JM Stim: Malta Transfer

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    Malta im Jahr 2015. Die ehemalige Journalistin Melita Micaleff arbeitet als freie Rechercheurin für eine Anwaltskanzlei in Valetta. Matthew Buttigieg, der sie gelegentlich für bemerkenswerte Honorare beauftragt, war früher Regierungsmitglied und ist nicht nur deshalb extrem gut vernetzt. Als er Melita jetzt bittet, sich mit einem Mordfall zu befassen, überrascht sie das, denn einen solchen Auftrag hat er ihr noch nie erteilt. Ein Student ist mit mehreren Messerstichen getötet und anschließend ins Meer geworfen worden. Ein anonymer Mandant der Kanzlei will wissen, was die Hintergründe der Tat sind, und das möglichst, bevor die Polizei das in Erfahrung gebracht hat.


    JM Stim folgt in dieser dichten und klug erzählten Geschichte direkt und ohne Unterbrechung seiner Hauptfigur, einer etwas ruppigen, schlauen, umsichtigen Frau, die nicht mehr ganz jung ist, aber auch längst noch nicht alt. Melita ist dem Alkohol sehr zugeneigt und trinkt große Mengen Cisk, ein sehr bekanntes maltesisches Bier, gerne ergänzt um einige Gläschen Absinth. Sie ist lesbisch und war lange Zeit sehr promisk, hat sich aber auf die kleinere, ruhigere Insel Gozo zurückgezogen, um sich wieder zu kalibrieren. Durch den neuen Auftrag muss sie allerdings deutlich länger auf der Hauptinsel bleiben, als geplant war, was auch gewisse emotionale Risiken mit sich bringt.


    „Malta Transfer“ ist wie kein Krimi, den ich bisher gelesen habe. Der ungeheuer detailreichen und atmosphärischen Erzählung merkt man an, dass es ein ortskundiger Journalist ist, der sich hier an Prosa versucht, was wirklich vortrefflich gelingt, aber eben auch gewissermaßen journalistisch ausfällt – Stim beobachtet und beschreibt, er wertet nie und überlässt die Meinungsbildung vollständig seiner Hauptfigur, die beeindruckend plastisch geformt ist. Melita Micaleff ist nicht liebenswürdig und eigentlich auch nicht nur cool, sie ist sie selbst – und es ist ein Vergnügen, sie dabei beobachten zu dürfen. Gleichzeitig erfährt man eine Menge über diesen eigenartigen, gleichsam hybriden Inselstaat zwischen Sizilien und Libyen, über dessen Geschichte und Gegenwart, über Wirtschaft, Kultur und politische Strukturen – und seine Rolle bei dem, was im Jahr 2015 als „Flüchtlingskrise“ bezeichnet wurde, denn die stellt, wie nach und nach immer klarer wird, den Hintergrund der Geschehnisse dar.


    Der mit großer Präzision erzählte Roman kommt leider etwas schnell zu seinem Ende, als wäre dem Autor im fünften Fünftel die Luft zu früh ausgegangen, aber das schmälert den großartigen Leseeindruck kaum. Schade nur, dass die Story so unschön verpackt ist – das Buch ist bestenfalls mäßig ausgestattet und nicht sehr wertig hergestellt, und warum alle Dialoge zusätzlich zur Hervorhebung durch Anführungszeichen auch noch kursiv gesetzt werden mussten, erklärt sich nicht. Aber man macht einen Fehler, wenn man dieses wirklich gute Buch nur nach seinem Umschlag beurteilt. „Malta Transfer“ ist ein großartiger, dunkler, politischer Krimi, der auch auf der menschlichen Ebene exzellent funktioniert. Lesenswert!


    ASIN/ISBN: 1639721614