Heiteres Beruferaten - oder - Haben Akademiker bessere Voraussetzungen Romane zu veröffentlichen als Nicht-Akademiker?

  • Die einen sagen so, die anderen sagen so 🙂


    Hinter der Vokabel „unredlich“ steht für mich nicht etwa eine moralische Gewissensfrage. Wenn man finanzielle Absicherung ausklammert, kann natürlich jeder jederzeit für sich beanspruchen, Künstler, also auch Schriftsteller, zu sein bzw. dazu berufen zu sein oder sich berufen zu fühlen. Bloß dann nicht „hauptberuflich“. Dieser Zusatz macht es für mich zur Augenwischerei und ein Stückweit zum Selbstbetrug.

    Goethe war hauptberuflich Regierungsbeamter, Schiller zumindest in den letzten Jahren Universitätsprofessor. Juli Zeh ist Juristin und Siri Hustved mit Paul Auster verheiratet. Dürfen die alle nicht mehr Künstler genannt werden?

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    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Natürlich dürfen sie das, Horst-Dieter. Das habe ich nie abgestritten.

    Aber es ist für die Genannten Augenwischerei und Selbstbetrug, wenn sie sich als Künstler bezeichnen (bzw. bezeichnet haben) - oder?


    Ich halte diese Art der Klassifizierung für unwesentlich. Nicht die Position, aus der heraus das künstlerische Werk geschaffen wird, ist maßgebend, sondern allein und ausschließlich das Ergebnis.

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  • Ich habe bis zum dritten oder vierten Roman damit gezögert, Leuten auf die Frage, was ich beruflich mache, damit zu antworten, dass ich (auch) Schriftsteller bin. Hätten sie einfach nur gefragt, was ich mache, hätte ich damit weniger ein Problem gehabt - und hätte damit, dass ich Schriftsteller zu sein versuche, schon im zarten Alter von dreizehn Jahren geantwortet, da habe ich nämlich meinen ersten Roman geschrieben. Ich bin allerdings ganz persönlich und für mich davon überzeugt, dass man Künstler oder Künstlerin erst, äh, wirklich ist, wenn es Menschen gibt, die diese Kunst auch zu schätzen wissen, ohne dass sie mit der schöpfenden Person verwandt sind oder von ihr dafür bezahlt werden, diese Kunst zu mögen. Aber es steht natürlich jedem Menschen frei, jede beliebige Bezeichnung (außer vielleicht Notarzt oder Pilot oder so) für sich selbst zu wählen, und wer irritiert ist oder sich herabgesetzt fühlt, weil er selbst "richtiger" Künstler ist, der dafür bezahlt wird, während die fragliche Person eigentlich nur versucht, Künstler oder Künstlerin zu sein (nach außen zuweilen erkennbar durch hochnotpeinliche Websites und ähnliches), sollte sein Selbstwertgefühl mal checken lassen.


    In Deutschland können nur sehr, sehr wenige Belletristikautoren (gut) davon leben, das zu sein, obwohl sie in Bestsellerlisten vertreten sind oder diese sogar zeitweilig anführen. Nachhaltig davon leben können noch weniger, also mit wenigen Erfolgen so viel Geld verdienen, dass nicht unbedingt ständig weitere Erfolge hermüssen. Das liegt auch daran, dass die Taktung für Buchveröffentlichungen nach oben natürliche Grenzen hat, dass die Nachfrage nach dem, was man zwischen zwei Büchern anbieten könnte (Lesungen, Kurztexte usw.) ebenfalls begrenzt ist, dass es aber möglicherweise auch nicht unbedingt kreativitätsfördernd ist, ausschließlich und 24/7 Schriftsteller zu sein. Das ist vielschichtig. Und ein Diskussionsthema seit Erfindung von Diskussionsthemen.

  • Aber es ist für die Genannten Augenwischerei und Selbstbetrug, wenn sie sich als Künstler bezeichnen (bzw. bezeichnet haben) - oder?

    Ich weiß gar nicht, wie man das in meine Aussage hineindeuten kann. Du bringst Namen von hochkarätigen Schriftstellern ins Spiel, deren Können unbestritten ist und die (so noch unter uns) durchaus von ihrem Schreiben leben könnten. - Also, nochmal: Nein.


    "Das Ergebnis ist ausschlaggebend"? Ja. - Und wenn ich sich schlecht verkaufende Romane - ob die nun mies oder brillant sind - produziere, dabei aber darauf beharre, freier Schriftsteller zu sein, dann stimmt da für mich etwas nicht. Ich kann mich zum Schreiben berufen fühlen, vielleicht bin ich es sogar, aber das ist dann nicht mein Beruf.

    Mag sein, dass wir ein unterschiedliches Verständnis des Begriffs "Beruf" haben.

  • Ein Beruf ist eine Tätigkeit, der man dauerhaft und gegen Entgelt nachgeht, verbunden mit dem Zweck, das eigene Dasein damit (auch teilweise) zu finanzieren. Damit kann auch eine Menge Leidenschaft verbunden sein, aber mit einer Leidenschaft als positivem Nebeneffekt auch Geld zu verdienen, das genügt auch meiner Auffassung nach nicht der Definition "Beruf". Wenn ich sage, dass ich von Beruf Schriftsteller bin, dann arbeite ich organisiert, regelmäßig und auch in schlechteren Zeiten kontinuierlich daran, Texte zu erzeugen, die zur Veröffentlichung geeignet sein könnten, wobei ich so vernetzt und/oder vertraglich eingebettet bin, dass diese auch zu erwarten ist.

  • Das Finanzamt hat auch ein Wörtchen dazu zu sagen. Wer gerne in die Künstlersozialkasse möchte, der wird schnell zurückgestutzt, Künstler oder nicht Künstler. Dort, Amt und KSK wird der Begriff Künstler/Künstlerin über Einnahme geregelt.

  • Das stimmt schon, Amos, aber ob man tatsächlich von Beruf Schriftsteller ist, dafür ist auch das nur ein Nebenaspekt.


  • "Das Ergebnis ist ausschlaggebend"? Ja. - Und wenn ich sich schlecht verkaufende Romane - ob die nun mies oder brillant sind - produziere, dabei aber darauf beharre, freier Schriftsteller zu sein, dann stimmt da für mich etwas nicht. Ich kann mich zum Schreiben berufen fühlen, vielleicht bin ich es sogar, aber das ist dann nicht mein Beruf.

    Mag sein, dass wir ein unterschiedliches Verständnis des Begriffs "Beruf" haben.

    Peter Hille (1854-1904) hat nie von seinem Schreiben leben können. Kollegen und andere Mitleidige haben ihn unterstützt. Und doch hat er sich und haben ihn andere als Schriftsteller oder Dichter bezeichnet.


    Ein Arberitsloser Mechatroniker darf sich demnach auch nicht als Mechatroniker bezeichnen, weil er damit gerade kein Geld verdient?

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  • Hallo, Horst-Dieter.


    Du machst das absichtlich, oder? 8) Es geht nicht darum, ob man Schriftsteller ist, sei es als selbstvergebene oder durch Veröffentlichungen gerechtfertigte Qualifikationsbezeichnung, aus Sicht des Finanzamts oder auf andere Art, sondern ob man dieser Tätigkeit als Beruf nachgeht. Da es arbeitslose Schriftsteller nicht geben kann, weil Schriftsteller keine Arbeitgeber haben und Schriftsteller auch kein Ausbildungsberuf ist, ist der Vergleich mit dem Mechatroniker ein Vergleich zwischen Äpfeln und Glühbirnen.

  • Tom: Das mit dem Mechatroniker war Absicht, ja. Mir ist die Diskrepanz durchaus klar. Allerdings ging mir dieses penetrante daraufhinweisen, dass es unlauter sei, sich als Schriftsteller zu bezeichnen, wenn man sein Einkommen aus anderer Tätigkeit bezieht - sei es vom Ehepartner oder der Lebensgefährtin oder einer anderen Tätigkeit - schon ein bisschen auf den Zwirn. Die KSK hat in Zeiten der Pandemie den Beitrag, den man als Künstler mit Nichtkünstlerischer Tätigkeit verdienen darf hochgesetzt. Ich finde es legitim, sich Schriftsteller oder Dichter zu nennen, auch wenn man anderen Tätigkeiten oder keiner nachgeht. Marcel Proust (1871 - 1922) hat von seinem Erbe gelebt, Franz Kafka (1883-1924) war Versicherungsangestellter. Wer käme auf die Idee, beiden den Dichter oder Schriftsteller abzusprechen? Es ist so, wie Du schon weiter oben geschrieben hast: Die wenigsten Schreibenden können von den Ergebnissen dieser Tätigkeit leben. Trotzdem ist es legitim zu sagen, man sei Schriftstellerin, wenn man auch nur ein Buch oder ein paar Gedichte veröffentlicht hat (nicht im Selbstverlag!). Zu sagen, das sei unseriös, ist eine Missachtung, finde ich.

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  • Allerdings ging mir dieses penetrante daraufhinweisen, dass es unlauter sei, sich als Schriftsteller zu bezeichnen, wenn man sein Einkommen aus anderer Tätigkeit bezieht - sei es vom Ehepartner oder der Lebensgefährtin oder einer anderen Tätigkeit - schon ein bisschen auf den Zwirn.

    Ich habe weder darauf hingewiesen, noch penetrant. Und ich habe lediglich eine - ich denke, gültige - Definition dafür geliefert, wann jemand sagen kann, er oder sie würde den Beruf Schriftsteller ausüben. Das Etikett "Ich bin Schriftsteller" oder "Ich bin Künstler" oder so ist wieder ein anderes.


    Edit: Ich bin gerade dabei, meinen zwölften Roman vorzubereiten, wie alle anderen zuvor für einen namhaften Publikumsverlag. Ich habe einmal Filmrechte verkauft, einmal Auslandsrechte, mehrere andere Adaptionsrechte, ich habe als Schriftsteller Sachtexte verfasst, Dutzende Kurzgeschichten veröffentlicht, bin hin und wieder bei einer Preisverleihung herumgehampelt und habe zig Lesungen gegen Honorar gegeben. Das mache ich seit zwanzig Jahren mehr oder weniger intensiv in dieser Form. Aber ich bin Midlist, habe zweimal an der Bestsellerliste gekratzt. Ich könnte mir das Schrifstellersein nicht leisten, hätte ich nicht noch einen anderen Job. Oder/und meine Frau. Es wäre ein sehr karges Leben. Allerdings hätte ich mich dafür entscheiden können, das hauptberuflich zu machen (so ist es ein Nebenberuf), und meine Agentur, die mich mehrfach darum gebeten hat, hätte mich dabei unterstützt, für den dann größeren Ausstoß Abnehmer zu finden. Das allerdings wollte ich nicht, aus vielen Gründen. Es wertet meinen Job weder auf noch ab, dass es nicht mein einziger ist, jedenfalls nicht aus meiner Sicht, und ich hätte kein glücklicheres Leben, würde ich zu der kleinen Elite gehören, die wirklich von sich sagen kann, dass sie aus lauter hauptberuflichen Schriftstellern besteht. Die meisten Schriftsteller, die ich kenne, und das sind nicht eben wenige, befinden sich in einer ähnlichen Situation wie ich.

  • Ich weiß. Aber auch die Person, die das - Deiner Auffassung nach in penetranter Weise - getan hat, hat differenziert, und bei der Bezeichnung "Schriftsteller" war und ist sie bei Dir, wohingegen ich ihr bei der Etikettierung "von Beruf Schriftsteller" zustimmen würde, aber auf die beziehst Du Dich in Deinen Repliken eigentlich überhaupt nicht. 8)

  • …nd bei der Bezeichnung "Schriftsteller" war und ist sie bei Dir, wohingegen ich ihr bei der Etikettierung "von Beruf Schriftsteller" zustimmen würde, aber auf die beziehst Du Dich in Deinen Repliken eigentlich überhaupt nicht. 8)

    Doch, das tue ich, und zwar ziemlich deutlich. Wer sich als Schriftsteller fühlt und dies auch beweist - zum Beispiel durch Veröffentlichungen - der darf als seinen Beruf Schriftsteller angeben dürfen ohne sich zu schämen, selbst dann, wenn er zu seinem Lebensunterhalt auch noch einer (oder mehreren) anderen Tätigkeiten nachgehen sollte.

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    Emanuel von Bodmann


  • Ich habe keine Ahnung, was ein Borg-Würfel ist, aber ich fühle mich höchstwahrscheinlich auch gerade, als wäre ich einem begegnet.


    Horst-Dieter, in meinem Beitrag # 58 steht "empfinde ich als unredlich". Das steht aus gutem Grund so da, und nicht etwa "ist unredlich". Ich behaupte nicht, dass es so ist und möchte auch niemandem Scham einreden oder das Recht nehmen, anders darüber zu denken.


  • Horst-Dieter, in meinem Beitrag # 58 steht "empfinde ich als unredlich". Das steht aus gutem Grund so da, und nicht etwa "ist unredlich". Ich behaupte nicht, dass es so ist und möchte auch niemandem Scham einreden oder das Recht nehmen, anders darüber zu denken.

    Da du das aber öffentlich schreibst, ist deine Empfindung aber aus der ganz privaten Befindlichkeit herausgerückt. Klar, kann man seine Meinung sagen, aber indem man dies tut, ist diese Meinung auch eine Anklage, oder, etwas schwächer, ein Vorwurf. Auf diesen darf und kann auch reagiert werden.

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    Emanuel von Bodmann


  • Kessler sprach hier also zwei Bereiche an: 1. eine Beschneidung der Themen: Worüber wird überhaupt geschrieben? 2. wer kann es sich leisten, hauptberuflich Schriftsteller zu werden?


    (…)


    Sich selbst als freiberuflichen Schriftsteller zu bezeichnen, wenn man (oder der Ehepartner) eigentlich noch eine Reihe anderer Dinge tut, um Miete und Mittagessen zu bezahlen, empfinde ich als unredlich. Das mag dem Ego schmeicheln oder deutlich machen, wo man seine "Berufung" sieht, verzerrt aber die Realität.

    Ich stelle hier nochmal den Zusammenhang her, in dem die von Dir monierte Äußerung getan wurde. Daraus liest Du eine Anklage oder einen Vorwurf, forderst mich seit gefühlt 20 Beiträgen auf, diese Aussage zu revidieren und findest es penetrant, wenn ich das nicht tue. Horst-Dieter, wenn Du ein anderes (Selbst-) Verständnis hast, dann ist das so - das darfst Du, das darf jeder so sehen wie er will. Darum ging und geht es mir bloß nicht. Es geht um eine Sache. Es ist keine persönlich gemeinte oder vage in die Runde abgeschossene Diffamierung - als die Du diesen einen Satz offenbar auffasst.

  • Ich habe keine Ahnung, was ein Borg-Würfel ist

    Das ist ein Borg-Würfel bzw. Borg-Kubus:



    Die Borg sind eine der stärksten (genau genommen die zweitstärkste) Spezies im All zur Zeit von "Star Trek: The Next Generation" und "Star Trek: Voyager". Sie sind als matriarchalisch geführtes, mit Hilfe grausiger Implantate streng vernetztes Kollektiv organisiert, Einzelwesen sind bedeutungslos, sie sind äußerst aggressiv und assimilieren jede andere Spezies, die ihnen begegnet. Ihr (zutreffendes) Credo lautet: "Widerstand ist zwecklos".