Parlamentspoeten – brauchen wir die?

  • Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt will eine Parlamentspoetin im Bundestag installieren. Der Vorschlag stammt von den Autoren Mithu Sanyal, Simone Buchholz und Dmitrij Kapitelmann. Vorbild für den Posten ist Kanada, wo seit 2001 ein Parlamentspoet Texte zu besonderen Anlässen schreibt, Lesungen hält und die Parlamentsbibliothek auf Vordermann bringt.


    Das Thema wird kontrovers diskutiert. Was halten wir Autoren davon? Könnte sich jemand hier vorstellen, diese Aufgabe zu übernehmen? Oder ist das Quatsch?

  • Es sollte auch wieder Hofnarren geben. Und Vorkoster.


    Vielleicht könnte man der AfD ein entsprechendes Angebot machen. Dann wären die wenigstens mit was Sinnvollem beschäftigt.

  • Danke, Amos, für den Link. :)


    Da werde ich gleich wieder besser schlafen können in dem Bewusstsein, dass es noch Menschen vom Schlage Katrin Göring-Eckardts gibt, Politikerinnen und Politiker, die verstanden haben, was die Stunde geschlagen hat und mit Mut und Entschlossenheit die drängendsten Probleme angehen, denen sich die Menschen hier und anderswo ausgesetzt sehen.


    Angesteckt von so viel Aufbruchsstimmung: Wie wäre es, wenn alle neuen Bundestagsabgeordneten vor ihrer Jungfernrede im Rahmen einer Liveübertragung im Plenarsaal ihren Namen tanzen würden?

  • Angesteckt von so viel Aufbruchsstimmung: Wie wäre es, wenn alle neuen Bundestagsabgeordneten vor ihrer Jungfernrede im Rahmen einer Liveübertragung im Plenarsaal ihren Namen tanzen würden?

    Ich fände es besser, jedem Abgeordneten nach der Jungfernrede ein Brandzeichen ein Abzeichen mit dem Text "Entjungfert im Bundestag 2022" anzustecken.

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  • Ich fände es besser, jedem Abgeordneten nach der Jungfernrede ein Brandzeichen ein Abzeichen mit dem Text "Entjungfert im Bundestag 2022" anzustecken.

    Ich finde, das wäre zu einfach, Horst-Dieter. Zudem möchte ich noch einmal an das Anliegen von Katrin Göring-Eckardt erinnern: „Mit Poesie einen diskursiven Raum zwischen Parlament & lebendiger Sprache öffnen.“


    Endlich. Endlich nimmt sich jemand dieses Themas an, das den/die Bundesmichel:le derzeit wie kein anderes beschäftigt. Denn, was Frau Göring-Eckardt da vorschlägt, ist im Grunde ja nichts anderes, als neben Bundestag und Bundesrat noch eine dritte Quasselbude einzurichten, nur deutlich verspielter, bunter, diverser halt. Bürgernäher. Und unterhaltsamer.

    Deshalb, und um auf Dirks initiale Frage zu antworten: Parlamentspoeten – brauchen wir die? Ja. Unbedingt.

    Aber, und an dem Punkt wird der entscheidende Makel des Konzepts einer dritten Parlamentskammer deutlich: Wer ernennt deren Mitglieder? Erfolgt die Ernennung auf Lebenszeit? Oder sollen die Poetinnen und Poeten rotieren? Abhängig oder unabhängig vom jeweiligen Wahlergebnis? Auf welche Weise findet Artikel 20 des Grundgesetzes Beachtung? Welche Qualifikation müssen potentielle Kandidatinnen und Kandidaten nachweisen?

    Man braucht kein Hellseher zu sein, um bereits jetzt zu konstatieren: Das wird ein Fall fürs Bundesverfassungsgericht.


    Und was deinen Vorschlag mit dem Abzeichen angeht, Horst-Dieter: Meinetwegen. Aber vorher wird getanzt. Basta. Show, don’t tell!

  • Es sollte auch wieder Hofnarren geben.

    Der Hofnarr fiel mir angesichts der Nachricht auch ein. Stimmt schon. Allerdings waren Hofnarren ja nicht dazu da, den Herrscher zu belustigen, sondern ihm ungeschminkt sagen zu können, was er falsch machte. Narrenfreiheit im Parlament? Wieso nicht?


    Was bei der Aktion hinkt, ist der oft bemühte Vergleich mit Kanada. Dort rotieren die Parlamentspoeten alle zwei Jahre, kommen aber, wenn ich es richtig verstehe, aus den Reihen der indigenen Bevölkerung. Ethnien mit eigener Kultur und Sprache gibt es in Kanada sehr viele, und die Parlamentspoeten haben dort die Aufgabe, die sterbenden Sprachen auf der politischen Bühne in Erinnerung zu rufen. Ob und wie man das auf hiesige Verhältnisse projizieren kann, erschließt sich mir nicht.

  • Allerdings waren Hofnarren ja nicht dazu da, den Herrscher zu belustigen, sondern ihm ungeschminkt sagen zu können, was er falsch machte.

    Es sei denn, der Herrscher hatte schlechte Laune.


    Im Übrigen gerät die ungeschminkte Meinungsäußerung immer mehr in Verruf, so sie denn mit den moralisch-paradigmatischen Leitplanken kollidiert, die quasi täglich enger gesetzt werden, was sogar für in Kunst, gar in Satire gekleidete Meinungen gilt.


    Wahrscheinlich aber hat Frau G-E da eher etwas wie die Inaugurationslürikerin Amanda Gorman im Sinn, die ja allen Wokern weltweit multiple Orgasmen verschafft hat*. Also jemanden, der in schönen, aber etwas kitschigen Worten die Ungerechtigkeit der Welt deklamiert, verbunden mit dem Hinweis darauf, dass die Helden der Ampelkoalition zur Rettung geeilt sind.


    (* das ist eine Analogie)

  • Andererseits. Gegenden gönnen sich Stadtschreiber und Stipendiaten, und was könnten sich Künstler und -innen mehr wünschen als an der Wurzel (oder wichtigsten Astgabel) der Demokratie in Lürik oder Prosa auf das Geschehen reagieren zu dürfen, und das mit garantierter Resonanz? Das wäre sozusagen ein zweites Bundespräsidialamt, zwar mit noch weniger Kompetenz, dafür aber mehr Anspruch an die rhetorisch-künstlerische Qualität.


    Ich muss jetzt wirklich mal nachlesen, was Frau G-E damit eigentlich beabsichtigt. Oder ob das sowieso nur ein Ulk war.

  • So, so.


    Es ist keineswegs Frau Göring-Eckardt, die das ausgedacht hat oder unbedingt haben will, sondern es war eine Gruppe aus drei Autoren und Autorinnen, die den Vorschlag gemacht hat, darunter übrigens Simone Buchholz, die live zu erleben wirklich einen Höllenspaß macht. Frau G-E hat diesen Vorschlag nur begrüßt, im Sinne von: Man sollte über solche Sachen nachdenken, auch um der Sprache und des Sprachgebrauchs willen. Sie hat nicht gesagt: Her damit, das brauchen wir auf jeden Fall.


    Hier kann man das alles noch ein wenig genauer nachlesen: https://www.rnd.de/politik/bea…I6BRDWBBDUFCNLWFBKBQ.html


    Eigentlich ist das eine hübsche Idee. Fragt sich nur, wer seine Künsterkarriere dadurch vergurken möchte, dass er oder sie im Auftrag der Regierung künstelt.