang 99) über sich selbst:


    Sie möchten etwas über mich erfahren?
    Ich wurde 1967 geboren, verheiratet und Mutter.


    Bin beeindruckt. =)

    Finde ich nicht. Bin eher selten MRRs Meinung, aber dieses Mal schon. Phillip Roth oder John Updike wären wirklich mal fällig gewesen. Nach dem nöligen Harold Pinter bekommt schon wieder ein britscher Schwerstschreiber, den kein normaler Mensch liest, den LitNob. :rolleyes

    Bin durch:


    Skandinavische Elben mit französischen Eigenarten


    Auch Elben sind nicht nur Lichtgestalten, frohgemute Feingeister, die sich vor allem den schönen Seiten des Lebens widmen, Blumen flechten, Lieder singen, Nektar trinken und all das - jedenfalls, wenn es nach Susanne Gerdom geht. Die dunkle Seite der Spitzohren hat ganz handfeste Qualitäten, denn die Dunklen, die Schweigsamen, die schwarzhäutigen Elben existieren. Nach einem historischen Zerwürfnis leben sie in der Verbannung. Bis sich Ratauura, die dunkle Schwester von Ividiis, auf die Suche nach Ihresgleichen macht - zu einer Zeit, als der elbische Sommerpalast im Wandernden Hain zum Gegenstand einer massiven Intrige wird, die nicht wenig mit dieser Suche zu tun hat. Ein Krieg droht, natürlich gegen die unliebsamen Zwerge, aber es steckt sehr viel mehr dahinter.


    Susanne Gerdoms detailreicher, in der Hauptsache wirklich lesenswerter Roman dürfte den einen oder anderen Tolkien-Fan ziemlich verblüffen. Da regieren Zwergenkönige in oberirdischen (!) Burgen, da takeln sich höfische Elben mit gewaltigen Unterröcken und reichlich Puder auf, da klingt jeder Name, als stammten Elben, Zwerge und sonstige Bewohner (welcher Welt auch immer) eher aus Oslo als aus Mittelerde. Zwerge und Elben tragen interessanterweise Nachnamen, und manch ein Ort oder Viech könnte auch der Star-Wars-Saga entsprungen sein, die echsenartigen Skralls zum Beispiel, mit denen Ratauura und ihre Freunde durch das Sandige Meer reisen.


    Aber die Verortung nach Mittelerde hat der Verlag vorgenommen, nicht die Autorin. Die bemüht sich in erster Linie, eine atmosphärisch dichte, originelle und spannende Geschichte zu erzählen, in der es um Liebe, Hass, Rassismus und Machtgehabe geht. Das gelingt ihr über weite Strecken recht vortrefflich, auch wenn der Roman einige Längen hat und manch eine Szene in der Detailflut unterzugehen droht. Und eine eigentlich liebenswerte Eigenart hat Susanne Gerdom auch beim fünften Roman noch nicht abgelegt, nämlich diejenige, zu jedem Substantiv mindestens zwei ergänzende Adjektive zu finden. Immerhin sehr treffende. "Elbenzorn" lebt aber zuvorderst von der liebevollen und sehr eindringlichen Figurenzeichnung, die das - reichliche und manchmal schwer unterscheidbare, ganz selten etwas stereotype - Personal in einer Plastizität vor dem geistigen Auge des Lesers entstehen lässt, die man anderswo suchen muss.