Heiteres Beruferaten - oder - Haben Akademiker bessere Voraussetzungen Romane zu veröffentlichen als Nicht-Akademiker?

  • Ich stelle hier nochmal den Zusammenhang her, in dem die von Dir monierte Äußerung getan wurde. Daraus liest Du eine Anklage oder einen Vorwurf, forderst mich seit gefühlt 20 Beiträgen auf, diese Aussage zu revidieren …

    Ich fordere Dich nicht heraus, das zu revidieren. Ich stelle Deiner Meinung eine andere gegenüber. Das ist nicht in Ordnung?


    Als persönliche Diffamierung fasse ich das übrigens nicht auf.

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Du stellst nicht einfach z.B. Petras Meinung eine andere gegenüber. Du schreibst so etwas, Horst-Dieter:


    Bei dieser Betrachtung liegt ein Denkfehler vor

    Das ist nicht "Ich bin anderer Meinung", sondern: "Deine Meinung ist falsch."


    Das Interview mit der Literatursoziologin über ihr Fachgebiet nennst Du "lockeres Gespräch", um die den darin enthaltenen Fakten jede Bedeutung zu entziehen. Es geht nicht um den Widerstreit der Meinungen, sondern ums Ungültigmachen einer anderen Meinung. Das ist ein wenig irritierend.

  • Das Interview mit der Literatursoziologin über ihr Fachgebiet nennst Du "lockeres Gespräch", um die den darin enthaltenen Fakten jede Bedeutung zu entziehen. Es geht nicht um den Widerstreit der Meinungen, sondern ums Ungültigmachen einer anderen Meinung. Das ist ein wenig irritierend.

    Ich spreche den Fakten nicht jede Bedeutung ab. Das Interview wird mit der Autorin über ihr Buch geführt. Das bedingt durchaus Verallgemeinerungen und Vereinfachungen. Solch ein Interview hat eine andere Qualität, als das Buch selbst. Nichts anderes habe ich geschrieben.


    Und nein, ich mache keine anderen Meinungen ungültig. Wenn ich von einem "Denkfehler" spreche, dann ist das auch eine Meinung aus meiner eigenen Sicht. Damit mache ich keine anderen Meinungen ungültig, wie du behauptest, sondern stelle eine konträre Meinung der zuerst geäußerten gegenüber.


    Aber jetzt geht es auch schon nicht mehr um die Sache. Wenn Diskussionen an den Punkt kommen, das Haltungen interpretiert werden, ist es besser damit aufzuhören. Ich tue das hiermit.

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    Emanuel von Bodmann


  • Wenn Diskussionen an den Punkt kommen, das Haltungen interpretiert werden, ist es besser damit aufzuhören.

    Damit hast Du ohne Zweifel recht. 8)

  • Zur Sache:


    Kesslers Polemik von 2014 „Lassen Sie mich durch, ich bin Arztsohn“ ist bei der Zeit noch hinter einer Bezahlschranke abzurufen; mittlerweile allerdings auch gewissermaßen überholt, da Kessler sich in der Folge offenbar teilweise selbst vom Inhalt distanziert hat.


    Wenn (oder doch falls …?) sich bestätigt, dass Literatur zum großen Teil aus einem bestimmten, ich nenne es mal „bildungsbürgerlichen“ Milieu heraus entsteht, dann bleiben gewisse Erfahrungen/Schauplätze, die in, um bei Kesslers Titel zu bleiben, „Medizinerhaushalten“ nicht vorkommen, auch in der Literatur außenvor, blitzen höchstens mal als Randerscheinungen auf, wenn sie denn, durch welche Fügung auch immer, gehört werden.


    Es braucht für manche Themen persönlichen Zugang, meine ich. Es ist nicht unmöglich, Milieus glaubhaft zu schildern, in denen man sich nie bewegt hat, aber es hilft ungemein, wenn man Einblick hat. Wenn einer aber zum Beispiel keine Mitschüler/Kollegen/Freunde hat, die - beispielsweise - auf dem Kölnberg wohnen (für Nichtkölner: ein Hochhauskomplex, einst als hochwertiges Wohnprojekt konzipiert, längst zum sozialen Brennpunkt verkommen), dann wird er darüber auch nie schreiben wollen. Dabei wären dort sehr wohl erzählenswerte Geschichten zu verorten. Andersherum: Wer dort Mitschüler/Kollegen/Freunde hat oder selbst dort lebt, wird sich in der Regel selten das Handwerkszeug aneignen können, um darüber zu schreiben. Möglicherweise wollte man auch nicht darüber schreiben, weil man sich damit zweifellos ein Stückweit offenbaren müsste. Also bleibt dieses Feld halt eher fragwürdigen Scripted Reality-Formaten überlassen, die ein sehr einseitiges Bild zeichnen. Man überlässt „solche“ Milieus allenfalls dem Trash-TV, während in der Literatur, im Genrebereich sowieso, eher - ich überspitze - auf schicken Ledersofas gesessen, Latte Macchiato geschlürft und Midlife-gekriselt wird.

    (Ich ahne, dass das ein Satz ist, mit dem ich das nächste Fass aufmachen könnte, deshalb gleich: Ich möchte niemandem vorschreiben, worüber er zu schreiben hat (!), und ich weiß, dass es eine Menge Romane gibt, die, selbst wenn (Achtung: Überspitzung) die Protagonisten auf Ledersofas sitzend Latte trinken, wichtige Themen aufgreifen, gut geschrieben sind etc. pp.)


    Man mag sich auch fragen: Wollte das denn überhaupt jemand lesen? Man kann den Leuten ja schließlich nicht verordnen, sich Milieus zuzuwenden, die sie mit Argwohn oder sogar Abscheu betrachten. Ein solches Ansinnen, wenn es sich denn im Bereich des Möglichen befände, läge mir auch fern. Andererseits: In den 1970er Jahren kam ein (Sach-) Buch über die Drogen- und Stricherszene groß raus („Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“). Ich meine: Wenn andere Milieus als die, in denen der Großteil der Autorinnen und Autoren aufgewachsen ist und in denen sie sich bewegen, mehr vorkämen, wäre es eine Bereicherung.

  • Interessante Anmerkungen. ?!?Aber.


    Man überlässt „solche“ Milieus allenfalls dem Trash-TV

    Das ist so nicht zutreffend. Auch das Zdfland ( Nifl) hat die Milieus entdeckt, und ich würde auch die Krimireihe "Tatort" nicht als Trash bezeichnen. Gerade in dieser Reihe und in benachbarten Formaten werden soziale Randstrukturen und Brennpunkte immer wieder beleuchtet, und durchaus in glaubwürdiger und intensiver Weise, wie ich finde. Aber ich gehe nicht davon aus, dass die fraglichen Drehbuchautoren auf dem Kölnberg wohnen. Oder dass Volker Kutscher oder die Drehbuchautorenschaft von "Babylon Berlin" direkte Erfahrungen damit haben, in bitteren Verhältnissen im Berlin der Zwanziger und Dreißiger gelebt zu haben.


    Man muss kein Mörder sein, um über Mord schreiben zu können, aber fehlende soziale Erfahrungen kann man auch mit viel Empathie nicht so einfach ausgleichen, das wird wohl stimmen. Was Clemens Meyer in "Als wir träumten" oder Christian Bangel in "Oder Florida" gelungen ist, hätte jemand ohne die Vitae von Clemens Meyer oder Christian Bangel vermutlich nicht in gleicher Weise geschafft. Aber es gibt durchaus Möglichkeiten, sich zu informieren und zumindest anzunähern, und online tonnenweise Anschauungsmaterial, nicht nur aus der Trashecke. Und auch wenn ein Spaziergang durch das Rollbergviertel oder Mümmelmannsberg - tagsüber und bei Sonnenschein - bei weitem nicht dasselbe ist, wie dort aufgewachsen zu sein oder zu leben, ist mit Empathie und etwas Mühe und viel Recherche (und einem gerüttelt Maß an Empathie) doch einiges zu schaffen. Juli Zeh beispielsweise hat das mit ihrem "Über Menschen" gerade sehr nachhaltig bewiesen, aber die Lebensgeschichte dieser Frau, die Tochter aus bestem Hause, promovierte Juristin und u.a. Verfassungsrichterin in Brandenburg ist, hat in direkter Linie nur wenige Schnittpunkte mit den Geschichten dieser Leute, von denen sie da erzählt.


    Natürlich schreibt man sozusagen ganz automatisch lieber über das, was man kennt, schließlich kostet das auch weniger Mühe. Aber ich möchte widersprechen, dass die zeitgenössische Literatur nur aus Texten von Bildungsbürgern für Bildungsbürger über das Bildungsbürgersein besteht. Das mag statistisch gesehen die anderen denkbaren Varianten übersteigen, aber schon eine starke Dominanz würde ich anzweifeln. Und dann stellt sich natürlich auch noch die Frage, wer die Leser eigentlich sind - und was die wollen. Vielleicht ist die Kausalität, so es eine gibt, ja andersherum.

  • Ich fände Literatur, die Milieus wie den Kölnberg (exemplarisch) nicht betrachtet, höchst langweilig. Geschichten entstehen aus Kontrasten, egal ob im Genre oder in literarischen Werken. Wenn der oder die Schreibende das Milieu nicht kennt, muss er oder sie das recherchieren. Ob's dann authentisch wird, ist eine Frage des Könnens - und des ehrlichen Feedbacks von Menschen, die mehr über das Milieu wissen.


    Ich will mich in Literatur nicht spiegeln, sondern in andere Welten abtauchen. Die der Akademiker und Intellektuellen kenne ich zur Genüge - gähn!


    Noch kurz zu den ungehörigen Berufsbezeichnungen: Das gilt für sehr viele freiberufliche Tätigkeiten. Die wenigsten Freiberufler(innen) können von ihrer Tätigkeit leben. Aber diese Darf-ich-das-Diskussionen kenne ich nur von Schreibenden.

  • Ich finde die Etikettendiskussion interessant. Hier ein Vorschlag. 8)


    Ich kann schreiben




    Ich habe die Schriftsprache erlernt




    Ich kann erzählen




    Ich habe gelernt, mit Hilfe der Schriftsprache fiktionale Geschehnisse zu erzählen




    Ich schreibe




    Ich verbringe viel Zeit damit, mir Geschichten auszudenken und aufzuschreiben




    Ich bin Autor




    Ich denke mir Geschichten aus, schreibe sie auf und präsentiere sie anderen




    Ich bin professioneller Autor




    Ich denke mir Geschichten aus und veröffentliche sie, womit ich etwas Geld verdiene




    Ich bin berufsmäßiger Autor




    Ich denke mir Texte und Geschichten aus, zuweilen im Auftrag von jemandem, veröffentliche diese und verdiene regelmäßig Geld damit




    Ich bin Schriftsteller




    Ich veröffentliche belletristisches Material - bevorzugt Romane - in Publikumsverlagen oder in einer Form mit ähnlicher Reichweite, und ich erreiche ein nennenswertes Publikum damit, das mir überwiegend persönlich unbekannt ist




    Ich bin von Beruf Schriftsteller




    Ich veröffentliche mehr oder wenig regelmäßig belletristisches Material und Romane, die ein größeres Publikum erreichen, und verdiene damit so viel Geld, dass man es guten Gewissens als „Einkommen“ bezeichnen könnte




  • In dieser Auflistung sollte wohl jede(r) Schreibende sein Plätzchen und seinen Seelenfrieden finden. :)


    Aber im Ernst. Persönlich reicht mir der Begriff Autor völlig. Jemand, der in der Absicht schreibt, gelesen zu werden, ist eine Autorin oder ein Autor. Notfalls oder auf Nachfrage kann man ja dann immer noch präzisieren: Ich bin Autor und schreibe in der Hoffnung, veröffentlicht zu werden. Oder: Ja, ich bin Autor. Erst kürzlich ist im Kleingrafenskooger Kreisboten mein Artikel über das Balzverhalten der Schleiereule erschienen. Oder: Ich bin ein Autor, haue jedes Jahr zwei Bestseller raus und verdiene ein Schweinegeld damit. Oder: Ja, ich bin Autor und schreibe für die Katz.


    Oder ist das mal wieder so eine typisch deutsche Diskussion, mit einem Ernsthaftigkeitsfaktor im oberen Tourenbereich, so wie auch die wiederkehrende Diskussion über eine vermeintlich notwendige Unterscheidung zwischen U- und E-Literatur? Im Französischen zum Beispiel gibt es zwar auch die beiden Termini auteur und écrivain, die aber synonym füreinander verwendet werden, wobei écrivain der ältere der beiden Begriffe ist.

  • @ Tom:


    Auch über den Kölnberg gibt es einen Dokumentarfilm: „Am Kölnberg“ von Robin Humboldt und Laurentia Genske. Wenn ich den nicht gesehen hätte, wüsste ich gar nichts darüber, denn auch ich habe keine ehemaligen Mitschüler/Freunde/Kollegen, die dort wohnen.

    Der Schluss war insofern zugegeben zu kurz gefasst, weil es natürlich neben dem Trash-TV auch andere Formate gibt, die sich mit „solchen“ Milieus befassen.

    Aber in der erzählenden Literatur sind sie doch deutlich weniger vorhanden?


    Dass Du Juli Zeh erwähnst, ist interessant, denn gerade bei ihr hatte ich den - offenbar verkehrten - Eindruck, dass ihre Figuren (zumindest die Protagonisten, die Antoganisten nicht) eher „der“ Schicht angehört, die „Hündinnen Jochen-der-Rochen“ nennt, was man durchaus originell finden kann, schlichtere Menschen wie ich sich dann aber fragen, wie zum Henker man einen Hund ruft, wenn der sich gerade auf Nachbars Waldi stürzt, der Jochen-der-Rochen heißt (und ob man den Namen beugen muss: Schatz, hast Du schon Jochen-den-Rochen gefüttert?) 🙂. Ich weiß, das sind Vorurteile (und auch nicht ganz ernst gemeint), und hätte ich nicht einen Roman von Juli Zeh gelesen, der mir nicht gefallen hat, wäre ich längst wieder bei einem ihrer Romane gelandet!

  • Ansonsten hilft meine Tabelle von weiter oben bei der Orientierung. "Autor" ist mehrdeutig. Ich bin Autor dieser Nachricht, aber ich muss kein Autor sein.

  • Nachtrag:


    Daniel Kehlmann ist sich - nach mehr als einem Dutzend veröffentlichter Bücher - nur fast sicher, dass er Schriftsteller ist. Wie jeder schöpferisch tätige Mensch fühle er sich natürlich als Hochstapler.


    (Was nicht (nur) damit zu tun haben wird, dass es um Felix Krull ging.)


    Und: Thomas Mann, seinerzeit als „größter lebender Schriftsteller“ gehandelt, hat die Schule nicht beendet.


    Quelle: ein lesenswertes Stern-Interview in der Ausgabe vom 9.9.21.


    Ein Lieblingssatz: „Man ist“ (als Schauspieler und Schriftsteller) „etwas weniger als die meisten anderen in nur ein einziges Leben eingesperrt.“

  • Die Stiftung Noon Foundation, Mannheim, ruft einen Literaturpreis aus: „Aufstieg durch Bildung“, 2023: mindestens 50 Seiten, 4.000 Euro, Verfasser 25 - 70 Jahre, Einsendeschluss 15.06.2022.


    (Der Text (Erzählung/Roman) kann auch (nach dem 15.06.2020) bereits veröffentlicht sein. Das bedeutet natürlich, dass andere Teilnehmer möglicherweise bereits ein reiferes bzw. fertiges Produkt ins Rennen schicken können.)

  • Interessante Diskussion. :)


    Ich habe studiert, weil das, was ich beruflich machen wollte, nur mit einem Studium möglich war.

    Hätte ich eine Ausbildung gemacht, würde ich sicherlich dennoch schreiben (denn damit habe ich schon vor dem Studium angefangen).


    Bei Prominenten fällt mir oft auf, dass es heißt "hat xy studiert", aber von einem Abschluss steht da häufig nichts. Irgendwer hatte in der Diskussion schon darauf hingewiesen, dass viele Autoren vielleicht mal studiert haben, aber ohne Abschluss. Akademiker wären sie dann aber nicht.


    Aber die meisten Autoren, die ich bisher in Foren oder sozialen Netzwerken "kennengelernt" habe, lesen selber auch sehr gerne. Ich finde es nicht abwegig, dass Menschen, die gerne lesen, eher an einem Studium interessiert sind. Wer nicht gerne liest, schreckt davor vielleicht eher zurück und macht eine praxisnähere Ausbildung.