Marcel Proust: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

  • Nachdem ich schon vor ein paar Wochen nach dem ersten Teil (Unterwegs zu Swann) auch den zweiten (Im Schatten junger Mädchenblüte) beendet habe (und auch ein paar hundert Seiten weit in den dritten Teil vorgestoßen bin), denke ich, dass es vielleicht Zeit ist für eine kleine Zwischenmeldung.

    Der Roman ist zwischen 1913 und 1927 erschienen und umfasst einige tausend Seiten, könnte man sagen, wenn es denn wirklich ein Roman ist. Vielleicht ist es auch eine Sozialstudie des Frankreich vom Ende des 19. Jahrhunderts oder eine psychologisierende Dauerintrospektion oder ein philosophischer Entwurf oder ein retrospektives Tagebuch. Trotz der gigantischen Länge ist die Handlung nicht der Rede wert. Der Ich-Erzähler, Marcel mit Namen, erzählt ein bisschen von seiner Beziehung zu seinen Eltern und sonstigen Leuten, davon, wie er sich verliebt und andere sich verlieben, von Kunst und Literatur, von einem Sommer am Meer und so weiter und so weiter. Und irgendwann (man hat vielleicht gerade mal ein paar hundert Seiten geschafft) fragt man sich: Warum lese ich das eigentlich? Es ist mühsam (auch mal ermüdend) und anstrengend. Allein die Länge der Sätze verlangt einem alles ab. Normales Lesen ist das nicht mehr, sondern auch Konzentrationstraining, Meditation und eine prima Übung im „Loslassen“.

    Neben diesen „sekundären Vorzügen“ hat der ‚Roman‘ aber auch primär-literarische. Immerhin ist Proust kein übler Formulierer und irgendwann ist man dann auch verwoben in diese Welt, die Figuren, die Motive und Symbole und in das Geflecht der Assoziationen. Und was Proust an Gedankenreichtum entfaltet, hat locker mal galaktisches Ausmaß. Sollte ich eines Tages – das sehe ich voraus – mit dem ganzen Ding fertig geworden sein, wird sich eine tiefgraue Ödnis in mir ausbreiten, eine Lücke und Leere, die sich nicht anders schließen lässt als dadurch, von vorn anzufangen.

    Fünf von fünf Sternen.


    ASIN/ISBN: 3518468308

  • Hallo, tortich.


    Wie bei so vielen steht Prousts opus magnum auch bei mir un-/angelesen im Regal, aber ich bekomme jetzt echt Lust darauf, mal einen längeren Blick hineinzuwerfen.


    Und irgendwann (man hat vielleicht gerade mal ein paar hundert Seiten geschafft) fragt man sich: Warum lese ich das eigentlich? Es ist mühsam (auch mal ermüdend) und anstrengend.

    Ganz genau so geht es mir übrigens auch gerade, aber mit einem anderen Buch, nämlich diesem hier. Ich bin so gut wie durch, obwohl ich mehrfach der Kapitulation nahe war, und ich bin mir sicher, zusammengerechnet bestenfalls ein Drittel auch nur annähernd verstanden zu haben. Sätze zum Niederknien und von brillanter Weisheit ("Denken und Handeln sind nicht das gleiche; der Wind weiß das.") wechseln sich mit eskapistischem Unsinn ab, und mit Absätzen, die nichts weiter als Fremdwörtersammlungen zu sein scheinen.


    Der Versuch einer Rezi wird folgen.

    ASIN/ISBN: 3518461451

  • Hach ja.

    Ich träume ja seit Jahren davon, eines Tages irgendwo in Südfrankreich am Meer zu sitzen und wochenlang nichts zu tun als Proust im Original zu lesen. Das ist für mich der Inbegriff von Idylle.

    Vermutlich heißt das aber, dass ich Proust nie lesen werde, weil ich weder wochenlang Zeit habe noch mein Französisch in diesem Leben gut genug werden wird.

    Hach ja.


    Ich habe es auch als Hörbuch auf deutsch, mit ca. 70 Stunden, glaube ich, aber ich vermute, dass das nicht funktioniert. Jedenfalls nicht wie andere Hörbücher, die ich beim Joggen laufen lasse oder so. Vielleicht, wenn ich mal krank sein sollte und wochenlang liegen muss. Oder so. Aber das hoffe ich ja gerade nicht.

  • Das hat viel Lob bekommen. Und ich hatte mich geirrt, es waren nicht 70, sondern 156 Stunden. Ich habe es mir im Audible-Abo runtergeladen, da war es - glaube ich - in 8 Teile oder so aufgeteilt. Naja, wenn ich mal in Rente bin oder so.


    Rezensionsnotiz zu Neue Zürcher Zeitung, 20.10.2010

    Vorsicht akute Suchtgefahr!, warnt uns Christiane Zintzen dieses Proust-Hörgenuss, eingelesen von Peter Matic. Auch weil Zintzen die "Suche nach der verlorenen Zeit" zu den bekanntesten nicht gelesenen Werken der Weltliteratur zählt, kommt ihr die diskrete Meisterschaft Peter Matic' im Umgang mit der Proustschen Syntax mehr als gelegen. Doch auch als "Steigeisen" zum Einstieg in das Mammutwerk scheint ihr das nun abgeschlossene, insgesamt 156 Stunden umfassende CD-Paket geeignet. Retour bekommt die Rezensentin, so im gerade ausgelieferten letzten Teil der "Wiedergefundenen Zeit" (19 Stunden), ein erstaunlich selbstironisches Sittenbild der Pariser Aristokratie um 1914. Also auf zum Zeitverlust mit dieser Edition!

    Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.10.2010

    "Prächtig", "aristokratisch" - Wolfgang Schneider findet kaum Worte, um seine Begeisterung für dieses von Peter Matic eingelesene Hörbuch zu Marcel Prousts Roman "Die wiedergefundene Zeit" zu beschreiben. In diesem Band, der das "bedeutendste Hörbuchprojekt der letzten Jahre" beschließe, zeige Matic alle Facetten rezitierenden Könnens: Prousts Ausbrüche zwischen "Distinktion und Dekadenz" bringe er genau auf den Punkt, "individuelle Sprachmanieren" werden treffend wiedergegeben, und immer wieder erzeuge Matic eine strahlende Komik. Einzig Prousts parodistische Passagen von "schwülstigen Beschreibungsorgien" findet der Rezensent zu "trocken" vorgelesen. Nichtsdestotrotz erhofft sich Schneider für dieses imposante, 160 Stunden dauernde Hörwerk die verdiente Resonanz.

    Lesen Sie die Rezension bei buecher.de


    Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 24.08.2010

    Feierlich vermeldet Alexander Kissler den Abschluss der Hörbuchfassung von Marcel Prousts "Auf der Suche nach der verlorenen Zeit", sage und schreibe 156 Stunden und 20 Minuten auf 128 CDs (Die "Wiedergefundene Zeit" allein bringt es auf neunzehn Stunden auf 15 CDs). Dabei würdigt er Peter Matic, der dieses monumentale Werk über die Zeit vor dem Hintergrund des Ersten Weltkrieges eingelesen hat, für seine Genauigkeit und, angesichts der enorm verschachtelten Sätze Prousts, für seine bewunderungswürdig konzentrierte Vortragsart. Kissler demonstriert dies anhand eines langen Satzes, indem er sämtliche Lesepausen mitnotiert, und er freut sich an der "noblen Geschmeidigkeit", mit der Matic liest. Und so findet der begeisterte Rezensent, dass diese Hörbuchfassung dem großen Roman über die "verlorene Zeit" wunderbar gerecht wird.