Justice League Zack Snyder Cut

  • Bei IMDb hat Justice League (Kinoversion) 6,1 Sterne, in der Version von Zack Snyder 8,1. Warum? Weil die neue Version nicht nur doppelt so lang ist, sondern auch besser. Um die Handlung grob zu skizzieren: Superhelden kämpfen gegen Superschurken, Superman erfährt eine knallhart messianische Auferstehung und so wird die Welt gerettet. Im Punkt Einfallsreichtum wirkt das etwas schlapp. Aber wer nicht auf Superheldenzeugs steht, sollte sich den Film ohnehin nicht angucken. Nicht der Plot macht den Film zur besten Superheldencomicverfilmung, sondern der Umstand, dass es gelingt, das Comicfeeling trotz realer Schauspieler zu erzeugen. Zum einen braucht es da eine Menge Verschmelzungskraft, um Figuren in phantastisch-bunten Kostümchen in ein bedrohliches Setting zu verpflanzen. Das geschieht durch die Verwendung von Filtern und sonstigen Farb- und Beleuchtungstricks und natürlich durch die Verwendung von CGI. Vor allem aber entsteht das Feeling durch die Übernahme von comicmäßigen ästhetischen Entscheidungen. So gibt es in Comics häufig Panels, die bestimmte Details riesenhaft in den Vordergrund stellen (eine Brille, ein klingelndes Telefon). Das kopiert der Film an vielen Stellen. Ein anderes Mittel: Im Comic füllen mitunter die von Schrecken, Entsetzen oder what auch ever geprägten Gesichter eine ganzes Panel innerhalb einer Sequenz. Auch das wird im Film - besonders am Anfang - gern genutzt. Und um ein drittes Beispiel zu nennen: die "eingefrorenen" Bilder im Comic (z.B. eine Pistolenkugel in der Luft) werden im Film durch Zeitlupensequenzen umgesetzt (okay, manchmal wird das ein bisschen exzessiv genutzt). Letztes Beispiel: die unüblichen Perspektiven in Comicpanels, um die Statik aufzuheben, finden sich im Film ebenfalls reichlich.

    Auf diese Weise wird also die Leseerfahrung des Rezipienten ins Spiel gebracht um die o.g. Verschmelzungsarbeit ins Werk zu setzen, so dass eben der Eindruck ensteht, ein Comicheft werde lebendig (und nicht: einzelne Figuren fallen aus dem Heft, machen eine gewisse Transformation durch (z.B. wie Iron Man in den Marvel-Filmen zu einem bunt lackierten Hightech-Panzer transformiert) und landen in der Wirklichkeit).

    Noch überzeugender ist die Verschmelzung schließlich in der Schwarz-Weiß-Version, wo die Figuren noch zwingender in ihre Welt eingebettet sind. Diese Version erhält man z.B. bei dem Amazon-Stream gleich mit, sie unterscheidet sich von der bunten ansonsten nicht.

    Fazit: Vier Stunden nostalgische Entführung in Kindheitsgefühle.

  • Ich habe mir den 242 Minuten lange Snyder-Cut des Films "Justice League", für den die Fans und der Regisseur jahrelang gekämpft haben, weil ihnen die verstümmelte 92-Minuten-Version von Joss Whedon nicht gefallen hat, vor kurzem ebenfalls angeschaut. Wenig überraschend ist der Snyder Cut ein völlig anderer Film. Nicht so sehr Popcorn-Kino wie der kurze Kinoschnitt, dafür etliche ruhigere Momente, die die Charaktere hervorheben, haufenweise Hintergrundgeschichten und mehrere Subplots. Die Grundstory ist zwar gleich geblieben, wirkt in der neuen Version aber sehr viel fülliger und auch stimmiger. Satte vier Stunden hätte es zwar nicht unbedingt gebraucht, aber auch mit ein paar Kürzungen hier und da wäre der Film nicht unter drei Stunden herausgekommen. Und sehenswert ist die neue Fassung durchaus. Ich bin mir allerdings nicht sicher, ob dieses ellenlange Epos jemals im normalen TV laufen wird. Mit Werbeunterbrechungen würde der Streifen mehr als fünf Stunden gehen. So was schaut sich doch da keiner mehr an.

    Aus irgendeinem mir nicht nachvollziehbaren Grund wollte Zack Snyder, dass seine "Justice League"-Fassung im 4:3-Format ausgestrahlt wird. Was er da an 16:9 nicht mochte, weiß ich nicht. Vielleicht war es als Statement für oder gegen irgendwas gedacht.

  • Ich weiß nicht, aber passt 4:3 nicht besser zum Computerbildschirm, also auch zum Streaming?

    Und vielen Dank für die inhaltliche Ergänzung. Dass die Geschichte und die Charaktere viel mehr Tiefe gewinnen, finde ich auch auf jeden Fall. Ich dachte, ich konzentrier mich in der Empfehlung mal auf das Wie.

    Gruß

    T.

  • Ich kneiste mich mit meinem Filius gerade durchs MCU, überwiegend in 3D (was leider nur geht, wenn man Bluray-Discs kauft, denn es gibt keinen Streamingdienst, der 3D-Filme anbietet) auf der großen Beamerleinwand, und ansonsten alldort in 4K von Disney+ aus, wo das gesamte Marvel-Oeuvre (einschließlich aller Spin-Offs und Serien) enthalten ist. Das ist schon sehr, sehr dicht an einem Kinoerlebnis, und es verbrennt diese Art von Filmen für alles unter einer Bildschirmdiagonalen von, sagen wir: mindestens 75 Zoll. ;)


    "Justice League" als Bestandteil des DC-Gegenentwurfs zu den Avengers von MCU ist bei mir komplett durchgefallen, allerdings habe ich auch nur die Normalversion gesehen, die mich gelangweilt hat, und ich fand das Personal lahm. Ob mich die Figuren in einer vierstündigen Version mehr begeistert hätten, wage ich allerdings sehr stark zu bezweifeln. Trotzdem fand ich die Besprechung sehr interessant, tortich. Danke!

  • Tom: Ich bin großer Fan vom MCU. Im Vergleich mit Marvel kann DC natürlich nicht mithalten. Zacks Snyders Trilogie "Man of Steel", "Batman vs. Superman" und "Zack Snyders Justice League" hat sicherlich seine Schwächen. Dennoch ist zumindest der Abschlussfilm DEUTLICH besser als die vorherige 90-Minuten-Version. An Marvel reicht aber auch das nicht heran.