David Mitchell: Utopia Avenue

  • Episch. Fulminant. Spannend. Spektakulär.


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    London, gegen Ende der Sechzigerjahre. Der Talentscout und Manager Levon Frankland sammelt in den diversen Clubs, in denen Bands wie Pink Floyd (damals noch mit Syd Barrett als Kopf) auftreten, ein paar Musiker ein, die ihm so auffallen. Da ist die Folksängerin Elf Holloway, die unter ihrem missgünstigen Liebhaber und Duettpartner leidet, der sich aber gerade nach Paris verabschiedet hat. Da ist der überaus talentierte Bluesrock-Bassist Dean Moss, ein Womanizer, der ständig pleite ist und mit seiner Herkunft hadert. Da ist der Holländer Jasper de Zoet, ein Gott an der Gitarre, der allerdings unter einer Schizophrenie litt. Oder noch leidet. Und schließlich Griff Griffin, der lakonische, eher wortkarge Typ, der am Schlagzeug Wunder vollbringen kann. Aus diesen vier derzeit joblosen Musikern formt Levon Frankland „Utopia Avenue“ – und David Mitchell lässt die Band eine typische Sechzigerjahrekarriere durchleben. Am Ende der (zeitlich gesehen) nicht sehr langen, aber wahnwitzig intensiven Odyssee werden drei Alben und internationale Erfolge stehen, allerdings auch erhebliche Verluste. Wir Leser erleben jedes Detail mit.


    Ich hatte tatsächlich nicht auf dem Schirm, dass der Autor dieses – übrigens großartig von Volker Oldenburg übersetzten – 700-Seiten-Ziegels jener David Mitchell ist, der den Weltbestseller „Der Wolkenatlas“ zu verantworten hat, um den ich bislang einen Bogen gemacht habe, was sich nun ändern wird. Denn „Utopia Avenue“ ist ein wahrhaft schillerndes, spektakuläres, spannendes, fantastisch erzähltes Buch, eine vielschichtig aufgebaute, enorm wissensreiche und empathische Geschichte, die sich jeder der drei Hauptfiguren (Dean, Elf und Jasper, die sich auch in der Band als Songschreiber und Sänger abwechseln) ausgiebig widmet, aber vor allem mit detaillierten Kenntnissen rund um die Musik und die Musikgeschichte aufwartet. Außerdem lässt Mitchell quasi das gesamte Who-is-who jener Zeit auftreten, von Brian Jones über Joni Mitchell bis zu Jackson Browne. „Utopia Avenue“ liest sich wie eine furiose Symbiose aus drei Tagebüchern, einer Wagenladung „Rolling Stone“-Magazine und den Heftbeilagen einiger Doppel-LPs. Es wirkt echt, zeitlich nahe, und besonderen Spaß macht es, der Entstehungsgeschichte der „Utopia Avenue“-Songs beizuwohnen, oder mitzuerleben, wie beim zwanzigsten Take im viel zu teuren und für viel zu wenig Zeit gebuchten Studio daraus etwas Erhabenes wird.


    Im letzten Drittel wird das Buch allerdings ein wenig esoterisch, ohne dass hierfür eine Begründung geliefert wird, was ungefähr zwei, drei Dutzend der mehr als 700 Seiten etwas schwergängiger werden lässt, aber hiervon abgesehen ist „Utopia Avenue“ neben „Lost in Music“ von Giles Smith das beste und unterhaltsamste Buch über Popmusik der letzten Jahrzehnte.

    ASIN/ISBN: 3498002279

  • Ausgerechnet jetzt, wo ich schon einen ausgesuchten Stapel Bücher "für demnächst zu lesen" ausgesucht habe - darunter einige, die schon länger warten - kommst du mit sowas. :schmoll Jetzt muss ich nur noch entscheiden, lese ich es vor oder nach "Paolo". :evil

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Ich bin sicher, dass Dir "Utopia Avenue" ganz exzellent gefallen wird, Horst-Dieter, aber natürlich interessiert mich noch ein klitzekleines bisschen mehr, ob Du was mit "Paolo" anfangen kannst. 8)

  • Ich kenne die Verfilmung von Mitchels Roman namens Wolkenatlas. Habe Cloud Atlas dreimal gesehen und kenne mich noch immer nicht so recht aus. Daran ändert auch die Regie Tykwers und der Wachowski Sisters nichts, deren Werke ich an sich liebe.

    Vielleicht ist das Musikerbuch etwas für mich.

    Die Geschichte lehrt die Menschen, dass die Geschichte die Menschen nichts lehrt!

    (Mohamdas Karamchand Gandhi)