Persönlichkeitsrechte in einer Autobiografie nicht verletzen

  • Ein "Hallo" in die Runde!


    Ich arbeite an einer biografischen Arbeit und habe ein paar Fragen zu den Persönlichkeitsrechten.


    Was mich interessiert sind die Erwähnungen von Orten und privaten sowie öffentlichen Personen in einer "Autobiografie" (bzw. eine Episode von 7 Jahren). Wie ist das rechtlich geregelt?


    1) Ich berichte in einer biografischen Arbeit von einer Reise in andere Länder der Welt. Darf ich den Namen von realen Hotels, Hostels, Bars, Meditationszentren, Yogazentren etc. erwähnen? Ich mache weder direkt Werbung, noch bewerte ich diese Plätze, noch bekomme ich Geld für das Erwähnen.


    2) Ich begegnete viele Menschen. Darf ich erzählen, was ich mit einigen von ihnen erlebte und ihnen dabei ein Pseudonym geben? (Natürlich nenne ich sie unter einem Pseudonym, bleibe neutral und erwähne keine negativen Details)


    3) Ich traf viele Personen, die der Öffentlichkeit bekannt sind, da sie Bücher geschrieben haben oder Kurse leiten. Darf ich diese namentlich erwähnen? (Ich bewerte diese nicht, sondern erwähne ihr Werk und ihren Einfluss auf mich).


    4) Es gab einen Mann, der mir unter Drogenkonsum drohte, mich umzubringen und Gewalt anwendete...mehreren gegenüber sogar. Darf ich erzählen, was er getan hat?


    Die meisten erwähnten Menschen (95%) wohnen im Ausland, sprechen kein Deutsch und werden dieses Buch nie in die Hände bekommen.


    Danke für jegliche Hilfe.

  • Ich habe soeben mit einer Anwältin am Telefon gesprochen (Deutsche Anwaltshotline) und sie hat mir Folgendes im kurzen Gespräch gesagt:


    zu 1.) Hotels, Bars könne ich so erwähnen. Wenn es sich aber um ein Meditationszentrum oder Yogazentrum handelt, müsse ich aufpassen, dass sich keiner auf die Füße getreten fühlt, da sei es besser, ich lasse den Namen weg.


    zu 2.) Es gelte künstlerische Freiheit und Meinungsfreiheit. Ich könne das tatsächliche Geschehen erzählen und Pseudonyme verwenden, kann nur niemanden dabei diskreditieren.


    zu 3.) Öffentliche Personen könne ich mit echtem Namen benennen.


    zu 4.) wenn das Geschriebene der Wahrheit entspricht, sei es ok, die story zu erzählen. Journalisten und Tageszeitungen würden auch nichts anderes machen. Sie erwähnte berechtigtes Interesse und die Wahrheit zum Ausdruck bringen und sagte, ich soll mir §193 STGB anschauen. Da steht: "Tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen, desgleichen Äußerungen oder Tathandlungen nach § 192a, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen vorgenommen werden, sowie Vorhaltungen und Rügen der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen, dienstliche Anzeigen oder Urteile von seiten eines Beamten und ähnliche Fälle sind nur insofern strafbar, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht." Damit kann ich wenig anfangen. Jemand von euch vielleicht?


    Hat jemand dazu andere Ansichten, Erfahrungen oder kann es verifizieren?


    Danke :-)

  • zu 4.) wenn das Geschriebene der Wahrheit entspricht, sei es ok, die story zu erzählen. Journalisten und Tageszeitungen würden auch nichts anderes machen. Sie erwähnte berechtigtes Interesse und die Wahrheit zum Ausdruck bringen und sagte, ich soll mir §193 STGB anschauen. Da steht: "Tadelnde Urteile über wissenschaftliche, künstlerische oder gewerbliche Leistungen, desgleichen Äußerungen oder Tathandlungen nach § 192a, welche zur Ausführung oder Verteidigung von Rechten oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen vorgenommen werden, sowie Vorhaltungen und Rügen der Vorgesetzten gegen ihre Untergebenen, dienstliche Anzeigen oder Urteile von seiten eines Beamten und ähnliche Fälle sind nur insofern strafbar, als das Vorhandensein einer Beleidigung aus der Form der Äußerung oder aus den Umständen, unter welchen sie geschah, hervorgeht." Damit kann ich wenig anfangen. Jemand von euch vielleicht?

    Wessen Wahrheit – deine, oder die der anderen? ;)


    Es gibt immer mal wieder Klagen gegen Biografien (Verleumdung, Unterlassungserklärung etc.). Ich habe mich aber nie damit beschäftigt, wie die ausgegangen sind.

    Dabei ist es übrigens völlig egal, ob die Betroffenen dein Buch lesen oder nicht – deren Persönlichkeitsrecht ist dennoch zu wahren.


    Grundsätzlich solltest du dein fertiges Manuskript gründlich prüfen lassen. Es gibt Lektoren, die auf Biografien spezialisiert sind, und im besten Falle auch juristische Kenntnisse haben.

    §193 wird verständlicher, wenn man sich den ebenfalls genannten § 192a durchliest.

  • Wessen Wahrheit – deine, oder die der anderen? ;)

    Dass diese Person andere mit einem Messer bedroht und angefallen hat, ist eine Tatsache. Willst du sagen, es stimmt nicht, was ich und 20 andere gesehen haben?



    § 192a Verhetzende Beleidigung

    "Wer einen Inhalt (§ 11 Absatz 3), der geeignet ist, die Menschenwürde anderer dadurch anzugreifen, dass er eine durch ihre nationale, rassische, religiöse oder ethnische Herkunft, ihre Weltanschauung, ihre Behinderung oder ihre sexuelle Orientierung bestimmte Gruppe oder einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer dieser Gruppen beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet, an eine andere Person, die zu einer der vorbezeichneten Gruppen gehört, gelangen lässt, ohne von dieser Person hierzu aufgefordert zu sein, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."


    Das hat auf den ersten Blick mit meinem Fall nichts zu tun, ich äußere lediglich, dass jemand mit dem Messer auf Menschen losging. Die können alle im Zweifelsfall befragt werden, ob das stimmt. Oder könnte etwa jemand behaupten, ich würde jemanden verleumden? Was machen "Missbrauchsopfer" eigentlich? Dürfen die keine Bio schreiben...?

  • Dass diese Person andere mit einem Messer bedroht und angefallen hat, ist eine Tatsache. Willst du sagen, es stimmt nicht, was ich und 20 andere gesehen haben?

    Das habe ich nirgendwo geschrieben, und von so einer Situation stand auch in deinem vorherigen Post nichts.


    Was ich damit sagen wollte, ist, dass Wahrnehmung immer subjektiv ist. Wenn du in dem Buch Situationen schilderst, für die es Zeugen gab, umso besser. Aber du wirst sicherlich auch weitere Situationen schildern, die nicht eindeutig sind. Deswegen gibt es ja auch so häufig Klagen gegen Biografien. Der Autor stellt eine Situation in seinem Buch da, mit der einer der dargestellten Personen nicht einverstanden ist – und dann kann es Ärger geben. Und ja, dann kann auch der Vorwurf der Verleumdung im Raum stehen.

    Daher der Tipp mit Lektoren, die sich mit Biografien auskennen. Eine Anwältin hast du ja schon, die dich beraten kann.


    Ich lese nicht gerne Biografien, aber von veröffentlichten Biografien kannst du sicherlich auch noch einiges mitnehmen, und sehen, wie da mit der Nennung von Personen etc. umgegangen wird.

  • Damit kann ich wenig anfangen. Jemand von euch vielleicht?

    Bei der "Wahrnehmung berechtigter Interessen", die der § 193 StGB regelt, geht es darum, dass man jemanden oder eine Institution im Prinzip nicht beleidigt, wenn man sie aus guten Gründen kritisiert oder, wie die Formulierung lautet, tadelt, also in energischer Weise kritisch für Handeln oder Produzieren attackiert. Das ist ein extrem wichtiger Grundsatz der Meinungsfreiheit. Er gilt in vielen Situationen, etwa, wenn sich Kritiker abfällig über Kunst äußern, aber auch, wenn Angestellte über Vorgesetzte urteilen - und umgekehrt. Die Situation rechtfertigt die Kritik, die von vielen als Beleidigung aufgefasst wird, aber dann keine ist. Es sei denn, und das wiederum merkt diese Zauberformel am Ende an, dass man die Kritik nutzt, um tatsächlich jemanden zu beleidigen, also sich an einem Kunstwerk abarbeitet, indem man pausenlos den Künstler als dummes Arschloch skizziert, ohne das aus der Kritik an der Kunst ableiten zu können.

  • Grundsätzlich solltest du dein fertiges Manuskript gründlich prüfen lassen.

    Hi,


    Naja, ich habe jedenfalls keine 250€ pro Stunde für einen Anwalt. Um das Manuskript zu lesen und zu prüfen, müsste ich ja dann mit tausend(en) Euros rechnen. Ich habe meinen Traum vom Buch mittlerweile längst aufgegeben.

  • Meine Empfehlung war ein Lektor, der sich möglichst auch juristisch auskennt. Lektoren berechnen in der Regel nicht nach Stunden, sondern nach Normseiten. Kostet auch was, aber deutlich weniger als ein Anwalt.

    Aber gut, es hat sich ja sowieso erledigt.

  • ein Lektor, der sich möglichst auch juristisch auskennt

    Was heißt erledigt, es liegt angefangen hier und will beendet werden. Aber bei den Mauern, die sich aufstellen...sieht es schwierig aus.


    Ich habe bereits einen Lektor gefragt, der sich laut Homepage juristisch etwas auskennt und er meinte, dass er das nicht macht. Er schrieb: "Ich bin leider kein Jurist, verfüge nur über Erfahrungswissen, das sich aus dem Lesen von Urteilen ergibt. Insofern rate ich dazu, sich an einen Juristen zu wenden, bevor Sie in Schwierigkeiten geraten bzw. sich von mir falsch beraten fühlen, was Ihnen schaden könnte. Das liegt mir fern."


    Ich muss auch ehrlich sagen, ich finde keinen solchen Lektor, der sich juristisch auskennt. Was meinst du sollte man da genau googlen?

    Ich suchte "Lektor, juristisch erfahren/juristische Erfahrung" und habe nichts und niemanden finden können.


    Eine Anwältin, wie du oben vermutet hast, habe ich nicht. Ich rief nur bei der Deutschen Anwaltshotline an.


    Thx

  • Daseinslurch

    Hat den Titel des Themas von „Persönlichkeitsrechte in einer Autobiografie“ zu „Persönlichkeitsrechte in einer Autobiografie nicht verletzen“ geändert.
  • Google mal "Lektor für Biografie". Mir werden dann einige Anbieter angezeigt, die da Erfahrungen haben bzw. auf Biografien/Autobiografien spezialisiert sind. Da ich diese Anbieter aber nicht kenne, kann ich dir keinen empfehlen (und teile deswegen auch keine Links), aber da könntest du ja mal schauen, wer da welche Erfahrungen hat, und ggf. Kontakt aufnehmen.

  • Ich würde das Manuskript erstmal fertigstellen und mir dann Gedanken darüber machen, ob darin irgendwelche Persönlichkeitsreichte verletzt werden. Ein kompetentes Verlags-Lektorat gibt diesbezüglich Hilfestellung.

    Es existieren eine Menge Schlüsselromane, die wie eine fiktive Geschichte wirken, aber dennoch großteils auf realen Personen und Erlebnissen basieren, die entsprechend verfremdet wurden. Manch einer erkennt sich darin, manch einer klagt dagegen, manch einer gewinnt derartige Prozesse.

    Bei einem Roman, der zum Bestseller gerät, wächst diese Gefahr. Im SP-Überschwemmungsgebiet des Amazonas oder in der 50Cent-Wühlkiste, gleich neben dem Eingang zur Buchhandlung, sucht kaum jemand nach verletzten Persönlichkeitsrechten.

  • Im SP-Überschwemmungsgebiet des Amazonas oder in der 50Cent-Wühlkiste, gleich neben dem Eingang zur Buchhandlung, sucht kaum jemand nach verletzten Persönlichkeitsrechten.

    Oh, jene, die diese Form Rache erwarten, finden sie möglicherweise auch dort.


    Nach meinem Eindruck wird diese Problematik aber ohnehin gründlich überschätzt. Klagen gegen veröffentlichte Texte, in denen sich Menschen wiederzufinden glauben, und dann noch unwahre Tatsachenbehauptungen, sind sehr, sehr selten.


    Edit²: Ach so, nein, das Verlagslektorat, und sei es auch noch so professionell, wird keine juristischen Ratschläge geben, auf die man es möglicherweise festklopfen kann. Ganz im Gegenteil enthalten Verlagsverträge in aller Regel Freistellungsklauseln, die die Verlage gegen Forderungen absichern, die sich aus solchen Fällen, aber auch aus Plagiatsvorwürfen ergeben. Bei Bestsellerautoren und -innen wird möglicherweise die Rechtsabteilung des Verlags zu Rate gezogen, sollten sich Problemgebiete andeuten, aber sonst nicht.

  • Allein die Tatsache, daß die Bild-Zeitung noch existiert und deren Chefredakteur nicht im Zuchthaus sitzt, beweist, daß man sehr viel über fast jeden schreiben darf.

    Auch die ganzen Enthüllungsbücher und Promi-Biographien würde niemand kaufen, wenn darin nur John Does und Max Mustermanns erwähnt würden. :rolleyes:

    Natürlich kann jeder jeden wegen allem verklagen, aber ob er damit durchkommt ist eine andere Frage. Wer hingegen so große Angst hat, irgendwem eventuell auf die Füße treten zu können, sollte vielleicht besser nur banale Kinderbücher über kleine Raupen und Teddybären schreiben. 8o

  • Katze: Die BILD hat aber auch reichlich gefüllte Kriegskassen, und in die musste sie schon häufig sehr tief hineingreifen, man denke nur an das legendäre Kachelmann-Verfahren. Und, nein, niemand - absolut niemand - darf über eine andere, reale Person etwas Unwahres schreiben, das geeignet ist, dieser Person zu schaden. Die BILD gehört allerdings (nicht alleine) zu jenen Medien, die es trotzdem tun und dieses Risiko bewusst in Kauf nehmen, weil trotz der nicht wenigen verlorenen Prozesse mehr für die Zeitung dabei herausspringt als sie für Prozesse, Anwälte und Entschädigungen zahlen muss.


    Auch die ganzen Enthüllungsbücher und Promi-Biographien würde niemand kaufen, wenn darin nur John Does und Max Mustermanns erwähnt würden.

    Auch diese Werke - gerade dieses Werke - stehen nicht selten im Fokus gerichtlicher Auseinandersetzungen. Aber Promis folgen tatsächlich sehr oft der bis zum Erbrechen kolportierten Maxime "Ganz egal, was sie über Dich schreiben, Hauptsache, sie tun es überhaupt", und wenn darauf verzichtet wird, eine Falschbehauptung gerichtlich klären zu lassen, dann auch deshalb, weil diese Form von Publicity oft nicht gut endet. Doch auch hier gilt, dass es grundsätzlich natürlich nicht gestattet ist, Unwahres zu verbreiten, und auch Promis - ich liebe diese Diminutiv - haben natürlich das Recht, hiergegen vorzugehen. Und sie nutzen es. Gefühlt heutzutage deutlich häufiger als früher.


    Ansonsten - siehe oben. Im Privatleutebereich ist das selten. Das ist auch eine Frage der Abwägung, auf allen Seiten.

  • Ich lese zur Zeit Frédéric Martels Sodom - Macht, Homosexualität und Doppelmoral im Vatikan.

    Darin wimmelt es nur so von Realnamen, schwulen und oder pädophilen Outings diverser katholischer Würdenträger und anderen Offenbarungen, die weitgehend im vatikanischen "Schrank" versteckt waren. Auch schwule heilige Väter, deren es jede Menge gab und vermutlich auch in Zukunft geben wird, werden ebenso wie ihre Boyfriends namentlich genannt.

    Natürlich erfolgten Klagsandrohungen, vatikanische Zensurversuche scheiterten jedoch, der dicke Wälzer ist nach wie vor ungekürzt in mehreren Sprachen erhältlich. Mir ist nicht bekannt, das Martel deshalb in irgendeiner Weise zum Canossagang antreten musste.

    Nur zum besseren Verständnis: Es ist kein Buch gegen Homosexualität, der Autor ist selbst bekennend schwul, vielmehr ein Pamphlet gegen die Verlogenheit und Doppelmoral des Vatikans.

  • Und das ist dann auch eine Abwägungssache. Steigere ich die Aufmerksamkeit möglicherweise nur in unguter Weise, wenn ich gegen derlei vorgehe? Die Antwort lautet im klerikalen Kontext ganz klar: Ja. Und das, obwohl sie möglicherweise die Chance hätten, hier und da ein paar Prozesse zu gewinnen. Aber die katholische Kirche wankt ohnehin schon dem Ruin entgegen, da zählt jeder Meter, über den man sich noch hinwegretten kann.


    Es ist grundsätzlich und allgemein und fast immer zulässig, Wahres öffentlich zu erklären, vor allem, wenn es um Personen und Institutionen des öffentlichen Interesses geht - aber man muss das im Zweifelsfall dann halt belegen können (wobei es sicher nicht ganz ungeschickt ist, die Gegenseite über die Belege im Unklaren zu lassen). Das Gegenteil ist unzulässig. Und bei Privatpersonen wiegen die Persönlichkeitsrechte regelmäßig etwas stärker, wenn es um die Meinungs- und Redefreiheit geht.