Wer schreibt heute noch Novellen?

  • Hat die Novelle als literarische Form ausgedient? Und was ist überhaupt eine Novelle? Kann man sie gleichsetzen mit einem »Kurzroman« und einer »längeren Erzählung«? Goethe nannte als bestimmendes Merkmal die »unerhörte Begebenheit«, Paul Heyse entwickelte eine eigene Theorie zur Novelle (Falkentheorie - Konzentration auf das Grundmotiv im Handlungsverlauf), an die er sich selbst nicht streng hielt. Schaut man sich bei den veröffentlichten Novellen um, so findet man Texte vom Umfang weniger Seiten bis zu Erzählungen von etwas über hundert Seiten.


    Die Zahl der veröffentlichten Novellen nahm nach dem 2. Weltkrieg ab, doch wurden noch wesentliche Novellen veröffentlicht, etwa von Günter Grass (Katz und Maus), Martin Walser (Ein fliehendes Pferd), Patrick Süskind (die Taube), Uwe Timm (Die Entdeckung der Currywurst), um nur einige zu nennen. Schaut man sich im 21. Jahrhundert um, so finden sich weitere, zum Beispiel bei Helmut Krausser (Schmerznovelle), Heinrich Steinfest (Amsterdamer Novelle) oder Hartmut Lange, der seit fast vier Jahrzehnten hauptsächlich Novellen veröffentlicht (zuletzt den Novellenband »Am Osloer Fjord«).


    Wer von denen, die hier im Forum mitlesen und mitdiskutieren tut das noch, Novellen schreiben. Oder warum nicht? Ich würde mich über Antworten freuen.

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    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Ich würde sagen, Kafkas Romanfragmente sind in Wahrheit alles Novellen, weil er immer von diesem einen Grundmotiv ausgeht, das meist eine unerhörte Begebenheit ist. Aber wen interessieren Definitionsfragen.


    Jedenfalls find ich Novellen zum Lesen großartig (die von Horst-Dieter genannten Titel etwa, war Grass je besser als in "Katz und Maus"?) und zum Schreiben kommen sie mir ebenfalls entgegen, auch wenn ich noch keine vorzuweisen habe. Gerade diese Konzentration auf ein Grundmotiv, seine Exploration und die gleichzeitige Unerhörtheit bieten extrem viel Raum für Spannung und Tiefgang zugleich.


    Eigentlich müssten sie in der schnelllebigen Zeit auch modern sein, da an zwei Tagen zu lesen.

  • Oder warum nicht?

    Ich denke, da sind noch einige unentdeckte Novellen draußen unterwegs, weil die Verlage einfach auf alles "Roman" klatschen, ganz egal, was wirklich drin ist, von autobiografischer Erzählung über den fiktional aufgemotzten Sachtext bis zum Monolog in Briefform. Weil offenbar das Lesepublikum mit jeder feineren Unterscheidung auch überfordert wäre - oder man das annimmt.

  • …. Weil offenbar das Lesepublikum mit jeder feineren Unterscheidung auch überfordert wäre - oder man das annimmt.

    Die Annahmen der Verlage über das sogenannte Lesepublikum sind tatsächlich manchmal haarsträubend. Das sich nicht alles, was gedruckt wird, verkaufen lässt, ist eine andere Sache, die sich m.E. aber nicht allein an der literarischen Form festmachen lässt.

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