Gründe für und wider Kleinstverlag

  • Ein Teil von mir sträubt sich dagegen, in einem Kleinstverlag zu veröffentlichen. Selbst, wenn die Qualität des Produkts akzeptabel wäre, bleibt da immer noch die Frage nach den Möglichkeiten der Distribution.


    Ist es nicht so, dass der Zwischenbuchhandel ein entscheidender Faktor beim Vertrieb ist? Hätte ein Kleinstverlag da überhaupt Zugriff drauf, bzw. die entsprechenden Beziehungen? Was ist der große Unterschied zwischen Selbstverlag heutzutage und der Veröffentlichung in einem Kleinstverlag, abgesehen von der finanziellen Vorleistung, bzw. dem finanziellen Risiko? Wie kann man erkennen, ob ein Kleinstverlag mehr ist als nur ein Hobbyprojekt, sondern vielmehr der Start eines ambitionierten Kleinunternehmens?


    Ich hoffe, ihr versteht, worauf ich hinaus will?

  • Hallo, Silke.


    Ich stehe für einen Freund (kein Witz) gerade vor der gleichen Entscheidung. Sein ambitioniertes und m.E. sehr gelungenes Projekt wurde wohlwollend von den Programmleitungen der größeren Verlage zur Kenntnis genommen, aber durch die Bank abgelehnt. Es ist zu abseitig, auch ein bisschen zu düster und zu politisch, verfehlt zu sehr die Erwartungen, passt nicht genau in die Nische, zu der es sich zählt. Jener Freund gibt viel auf meine Ratschläge, und es geht jetzt darum, wie man weiter verfährt. Lassen? Kleinere Verlage? Selfpublishing?


    Wir sind tendentiell auf dem Weg zum Kleinverlag, aber Kleinverlag ist nicht Kleinverlag. Es gibt echte One-Person-Shows, deren Betreiber sogar die (dann in aller Regel erschütternde) Gestaltung der Titel mitübernehmen, und bei solchen Verlagen darf man nur wenig bis nichts erwarten. Die haben möglicherweise einen eigenen Online-Shop, bedienen auch die Versender (meistens dann als Marktplatzteilnehmer), und es gibt vor Ort sogar ein, zwei Buchhandlungen, die aus Freundlichkeit oder Freundschaft zum Eigentümer, Geschäftsführer und einzigem Mitarbeiter in Personalunion ein paar Titel aus dem Sortiment ins Regal stellen, aber unterm Strich ist das natürlich nahezu wertfrei. Und dann gibt es alle Abstufungen von Betriebsgrößen, bis hoch zum unabhängigen Publikumsverlag mit ordentlicher Reichweite. Aber wenn Du "Kleinstverlag" schreibst, meinst Du wahrscheinlich die One-Man-Buden, unter denen es sicher auch einige gibt, die sehr stark vernetzt sind, die Barsortimenter beliefern bzw. (noch) bei denen gelistet sind (allerdings haben der KNV-Nachfolger und Libri Ende 2019 ihre Lager verkleinert und dabei vor allem Klein- und Kleinstverlagssortimente ausgelistet), aber die meisten krautern ganz schön vor sich hin, und sie leben davon, dass die Autoren ihr Umfeld dazu bringen, die Titel zu kaufen. Es gibt höchstens Regionalpresse, aber auch qualitativ ist das manchmal eher nicht so gut, um es nett zu sagen. Man sieht den Titeln an, wo sie herkommen, und man liest es ihnen auch an. Ich würde da eher zum Selfpublishing greifen, wenn es nur noch diese beiden Alternativen gäbe. Damit tut man möglicherweise einigen unrecht, aber der Mehrheit nicht.


    Bei den Verlagen "dazwischen" sieht es ganz anders aus. Die etwas größeren Kleinverlage, die also mehr als nur einen Mitarbeiter haben, arbeiten echt arbeitsteilig, kaufen Dienstleistungen hinzu, bemühen sich um wertige Ausstattung, kennen auch einige Blogger und ein paar Leute bei der Presse usw. Ich bin mit/für meinen/m Freund hier auf der Suche.

  • Wie kann man erkennen, ob ein Kleinstverlag mehr ist als nur ein Hobbyprojekt, sondern vielmehr der Start eines ambitionierten Kleinunternehmens?

    Was ich darüber aus anderen Foren gehört habe, ist Folgendes:

    Sie sollten zumindest aufweisen:

    - eine professionell gemachte Webseite

    - eine umfassende und ebenfalls professionelle social media-Präsenz

    - sehr gute Kontakte zur (zumindest örtlichen) Presse

    - da wahrscheinlich kein Anschluss an Barsortimente besteht, ein (sehr) gutes Ranking ihrer schon veröffentlichten Bücher bei Amazon

    - entsprechende Aktivitäten wie Teilnahmen an Messen usw.

  • Ist es nicht so, dass der Zwischenbuchhandel ein entscheidender Faktor beim Vertrieb ist? Hätte ein Kleinstverlag da überhaupt Zugriff drauf, bzw. die entsprechenden Beziehungen?

    Tom hat das schon ausführlich und gut ausgeführt. Zugriff hat jede Buchhandlung auch auf die Bücher des allerkleinsten Winzverlages, WENN die im VLB gelistet sind. Das bedeutet aber noch nicht viel, denn es heißt nicht, dass die Buchhandlung diese Bücher überhaupt bemerken. Mitnichten lernen die das VLB auswendig. Ein Kunde, der ein solches Buch bestellt, bekommt es geliefert, sicher nur in seltenen Fällen über Nacht, denn die Barsortimenter legen die sich nicht auf Lager. Wenn überhaupt der Kleinstverlag mit denen zusammenarbeitet. Dann muss der Buchhändler direkt beim Verlag bestellen und in solchen Fällen bestellt der Kunde besser direkt über den Verlag. Aber da lauert schon das nächste Problem: Der Kunde muss das Buch im Blick haben, er muss auf irgendeine Weise darüber gehört oder erzählt bekommen haben, und da ist die Reichweite der Autorinnen und Autoren, so gering sie ist, oft noch größer als die der Verlage.

    BLOG: Welt der Fabeln


    Die schönsten Schlösser und Burgen in Oberbayern und Bayerisch-Schwaben

    ASIN/ISBN: 3831335559


    Verengung des freien geistigen Horizontes ist eine Gefahr in Zeiten des Massenkultes.
    Emanuel von Bodmann


  • Danke euch beiden. Das hilft mir schon mal sehr weiter!


    Bei mir sieht es momentan so aus, dass mein MS wohl qualitativ absolut in Ordnung ist, die Publikumsverlage den Stoff aber nicht anrühren, weil es nicht den derzeitigen Trends entspricht. 10 Jahre möchte ich nicht abwarten .... Jetzt werde ich also statt Agenturen eigenständig noch einen (mittelgroßen) Verlag anschreiben, wo es ins Programm passen würde (laut Agentin ist die Bezahlung allerdings so schlecht, dass es sich nicht lohnt, einen Agenten zwischenzuschalten - nun gut), aber natürlich ist es nicht unwahrscheinlich, dass auch dort eine Absage kommt.


    Dann also eine Stufe runter - Kleinstverlag oder SP. Ich habe als Marketing-Praktikantin vor vielen, vielen Jahren ein paar Erfahrungen im ersteren Bereich sammeln dürfen - es war deprimierend und mühselig, für das eine Buch, das wir herausgebracht haben, die Werbetrommel zu rühren, auch wenn es ein richtiges schönes populärwissenschaftliches Sachbuch war mit tollen Fotos usw. Egal.


    SP-Erfahrung besteht ebenfalls, aber da ist mir natürlich auch klar, welch Vollzeitjob die Vermarktung ist, und eigentlich habe ich da auch gar keinen Bock drauf. Andererseits, es ist kaum zu erwarten, dass ein Verlag mehr tut, als das Buch auf den Markt zu werfen, oder? Die stecken ihre Marketing-Dollars doch gewiss eher in ihre Publikumslieblinge.


    Schwer zu entscheiden, was der beste Weg ist. Es fühlt sich an, wie ein Pokerspiel.


    Kerstin eine sehr hilfreiche Liste, ich danke dir!

  • - da wahrscheinlich kein Anschluss an Barsortimente besteht, ein (sehr) gutes Ranking ihrer schon veröffentlichten Bücher bei Amazon

    Das ist vermutlich reines Wunschdenken. Kleinstverlage können bei Amazon eher nicht an ein sehr gutes Ranking kommen. Wie denn auch? Dazu müssten schon sehr viele Bücher über diese Platform verkauft werden. Solche Ratschläge aus Foren sollten eher mit Vorsicht genossen werden.

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  • Hallo Silke,


    ich habe meinen ersten Roman bei einem Kleinstverlag unterbringen können. Ambitionierter und sehr rühriger Verleger, aber kaum Einnahmen durch Buchverkäufe wegen geringer Werbung. Aber natürlich auch keine eigenen Kosten. Für mich war das so eine Art "Türöffner" und ich würde den Verlag jedem Idealisten, für den das Honorar keine Rolle spielt, sofort empfehlen. Aber wenn Du bereits veröffentlicht hast, dann ist das eine ganz andere Entscheidung. Ich war damals einfach glücklich, dass ich überhaupt einen Verlag gefunden hatte, was ja bei einem ersten Roman und damals noch ohne Agentur gar nicht so einfach ist.

  • Das ist vermutlich reines Wunschdenken. Kleinstverlage können bei Amazon eher nicht an ein sehr gutes Ranking kommen. Wie denn auch? Dazu müssten schon sehr viele Bücher über diese Platform verkauft werden. Solche Ratschläge aus Foren sollten eher mit Vorsicht genossen werden.

    Was ich meinte, ist: Irgendwo muss die Sichtbarkeit ja herkommen. Wenn man die Bücher also weder im (örtlichen) Buchhandel findet noch den Verlag auf einer Messe, noch regelmäßige Hinweise auf Neuveröffentlichungen in verschiedenen Presseerzeugnissen, und die Bücher dann auch auf Amazon nicht sichtbar sind, dann spricht das eher gegen eine Veröffentlichung im Kleinstverlag, so man sein Buch auch verkauft sehen möchte. Das war also kein Ratschlag, sondern lediglich eine Auflistung zur Entscheidungsfindung, ob man so veröffentlichen möchte oder nicht.

  • Für mich war das so eine Art "Türöffner" und ich würde den Verlag jedem Idealisten, für den das Honorar keine Rolle spielt, sofort empfehlen.

    Das ist eine weitere Frage, die ich habe.


    Inwiefern ist die Verlagsveröffentlichung, gleich wie groß der Verlag, ein Türöffner für weitere Veröffentlichungen?


    Zu mir: Ich habe in meiner Vita eine Veröffentlichung in einem Publikumsverlag aufzuweisen, aber es ist ein Sachbuch. Ansonsten nur Veröffentlichungen als Übersetzerin im Sachbuchbereich.


    Wäre es ein entscheidender Unterschied für Roman Nr. 2, würde Nr. 1 in einem Verlag erscheinen anstatt unter SP? Oder wäre es irrelevant, bei der nächsten Verlags/Agentursuche angesichts der bisherigen, nicht ganz so relevanten Veröffentlichungen?

  • Was ich meinte, ist: Irgendwo muss die Sichtbarkeit ja herkommen. Wenn man die Bücher also weder im (örtlichen) Buchhandel findet noch den Verlag auf einer Messe, noch regelmäßige Hinweise auf Neuveröffentlichungen in verschiedenen Presseerzeugnissen, und die Bücher dann auch auf Amazon nicht sichtbar sind, dann spricht das eher gegen eine Veröffentlichung im Kleinstverlag, so man sein Buch auch verkauft sehen möchte. Das war also kein Ratschlag, sondern lediglich eine Auflistung zur Entscheidungsfindung, ob man so veröffentlichen möchte oder nicht.

    Genau so habe ich es auch verstanden. ;)

  • (laut Agentin ist die Bezahlung allerdings so schlecht, dass es sich nicht lohnt, einen Agenten zwischenzuschalten - nun gut

    Isso. Selbst bei höheren Provisionen, also zwanzig Prozent und mehr, sind das zwanzig und mehr Prozent von Verträgen ohne nennenswerte Garantiezahlungen und mit schmalen Tantiemenanteilen, wenn anderthalb Jahre nach Abschluss die fünf bis sieben Prozent von fünf-, im extremen Erfolgsfall achthundert verkauften Exemplaren eintreffen. Nämlich so um die hundertzwanzig Euro.

  • Hallo Silke,


    ich hatte vor meinem ersten Roman schon jede Menge "Veröffentlichungen" als freie Journalistin (zehn Jahre für verschiedene Tageszeitungen, Online-Magazine etc.), aber ich vermute, die zählen im Verlagswesen wenig.


    Ob so eine Veröffentlichung im Kleinstverlag für jeden ein Türöffner ist, kann ich leider auch nicht sagen. Für mich wars einer, allerdings habe ich danach auch angefangen, mit einer Agentur zusammenzuarbeiten. Übrigens schreibe ich selber nach wie vor mehr Sachbücher als Belletristik.:) Das kann gut nebeneinander funktionieren, ist zumindest meine Erfahrung.

  • Was ich meinte, ist: Irgendwo muss die Sichtbarkeit ja herkommen. Wenn man die Bücher also weder im (örtlichen) Buchhandel findet noch den Verlag auf einer Messe, noch regelmäßige Hinweise auf Neuveröffentlichungen in verschiedenen Presseerzeugnissen, und die Bücher dann auch auf Amazon nicht sichtbar sind, dann spricht das eher gegen eine Veröffentlichung im Kleinstverlag, so man sein Buch auch verkauft sehen möchte. Das war also kein Ratschlag, sondern lediglich eine Auflistung zur Entscheidungsfindung, ob man so veröffentlichen möchte oder nicht.

    Nun ja, Sichtbar auf Amazon ist man, wenn dort das Buch gelistet ist. Das Ranking aber wird durch solch eine Sichtbarkeit nicht beeinflusst, sondern ausschließlich durch Käufe, und das auch nur kurzzeitig. Bleiben Käufe aus, geht auch die Rankingposition wieder zurück. Insofern nützt eine reine "Sichtbarkeit" bei Amazon überhaupt nichts. Tatsächlich gibt es Kleisntverlage, die sich hüten, bei Amazon gelistet zu werden, weil deren Bedinungen gerade für kleine Verlage unterirdisch sind. Einfach nur bei Amazon gelistet sein bringt überhaupt nichts für den Verkauf. Ein aktiver Kleinstverlag, der alle anderen Möglichkeiten nutzt, um seine Bücher auch tatsächlich an Leser zu bringen, ist oft erfolgreicher damit, als durch das Listen bei Amazon.


    Amazon wird gerade von Autoren viel zu sehr überschätzt.

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  • https://www.dsfo.de/dsfopedia/index.php/Verlagsliste


    Liste mit kleinen, mittleren, unabhängigen Verlagen.

    Sehr schöne Zusammenstellung.


    Die unabhängigen Verlage finde man auch bei der Kurt Wölff Stiftung. Der jährliche Katalog ist sehenswert.

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  • Ich habe einen ganz bestimmten Kleinstverlag im Sinn. Habe soeben erfahren, dass sie noch nicht einmal Bücher auf Lager halten. Wenn die Bestellung also schon Tage in Anspruch nimmt, weil das Buch erst noch gedruckt werden muss ... naja, also ich weiß nicht, wo da noch der Vorteil für mich liegt.


    Hat jemand Erfahrung mit Tredition?


    Danke für die Liste tortitch

  • Ein Kleinstverlag, der keine Bücher auf Lager hat sondern sie erst "on Demand" drucken lässt, muss schon einiges an Marketing für seine Autoren und Bücher aktiv zeigen, sonst kann man auch gleich zu BoD oder tredition o.ä. gehen. Für Autoren bleibt dann jedenfalls unterm Strich mehr vom Verkauf eines Buches übrig.

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  • muss schon einiges an Marketing für seine Autoren und Bücher aktiv zeigen

    Nicht zu vergessen Redaktion und Ausstattung.