Susanne Kristek: Nur die Liege zählt

  • Sternstunden der Belanglosigkeit


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    Keine Ahnung, was Elke Heidenreich dafür gezahlt wurde, dass sie über dieses Buch die Behauptung „Das ulkigste Buch des Jahres“ von sich gab und auf selbiges zu drucken gestattete. Möglicherweise hatte sie das Adjektiv „ulkig“ aber auch in jener Konnotation im Sinn, wie das bei meiner Mutter der Fall war, wenn sie über unseren Nachbarn, den schrulligen Herrn Schulz, seinerzeit sagte, dass der „irgendwie ulkig“ wäre. Nach seinem Tod wurden im schulzschen Garten Katzengräber gefunden – die Gräber jener Katzen, die während der vergangenen Jahre auf rätselhafte Weise in der Gegend verschwunden waren. Schon ulkig.


    Ulkig im Sinne von amüsant, gar lustig, ironisch oder die Laune erhellend ist an „Nur die Liege zählt“ – abseits von Ausstattung und Titel – tatsächlich keine einzige Zeile. Die österreichische Endvierziger- und Bloggerin Susanne Kristek erzählt tagebuchartig von ihren belanglosen, austauschbaren Erlebnissen während eines zweiwöchigen All-inclusive-Cluburlaubs in Thailand, der rund um den Jahreswechsel 2019/2020 stattgefunden hat. Die Autorin, die sich in Begleitung von Ehemann und Kind befand, ist kulturell so interessiert wie eine Zaunlatte, trägt eine ganze Wagenladung Vorurteile mit sich herum, ist sich für kein Klischee zu schade und erzählt auf diesen knapp 200 unfassbar zähen Seiten von lahmen Geschehnissen, die sie als Sensationen feiert – etwa der Tatsache, dass am großartigen Buffet nahezu keine örtlichen Spezialitäten zu finden sind, dass alle ausnahmslos deutsch sprechen, dass die Guides auf der Massen-Ausflugstour so nett sind, dass der supertolle Schlagersänger Sasha am Nachbartisch sitzt und man auf dem örtlichen Markt (den man nur aufsucht, um sich auch eine nachgemachte Louis-Vuitton-Tasche zu kaufen) haufenweise andere Touristen kennenlernt, mit denen man dort Daiquiris trinken kann, eine traditionelle thailändische Spezialität. Und danach kauft man dann noch rasch irgendeine Produktfälschung und tut so, als hätte man mit dem bisschen Trinkgeld mindestens aktive Hilfe geleistet, eigentlich aber das gesamte Land gerettet. Das einen nicht die Bohne interessiert.


    Anfangs habe ich am Ende der ermüdenden und leider auch noch schlecht erzählten, vollständig substanzfreien Episoden auf die Pointe gewartet, auf den ironischen Bruch, gar auf Sarkasmus oder wenigstens Selbstironie, von der es im gesamten Text höchstens ein halbes Mikromolekül gibt. Bis mir aufging, dass die Autorin das alles ernst meint, dass sie es toll findet, mit mediokren Teutonen das Liegenreservierspiel zu spielen, oder – neuntausend Kilometer von zu Hause entfernt - am täglichen, natürlich deutschsprachigen „JeKaMi“-Quiz teilzunehmen, oder im „Club-Reisebüro“ noch einen dämlichen Ausflug zu buchen, bei dem sich Pauschaltouristen gegenseitig auf die Adiletten trampeln und die wichtigste Frage die nach der nächsten sauberen Toilette ist, während man Landschaft oder Bevölkerung höchstens so viel Beachtung schenkt wie den Moskitos. Dieses Buch feiert den tumben Massentourismus, der sich um ökologische, kulturelle, politische und soziale Aspekte nicht schert, und ganz folgerichtig erfahren wir, dass die zweitliebste Reiseart der Autorin Kreuzfahrten sind.


    Als wäre das aber alles noch nicht haarsträubend genug, streut Susanne Kristek Whatsapp-Dialoge zwischen die Kapitel, die sie mit einer daheimgebliebenen Freundin führt, die per Tinder auf der Suche nach erotischen Erlebnissen ist. Diese Dialoge sind in etwa so originell und amüsant wie Urteilsbegründungen in Amtsgerichtsprozessen. Daheimgebliebene Freundin: „Ein 2,05 Meter großer Mann will mich im Auto daten. Ich mein, geht’s noch?“ Autorin: „Es ist Jänner. Was will der im Auto machen? Eis kratzen?“ Zum Brüllen, gell?


    Ich habe dieses Buch gekauft (und, ja, gelesen), weil es als eine Art Methadon für die zwangsweise Urlaubsabstinenz unglaublicherweise in einer Literatursendung empfohlen wurde. Mag sein, dass hier die Ironie zu finden gewesen wäre, nach der ich die ganze Zeit gesucht habe. Jedenfalls werde ich diese Sendung fortan meiden. Und alles, was Susanne Kristek schreibt, ohnehin.


    ASIN/ISBN: 3903184616