Neugründung "PEN Berlin" am 10.6.2022

  • Was vor zwei Wochen bei der Versammlung des "PEN Deutschland" in Gotha passiert ist, ging ja durch die Presse, und immerhin hat der - wie nicht nur ich finde sehr wichtige und traditionsreiche - Verein dadurch endlich mal wieder ein nennenswertes Medienecho generiert. Aber nicht auf die richtige Weise. Nach der Berufung von Deniz Yücel zum Präsidenten - das ist im vergangenen Oktober geschehen - hatten viele darauf gehofft, dass Bedeutung und Wirkung des altehrwürdigen Clubs, dessen Name ein Akronym ist ("Poets, Essayists, Novelists"), wieder zunehmen. Das Eintreten für die Meinungsfreiheit, das sich PEN über die PEN-Charta auf die Fahnen geschrieben hat, ist während der vergangenen Jahre mehr und mehr zur Nebensache geraten. Das eskalierte in Gotha, wo ein Abwahlantrag gegen Yücel zwar scheiterte, sich aber zeigte, dass die Strukturen und das Personal dringenden Erneuerungsbedarf aufweisen, sich dieser Aufgabe aber nicht stellen wollen.


    Deshalb gründen über 230 Autorinnen und Autoren - zu denen ich auch gehöre (in Gotha sollte eigentlich u.a. über meinen Zuwahlantrag entschieden werden, was aber aufgrund der Ereignisse um ein Jahr vertagt wurde) - am kommenden Freitag in Berlin den "PEN Berlin". Die Satzung des internationalen PEN lässt mehrere konkurrierende oder sich ergänzende nationale Strukturen zu; derlei gibt es auch schon andernorts, etwa in Australien.


    Die Pressemitteilung zur Gründung könnt Ihr hier nachlesen. Das Aufnahmeverfahren wird auch etwas einfacher und weniger elitär als beim "alten" PEN sein, wie Ihr der Satzung entnehmen könnt, die ebenfalls auf der Site zu finden ist.

  • Im Nachgang der Gründung des PEN Berlin fragen mich viele befreundete Autoren und -innen, wie man Mitglied werden und dort mitmachen kann. Ich habe genau die gleiche Frage vor ungefähr einem Jahr (also einige Zeit vor der Wahl Yücels zum Präsidenten) an Nina George gerichtet, weil ich Mitglied im PEN-Zentrum Deutschland werden wollte, also dem Konstrukt, das inzwischen „der alte PEN“ oder „PEN Darmstadt“ genannt wird. Sie hat mir die Gegenfrage gestellt, warum ich Bock auf PEN habe. Und sie wäre mit einer Wischiwaschiantwort nicht zufrieden gewesen.


    Ich bin im PEN Berlin aber auch nur einfaches Gründungsmitglied und weiß strukturell und personell kaum mehr, als der Presse und der Website (penberlin.de) zu entnehmen ist; ich sollte in Gotha, wo der „alte“ PEN implodiert ist, eigentlich – unterstützt von Nina George und Imre Török - zugewählt werden (was dann aufgrund der Geschehnisse, äh, vertagt wurde), und bin auf Nachfrage von Nina, die in der Vorbereitungsgruppe für die Neugründung war, beim PEN Berlin dabei.


    Der PEN ist kein Autorenverein wie das „Syndikat“ oder die „Mörderischen Schwestern“ oder „DELIA“ oder die „42erAutoren“. PEN ist keine Organisation, in der Autorinnen und Autoren gemeinsame Textarbeit machen, Lesungen veranstalten (doch, schon, aber anders) oder abends am Kamin im Clubhaus über große Literatur und ihre eigenen Auflagenerfolge schwätzen. Der Name, der ein Akronym ist (Poets, Essayists, Novelists), lässt das zwar vermuten, aber im Kern ist PEN eine gemeinnützige, international agierende NGO, die weltweit für die Freiheit des Wortes eintritt, und sich aktiv um den Schutz schreibender Menschen bemüht, die aufgrund der politischen Situation in ihrer Heimat oder/und aufgrund ihrer Aussagen bedroht sind. Das ist nicht gleichzusetzen mit einem Safe Space gegen alle denkbaren Formen der Diskriminierung (Meinungsfreiheit steht dem sogar manchmal diametral gegenüber). PEN tritt natürlich auch für den Schutz vor Diskriminierung und für tolerante, offene Gesellschaften ein, aber auf den Fahnen steht die Freiheit des Wortes in den größten Lettern. Darum geht es in der Hauptsache. Dafür gibt es Programme wie „writers in prison“ und ähnliche, und fortwährende internationale Bemühungen, um Menschen zu helfen und zu schützen, die bedroht werden, weil sie ihre Meinung frei (in literarischer Form oder als Teil ihres literarischen Lebens) zu äußern versucht haben. Aktuellster Fall ist der von Dmitry Glukhovsky („Metro 2033“), der wegen seiner Äußerungen in Russland zur Fahndung ausgeschrieben wurde und am Gründungstag des „neuen“ PEN in Berlin ankam.


    Das ist eine wichtige Aufgabe, die nach medienwirksam zelebrierten Neugründungen auch wieder in den Vordergrund rücken wird. Wer dabei mitmachen möchte und sich der schreibenden Zunft zugehörig fühlt, kann sich direkt an den PEN Berlin wenden und seinen Beitrittswunsch formulieren (das ist beim „alten“ PEN anders). Das Board – der Vorstand – entscheidet dann, ob die Person zu den Zwecken und Zielen des PEN Berlin passt und auf der nächsten Mitgliederversammlung (die aller Voraussicht nach im November stattfinden wird) für die Zuwahl vorgeschlagen werden sollte.


    Jeder Mensch, der Mitglied im PEN werden möchte, muss der PEN-Charta zustimmen und sie - faktisch - unterschreiben.Man findet sie z.B. hier: https://www.penberlin.de/PEN-Charta

  • Hallo, FrauKlein.


    So funktioniert das tatsächlich nicht. Das Unterzeichnen der PEN-Charta ist der letzte Akt, sozusagen das Beurkunden der Mitgliedschaft. Beim "neuen" PEN beantragt man die Mitgliedschaft mehr oder weniger formlos per Mail (info@penberlin.de), sollte darin aber begründen, warum man mitmachen will und was man schriftstellerisch vorzuweisen hat. Dann entscheidet das Board - der Vorstand - darüber, ob die Zuwahl als Mitglied empfohlen wird. Wenn das der Fall ist, stimmt die nächste Mitgliederversammlung (aller Voraussicht nach im November) über die Zuwahl ab. Bei positivem Votum würde man dann anschließend die Charta unterzeichnen.

    Gründungsmitglied kann man leider nicht mehr werden; gegründet ist ja schon.