Katinka Buddenkotte: Eddie muss weg

  • Voll toll


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    Es fängt wie eine dieser typischen frechen Komödien an: Britta und Stan (eigentlich: Konstantin) sind in den späten Dreißigern und seit einigen Jahren ein Paar, Britta ist Schauspielerin, aber im Augenblick eher so mittelhalberfolgreich, und Stan, der Chirurgensohn, jobbt seit dem abgebrochenen Medizinstudium als Nachhilfelehrer. Im Wechsel aus der Perspektive der Hauptfiguren, die als Ich-Erzähler auftreten, erlebt man zunächst einige Szenen aus dem Alltag der beiden, etwa eine Sprechersitzung mit Britta im Tonstudio, den etwas haarigen Umzug von Stans bestem Freund Olli und einen gemeinsamen Partybesuch bei ehemaligen Bekannten, aus denen schlimm eklige Spießer geworden sind, die auch noch mit der Erkenntnis konfrontiert sind, dass ihre Lebensplanung für die Tonne war. Bis dahin fühlt es sich wie eine leicht verspätete Coming-of-Age-Romantic-Comedy-Sache an, sehr kluge Gedanken und zitierfähige Sätze sind mit reichlich Situations- und Dialogkomik auf sehr angenehme Weise zu einer Erzählung verwoben, die, meint man zu diesem Zeitpunkt, als amüsante Wohlfühlsache in Erinnerung bleiben wird. Man merkt: Stan und Britta lieben sich, aber irgendwas ist da außerdem, und sie könnten eigentlich schon ein paar Schritte weiter sein. Warum also sind sie das nicht?


    Und dann tritt Eddie auf den Plan. Man hat fast schon eine dreistellige Seitenzahl erreicht, als das passiert. Alles ist anders, nicht plötzlich, aber doch recht unmittelbar, und auch wenn es sprachlich und die Schlagzahl der Ereignisse betreffend temporeich und oft witzig bleibt, befindet man sich in einer anderen Geschichte. Nein, schon noch in derselben, aber die Erwartungen, die man bis dahin aufgebaut hat, kann man jetzt gepflegt beiseitelegen. Die Formulierung „Alles ist anders“ allerdings sollte man sich merken.


    „Eddie muss weg“ ist ein feiner, oft sehr lustiger, aber mindestens genauso oft ziemlich nachdenklicher, liebenswürdiger und liebenswerter, allesmöglichebejahender, großartig erzählter Roman über Liebe, Freundschaft, Treue, Geheimnisse, ausgefuchste Pläne und weniger ausgefuchste B-Pläne, über Abschiede, Neuanfänge, Fehleinschätzungen und überraschend gute Menschenkenntnisse. Es geht manchmal so turbulent zu, dass man den Überblick erst ein paar Seiten später wieder einfängt. Am Anfang sind Britta und Stan sprachlich und stilistisch schwer auseinanderzuhalten, gewinnen aber im richtigen Augenblick an Unterscheidungskontur (jo!), und wer im letzten Drittel gerade wo in Belgien oder möglicherweise doch in der Nähe von Baden-Baden ist, war mir nicht immer klar, doch das reicht in Summe nicht mal für einen Zehntelpunkt Abzug. „Eddie muss weg“ macht Spaß, aber nicht immer im Sinne von „Amüsement“, überrascht ziemlich häufig, um es noch vorsichtig zu sagen, und sabotiert fast jede vorgefasste Leseerlebniserwartung, doch das auf vortreffliche Weise. Tolles Buch!


    ASIN/ISBN: 3947106440