Beiträge von Tom

    Ich bin noch unentschlossen, ob ich mir das anschauen will. Ich finde den Kehlmann-Hype inzwischen unerträglich, obwohl das, ich weiß, ein total feiner Typ ist und alles und so. Und ein Spezi von Glavinic, dessen Zeug ich mag (oder mochte). Und obwohl er ja auch ganz unterhaltsame Bücher schreibt. Aber keine "Geniestreiche", wie Denis Scheck fast reflexartig behauptet. Mal schauen. ;)

    quasi leider, auf die falsche Art sozusagen

    Na ja. Es geht in diesem Film vor allem darum, dass mit dem überzogenen Versuch, in der Kultur divers und inklusiv und antirassistisch usw. usf. zu sein, Klischees und Vorurteile letztlich bestärkt werden, und dass bei diesem Versuch vor allem keine qualitative Differenzierung mehr vorgenommen wird, dass die Kultur letztlich auch keine Rolle mehr spielt. Alles, was nicht alt, weiß und hetero ist, ist automatisch gut, und je härter und "unkultureller" (im Sinne von: nicht mehr "klassischen" Anforderungen etwa an gute Texte genügend), umso "authentischer", "echter", "fresher" und eben diverser. Das überschreitet dann alle Lächerlichkeitsgrenzen. Gleichzeitig wird z.B. alles, was von Schwarzen kommt, auf das Schwarzsein bezogen und darauf reduziert (die anspruchsvollen Bücher von Ellison landen im Store immer automatisch in "Afroamerikanische Kulturgeschichte"), und damit wird dann im Endeffekt das Gegenteil erreicht. Aus Sicht der Künstlerinnen und -künstler ist das dann tatsächlich herabwürdigend, vor allem aus Sicht deren, für die die eigene Hautfarbe in dieser Situation überhaupt nicht von entscheidender Bedeutung ist. Die das Schwarzsein nicht als Hauptaspekt ihrer Identität sehen.


    So superwitzig ist das gar nicht. Es gibt sehr viele sehr amüsante Szenen, aber der Humor ist durchaus oft subtil und nie unangebracht.

    Die Besprechungsrunde lektoriert nicht. Die Texte werden besprochen, in unterschiedlicher (aber freier) Detailtiefe. Das reicht vom allgemeinen Urteil (z.B. dem T-Wort) bis zu dezidierten Verbesserungsvorschlägen, muss aber nicht.


    Dreißig Seiten sind so in etwa das Limit, das man sich nebenher noch gönnt, ohne, dass es in Arbeit ausartet, aber dreißig Seiten sind auch schon ziemlich viel. Zehn, fünfzehn sind besser.

    Ich fand (aus Autorensicht) den Johnnie-Walker-Vergleich besonders gut, obwohl er natürlich ein bisschen oberflächlich ist. Und ich fand stark, wie unaufgeregt und gleichzeitig eindringlich der Alltagsrassismus eingearbeitet ist, etwa, als sich Monk am Flughafen ein Taxi heranwinken will.

    "Ausradiert" ist dermaßen ausradiert, dass das Buch derzeit nichtmal über diverse Gebrauchtbuch-Kanäle zu finden ist.

    Dasselbe gilt für den gesamten "Jens Seeling Verlag", und vermutlich war die Auflage der deutschen Fassung des Romans auch eher überschaubar. Everett ist allerdings auch in den Staaten erst fast drei Jahrzehnte nach dem Erscheinen seines Erstlings etwas populärer geworden.

    "AMERIKANISCHE FIKTION" (Prime Video)


    Der seit seinem Erscheinen im Jahr 2023 mehrfach preisgekrönte Film mit dem etwas holprigen Titel basiert auf dem Roman „Erasure“ von Percival Everett, der bereits 2001 entstand und hierzulande als „Ausradiert“ bei einem sehr kleinen Frankfurter Verlag publiziert wurde, den es allerdings nicht mehr gibt (weshalb auch das Buch vergriffen ist). „Amerikanische Fiktion“ erzählt von der Bigotterie des ach so diversen und politisch korrekten amerikanischen Kulturbetriebs, von der allgegenwärtigen Heuchelei und von den in der Kunst unaufhörlich kolportierten Klischees über schwarze Amerikaner, die auch von schwarzen Amerikanern selbst verstärkt werden. Er erzählt außerdem von einer ziemlich durchschnittlichen Mittelklassefamilie, die man der „WASP“-Schicht zuordnen würde, wäre sie nicht afroamerikanisch.


    Im Mittelpunkt steht der Schriftsteller Thelonious „Monk“ Ellison, der ein paar kluge Romane veröffentlicht hat, die in den Buchhandlungen aber kaum zu finden sind – und wenn, dann im Regal für „Afroamerikanische Kulturgeschichte“, und zwar nur, weil der Autor eben schwarz ist. Monk doziert zum Zweck des Gelderwerbs an einer Uni in L.A., wo er allerdings ständig aneckt, etwa, wenn sich seine überwiegend weißen und durch die Bank woken Mittelschichtstudenten damit unwohl fühlen, das N-Wort (auch noch in der I-Doppel-G-Version) an der Tafel zu lesen, weil es im Titel eines alten Buchs vorkommt. Mit dieser Szene beginnt der Film, aber es geht in „Amerikanische Fiktion“ nicht um Provokation oder Haudraufhumor auf Farrelly-Brothers-Niveau – der Film ist eher leise, sehr menschlich, oft amüsant und ziemlich differenziert. Anyway, anschließend fährt Ellison nach Boston, wo seine Familie lebt und er an einem Literaturfestival teilnehmen soll, das aber schlecht besucht ist, weil alle bei einer Buchpräsentation der jungen Sintara Golden sind, die mit ihrem „authentischen“ und „erfrischend realen“, allerdings, wie Ellison findet, sehr schlecht geschriebenen Roman über klischeehafte schwarze Randgruppenkultur gerade alles abräumt, was es abzuräumen gibt. Aus Ulk und um seinen Agenten zu ärgern, verfasst Monk mal eben so einen ganz ähnlichen Roman, und dann kommt es, wie es kommen muss: Der Ulk wird veröffentlicht und bricht sämtliche Verkaufsrekorde, während Ellison, der unerkannt bleiben will, die von ihm selbst erfundene Rolle des Ghettokindes spielen muss, das im Knast zu sich selbst und zur Literatur als Ausdrucksform gefunden hat. Durch die Maskerade entstehen aber im privaten Bereich immer mehr Konflikte, denn auch dort weiß keiner, dass Monk hinter dem Bucherfolg steckt.


    Der Film hat u.a. einen Oscar für das beste adaptierte Drehbuch gewonnen und auch sonst viele Preise abgeräumt, aber er lief in nur wenigen amerikanischen Kinos – und hierzulande in fast keinem. Der Streaminganbieter „Prime Video“ hat ihn allerdings im Programm. Vorangestellt gibt es eine halbe Bildschirmseite mit (durch die Bank unzutreffenden) Triggerwarnungen und einer Altersempfehlung ab 18 Jahren, was die Lächerlichkeit der konfliktmeidenden Unterhaltungskultur, mit der sich der Streifen auch auseinandersetzt, noch einmal auf die Spitze treibt, denn wenn dieser Film ab 18 ist, müsste „Die Biene Maja“ auf dem Index stehen.


    Wirklich, wirklich sehenswert, ein schöner Beitrag zu unserer Debattenkultur und zum Umgang mit Kunst, und neben einem ohnehin sehr feinen Ensemble ist der großartige Sterling K. Brown („Randall“ aus „This Is Us“) in einer hinreißenden Nebenrolle zu bewundern. Anschauen!



    (Der Trailer ist auf Englisch, der Film ist aber in deutsch synchronisierter Fassung verfügbar)

    Eben. Aber nicht bei allen Verlagen.

    Bei den kleineren Verlagen lohnt sich die Agenturbeteiligung in aller Regel ohnehin kaum (aus Agenturensicht), weil die Provision an der dann auch deutlich geringeren Garantie (wenn überhaupt) zu niedrig ausfällt.


    Die meisten meinen die Rowohlts und KiWis dieser Welt, wenn sie von "Verlagssuche" reden. Und an die kommt man bestenfalls via Agentur, aber eher überhaupt nicht als Debütant (statistisch betrachtet; hin und wieder gibt es dort natürlich auch echte Debüts).