Theresa Reichl stellt den Klassiker-Kanon in Frage

  • Deshalb ist Vielfalt die bessere Lösung als immer nur Schiller und Goethe.

    Ich schrieb nicht: Immer nur! Vielmehr meinte ich: Aber auch! Natürlich gibt es jede Menge zeitgenössischer Autoren, die hervorragende Texte schreiben. Müßig, ihre Namen hier aufzuzählen. Aber ich sondere Mozart oder Brahms auch nicht aus, bloß weil ihre Kompositionen alt sind.

    „Aber die geheimen Verbote, das Beobachten, der Argwohn, die Angst, das Isolieren und Ausgrenzen, das Brandmarken und Mundtotmachen derer, die sich nicht anpassen, das wird wiederkommen, glaubt mir.“ (Bärbel Bohley,1991)

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  • … Aber ich sondere Mozart oder Brahms auch nicht aus, bloß weil ihre Kompositionen alt sind.

    Schönes Beispiel auch dafür, dass neben Mozart und Brahms viele andere Komponisten übersehen werden, die auf gleichem Niveau komponiert haben, aber nicht so im Rampenlicht standen. Etwa der im Odenwald aufgewachsene Joseph Martin Kraus, der später am Hof in Stockholm Karriere machte, bei den Schweden heute noch populär ist, sonst aber eher ein Schattendasein in der Musikwelt spielt. Interessant auch seine Lebensdaten (1756 - 1792). W.A. Mozart lebte von 1756 - 1791). Haydn lobte Kraus für seine Sinfonien.


    Bei den bekannten Größen der Literatur dürfte es sich ähnlich verhalten.

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


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  • ... denn man sieht nur die im Lichte, die im (medialen) Dunkel sieht man nicht. ;)

    Danke, dass du Joseph Martin Kraus ins Licht gerückt hast, ich genieße grade seine Symphonie. Kannte ihn bisher nicht.

    „Aber die geheimen Verbote, das Beobachten, der Argwohn, die Angst, das Isolieren und Ausgrenzen, das Brandmarken und Mundtotmachen derer, die sich nicht anpassen, das wird wiederkommen, glaubt mir.“ (Bärbel Bohley,1991)

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  • Es geht bei Kanonisierungen nicht um Vielfalt, Schönheit oder ähnliches.


    Und, ja, es gab zu jeder Zeit Künstler und -innen, die - vermutlich in irgendeiner Weise zu unrecht - weniger Erfolg und/oder Einfluss als andere hatten, und die trotzdem gutes Zeug gemacht haben, möglicherweise sogar sehr viel besseres als die Stars der jeweiligen Ära. :achsel

  • Es geht bei Kanonisierungen nicht um Vielfalt, Schönheit oder ähnliches.

    Das ist das Problem an einem "Kanon". Wenn Vielfalt und Schönheit nicht mindestens ansatzweise berücksichtig werden, ist es sinnlos, solch einen Kanon zu erstellen. Vollständigkeit allerdings muss nicht verlangt werden.

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    Emanuel von Bodmann


  • Wenn Vielfalt und Schönheit nicht mindestens ansatzweise berücksichtig werden, ist es sinnlos, solch einen Kanon zu erstellen.

    Siehe Beispiel "Geschichte der einflussreichsten amerikanischsten Präsidenten" weiter oben. ;)

    Wenn es um einen "Klassiker-Kanon" (siehe Threadtitel) geht, dann muss man sich wohl über die Definition des Begriffs "Klassiker" unterhalten. Es gibt die Definition, die in Dating-Portalen , in Autobörsen und von der Werbung verwendet wird, während ein klassisches Werk z.B. in der Literatur durchaus nicht einfach nur "eher alt" (Dating) oder "weiterhin verfügbar, obwohl es längst etwas besseres gibt" (Werbung) sein sollte. Um als Klassiker zu gelten, sind einige weitere Kriterien zu erfüllen, wobei die Schönheit möglicherweise ein Aspekt ist, aber dann bitteschön im jeweiligen zeitlichen Kontext, ansonsten gilt als Klassiker, was u.a. das Merkmal besitzt, zu seiner Zeit erfolgreich, bekannt und wegweisend gewesen zu sein und sich irgendwie bis in unsere Zeit gerettet zu haben. "Vielfalt" ist etwas, das ich echten Klassikern nicht nachträglich unterjubeln kann, weil ich sonst eine Umdeutung oder sogar Um-Schreibung der Geschichte vornehmen würde. So, wie ich auch nicht einfach weibliche Präsidenten der U.S. of A. erfinden kann, so gerne ich auch welche (gehabt) hätte.


    Wenn ich jemandem eine Leseliste zu irgendeiner Epoche machen sollte, also quasi meinen eigenen Kanon, würde ich fraglos ganz anders vorgehen. Es gibt und gab zu jeder Zeit weit mehr als das, was bei uns als "Klassiker" angekommen ist, und wahrscheinlich auch sehr viel schöneres, bunteres, vielfältigeres. Aber der Begriff "Klassiker" passt eben nur auf einen sehr kleinen Teil davon. :achsel