Ingrid Bachér: Theodor Storm fährt nach Würzburg und erreicht seinen Sohn nicht, obwohl er mit ihm spricht

  • ASIN/ISBN: 3943941205


    Theodor Storms Erstgeborener, Hans, ist ein Problemkind. Zumindest für den Vater. 1877 reist er nach Würzburg, wo der Sohn Medizin studiert. Er hat Sorge, dass der Sohn sein Examen nicht macht und will ihm deshalb zur Seite stehen. Immerhin ist Hans schon 29 und er soll ihm und der Familie nicht weiter auf der Tasche liegen. Doch so richtig klappt das mit der Vater-Sohn-Beziehung nicht. Jeder hat Vorbehalte – und Vorwürfe – dem anderen gegenüber und so kommt es zum Eklat, gerade als Hans sein Examen abgeschlossen hat. Der Vater reist ab, ohne ihn noch einmal getroffen zu haben.


    Die Autorin ist eine Urenklin Theodor Storms, wurde 1930 in Rostock geboren und gehörte zumindest zeitweilig zur Gruppe 47. Der Roman ist sehr dicht erzählt, nicht aus einer Perspektive sondern wechselseitig aus der von Vater und Sohn. Die Innensicht der Personen ist stärker berücksichtig, als das äußere Geschehen, weshalb konsequent auch auf Anführungszeichen bei der wörtlichen Rede verzichtet wurde. Als Leser ist man immer ganz dicht dabei, einmal im Kreis um den Vater, der sich vorwiegend aus Akademikern zusammensetzt, und dann wieder beim Sohn, der sich neben Studenten auch mit Arbeitern umgibt und sich seine Geliebte aus diesem Milieu ausgewählt hat. Seinem Vater will er sie nicht bekannt machen, um sie zu schützen, wie er vorgibt.


    Das nicht einmal zweihundert Seiten schmale Buch kommt mir in dieser Ausschnitthaftigkeit weniger wie ein Roman, denn wie eine Novelle vor. Storm hätte vielleicht so geschrieben, hätte er heute gelebt. Dass es jedoch nun seine Enkelin tut, finde ich ganz passend. Dabei geht sie nicht gut mit dem Dichter um. Man merkt schnell, wem ihre Sympathie gilt, auch wenn sie sich Mühe gibt, nicht allzu oberflächlich Partei zu ergreifen. Das schadet dem Roman aber nicht und letztendlich auch nicht dem Dichter, denn seine Hilflosigkeit im Verhalten seinem Sohn gegenüber ist genau so zu bedauern wie die Unmöglichkeit des Sohnes, sich endgültig vom Vater zu lösen.

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    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann