Die erste Zusammenarbeit mit einem Verlagslektor

  • Mich selber an diesen Änderungen zu beteiligen, hieße jedoch meine künstlerische Autonomie aufzugeben, und u.U. sogar jemanden zum Co-Autor zu machen. Das daraus entstandene Werk wäre dann aber nicht mehr zu 100% mein eigenes.

    Ich denke, es gibt Autoren, die wunderbare Erzähler sind, aber von Dramaturgie und Szenaufbau wenig verstehen. So etwas kann die beste Plotidee ruinieren, wenn es niemand wagt, in die künstlerische Autonomie einzugreifen, also das Werk dahingehend zu lektorieren, vulgo zu optimieren.

    Der kürzlich verstorbene österr. Regisseur Reinhard Schwabenitzky schrieb so gut wie jedes Drehbuch der bekannten Fernsehserie "Mundl" um, weil dessen Autor, Ernst Hinterberger, zwar gute Ideen und Sprache, aber keine Ahnung von Dramaturgie hatte. Nur dadurch wurde die TV-Serie (ebenso wie andere von ihm verfilmte) ein Straßenfeger.

    Ich habe kürzlich ein Manuskript lektoriert, das 320 Seiten aufwies. In vier Durchgängen brachte ich über 1.900 Fahnen an, der Umfang schrumpfte auf 280 Seiten. Nun ist es immerhin lesbar und wurde auch schon ein paar dutzend Mal im SP verkauft.

    Habe ich mich dadurch an der künstlerischen Autonomie vergriffen? Oder habe ich dem Autor schlicht geholfen, seine literarische Idee besser darzustellen und damit erfolgreicher zu vermarkten? Ich denke, es liegt zweiteres vor und würde jedes Profi-Lektorat eigener Texte freudig annehmen. So wie ein Diamant Schliff braucht, um sein Feuer zu entfalten, verhält es sich auch mit Texten. Der eigene Blick darauf ist meistens subjektiv verstellt. ;)

    „Aber die geheimen Verbote, das Beobachten, der Argwohn, die Angst, das Isolieren und Ausgrenzen, das Brandmarken und Mundtotmachen derer, die sich nicht anpassen, das wird wiederkommen, glaubt mir.“ (Bärbel Bohley,1991)

  • Ich denke, es gibt Autoren, die wunderbare Erzähler sind, aber von Dramaturgie und Szenaufbau wenig verstehen.

    Die schaffen es aber kaum, an Verlagsverträge zu kommen. Ich frage mich, wie man "wunderbarer Erzähler" sein kann, ohne etwas von Dramaturgie und/oder Szenenaufbau zu verstehen.


    "Künstlerische Autonomie"? Was ist das? Inwiefern sind Regisseure und -innen, Schauspieler und -innen und alle anderen, die künstlerisch an einem Filmprojekt arbeiten, irgendwie autonom?


    Ein Lektor ist jemand, der hilft, die letzten Schwächen eines Langtexts auszubügeln. Ein guter Lektor hilft, sie zu verhindern. Damit habe ich zwar nicht mehr ganz alleine an diesem Text gearbeitet, aber die künstlerische Leistung ist dennoch ausnahmslos von mir.

  • "Künstlerische Autonomie"? Was ist das? Inwiefern sind Regisseure und -innen, Schauspieler und -innen und alle anderen, die künstlerisch an einem Filmprojekt arbeiten, irgendwie autonom?

    Das musst du die Katze fragen, dieser Begriff stammt nicht von mir.

    „Aber die geheimen Verbote, das Beobachten, der Argwohn, die Angst, das Isolieren und Ausgrenzen, das Brandmarken und Mundtotmachen derer, die sich nicht anpassen, das wird wiederkommen, glaubt mir.“ (Bärbel Bohley,1991)

  • Künstler, die nicht an sich arbeiten und kritikresistenz sind erlangen sicherlich eine gewisse Autonomie, nur ob die Ergebnisse daraus für andere als diese KünstlerInnen Relevanz hat, zweifle ich stark an.

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Das musst du die Katze fragen, dieser Begriff stammt nicht von mir.

    So war die Frage gedanklich auch adressiert. Mein Posting hat sich nicht nur an Dich gewandt, obwohl es mit einem Zitat von Dir begann.

  • Ich wünsche Dir schon mal viel Erfolg mit der Veröffentlichung!


    Meine letzte Veröffentlichung ist in einem Verlag erschienen, mit dem ich vorher nie zusammen gearbeitet habe. Und ich war sehr gespannt, wie viel in ein gutes Lektorat investiert wird.

    Ich hatte erst ein Korrektorat. Also Rechtschreibfehler und Text, der weg könnte ...

    Dann kam das Lektorat. Ich hatte noch nie so ein effektives. Der Lektor ist ebenfalls Autor. Er hat eher den Hang zur akademischen Ausdrucksweise, ich bin eher verspielt und manchmal zu sprunghaft.

    Die Zusammenarbeit war nicht nur super, sondern meinem Text hat das sehr gutgetan. Auch allgemein habe ich dazu gelernt.

    Wie man herauslesen kann, ich schwärme heute noch davon :-)

    Ja, ich musste einiges umformulieren und auch streichen, aber ich musste nicht jeden seiner Gedanken übernehmen. Wir haben manchmal auch seine Anmerkungen besprochen und eine komplett andere Lösung gefunden.


    LG

    Birgit

  • Vielleicht habe ich mich etwas undeutlich ausgedrückt. Meine künstlerische Autonomie sehe ich nicht durch nachträgliche Änderungen Dritter beeinträchtigt, sondern, wenn ich selbst aufgrund externer Anregungen meinen Text ändern soll.

    Als mein Werk betrachte ich ausschließlich das Originalmanuskript. Das gedruckte und im Handel erhältliche Buch ist lediglich ein davon abgeleitetes Produkt, mit dem ich mich nicht identifiziere und das mich als solches auch nicht weiter interessiert. Außer wie viel Profit es mir einbringt.

    Mich interessiert an der schriftstellerischen Arbeit ohnehin nur der Entstehungsprozeß, das Erfinden und Erdichten. Ist dieser Prozeß abgeschlossen, mit dem Wort "Ende" auf der letzten Seite, erlischt schlagartig mein Interesse an dem fertigen Text. Und dementsprechend auch ihn zu korrigieren und nochmals zu überarbeiten. (Es ist mir schon eine Mühsal, meine handschriftlichen Manuskripte abzutippen.) Ihn gegebenenfalls zu verkaufen, ist gewissermaßen nur eine Art von "Abfallverwertung" meiner eigentlichen künstlerischen Tätigkeit. Wenn nun also irgend ein Lektor oder Redakteur ihn änderte oder komplett umschriebe, oder der Verleger mir gar Geld dafür zahlte, das Buch für 100 Jahre wegzuschließen und es niemals zu drucken, wäre mir das egal, denn meinen Spaß, meine Erfüllung hatte ich bereits während des Schreibens, und Geld stinkt nicht. Ob das zu verkaufende Produkt durch die Bearbeitung besser wird oder nicht, hat für mich keine Bedeutung, da ich zu selbigem keine emotionale Beziehung habe, und, da ich niemals unter meinem richtigen Namen etwas publiziere (außer einer Übersetzung), auch nicht mich vor anderen dafür zu genieren brauche.

  • … und Geld stinkt nicht

    Eine Redewendung, die gemeinhein andeutet, dass das Geld, auf das man sich damit bezieht, aus unsauberen Einnahmequellen stammt. :brille

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    Emanuel von Bodmann


  • Verstehe ich das richtig: Der Akt des Ersinnens ist Dir Erfüllung (genug) und das Produkt, das Manuskript, aus dem im Idealfall ein Buch (Erzählungen oder ein Roman) werden soll, für das Du bezahlt wirst, Abfall? Da Du von „Abfallverwertung“ sprichst, sollte das ja so sein?

    Wow!

  • Zitat

    Vielleicht habe ich mich etwas undeutlich ausgedrückt.


    Bisschen billich, dieser Provokationsversuch. Und, mit Verlaub, unglaubwürdig.

  • Es ist aber so. Auch wenn ihr mir nicht glaubt. :| Ich bin nun einmal anders, als die meisten Menschen. Das war schon immer so. Es hat zum Beispiel mehrere Monate gedauert, bis ich von meinem ersten veröffentlicheten Roman mir habe Exemplare schicken lassen, und die liegen jetzt irgendwo in einem Schrank mit altem Krempel und leeren Schachteln und überzählligen Kleiderbügeln. Ich habe gehört, daß die meisten Autoren eine Art Glücksgefühl verspüren, wenn sie ihr gedrucktes Buch zum ersten Male in Händen halten, aber ich empfand irgendwie gar nichts. Ich nahm es zur Kenntnis, mit dem selben Gefühl, das ich empfinde, wenn ich eine Schachtel Seife auspacke und in die Vorratskammer lege. Gut zu wissen, daß genug Seife da ist. :|

  • Kann ich nicht sagen, da ich mein Inkognito nicht aufgeben möchte

    Was es nicht eben einfach macht, Deinen originellen Aussagen Glauben zu schenken. Zumal Verlage in aller Regel und nach aller Erfahrung nicht so agieren, wie Du das schilderst.

    Das gilt, nicht nur am Rande, auch für so etwas:

    Es hat zum Beispiel mehrere Monate gedauert, bis ich von meinem ersten veröffentlicheten Roman mir habe Exemplare schicken lassen

    Man lässt sich keine Belegexemplare schicken, das passiert ganz automatisch, und es ist ein Muss im Verlagsvertrag, das u.a. dafür dient, den Autoren gegenüber zu belegen, dass das Buch auch tatsächlich erschienen ist - schließlich geht es genau darum im Verlagsvertrag. Das ist sozusagen der Vollzugsbeleg. Kein Verlag fragt, ob und wann Belege geschickt werden sollen. Sobald der Titel bereit für die Auslieferung ist (oft aber schon vorher), gehen die Belege raus.

  • Katze

    Mich würde echt interessieren, wovon deine Bücher handeln. Erzähl doch was darüber. Wenigstens in welchem Genre du schreibst. Bist du denn gar nicht stolz auf dein künstlerisches Werk? Immerhin hast du einen Verlagsvertrag. Das kann nicht jeder Schreiber von sich behaupten.

    Ich vermute, du schreibst sämtliche Romane unter Pseudonym, also könnte dich ohnehin kaum jemand enttarnen, wenn du einen Link legst.

    Nur Mut!

    „Aber die geheimen Verbote, das Beobachten, der Argwohn, die Angst, das Isolieren und Ausgrenzen, das Brandmarken und Mundtotmachen derer, die sich nicht anpassen, das wird wiederkommen, glaubt mir.“ (Bärbel Bohley,1991)

  • Immerhin hast du einen Verlagsvertrag. Das kann nicht jeder Schreiber von sich behaupten.

    Stimmt. Nicht wenige haben sogar mehrere davon, weil es üblich ist, für jeden Titel einen zu machen.